Caroline Pichler - © Foto: Bildarchiv der ÖNB (Bildbearbeitung: Rainer Messerklinger)

Eine Frau ist eine Frau ist eine Frau

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Ihr literarischer Salon war berühmt, als Autorin war sie sehr produktiv. Die Stadt Wien erinnert mit „Autorinnen feiern ­Autorinnen“ an Caroline­ Pichler. Auszug aus der Festrede am 12. September im Wiener Rathaus.

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Ihr literarischer Salon war berühmt, als Autorin war sie sehr produktiv. Die Stadt Wien erinnert mit „Autorinnen feiern ­Autorinnen“ an Caroline­ Pichler. Auszug aus der Festrede am 12. September im Wiener Rathaus.

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„Ich konnte die Männer weder hassen noch verachten und noch viel weniger beneiden. Ich fühlte mich überzeugt, dass der notwendige Geschlechtscharakter und die Einrichtungen in der physischen wie in der moralischen und bürgerlichen Welt uns die untergeordnete Rolle mit Recht angewiesen hatten; ich konnte es mir nicht verhehlen, dass nicht allein in Künsten und Wissenschaften, sondern selbst in den ganz eigentümlichen weiblichen Beschäftigungen wie Kochen, Schneidern, Sticken die Männer, wenn sie sich darum annahmen, doch immer die Leistungen unseren Geschlechts weit hinter sich ließen.“ („Denkwürdigkeiten“)

Ja, das Frauenbild Caroline Pich­lers ist auf den ersten Blick ein konservatives. Auch auf den zweiten Blick. Man muss schon den dritten und vierten Blick haben, um es zu verstehen. Aber so ist es ja oft im Leben und in der Literatur. Und was können wir vom Leben und der Literatur mehr verlangen, als es / sie zumindest teilweise zu verstehen?
Die Frau, die ausdrücklich die Frau in der untergeordneten Rolle sehen will, hat in ihrem Leben nicht nur sechzig Bücher verfasst, sondern diese auch unter ­ihrem eigenen Namen herausgegeben, was im ausgehenden 18. bis Mitte des 19. Jahrhunderts durchaus nicht üblich war, und sie hat mit der Literatur darüber hinaus ­sogar höchstwahrscheinlich ­ihre ganze Familie ernährt. Außerdem hat sie einen bedeutenden Salon betrieben und ­Konversation mit hervorragenden Personen aus Literatur, Malerei, Musik und Wissenschaft geführt und in Gang gehalten. Sie hat nur eine Tochter aufgezogen und viele Jahre lang ohne ihren Mann den Sommer für Wochen mit ihren schreibenden Freundinnen in Ungarn verbracht. Sie ist mehrmals allein nach Prag zu ihrer erwachsenen Tochter gereist, damals eine Unternehmung von drei oder vier Tagen. Den Kriegsgefahren gegenüber war sie, auch wenn die Kampfhandlungen an sie heranrückten, furchtlos. Ebenso der damit einhergehenden und um sich greifenden Cholera. Und sie war stolz. Bereits als junges Mädchen wehrte sie sich gegen jede Opferrolle, als ihre erste Verbindung in die Brüche ging.

Keine verlassene Dido

„Von jeher fand ich es erbärmlich, die Didone abbandonata zu spielen, in Liedern und Klagen der Welt zu vertrauen, dass ein Wankelmütiger mir eine andere vorgezogen hatte, und ebensowenig konnte ich damals mit zwanzig Jahren, sowie jetzt mit mehr als siebzig, in die Jeremiaden so vieler meiner Schwestern, und unter diesen namentlich vieler Dichterinnen, über die Gefühllosigkeit, den Leicht- und Flattersinn oder die Rohheit des männlichen Geschlechts einstimmen.“ („Denkwürdigkeiten“)
Sie musste am Ende auch noch die Verlobung selbst auflösen, nachdem ihr Verlobter so tat, als wäre nichts gewesen. Und sie zeigt Haltung. Aber diese Haltung verlangt sie auch von den Männern. „Und ich möchte alle meine ältern oder jüngern Schwes­tern fragen können, ob sie sich in dem natürlichen Verhältnisse von Abhängigkeit und Unterordnung (nicht Erniedrigung und sklavischem Gehorsam) gegen ihre Männer nicht glücklich fühlen und an keine Emanzipation denken würden, wenn die Männer es verstünden, recht eigentlich Männer sein?“

