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Friedrich Funder

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Am 19. Mai 1959 starb Friedrich Funder im 87. Lebensjahr. Aus der publizistischen Speerspitze des Politkatholizismus vor dem Zweiten Weltkrieg war nach 1945 ein Geläuterter geworden.

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Am 19. Mai 1959 starb Friedrich Funder im 87. Lebensjahr. Aus der publizistischen Speerspitze des Politkatholizismus vor dem Zweiten Weltkrieg war nach 1945 ein Geläuterter geworden.

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Ein Grazer Bäckerssohn wird zu einem der einflussreichsten Journalisten Österreichs: in der Schlussphase der Monarchie als Berater des Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand und als Propagandist des Gründers der Christlichsozialen Partei, Karl Lueger. In der Zeit der Ersten Republik wirkt er als graue Eminenz des Prälaten-Kanzlers Ignaz Seipel, und während des autoritären Ständestaates findet sein Rat am Ballhausplatz auch bei den Kanzlern Engelbert Dollfuß und Kurt Schuschnigg ein offenes Ohr. Nach dem Zweiten Weltkrieg wird Friedrich Funder schließlich zum unumstrittenen Doyen der katholischen Publizistik in Österreich.

Als einen "Mann zwischen Gestern und Morgen" hat ihn seine Biografin Hedwig Pfarrhofer charakterisiert, und er selbst gab dem ersten Band seiner Autobiografie den Titel "Vom Gestern ins Heute". Diese lange Strecke ist Friedrich Funder immer geradlinig gegangen. Auch auf den Irrwegen.

Geboren wurde er 1872 in Graz. Ein Preissturz an der Wiener Produktenbörse führte zum Verlust des traditionsreichen Bäckerladens, und den siebenjährigen Friedrich Funder verschlug es schließlich nach Deutschland: Im Industrieort Löbtau, nahe Dresden, hatte der Vater einen Posten bei der "Chokoladenfabrik Lobeck & Cie." gefunden.

Sprachrohr des Thronfolgers

1887 kehrte die Familie nach Graz zurück, wo Funder das bischöfliche Knabenseminar besuchte. Er begann ein Theologiestudium, schließlich zog es ihn aber nach Wien, wo er Jus studierte und als Korrekturleser bei der Reichspost landete. Dort begann sein Aufstieg als Journalist: 1896 wurde er Redakteur, 1902 als 30-Jähriger Chefredakteur und schließlich zwei Jahre später auch Herausgeber.

Funder machte die Reichspost zum Zentralorgan der Christlichsozialen Partei mit ihrer charismatischen Leitfigur Karl Lueger. Ab 1905 wurde das Blatt auch zum Sprachrohr des Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand. Der Chefredakteur gehörte dem sogenannten "Belvederekreis" an. Diese Beratergruppe des Thronfolgers arbeitete an Reformkonzepten für die altersmarode Monarchie. Einer aus diesem Kreis war zum Beispiel der rumänische Publizist Aurel Popovici, der 1906 sein Buch "Die Vereinigten Staaten von Großösterreich" veröffentlichte. Um die Nationalitätenfrage im Vielvölkerstaat zu lösen, schlug der Autor eine bundesstaatlich organisierte Habsburgermonarchie vor, die aus 15 Nationalstaaten bestehen sollte …

Die Christlichsozialen standen als junge Partei in einem Mehrfrontenkampf: Die Deutschnationalen hatten die Liberalen abgelöst und agierten in ihrer Auseinandersetzung mit Kirche und Religion noch brachialer als ihre Vorgänger. Die Sozialdemokraten waren ebenso radikal "antiklerikal". Die Aufbruchsstimmung bei den sozialreformatorischen katholischen Rebellen füllte zwar die Kirchen, erfüllte aber den katholisch-konservativen Teil des Klerus mit tiefer Sorge. Auch der Verbandskatholizismus blühte damals. Schon in Graz war Friedrich Funder der CV-Verbindung "Carolina" beigetreten, in Wien nahm ihn die "Norica" auf, die später als Kaderschmiede der ÖVP bekannt werden sollte: Julius Raab, Hermann Withalm, Alois Mock wurden hier geprägt.

