Genesis einer Ikone des Rechts

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"Die Berufung -Ihr Kampf für Gerechtigkeit": Am Internationalen Frauentag läuft hierzulande der Spielfilm über die heute 86-jährige US-Höchstrichterin Ruth Bader Ginsburg an.

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"Die Berufung -Ihr Kampf für Gerechtigkeit": Am Internationalen Frauentag läuft hierzulande der Spielfilm über die heute 86-jährige US-Höchstrichterin Ruth Bader Ginsburg an.

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Was in den USA die Zeit vor Weihnachten ist, hat hierzulande mit jener Ende Februar, Anfang März zu tun: In der einen werden Oscar-Kampagnen angestoßen, in der anderen sollen die eingeheimsten Trophäen ihre Werbewirksamkeit entfalten. Auch bei der biografischen Feierstunde "Die Berufung - Ihr Kampf für Gerechtigkeit" hätte man sich das wohl so vorgestellt, jedoch -keine Golden Globes, keine Academy Awards. Vielleicht wäre das im Jahr davor, unter dem Eindruck von #MeToo, anders verlaufen

So muss sich die dramatische Aufbereitung eines entscheidenden Moments in der Karriere von Ruth Bader Ginsburg, der verehrten wie verhassten Richterin am Obersten Gerichtshof, der kürzlich auch der Dokumentarfilm "RBG" gewidmet war (FURCHE 50/2018), allein auf eigene Werte verlassen.

Mimi Leders ("Das Glücksprinzip") Werk sucht sich dafür keinen der Fälle aus, die von ihr als Anwältin an ihrem heutigen Wirkungsort vertreten wurden. Stattdessen wählt er einen Zeitpunkt kurz davor, Anfang der 1970er, und spitzt ihn auf ihren ersten Auftritt in einem Gerichtssaal zu: Ihr Plädoyer muss ein rein männliches Richterkollegium davon überzeugen, dass Geschlechterdiskriminierung existiert. Das Unerwartete daran: Hier betrifft sie einen Mann. Ein Mr. Moritz pflegt seine Mutter, ist allerdings vom gesetzlichen Steuer-Absetzbetrag ausgeschlossen, weil der nur Frauen gewährt wird. Ginsburg übernimmt den Fall, weil dieser eine Stein, einmal weggenommen, das Potenzial hat, das ganze Gebäude ungleich stellender Regelungen zum Einsturz zu bringen.

Die Inszenierung genießt es, die damalige Situation und die gravierendsten der weit über 100 diskriminierenden Gesetze zu zerpflücken, etwa die Vorschrift, dass der Mann unterschreiben muss, wenn die Ehefrau eine Kreditkarte will. Abstruseres wie in Wisconsin, wo Frisörinnen Männern nicht die Haare schneiden durften, lässt sie sogar unerwähnt. Es sind eher die Stilmittel, mit denen sie er-und überhöht: akzentuierende Zeitlupen, der Drehwurm der begeisterten Studienanfängerin Ruth, der von der Realität eingeholt wird, oder die Hammerschläge der Schreibmaschine, die sich zum entscheidenden Wort ihrer Begründungsschrift vorarbeiten -sex, also Geschlecht. Was Ruth auf Anraten ihres geliebten Mannes Marty in gender ändert. Die Partnerschaft der Ginsburgs ist mit das Herz von "Die Berufung";"Moritz vs. Commissioner of Internal Revenue" war auch der einzige Fall, den die beiden gemeinsam verhandelten.

Drehbuch vom Neffen

Das Drehbuch, geschrieben von Daniel Stiepleman, einem Neffen der Ginsburgs, interessiert sich für die Impulse, wie der erfolgreiche Steueranwalt seine Frau neu motivierte, als sie z. B. trotz Höchstnoten bei keiner New Yorker Anwaltskanzlei eine Anstellung fand. Zugleich steckt immer wieder die persönliche Prüfung darin, der Diskriminierung seiner Frau entgegenzutreten, obwohl es persönliche Nachteile bringen konnte. Umgekehrt ist da die Unterstützung, die er von seiner "Kiki" erhält; umso seltsamer deshalb, wie sang-und klanglos Martys Krebserkrankung wieder vom Tisch ist.

Das auf denkwürdige Sager abzielende Dialogwerk steht unter Zeitdruck, wenn es durch die Studienjahre stürmt. Es hat sich ja zu allem auch noch vorgenommen, drei Generationen im Kampf für Frauenrechte zu vereinen: Ruth Bader Ginsburg, die ihn von der Rechtssprechung her angeht, ihre jugendliche Tochter, die dafür auf die Straße geht, und Dorothy Kenyon, die müde gewordene Ikone der vorigen Ära, in deren Rolle Oscar-Preisträgerin Kathy Bates einmal mehr die verschmitzte Mentorin herauskehrt. Sie ist eine der Nebenrollen, deren pure Anwesenheit einem das Herz aufgehen lassen soll; auf der Seite der Diskriminierungs-Verteidiger agiert z. B. Sam Waterston. Sie alle deklamieren sich absolut grundsolide durch dieses traditionell-herkömmliche Stück Kino. Gleiches gilt für Felicity Jones, die als Ruth Bader Ginsburg eine typisch filmische Einstellung entwickelt, wie es aussieht, wenn man sich letztlich nicht unterkriegen lässt und über die Hindernisse hinauswächst.

Reicht das als Würdigung? Vielleicht. Bahnbrechend ist es gerade nicht.

Die Berufung -Ihr Kampf für Gerechtigkeit (On the Basis of Sex) USA 2018. Regie: Mimi Leder. Mit Felicity Jones, Armie Hammer, Kathy Bates. Centfox. 120 Min.

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