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Wie Egon Schiele und sein Entdecker Arthur Roessler die Quadratur des Kreises schafften. Eine Ausstellung im Wien Museum gibt Einblick in den Kunstmarkt des beginnenden 20. Jahrhunderts.

Die Quadratur des Kreises ist seit einigen Jahrhunderten ein nettes Randproblem, dem sich Künstler immer wieder stellten. Der Streit darüber, ob dieses Unterfangen als rein formales Problem nun für alle Ewigkeiten bestehen bleibt, oder ob es sich in einer mathematisierten Kunstform lösen lässt, ist angesichts der Quadratur des Kreises im übertragenen Sinn abermals ein Randproblem. Diese zweite Form begann sich in der Romantik zu etablieren, als man künstlerisches Gelingen und äußeren Erfolg als Gegensatz zu begreifen begann; die Moderne erhob kommerziellen Erfolg und gesellschaftliche Anerkennung endgültig zu fragwürdigen Kategorien. Wie sollte eine Kunst, die revolutionär das Bekannte überwinden will, radikal neue Formen hervorbringt und in der jeder Künstler zu einer unverwechselbaren Handschrift gezwungen wird, in kurzer Zeit einem breiten Publikum verträglich erscheinen? Innerhalb dieser Rahmenbedingungen erzählt die Ausstellung im Wien Museum die Geschichte einer verworrenen Beziehung zwischen dem Künstler und seinem Mentor, die diese Quadratur des Kreises zu Wege brachten.

Kritiker Arthur Roessler ...

Die Protagonisten dieser Schau sind Arthur Roessler und Egon Schiele, ein ungleiches Paar, das sich gefunden, von einander profitiert, sich gestritten und voneinander mehr oder minder entfremdet hat, um sich postum wieder zu versöhnen. Der dreizehn Jahre ältere Roessler ist bereits ein angesehener Kunstkritiker, als er 1909 den erst neunzehnjährigen Schiele kennen lernt. Roessler, wohl mehr Autodidakt denn tatsächlich Student der Philosophie, Literatur und Kunstgeschichte an in- und ausländischen Universitäten, möchte eigentlich Schriftsteller werden. Ganz dem Zeitgeist verpflichtet verkündet er, dass er lebe, um zu schreiben und nicht schreibe, um zu leben. Alsbald merkt er allerdings, dass man zum Leben auch das nötige Kleingeld benötigt und schlägt eine beachtliche Laufbahn als Kunst- und Kulturjournalist ein. Als er 1905 von München wieder nach Wien übersiedelt, hat er sich bereits einen Namen gemacht und erweitert seinen Tätigkeitsbereich als künstlerischer Beirat der Galerie Pisko und geschäftlicher Leiter der Galerie Miethke. Seine Publikation über Ferdinand Georg Waldmüller wird zur richtungsweisenden Monografie des Biedermeiermalers und seine "Stimmung der Gothik" liefert ihm auch die inhaltlichen Anknüpfungspunkte zu den Malern des österreichischen Frühexpressionismus.

... vermarktet Egon Schiele

So sieht er eine Verbindung zwischen Schieles Kunst und der Gotik, die er von der griechischen Antike abhebt. Die Griechen hätten "nur schön gestaltet", die Gotik hingegen greife auch die Dimensionen von "Ernst" und "Leiden" auf. In polemischen Worten verteidigt er die von ihm protegierten Künstler Egon Schiele und Anton Faistauer aus dem Klimtkreis, die vom Akademielehrer Griepenkerl aus der Akademie geekelt worden waren, wenn er schreibt: "Weil ein Klimt-Kerl halt doch ein anderer Kerl ist als ein Griepenkerl." Neben Schiele und Faistauer gehören auch Rudolf von Alt, Albert Paris Gütersloh, Carry Hauser, Max Oppenheimer, Gustav Klimt, Adolf Hölzel und Otto Rudolf Schatz zu den wichtigen Künstlerfreunden, die Roessler auch fördert. Fehleinschätzungen, wie diejenige von Fritz Hegenbart, von dem er meint, die Natur bringe nur "ein, zwei, dreimal" in hundert Jahren einen derart "Großen" hervor, werden von den Vermittlungsleistungen, vornehmlich seines Einsatzes für Schiele, mehr als wettgemacht.

Bürgerschreck Schiele

Und Egon Schiele förderte er über dessen Tod hinaus. In der Doppelrolle als vermittelnder Agent und meinungsbildender Kommunikator sorgte er für Artikel über Schiele in wichtigen Zeitschriften, die mit dementsprechenden Reproduktionen die öffentliche Meinung beeinflussten. Mit Weitblick versuchte er auch den deutschen Markt für Schieles Werk zu gewinnen, wenngleich ihm die Quadratur des Kreises sehr wohl vor Augen stand, denn Schieles Arbeiten müssten "auf den Kunstphilister wie das rote Tuch auf den Bullen wirken" und er prophezeite: "Weder das Bürgertum noch die Aristokratie findet ihre Herzen durch Schieles Bilder bewegt, ihren Geist natürlich erst recht nicht, kaum die Sinne. Egon Schiele steht außerhalb der Gesellschaft', ein Einsamer, ein Eigener." Nicht zuletzt sorgt Roessler auch für Käufer in Wien, um so die permanente Geldnot von Schiele, der bezeichnenderweise "kein Kaufmann sein" wollte, zu lindern. Allerdings, je eigenständiger Schiele agieren konnte, umso mehr fühlte sich Roessler von diesem übervorteilt, was aber wiederum nur zum gleichlautenden Gegenvorwurf von Schiele führte. Ein Freundschaft ging so in Brüche. Erst nach dem Tod von Schiele erwies Roessler ihm durch seine drei in den frühen zwanziger Jahren veröffentlichten Monografien einen letzten Dienst. Letztlich haben die beiden die Quadratur des Kreises geschafft, künstlerisches Gelingen auf höchstem Niveau und breite gesellschaftliche Anerkennung gehen Hand in Hand - wenngleich mit einigen Jahrzehnten Verspätung.

Schiele und Roessler

Der Künstler und sein Förderer,

Kunst und Networking im

frühen 20. Jahrhundert

Wien Museum, Karlsplatz, 1040 Wien

Bis 10. Oktober Di-So und feiertags 9-18 Uhr.

Katalog: Natter Tobias, Storch Ursula (Hgg.), Schiele und Roessler. Der Künstler und sein Förderer, Kunst und Networking im frühen 20. Jahrhundert,

Ostfildern-Ruit 2004, 208 Seiten,

broschiert e 25,-, gebunden: e 38,-

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