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Agrarhandel verringern

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Wer viel Kaffee trinkt und gern Barranen ißt, hilft mit dem dafür aufgewendeten Geld durchaus nicht den Armen in der Dritten Welt. Für ein Umdenken im Handel mit Agrarprodukten aus E-Ländern plädiert ein Entwicklungshelfer.

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Wer viel Kaffee trinkt und gern Barranen ißt, hilft mit dem dafür aufgewendeten Geld durchaus nicht den Armen in der Dritten Welt. Für ein Umdenken im Handel mit Agrarprodukten aus E-Ländern plädiert ein Entwicklungshelfer.

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Auf den ersten Blick sollte man meinen — und leider ist auch ein Großteil der Bevölkerung der Ansicht —, daß der Konsum von Produkten der Dritten Welt den Armen zu Gute kommt und diese davon profitieren, wenn die Europäer und Nordamerikaner viele Bananen essen, eine Menge Kaffee trinken, usw….

In den meisten Entwicklungsländern sind jedoch die Reichtü- mer sehr ungerecht verteilt: Einige wenige besitzen den Großteil, vor allem die landwirtschaftlich am besten nutzbaren Flächen. Diese Großgrundbesitzer haben wenig Interesse an der Versorgung der eigenen Bevölkerung, sondern betreiben Monokulturen für Exportzwecke.

Aber auch die Länder, in denen der Landbesitz bereits gerechter verteilt wird, haben erhebliche Schwierigkeiten, sich von den Monokulturen loszusagen. Der große Devisenmangel, meist auf ungerechte Austauschverhältnis-

se zurückzuführen, zwingt die Regierungen zur Fortführung der Produktion von Exportgütern.

Die Auswirkungen der Monokulturen sind aber verheerend. Der Boden wird zur Gänze ausgelaugt, die Humusschicht zerstört, die Erosionsgefahr steigt. Die Umwelt wird durch Insekten- und Unkrautbekämpfungsmittel belastet.

Die Abhängigkeit bei Handelsdünger, Pflanzenschutzmitteln, Saatgut (meist Hybridsorten), Maschinen und Ersatzteilen, sowie der nötigen Energie ist enorm. Oft müssen die Landwirte und nicht selten die Regierungen schon lange vor der Ernte ihre künftigen Produkte verpfänden.

Ist aber die von vielen befürwortete Produktionssteigerung eine Lösung? Gerade durch das Überangebot auf dem Weltmarkt verfällt der Preis bei vielen Exportgütern der Dritten Welt. So verdienen die Produzenten von Kaffee, Baumwolle, Zuckerrohr usw. heute weniger als vor wenigen Jahren, obwohl sie ein Mehrfaches produzieren. Die Kosten der Zuckerproduktion sind für viele schon höher als der dabei erzielte Erlös.

Wo wäre nun ein Lösungsansatz für diese Problematik zu suchen? Ziel müßte es sein, daß eine bessere Eigenversorgung erreicht wird.

Würden die Industrieländer weniger „Monokulturprodukte“ der Dritten Welt nachfragen, hätte dies folgende Konsequenz: Die Produktion von Exportgütern der Dritten Welt müßte zugunsten der Eigenversorgung mit Nahrungsmitteln umgestellt werden. Den Kleinbauern und mittleren Produzenten müßte eine Uberbrük- kungshilfe gewährt werden, was bereits ansatzweise geschieht. Die Industriestaaten müßten sich auch mehr selbst versorgen. Wenn die Europäer aber mehr eigene Produkte nachfragen, brauchen Sie keine Äpfel mehr zu vernichten und keine Tomaten einzustampfen. Wenn sie nicht soviel Soja und Erdnüsse importieren, entstehen auch keine Butterberge und keine Schweineüberschüsse.

In den meisten Industrieländern, so auch in Österreich, ist die Sojabohne vorwiegend bekannt als Futter für Schweine, Rinder und andere Tiere. Der enorme Eiweißgehalt dieser Frucht bringt in der Fleisch- und Milchproduktion einen besonders hohen Er-

trag. So werden riesige Mengen dieser Wunderfrucht in einem energieaufwendigen Verfahren (Rösten, Malen, Transportieren, Mischen … ) verarbeitet und dann dem Vieh der Reichen gefüttert.

Mir selbst (Landwirtssohn) begegnete die Sojabohne bis vor kurzem fast nur als Viehfutter. Seit einiger Zeit beschäftige ich mich intensiver mit der Verwendung von Soja als menschliche Nahrung, koche selbst öfter Sojagerichte und habe auch eine kleine Versuchspflanzung angelegt. Der Anwendungsbereich ist enorm groß: Von Sojamilch, Käse, fleischähnlichen Gerichten bis zu Süßspeisen ist alles möglich.

Der hohe Eiweißgehalt von Soja übertrifft den vieler tierischer Produkte. Der Hektarertrag ist im Vergleich zum Ertrag bei Viehzucht oder Schweinemast enorm: Während man mit dem Ertrag von zehn Ar bei Viehwirtschaft einen Menschen etwa 20 Tage ernähren kann, reicht dieselbe Anbaufläche bei Soja zur Ernährung für mehr als 500 Tage.

Daß diese Frucht, wie alle Leguminosen, den Boden mit Stickstoff anreichert, ist eine positive Nebenerscheinung und bei den heutigen Düngemittelpreisen auf keinen Fall bedeutungslos.

Konkrete Schlüsse dieser nur ganz kurz aufgezählten Erkenntnisse wären etwa folgende:

• für Konsumenten: Das Essen sollte viel mehr pflanzliches und wesentlich weniger tierisches Eiweiß enthalten;

• für Landwirte: Die Tiere sollten nicht mit hochwertiger menschlicher Nahrung gefüttert werden — auch nicht, wenn man dadurch weniger tierisches Eiweiß produzieren kann.

• für Futtermittelhändler: Mit Soja wird nicht nur Geschäft, sondern auch sehr viel Spekulation betrieben — mit einem Nahrungsmittel, das in der Dritten Welt fehlt.

Der Autor ist Koordinator der ÖED-Ent- wicklungshelfer aus Österreich in Nikaragua.

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