Muslime und Juden -  V. li.: Ümit Vural, Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ), Canan Yasar, eine der drei MJÖ-Vorsitzenden, und Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien

Alle gegen Antisemitismus

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Die Muslimische Jugend Österreich präsentierte ihr Projekt „MuslimInnen gegen Antisemitismus“ und initiierte damit auch einen Brückenschlag zwischen offiziellen Vertretern von Juden und Muslimen.

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Die Muslimische Jugend Österreich präsentierte ihr Projekt „MuslimInnen gegen Antisemitismus“ und initiierte damit auch einen Brückenschlag zwischen offiziellen Vertretern von Juden und Muslimen.

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Wenn der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien auf einer muslimischen Veranstaltung von einem „Meilenstein“ spricht, dann ist das nicht alltäglich. Der Meilenstein, den Oskar Deutsch ausmachte, war die Ankündigung der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, die Antisemitismus-Definition der „International Holo­caust Remembrance Alliance“ (IHRA) zu übernehmen. Deutsch bezeichnete die Definition der IHRA als „rote Linie“ in Bezug auf den Antisemitismus. Der Präsident der jüdischen Gemeinde hob dies deswegen so hervor, weil es kaum eine bis gar keine relevante muslimische Institution gibt, die bislang diese Definition übernommen hat.
Ümit Vural, der derzeitige Präsident der IGGÖ, hatte in der Rede, die jener von Oskar Deutsch voranging, diese Ankündigung gemacht. Vural sprach sich gegen jede Form des Antisemitismus aus und bekannte, dass es diesen auch unter Muslimen gebe – und dass die Muslime mit Juden solidarisch sein müssten, wenn diese verfolgt würden.

Eine erstaunliche Initiative

Vural und Deutsch sprachen auf einer erstaunlichen Veranstaltung, die am 6. Mai, dem ersten Tag des Ramadan, im Wiener Haus der Europäischen Union stattfand. Die Muslimische Jugend Österreich (MJÖ) hatte eingeladen, um über ihre Initiative „MuslimInnen gegen Antisemitismus“ zu berichten und den Abschluss des unmittelbaren Projekts, über das auch eine Publikation vorgestellt wurde, zu begehen.

Eine erstaunliche Initiative in der polarisierten gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit den Muslimen im Land. Aber nicht zuletzt die Prominenz, die an diesem Abend versammelt war, zeigte, dass die gut dokumentierte und in ihrer Klarheit beeindruckenden Schritte der jungen Muslime, sich mit Antisemitismus zu beschäftigen, ehemalige Konzentrationslager zu besuchen und auch das Gespräch mit Zeitzeuginnen der Schoa und jüdischen Gesprächspartnern zu suchen, anerkannt wird.

US-Botschafter Trevor Traina würdigte die MJÖ dafür, ebenso die EU-Antisemitismusbeauftragte Katharina von Schnurbein, die aus Brüssel angereist war. Schnurbein bescheinigte dem Projekt „MuslimInnen gegen Antisemitismus“ einen „hohen Standard in der Antisemitismusprävention und der Bekämpfung von Judenhass“.
Man müsse „Antisemitismus entgegentreten, wo immer er sein hässliches Gesicht“ zeige: „Dabei mit dem Finger auf andere zu zeigen, ist jedoch leicht. Viel schwieriger ist es, Antisemitismus in den eigenen Reihen zu entlarven.“ Das hat für die EU-Antisemitismusbeauftragte die MJÖ mit ihrem Projekt „beispielhaft“ geleistet. Botschaften von Altbundespräsident Heinz Fischer, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und Bundeskanzler Sebastian Kurz unterstützten die Arbeit des Projekts gleichfalls.

Nermina Mumić, Bundesvorsitzende der Muslimischen Jugend Österreich, hatte zuvor inhaltliche Leitlinien benannt, die an Deutlichkeit wenig zu wünschen übrig ließen. Mumić: „Es mag Musliminnen und Muslime geben, die meinen, dass sie keine historische Verantwortung für den Holocaust übernehmen könnten, da Muslime in nennenswerter Zahl erst nach dem Holocaust nach Europa gekommen sind.“ Derartiger Sichtweise erteilte Mumić eine Absage: „Wer es ernst meint mit der historischen Verantwortung und der in Wirklichkeit ureigenen menschlichen Verantwortung, der muss gegen Antisemitismus aufstehen!“

Auch Mumić benannte, dass es unter Muslimen Antisemitismus gibt. Sie wehrte sich aber dagegen, Muslime „als die Verantwortlichen für Antisemitismus in Öster­reich“ darzustellen. Und sie kam zur Conclusio: „Für uns ist eines klar: Jeder Angriff auf eine Jüdin und einen Juden ist ein Angriff auf uns.“

Neben den klaren muslimischen Ansagen wurden bei der Begegnung in Wien die Konfliktpunkte keineswegs ausgespart. Auch hier war IKG-Präsident Oskar Deutsch eindeutig: Von großen muslimischen Gruppen gehe „eine besondere Bedrohung für jüdisches Leben aus. Auch physisch!“ Deutsch meinte damit nicht bloß islamistischen Terror, sondern auch „antisemitische Verschwörungstheorien und Stereotype“. Und Deutsch zitierte besonders judenverachtende Stellen im Koran und forderte die Muslime auf, „eigene Traditionen zu hinterfragen und entsprechend zu interpretieren“.

Aber der IKG-Präsident berichtete auch von ersten Gesprächen mit seinem muslimischen Visavis, IGGÖ-Präsident Vural, die von „Respekt und Ehrlichkeit“ gekennzeichnet gewesen waren. Deutsch dazu: „Unsere Sorgen bezüglich der Aktivitäten von Muslimbruderschaft und anderen Akteuren des politischen Islam werden ernst genommen. Ich danke dafür!“

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