Deutschlands Bischöfe setzen auf Marx

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2008 gehörte er schon zu den Favoriten, sechs Jahre später wurde der Münchener Erzbischof dann zum Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz gewählt. Auf den Vielbeschäftigten, der auch dem 8-köpfigen Kardinalsrat in Rom angehört, warten schwierige Aufgaben.

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2008 gehörte er schon zu den Favoriten, sechs Jahre später wurde der Münchener Erzbischof dann zum Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz gewählt. Auf den Vielbeschäftigten, der auch dem 8-köpfigen Kardinalsrat in Rom angehört, warten schwierige Aufgaben.

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Es ist keine Überraschung und dann wieder doch: Die deutschen Bischöfe wollen mit Reinhard Marx (60) als ihrem neuen Vorsitzenden einen Neuanfang wagen. Mit dem aus Westfalen stammenden Erzbischof von München und Freising hat der deutsche Episkopat bei der Frühjahrsvollversammlung in Münster seine markanteste Figur an die Spitze gestellt. Doch die Wahl des (im engeren wie übertragenen Sinne) Schwergewichts der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) war nicht so selbstverständlich, denn zuletzt waren auch andere Kandidaten ins Spiel gebracht worden

So favorisierte eine eher konservative Gruppe, offenbar ermutigt durch den eben emeritierten Kölner Kardinal Joachim Meisner, den Gastgeber, Münsters Bischof Felix Genn, einen eindeutig geistlich geprägten Oberhirten. Große Chancen waren vorab auch dem Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode eingeräumt worden, der für eine liberale Linie steht. Und da waren auch noch die beiden "Jungen" Stephan Ackermann (Trier) und Franz-Josef Overbeck (Essen), deren Stunde noch kommen könnte.

Ausgesprochen schwierige Zeiten

Doch im vierten Wahlgang entschieden sich die 62 anwesenden Bischöfe - und unter ihnen offenbar vor allem die Weihbischöfe - zugunsten von Marx, der im ersten Statement von einem "offenen, geistlichen Wahlprozess" und einer "ehrlichen Wahl" sprach.

Eines wird nämlich in den Tagen von Münster so offen angesprochen wie selten: Es sind ausgesprochen schwierige Zeiten, die die Amtszeit des scheidenden Vorsitzenden Robert Zollitsch (Freiburg) geprägt haben, eine "steinige Wegstrecke"(Zollitsch) vom Missbrauchsskandal bis zum Fall Tebartz-van Elst.

Unverblümt wie vielleicht noch nie räumt Zollitsch in diesen Tagen immer wieder "die Unsicherheit der Situation des Übergangs" ein, die in der Kirche allgemein festzustellen sei, und spricht genauso offen die "große Bandbreite und Einstellungsvielfalt" sowie die "Pluralität der Beurteilungen" in der Kirche und unter den Bischöfen an, die sich nicht zuletzt auch in der - von manchen Beobachtern kolportierten - knappen Mehrheit für Marx widerspiegelt. Dem steht gegenüber, dass Papst Franziskus die Bischofskonferenzen ausdrücklich stärken und sie mit konkreten Kompetenzen "einschließlich einer gewissen Lehrautorität" ausstatten will.

Hier wird eine der großen Aufgaben für Marx liegen, der lange als ausgesprochen konservativ galt, inzwischen aber als eines der acht Mitglieder des Kardinalsrates einer der engsten Berater von Papst Franziskus ist und sich etwa in der Diskussion über die wiederverheiratet Geschiedenen deutlich gegen Kardinal Gerhard Ludwig Müller, den Gralshüter der wahren katholischen Lehre, positionierte. Wem, wenn nicht ihm, dem jovial-volksnahen, sprachgewaltigen und medienerfahrenen Sozialexperten, der die Dinge so prägnant und verständlich wie kaum ein anderer auf den Punkt zu bringen vermag, könnte es gelingen, zwischen den Flügeln der Deutschen Bischofskonferenz zu vermitteln? Und eines ist auch klar: Wenn es darum geht, in Krisenfällen schnell zu reagieren und Entscheidungen voranzutreiben, ist Marx genau der Richtige. So macht er auch keinen Hehl daraus, dass er alles dafür tun wird, die Kirche in Deutschland aus der Defensive herauszubringen und selbst Themen zu setzen. "Wir wollen versuchen, gute Nachrichten zu liefern und die Kirche zu einer Stimme zu machen, die gehört wird", hebt er gleich in seinem ersten Statement nach der Wahl hervor. "Der Aufbruch unter Franziskus muss sich verstetigen."

