Wiener Diözesansynode - © Erzdiözese Wien

Quo vadis, Wiener Diözesansynode?

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Besorgte Stimme eines engagierten Synodalen zum Beginn der 2. Session der Wiener Diözesansynode.

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Besorgte Stimme eines engagierten Synodalen zum Beginn der 2. Session der Wiener Diözesansynode.

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Der nachfolgende Beitrag gibt die Stimmung eines sehr engagierten Synodalen wieder. Wir identifizieren uns nicht einfach mit ihm, denn er ist ohne Zweifel zu einseitig. Daß sich die Synode auch mit den kollegialen Strukturen in Pfarre, Vikariat und Diözese befassen muß, wird niemand leugnen, ebensowenig, daß es sich dabei um eine heikle Frage handelt. Die zu stürmische Forderung nach durchgehender Demokratisierung scheint uns wirklichkeitsfremd zu sein und mehr einem modischen Trend zu entsprechen als der wirklichen Reform.Ein peinlicheres und ärgerlicheres Problem berührt der Autor des Beitrages, wenn er von der Flut der Papiere, die für die Synode fortwährend produziert werden, spricht. Das Bestreben mancher Synodalen, immer neue Fragen in die Synodenarbeit einzubeziehen und neue Arbeitskreise zu schaffen, erweckt wohl nicht zu Unrecht den Anschein, daß manche Synodalen auf diese Weise um jeden Preis ihre Meinungen durchzusetzen suchen. Es ist damit aber auch der Nachteil verbunden, daß sehr dilettantische Vorlagen geschaffen werden, mit unverständlichen oder mehrdeutigen Formulierungen, die dann wieder langwierige Diskussionen nach sich ziehen. Alle jene, die mit lauterem Herzen die Erneuerung der Diözese herbeiwünschen und ihrerseits guten und besten Willen haben, werden durch diese Vorgänge mehr und mehr enttäuscht und verlieren das Vertrauen, daß die Synode zweckmäßige Hilfen für ein mutiges und zeitgemäßes pastorales Handeln bieten werde. Auf einem anderen Blatt steht die Kostspieligkeit dieses äußerst umständlichen und nicht selten mehr der Eigenwilligkeit einzelner als der Erneuerung der Diözese dienenden Verfahrens. (red)

Diese Eröffnungssitzung des 2. Session unserer Wiener Diözesansynode gibt mehrfachen Anlaß zur Sorge. Nach der Festlegung der Themenkreise der 2. Session und einem theologischen Einführungsreferat über das Wort Gottes in der Welt von heute haben wir des langen und breiten über nichts anderes zu diskutieren und orientierende Abstimmungen vorzunehmen als über den Charakter der Räte, die in Zukunft kollegial die Leitung von Pfarren und Diözese innehaben sollen. Es liegt mir ferne, im Für und Wider die gesetzliche Einrichtung und Funktionsweise dieser Räte eine bestimmte Position zu beziehen. Ich frage mich nämlich, wenn es nicht möglich ist, Aufgabenbereiche dieser Räte juridisch genügend zu umschreiben, warum wir dann so am Juridismus festhalten, solche Räte gesetzlich und bindend bereits einzurichten? Fehlt uns nicht einfach das klärende Wort darüber, was Kollegialität in der Kirche wirklich bedeutet? Wieweit dieser politisch, verfassungsrechtlich oder auch in der gesellschaftlichen Konvention des Vereinslebens umschriebene Begriff auf kirchliche Gemeinden anwendbar ist? Einerseits erklärt man, es werde sowieso nur pragmatisch-praktisch vorgegangen werden, anderseits will man alber diözesan-gesetzliche Regelungen bindend Vorschlagen. Sollen sich mit dieser Quadratur des Kreises Kirchenrechtler und Juristen befassen und darüber streiten. Wir wollen doch nicht unsere Diözesansynode in einen Kampf der Juristen ausarten lassen.

Unsere gesamte heutige Debatte gilt aber symptomatisch für den sogenannten synodalen Vorgang, wie er sich bei uns nun langsam eingefahren hat. Geredet, getagt, paraphiert in Ausschüssen, in Arbeitskreisen, in Subkommissionen und Kommissionen wird viel. Es wäre interessant, einmal festzustellen, wieviele Kosten allein für Papier und Porto diese Synode uns schon gebracht hat. Noch interessanter wäre es, wieviele wertvolle Stunden der Seelsorge und dem Laienapostolat entzogen worden sind, damit dann am Schluß einige „Papiere“ fertig werden, über die, forscht man genauer nach, niemand so recht glücklich ist.

