S2 - © Julia Oppermann   - Ruprechtskirche, Wien; Decke der Apsis mit "Blue Green Christ" von Dorota Sadovská

Ostertermin in Ost und West: Asynchrone Auferstehung

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Auch heuer weicht der Termin des Osterfestes zwischen Ost- und Westkirchen ab. Warum ist das so? Und was überlegt man, um diese „Datumsspaltung“ zu überwinden?

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Auch heuer weicht der Termin des Osterfestes zwischen Ost- und Westkirchen ab. Warum ist das so? Und was überlegt man, um diese „Datumsspaltung“ zu überwinden?

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Anfang Februar 2023 hat die Ukrainische griechisch-katholische Kirche (UGKK) mit der Entscheidung einer Kalenderumstellung für Aufsehen gesorgt. Innerhalb der Ukraine werden die unbeweglichen Kalenderfeste ab 1. September nicht mehr nach dem julianischen, sondern dem „neuen Kalender“ gefeiert. Jedenfalls verschieben sich die Feste um 13 Tage, und Weihnachten wird nicht mehr am 7. Jänner des weltlichen Jahres, sondern am 25. Dezember begangen. Die Orthodoxe Kirche der Ukraine hatte ebenfalls erst jüngst ihren Gemeinden die Kalenderumstellung erlaubt, will aber eine Bischofssynode im Mai für eine generelle Regelung abwarten. Von der Ukrainischen orthodoxen Kirche, einer konkurrierenden Jurisdiktion, deren Zugehörigkeit zum Moskauer Patriarchat derzeit in Diskussion steht, sind derartige Veränderungen momentan nicht zu erwarten.

Bezüglich des Osterfestkreises hat sich die UGKK bewusst zurückgehalten und auf eine angestrebte interkonfessionelle Einigung hingewiesen. Während ihre Gläubigen in der Ukraine mit den Orthodoxen gemeinsam Ostern feiern, wird das Fest in der Diaspora teilweise gemeinsam mit der römisch-katholischen Kirche begangen, was einen Terminunterschied von null bis fünf Wochen zur Folge hat. Fast alle orthodoxen Kirchen feiern nach dem auf Cäsar zurückgehenden julianischen Kalender Ostern, Kalenderfeste jedoch teilweise gemäß dem in den 1920er Jahren eingeführten „neo-julianischen“ (oder „meletianischen“) Kalender, der faktisch mit dem gregorianischen Kalender der westlichen Kirchen zusammenfällt.

An der Tagundnachtgleiche ausgerichtet

Diese Unterschiede gründen darin, dass man in der alten Kirche teilweise dazu überging, die Auferstehung Christi nicht mehr zu Pessach, sondern am darauffolgenden Sonntag zu feiern. Die als Erstes Ökumenisches Konzil geltende Synode von Nizäa (325) beschloss in einer nicht mehr direkt überlieferten Entscheidung, dass alle Kirchen am ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond der Frühlings-Tagundnachtgleiche Ostern feiern sollten. Damit wurde auch die Praxis aufgegeben, jüdischer Berechnung zu folgen, Kalkulationsmethoden kamen aber erst später hinzu.

Die kirchlichen Ostertermine werden nicht von aktuellen astronomischen Erkenntnissen bestimmt, sondern beruhen auf Vorausberechnungen, den sogenannten Paschalia. Während diese von durchschnittlich 365,25 Erdumdrehungen pro Jahr ausgehen, sind es tatsächlich 365,2422. Inzwischen hinkt der julianische Kalender um 13 Tage nach. Ähnliche Differenzen gibt es auch bei der Erdumkreisung durch den Mond. Mitunter kommt es zu einem gemeinsamen Osterdatum, dies wird 2025 wieder der Fall sein. Ein Zusammenfallen wird manchmal auch dadurch verhindert, dass nach orthodoxer Auffassung das jüdische Pessach dem Osterfest vorauszugehen habe. Heute wird diese Regel jedoch als eine falsche Deutung altchristlicher Quellen durch spätere byzantinische Kanonisten betrachtet.

1582 vollzog Papst Gregor XIII. die nach ihm benannte Kalenderumstellung, indem er 10 Tage übersprang. Diese Neuordnung wurde staatlicher- und kirchlicherseits mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und nicht allseitig vollzogen. Die eingangs erwähnte, 1923 vom serbischen Astronomen Milutin Milanković vorgeschlagene Anpassung der unbeweglichen Feste wurde in der Orthodoxie nicht überall angenommen. Das Patriarchat von Jerusalem, die russische, georgische, polnische und serbische orthodoxe Kirche, der Berg Athos wie mehrheitlich auch die Orthodoxe Kirche Tschechiens und der Slowakei sowie die Orthodoxe Kirche der Ukraine feiern daher die Kalenderfeste julianisch. Dabei ist der neo-julianische Kalender bezüglich des Sonnenjahres genauer als der gregorianische, da nicht drei Schalttage in 400 Jahren, sondern sieben in 900 Jahren ausgelassen werden. Bis zum Jahr 2800 wird sich dieser Unterschied freilich nicht auswirken.
Angesichts der hohen theologischen Bedeutung des Osterfestes darf sein Zusammenhang mit der tatsächlichen Frühjahrs-Tagundnachtgleiche nicht unterbewertet werden. Von daher rührt auch das überkonfessionelle Interesse an astronomischen Gegebenheiten. Angesichts des heranrückenden 1700-Jahr-Jubiläums von Nizäa haben sich Papst Franziskus und Patriarch Bartho­lomaios für Lösungsbemühungen ausgesprochen. Auch der koptische Patriarch Tawadros II. hat sich dafür eingesetzt.

Es existieren mehrere realistische Möglichkeiten für eine Einigung, wobei sich bei einer Übernahme eines bestehenden Systems das Problem von Siegern und Verlierern stellt. Dies gilt zunächst für den von einem Papst eingeführten, gregorianischen Kalender, der sich kaum panorthodox durchsetzen ließe. Er hätte gegenüber dem julianischen den Vorteil weitaus größerer Exaktheit, hinkt aber wiederum den Berechnungen nach, die dem neo-julianischen System zugrunde liegen.

Für eine Orientierung am julianischen Kalender sprächen zwar gewisse Traditionsargumente, das Osterdatum läge dann allerdings nicht mehr zwischen 22. März und 25. April, sondern zwischen dem 4. April und 8. Mai. Problematisch scheint die Argumentation, dass die Orthodoxie wegen der Bindung an ein ökumenisches Konzil bei ihrem System bleiben müsse. Denn sie orientiert sich heute an einem sehr ungenauen Kalender und einem unzuverlässigen mathematischen Algorithmus, der auf einem schon in der griechischen Antike angenommenen Mondzyklus von 19 Jahren beruht.

Tradition und Exaktheit verbinden

Denkbar wäre auch ein festes Datum. Auf Basis einer Neuberechnung würde dann Ostern immer an einem bestimmten Sonntag liegen, etwa am zweiten Sonntag im April. Dies ließe sich mit der Annahme begründen, dass Jesus wahrscheinlich am 7. April 30 gestorben ist. Gegen diese Praxis sprechen aber Argumente aus der biblischen und kirchlichen Pascha-Tradition und die kosmische Dimension eines beweglichen Systems.

Ins Spiel gebracht wurde auch die Möglichkeit der Feier am Sonntag, der dem jüdischen Pessach folgt. Befürworter sehen dies als eine Berücksichtigung jüdischer Wurzeln, anderen erscheint dies aber unter Hinweise auf frühchristliche Abgrenzungstendenzen eher als eine Distanzierung davon und ist wenig konsensfähig.

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