Zur Gestaltung einer männlichen Hauptfigur, Ferdinand von Fahrnau, in ihrem Roman „Frauenwürde“ schrieb sie, dass er zwar ein wenig, aber auch nicht zu viel fehlgehen dürfe, da sie sonst die Liebe seiner Frau Leonore, zu der er nach einigen Verirrungen zurückkehrt, nicht glaubhaft darstellen könnte. Leonore würde nur einen würdevollen Mann lieben können. Und umgekehrt.

Denn, was die Rolle der Frauen betrifft, „[…] sollte aus diesem Roman hervorgehen, dass auch die glänzendsten Eigenschaften, Talente, Geistesschwung und Herzensgüte nicht hinreichend sind, ein dauerhaftes Glück zu begründen, sobald sie nicht von Achtung für die Pflicht und strenger Befolgung derselben begleitet sind.“

Das Gleiche gilt für ihre Romane „Leonore“ und „Elisabeth von Guttenstein“. Auch in ihren theoretischen Schriften weist sie immer wieder darauf hin, dass auch die geistvolle, schöpferische Frau in erster Linie Gattin und Mutter ist und somit den häuslichen Pflichten unterworfen, und erst in zweiter Linie dem Geist und der Kunst. Andererseits setzt sie sich nachdrücklich für die Bildung der Frauen ein. 1810 schreibt sie sogar einen Essay „Über die Bildung des weiblichen Geschlechts“. Aber die Bildung der Frau sollte kein Selbstzweck sein, sondern vor allem ihrer Rolle als Gesprächspartnerin ihres Mannes und der kompetenten Erziehung der Kinder dienen.

Damit lag sie allerdings ganz im Zeitgeist. Im 18. Jahrhundert wurden neue Forderungen an die weibliche Bildung gestellt. Ihre Vertreter waren Jean-Jacques Rousseau, Joachim Heinrich Campe, Johann Heinrich Pestalozzi und Friedrich Schleiermacher. Hauptinteresse dieser Bewegung ist aber nach wie vor Frauenbildung zum Wohle des Ehemanns und der Kinder. Was ja wieder nicht verwundern kann. Denn welche Einnahmequellen hätten von Männern unversorgte Frauen denn gehabt, außer Erzieherin oder Gouvernante zu werden?

Ausnahmen hat es immer gegeben. So ist eine gewisse ­Francesca Scanagatta zum Beispiel 1794 anstelle ihres Bruders Giacomo, der kein Interesse an der militärischen Laufbahn hatte, unter männlicher Identität in die Theresianische Militärakademie der k.u.k. Armee eingetreten. Sie lebte naturgemäß nicht in der Kaserne, sondern bei Freunden der Eltern in Wiener Neustadt und machte die zweieinhalbjährige Ausbildung extern. Nur ihre Eltern waren eingeweiht. Im Jänner 1797 schloss sie die Ausbildung erfolgreich als Fähnrich ab. Aus Angst, entdeckt zu werden, wechselte sie in der Folge mehrmals die Regimenter. Nach Kampfhandlungen des 2. Koalitionskrieges nahe Genua wurde sie zum Leutnant befördert.

Nach viereinhalb Jahren schied sie schließlich aus gesundheitlichen Gründen (bedingt durch das ständige Einschnüren des Oberkörpers) aus dem Militärdienst aus. Später heiratete sie einen Leutnant, hatte vier Kinder mit ihm und ist mit achtundachtzig Jahren in Mailand gestorben. Dieser Fall ist gut dokumentiert, wie ebenfalls ähnliche Fälle von ­Johanna ­Sophia Kettner, Gabriela Plarenzi und ­Katharina Marschall. Nikolaus Reisinger von der Universität Graz hat zu dem Thema geforscht, wie am 4. Februar 2019 im ORF zu hören war.

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