Hundegger - © Foto: imago images / gezett

Barbara Hundegger: poetisch! politisch!

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Barbara Hundegger wurde soeben als erste Schriftstellerin mit dem Tiroler Landespreis für Kunst ausgezeichnet, eine bereits seit Langem fällige Anerkennung ihres herausragenden lyrischen Werkes.

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Barbara Hundegger wurde soeben als erste Schriftstellerin mit dem Tiroler Landespreis für Kunst ausgezeichnet, eine bereits seit Langem fällige Anerkennung ihres herausragenden lyrischen Werkes.

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Bei jedem neu erscheinenden Gedichtband von Barbara Hundegger konnte man annehmen, dieses Mal lege sie definitiv ihr Meisterwerk vor. Für jedes einzelne hätte sie nämlich, als „außergewöhnliche Einzelleistung“, diesen Preis verdient; nun wird ihr also, nach acht Buchpublikationen „in Anerkennung von hervorragenden künstlerischen Leistungen in den Bereichen Musik, Architektur und Literatur sowie Bildende Kunst und Darstellende Kunst“ der Tiroler Landespreis für Kunst zuerkannt, die höchste Auszeichnung, die das Bundesland Tirol seit 1984 jährlich an seine Künstler und Künstlerinnen vergibt. Sie erhält ihn als siebte Frau und erste Schriftstellerin (nach sechs Schriftstellern).

Aufgrund der Pandemie erfolgte die Überreichung privatissime durch Landesrätin Beate
Palfrader. Dass gerade bei der Preisverleihung an Barbara Hundegger die Öffentlichkeit ausgeschlossen bleiben musste, ist sehr bedauerlich. Wie kaum eine andere literarische Stimme ihrer Generation hat sie sich von Beginn an dem Zusammendenken von Poetik und Politik sowie dem Öffentlichmachen von Verborgenem und Unterdrücktem verschrieben.

Bereits der Titel ihrer ersten Publikation ist diesbezüglich programmatisch: „und in den schwestern schlafen vergessene dinge“ (Wieser 1998) fokussiert sich auf ein feministisch solidarisches Schreiben und ist mit einer Verbundenheit aufgeladen, die sich auf die Spuren dessen begibt, was nicht (mehr) offensichtlich und daher nicht in Sprache gefasst ist. Die Suche nach adäquaten ästhetischen Strategien wird zum Motor ihres Schreibens.

„Lyrik ist Dichten, Dichten die Fähigkeit, überflüssige Wörter gehen zu lassen und dadurch den Gehalt eines Textes zu vergrößern – Lyrik ist also das Gegenteil von Diät: ein Gedicht hat die Fähigkeit zuzunehmen vom Abnehmen.“

„desto leichter die mädchen und alles andre als das“ (Edition Das fröhliche Wohnzimmer 2002) – die zweite Publikation Hundeggers balanciert gekonnt im Zusammenspiel von Leichtem und Schwerem, äußerster poetischer Verdichtung und Konzentration und verschwenderischer Üppigkeit der Bilder. Es ist (noch) ein Spielen mit der Sprache, das nie ein Spiel um des Spieles willen ist, sondern immer das Private im Politischen poetisch mitdenkt /meint und umgekehrt.

Dies ist auch im Theaterstück „kein schluss bleibt auf der andern“ (Skarabaeus 2004) der Fall, das im Innsbrucker Stadtteil Wilten angesiedelt ist, wo sich auf engstem Raum ein Kloster, ein Frauenhaus und ein Bordell befinden. Barbara Hundegger greift oft auf Naheliegendes zurück, wie in diesem Fall geographisch, aber auch, was die Stereotype über Frauen und deren Unterdrückungsmechanismen betrifft. Sie klopft diese ab, dekonstruiert die gewohnten Sicht­ weisen durch eine leichte Drehung der Bedeutungen. So entstehen neue Realitäten des Bewusstseins, die jedoch nie „einzementiert“ sind, sondern immer offen bleiben und mehrdeutig.

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