Freilich: Bedenken gibt es gegen den national wie international bestens vernetzten Marx innerhalb wie außerhalb der Bischofskonferenz genug. Der neue Vorsitzende sei ein Ankündigungspolitiker, der vieles anpacke, aber wenig richtig zu Ende bringe, kritisiert der Sprecher der Kirchenkritiker von "Wir sind Kirche", Christian Weisner, und bringt damit (kurioserweise?) die Bedenken mancher Bischöfe auf den Punkt.

Der Multifunktionär an der Spitze

Denn auch unter den Mitbrüdern fragen etliche kritisch, wie Marx wohl seine vielen Ämter - Erzbischof, Vorsitzender der Bayerischen Bischofskonferenz und der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft, Mitglied des Kardinals- und Sprecher des Wirtschaftsrates des Papstes sowie einige mehr - noch bewältigen und mit dem DBK-Vorsitz unter einen Hut bringen könne. Marx selbst weiß um diese Bedenken: "Ich bin kein Sammler von Posten", gelobt er, und kündigt an, dass er schon bald in sich gehen und vieles neu sortieren und delegieren wolle.

In Münster wird auch deutlich, wie intensiv die deutschen Bischöfe um einen neuen Umgang mit den wiederverheiratet Geschiedenen ringen und wie schwer es ihnen fällt, eine Position zu formulieren, die den Betroffenen die Chance zu einem Neuanfang in der Kirche eröffnet, aber andererseits die Unauflöslichkeit der Ehe nicht in Frage stellt. "Wir haben da früher vielleicht manches zu undifferenziert gesehen", räumt Marx ein.

Inzwischen aber sei in diese zentrale und schwierige Frage Bewegung gekommen. "Das hätten wir uns vor einem Jahr so noch nicht vorstellen können", urteilt der neue DBK-Vorsitzende. Momentan ist eine Arbeitsgruppe dabei, eine Argumentationsskizze zu dem "heißen Eisen" auszuarbeiten, die auch als Beitrag der deutschen Bischöfe zur kommenden Familien-Bischofssynode in Rom dienen soll.

Und was passiert mit Limburg?

Die brisanteste Frage: Was wird aus dem umstrittenen Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst? konnte während der Vollversammlung in Münster wieder nicht geklärt werden. Nur mit Mühe und Not, so besagen Gerüchte, gelang es Gastgeber Felix Genn, den uneinsichtigen "Protz-Bischof" davon abzuhalten, in Münster zu erscheinen. Dass die Meinungen über Tebartz' "Bau-Exzesse" unter den Bischöfen weit auseinandergehen und sich kaum jemand traut, sich offen und kritisch zu dessen Einstellung und Persönlichkeitsstruktur zu äußern, wurde in Münster offensichtlich.

Genauso deutlich erkennbar war aber in Gesprächen vor und hinter den Kulissen auch, dass nur wenige sich eine Rückkehr des vom Papst beurlaubten Bischofs in sein Amt vorstellen können. Da Erzbischof Zollitsch inzwischen den Bericht einer von ihm eingesetzten Prüfungskommission in Rom übergeben hat, ist in Kürze mit einer Entscheidung des Papstes in der Causa Tebartz-van Elst zu rechnen. (Nicht nur) in Deutschland wird sie mit Spannung erwartet.

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