Schreiner - © Foto: picturedesk.com / dpa Picture Alliance / Frank May

Margit Schreiner: "Vater. Mutter. Kind. Kriegserklärungen"

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Margit Schreiner erzählt in ihrem neuen Roman „Vater. Mutter. Kind. Kriegserklärungen“ über den Ernst des Lebens in den 1950er Jahren und zeichnet dabei ein ebenso präzises wie selbstironisches Porträt jener Generation, die in den Wiederaufbaujahren aufgewachsen ist.

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Margit Schreiner erzählt in ihrem neuen Roman „Vater. Mutter. Kind. Kriegserklärungen“ über den Ernst des Lebens in den 1950er Jahren und zeichnet dabei ein ebenso präzises wie selbstironisches Porträt jener Generation, die in den Wiederaufbaujahren aufgewachsen ist.

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„Ich glaube, das siebte Lebensjahr des Menschen wird gnadenlos unterschätzt.“ Mit dieser Ansage beginnt der Roman „Vater. Mutter. Kind. Kriegserklärungen“, in dem die unverkennbar als Margit Schreiner erkennbare Ich-Stimme ihre Erinnerungen an den Lebensabschnitt eröffnet, in dem der „Ernst des Lebens“ beginnt. Das nachkolorierte Schwarz-Weiß-Foto auf dem Umschlag zeigt sie als Mädchen mit Topffrisur, das im Jahr 1959 nur sechzehn Kilo wog. Die Autorin ist überzeugt, dass nicht die Pubertät, sondern der Schuleintritt das Ende der unbeschwerten Kindheit und den Beginn der Anpassung an Regeln und Normen markiert.

Konnte man vorher Nachmittage mit dem Zeichnen verbringen, musste man nun zum Nationalfeiertag die österreichische Fahne in Rot-Weiß-Rot innerhalb vorgegebener Schablonen zeichnen. Für die Volksschülerin reihen sich Enttäuschungen, Demütigungen, Niederlagen und Peinlichkeiten aneinander. Ständig wird man entmutigt statt ermutigt, bestraft statt gelobt. Sehr häufig konfrontieren die Erwachsenen ihre Kinder in den 1950er und 1960er Jahren mit ihren Kriegserfahrungen und Sätzen wie „Was uns nicht umbringt, macht uns nur härter“. Dagegen muss man sich wehren: „Innerlich formulierte ich Wort für Wort meine Kriegserklärungen an alle Kassiererinnen, Eltern und Lehrer.“ Margit Schreiner macht klar: „Eine Siebenjährige ist grundsätzlich im Kriegszustand. Da heißt es raus ins feindliche Leben.“

Weibliche und männliche Rollen

Margit wächst in der Vöestsiedlung in der Linzer Muldenstraße auf, der Vater ist Bilanzbuchhalter in der Generaldirektion, die Mutter Hausfrau, die ängstlich darauf achtet, dass alles Private in der Familie bleibt und nicht an die Öffentlichkeit dringt. Die Mutter ist für den Haushalt, der Vater für die handwerklichen Arbeiten und technischen Geräte zuständig, mit Ausnahme der elektrischen Trockenhaube, unter die sich die Mutter gerne mit Kaffee und Frauenzeitschriften zurückzieht. Die weibliche Rolle erscheint wenig erstrebenswert, der Besuch im Büro des Vaters wird dagegen zur Offenbarung einer Arbeitswelt, die Zukunft verspricht. Ehrlicher Hass wird Bedingung für die Mitgliedschaft in einem „Verein gegen die Mütter“, den Mädchen und Buben im Hinterhof der Siedlung gründen. Die Buben leiden offenbar weniger unter den Müttern und werden ausgeschlossen, weil ihnen keine Schandtaten der Mütter einfallen. Doch auch die Mädchen verlieren bald wieder die Lust am Hass auf die Mütter und lösen den Verein auf.

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