Wie glauben - © Foto: iStock/Gosiek-B

Auf der Suche nach dem Glauben

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Zwischen Frust, Krisen und Spuren des Vertrauens: Nur weil der traditionelle Glaube nicht mehr vorhanden ist, heißt das nicht auch, dass die Menschen (an) gar nichts mehr glauben. Ein Essay.

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Zwischen Frust, Krisen und Spuren des Vertrauens: Nur weil der traditionelle Glaube nicht mehr vorhanden ist, heißt das nicht auch, dass die Menschen (an) gar nichts mehr glauben. Ein Essay.

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Wir haben nicht nur einen Priestermangel, sondern einen Gläubigenmangel“, betonte der Aachener Bischof, Helmut Dieser, als er 2019 auf die missliche Personallage der römischen Kirche in seinem Bistum angesprochen wurde. Was zunächst als billiger theologischer „What­aboutism“ (also gezielter Themenwechsel bei unangenehmen Fragen) erscheint, gehört längst zum Standardrepertoire vieler kirchlicher Kreise. Die Diagnose, der gegenwärtigen Zeit angesichts sinkender Mitgliedszahlen der großen christlichen Konfessionen ein generelles Glaubensproblem zu attestieren, kommt vielen rasch über die Lippen. Man fühlt sich durch dauernde Kirchenskandale und immer wieder neue Austrittswellen bestätigt. Die Kirchgänger werden von Jahr zu Jahr weniger, religiöse Ereignisse wären wohl gar nicht mehr auf Titelseiten zu finden, wenn sie nicht in fast regelmäßigen Abständen für Negativschlagzeilen sorgen würden.

Um den menschlichen Glauben, so könnte man schlussfolgern, ist es am Beginn der neuen „20er-Jahre“ nicht gut bestellt. Die Säkularisierung schreitet vielerorts voran. Selbst in den USA, die landläufig immer noch als enorm von Religion geprägtes Land gelten, machen die Konfessionslosen bereits mehr als 25 Prozent der Bevölkerung aus. Dazu kommt, wenn man von den Krisen und Umstürzen in der religiösen Glaubenslandschaft einmal absieht, in Zeiten von „Fake News“, aufblühenden Verschwörungstheorien, Krisen von Autoritäten und Institutionen auch ein nicht selten weit verbreitetes, grundsätzliches Misstrauen gegenüber allem, was nicht mit „sicherem Wissen“ zu tun hat. Doch bei genauerem Hinsehen entpuppen sich nicht nur die Krisen der Religiosität, ihre mörderischen Ausformungen oder das Anwachsen neuer esoterischer Formate als hemmende Potenziale des menschlichen Glaubens. Vielmehr sind es auch die oftmals vorschnell ausgesprochenen Urteile über Glaubensverlust oder Glaubenskrisen vonseiten der Religionen selbst, die schon ein Totenlied an diese menschliche Haltung anstimmen wollen.

Theologie mit Scheuklappen

Die Muster ähneln sich in vielen Fällen: Wenn die traditionell ausgeprägten oder dogmatisch vorformulierten Glaubensformen nicht mehr zu finden sind, liegt der Schluss nahe, dass die Menschen glaubensunfähig geworden sind. Quasi: Wenn der Glaube, wie er religiöserseits seit Jahrhunderten uniform festgelegt wurde, von der Bildfläche verschwindet, dann deutet das auf einen umfassenden Glaubensverlust hin. Nun, dieser Schluss mag in vielen Fällen durchaus zutreffend sein, dennoch scheint er mancherorts auch zu vorschnell ausgesprochen. Denn: Nur weil der traditionelle (religiös-konfessionalisierte) Glaube nicht mehr vorhanden ist, heißt das notwendigerweise auch, dass die Menschen (an) gar nichts mehr glauben? Wie sieht das in den säkularen Zusammenhängen aus? Was bewegt Menschen, die nicht mehr religiös sind, sich gegenseitig zu vertrauen, sich ehrenamtlich in wohltätigen Organisationen zu engagieren?

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