Doch wäre es das Schlimmste nicht, sollte nach der dritten Session der endlich beendeten Synode eine gewisse Erschöpfung und Lethargie einziehen. Ich sehe aber eine noch viel größere Gefahr. Wir stehen nämlich unmittelbar davor, uns nicht zusammenzureden, sondern auseinander zu setzen. Nehmen wir allein das Beispiel der viel diskutierten kollegialen Leitung. Ein Pfarrer, der bisher schon sehr kooperativ war, sehr offen für die Mitwirkung der Laien, hat eher zu klagen gehabt über den Mangel an ihrer Mitwirkung, denn darüber, daß er den Eifer und die Verantwortungsbereitschaft seiner Mitarbeiter gebremst hätte. Ich kenne viele solcher, die ob der verordneten Kollegialität und Anonymisierung der Verantwortung in einen Rat hinein ex officio und nicht aus persönlicher Verbundenheit durch diese juriidistische Erst-Recht-Haltung gewisser Kreise in Verbitterung, Opposition, ja Abdankung getrieben werden. Ich glaube aber ebenso, daß in Fällen, wo durchaus eine Mitwirkung der Laien bei der Mobilisierung des pfarrlichen Lebens sehr wünschenswert und notwendig wäre, dies wiederum an der persönlichen Haltung mancher Pfarr-„Herren“ scheitern müßte. Eine Erneuerung kann nie allein und auch nicht zuerst aus den Institutionen kommen, noch dazu, wenn man über diese Institutionen sich so wenig klar ist wie in diesem Zusammenhang über die Pfarrgemeinderäte. Was viel wichtiger ist, was diesen institutionellen Erneuerungen vorausgehen müßte, ist die Erneuerung des Geistes.

Noch einmal sei es allen jenen, die das Heil von Verfassungsänderungen und juridischen Verordnungen erwarten, sehr deutlich gesagt: wenn nicht wahrhafter Geist der Brüderlichkeit und des Aufbruchs in unsere Kirche von Wien einzieht, nützt uns die Verkündigung eines neuen kongregationalistisch-demokratischen Leitbildes für die Verfassung dieser Kirche gar nichts. Es würde nur das eintreten, was nach den Erkenntnissen der Religions- und Kirchensoziologie de facto bei einer solchen Situation sich vielfach ausgebildet hat: nämlich eine oligarchisch-zentralistische Struktur. Das heißt, es würden diese Ratskörperschaften nur der Hebelpunkt für kleine Gruppen sein, die sich mittels der Räte in den Besitz der Macht setzen. Dies würde dann erst recht vermittels einer Kommunikation und Zusammenarbeit, die sich außerhalb der Räte abspielte, zu einer zentralistisehen Leitung der gesamten kirchlichen Körperschaft (hier unserer Diözese) führen. Wer will, kann das zum Beispiel in dem Buch von P. M. Harrison, Authorithy and Power in the Free Church Tradition, Princeton, New Jersey, 1959, nachlesen.

Werte Synodalinnen und Synodalen! Es ist höchste Zeit, daß wir die drohende Spaltung in sich bekämpfende Gruppen in unserer Diözese überwinden. Es ist höchste Zeit, daß diese Diözesansynode sich in der Produktion von Papieren, Erlässen und Gesetzen ernstlich beschneidet und wir in unserer Diözese endlich wieder zu pastoraler Arbeit kommen. Nach dem Gesetz von Parkinson leisten wir nämlich kaum mehr echte Vertretungsarbeit des Volkes Gottes, sondern sind ein selbstgenügsamer Apparat geworden, der papierene Produkte herstellt, ohne Rücksicht auf die „Marktlage“, auf das Angebot an einsatzbereiten Kräften, und auf seelsorgliche Bedürfnisse und Erwartungen der Menschen hier und heute. Lassen wir endlich ab von dieser Form einer geistlosen rein juridistischen Neuerungssucht. Rufen wir um die Gnade und Erleuchtung des Hl. Geistes. Stellen wir unsere Zeit nicht Arbeitskreisen zur Verfügung, sondern packen wir zu, wo immer wir stehen, um Taten des Engagements zu setzen, damit Gottes Heil verkündet werde, damit die Menschen guten Willens an unserer Einigkeit und Brüderlichkeit Gottes Wirken in dieser Zeit erkennen, damit die Gemeinschaft unseres Glaubens wirksam werde!

Der Autor ist Professor für Ethik und Sozialwissenschaften an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.

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