Lueger beeindruckte offensichtlich nicht nur die Massen mit Sprüchen wie: "In der Bibel steht, gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und nicht, gebt dem Rothschild, was des Rothschilds ist." Allerdings machte Friedrich Funder einen Unterschied zwischen christlichsozialen Antisemiten und solchen, die er "Nur-Antisemiten" nannte.

Indes taumelte die Monarchie in den Krieg. In der Frage des folgenreichen Ultimatums an Serbien nach der Ermordung des Thronfolgers im Juni 1914 war Funder voll Überzeugung auf Regierungslinie und damit auf Kriegskurs. Er kam dann auch an die Front - als Kriegsberichterstatter.

Mit dem Untergang des Habsburgerreiches brach auch für den Publizisten eine Welt zusammen. Er brauchte einige Zeit, sich mit der Republik abzufinden. Schließlich verbündete sich Funder eng mit Kanzler Ignaz Seipel, der zur dominierenden Persönlichkeit bei den Christlichsozialen geworden war. Für Seipel stand der Feind immer links, aber das war für den Reichspost-Chef lange Zeit kein Problem.

Der Publizistikwissenschafter Michael Schmolke hat einmal, etwas professoral verschnörkelt, gemeint, Friedrich Funder sei "nicht frei von einer gewissen Geneigtheit zu Strukturen bürgerlichen Totalitarismus'" gewesen. Das hat es ihm auch erleichtert, die ständestaatliche Verfassung vom 1. Mai 1934 zu begrüßen. Zudem aber war er beeindruckt vom neuen Österreich-Bewusstsein, das Kanzler Engelbert Dollfuß geweckt hatte. Und er sympathisierte mit der Ideologie des Ständestaates: die Österreicher als die besseren Deutschen mit einer besonderen "Sendung im Donauraum". Voll Idealismus bekannte er sich zu der Möglichkeit eines Neuaufbaus der Gesellschaft nach Grundsätzen der "Arbeiterenzyklika" Leos XIII. und zum Experiment einer berufsständischen Ordnung statt des Klassenkampfes.

Friedrich Funder aber war lernfähig. Und als bitterste Schule dieses Lernens erwies sich das entwürdigende KZ-Erlebnis. Gleich nach dem Anschluss wurde er am 13. März 1938 verhaftet. Er verbrachte mehr als eineinhalb Jahre in den Konzentrationslagern Dachau und Flossenbürg. Nach seiner Entlassung erhielt er Schreibverbot und war während des Krieges unter ständiger Gestapo-Kontrolle.

"Parteimäßig nicht gebunden"

1945 gründete Friedrich Funder die FURCHE. Die erste Nummer erschien am 1. Dezember. Und er, der immer kämpferisch - im wahrsten Sinne des Wortes - "Partei ergriffen" hatte, bekannte sich nun dazu, "parteimäßig nicht gebunden" zu sein. Er bejahte nach den Erfahrungen des Totalitarismus eine "gesunde Demokratie", wollte "autoritären Versuchungen, links wie rechts" widerstehen und hoffte durch ein "herzhaftes Christentum" auf eine innere Erneuerung, für die auch "der Respekt vor der redlichen Überzeugung des anderen" eine Voraussetzung war.

Das bedeutete in der journalistischen Praxis der neuen Wochenzeitung, dass die Sozialisten keine Feinde mehr waren. Das bedeutete aber auch, dass die FURCHE gegenüber der ÖVP eine gewisse Distanz wahrte. Vor allem, wenn es um eine mögliche Annäherung dieser Partei an rechte Gruppierungen ging. Der als Linkskatholik abqualifizierte FURCHE-Autor Friedrich Heer bezeichnete es einmal als "Lebenssünde der ÖVP", dass sie es nicht verstanden habe, "kritische Freunde positiv ernst zu nehmen, ja als Partner zu würdigen".

Friedrich Funder starb 1959. Seinem Nachfolger als Chefredakteur, Kurt Skalnik, hinterließ er ein Erbe, das bis heute in der FURCHE nachwirkt: einen unerschütterlichen Glauben an Österreich, die Überzeugung, dass dieses Österreich in Mitteleuropa auch unter geänderten Bedingungen eine Aufgabe hat - und das Wissen um die Bedeutung der Rolle eines offenen Christentums im öffentlichen Diskurs, also bei der Mitverantwortung für die geistige Entwicklung der Gesellschaft.

Der Autor war Chefredakteur der "Kleinen Zeitung" und FURCHE-Kolumnist

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