Die lebende Fabrik
DISKURSIntransparenz mit System
Über unseren Teller können wir die Welt gestalten – wenn wir wissen, was darauf landet. Doch genau dieses Wissen wird uns Konsumenten häufig verwehrt. Ein Gastkommentar.
Über unseren Teller können wir die Welt gestalten – wenn wir wissen, was darauf landet. Doch genau dieses Wissen wird uns Konsumenten häufig verwehrt. Ein Gastkommentar.
Es gibt wenig, womit wir uns so intensiv beschäftigen wie mit unserer Ernährung. Oft unbewusst. Mindestens dreimal täglich, ein Leben lang. Und doch wissen wir kaum etwas über die Herkunft unserer Lebensmittel oder ihre Erzeugung. Das ist das Resultat einer Entfremdung. Heutzutage wissen wir so gut wie nichts mehr über die Realitäten der heimischen Bauern und der Erzeugung von Nahrung. Und wenn man den Fernseher einschaltet, dann sieht man höchstens das Werbe-Idyll des 19. Jahrhunderts. Mit sprechenden Schweinen, glücklichen Kühen auf saftigen Almen und zufriedenen Landwirten, die im Kreise der Familie den ganzen Tag im Einklang mit den Tieren und einer intakten Natur verbringen können. Schön wär’s. Die Realität sieht leider auch in Öster reich gänzlich anders aus. Die kleinbäuerliche Landwirtschaft stirbt, die Größe der Betriebe wächst kontinuierlich.
Durchhalten können nur jene, die beständig wachsen. Das kostet Geld. Wer konventionell produziert, der muss den Ertrag steigern. Also mehr Tiere und mehr Leistung. Die Schweinebranche ist da ein anschauliches Beispiel: Im Jahr 2000 gab es noch mehr als doppelt so viele Schweinebauern wie heute, von rund 64.000 sank ihre Zahl auf knapp 26.000 im Jahr 2016. Dafür werden heute im Schnitt mehr als fünfmal so viele Schweine pro Betrieb gehalten wie noch 1991 – nämlich 119 Stück. Nur 2,6 Prozent der Schweine leben in Bio-Haltung, der Rest lebt konventionell. Konventionell, das bedeutet übrigens nicht gut. Es bedeutet ein Leben auf Vollspaltenböden, die krank machen. Es bedeutet betäubungslose Ferkelkastration, von der Veterinärmediziner sagen, dass sie sich anfühlt, als würde man ohne Betäubung einer Wurzelbehandlung unterzogen. Und es bedeutet: gefüttert mit genmanipuliertem Regenwald-Soja. Über 600.000 Tonnen werden jährlich nach Österreich importiert, der Großteil landet in der heimischen Schweinemast. Für den Anbau dieses Sojas wird der Regenwald brandgerodet. Die hochaktuelle Debatte um den Verlust unserer grünen Lunge am Amazonas schließt also direkt an unserer Ernährung an, doch sie findet in der Regel nicht den politischen Anschluss. Noch nicht.
Wir wollen wissen, was wir essen
Mit einer neuen Kampagne möchte sich das Tierschutzvolksbegehren genau dem annehmen. Es möchte die Zusammenhänge, Ursachen und Auswirkungen der Erzeugung unserer Lebensmittel aufzeigen – und es möchte diskutieren, wieso wir eigentlich so wenig über Herkunft und Tierwohl bei ihnen erfahren.
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