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Romano Guardini und Pius Parsch: Nicht vom Himmel gefallen

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Das Konzil vollzog in Liturgie wie im Zugang zur Bibel einen Paradigmenwechsel. Dieser wurde schon lange vorgedacht: von Romano Guardini in Deutschland, von Pius Parsch in Österreich.

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Das Konzil vollzog in Liturgie wie im Zugang zur Bibel einen Paradigmenwechsel. Dieser wurde schon lange vorgedacht: von Romano Guardini in Deutschland, von Pius Parsch in Österreich.

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Heutige Zeitgenossen, auch wenn sie kirchlich sozialisiert sind, muss man daran erinnern, wie es vor dem Konzil "gewesen“ ist - zumindest was die Liturgie und den Zugang zur Bibel betrifft. In der "Heiligen Messe“ war der Priester der Hauptakteur, der vom ersten bis zum letzten Gebet nach vorgegebenem Schema die liturgischen Texte auf Latein oft mehr flüsterte als sprach - mit dem Rücken zu den Mitfeiernden, die nicht selten "anderes“ taten, beispielsweise den Rosenkranz beteten. Waren mehrere Priester zugegen, so zelebrierten sie gleichzeitig an verschiedenen Altären, oft nur begleitet von einem Ministranten, der die feiernde Gemeinde repräsentierte. Alles war auf Stellvertretung durch den Priester hin ausgerichtet, selbst den Kommunionempfang der Mitfeiernden gab es oft nur "ausnahmsweise“ - etwa zu Ostern.

Auch die Bibellektüre war für Katholiken nicht selbstverständlich: Das Lesen in der Schrift galt als "protestantisch“, die richtige Auslegung durch kommentierte Bibelbücher oder in Katechese und Predigt durch Priester sollte das katholische Volk vor falscher Lektüre bewahren.

Das II. Vatikanum stellte in beiden Fällen einen wirklichen Umbruch dar: Eine Liturgie mit "voller, bewusster und tätiger Teilnahme“ aller Mitfeiernden (vgl. Artikel links) war einer ebensolcher Paradigmenwechsel wie die Entdeckung der Bibel: Beide Entwicklungen gehören zu den bedeutenden Neuerungen durch das Konzil.

Liturgische Bewegung und Bibelbewegung

Dennoch waren sie nicht vom Himmel gefallen, sondern kündigten sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts an. Die Bibelbewegung wie die liturgische Bewegung dachten vieles vor und probierten aus, wenn auch unter durchaus limitierten Bedingungen, was dann beim Konzil durchbrechen konnte. Und es waren Vordenker, die für diesen Aufbruch standen, an die gemeinsam mit dem Konzil zu erinnern ist.

Im deutschen Sprachraum steht hier der Religionsphilosoph, Theologe und Pädagoge Romano Guardini (1885-1968, Bild oben Mitte) an vorderer Stelle. Bereits im Jahr 1918 wurde Guardini mit seinem Büchlein "Vom Geist der Liturgie“ weithin bekannt. Davon ausgehend entwickelten sich Versuche, die feiernde Gemeinde in den Gottesdienst einzubinden. Die sogenannte Betsingmesse, in der die Gemeinde mit Liedern und auf Deutsch gesprochenen Gebeten das vom Priester Zelebrierte mitzuvollzog, war ein Schritt auf dem Weg zur Erneuerung. Guardini war es in liturgischer Hinsicht auch um eine Entdeckung der Symbole und Zeichen zu tun sowie um eine angemessene Sprache. Dass dabei die Volkssprache gegenüber dem Latein favorisiert wurde, war nur logische Konsequenz der Bemühung, von einer ganzheitlichen Sicht des Menschen auch in der Liturgie auszugehen.

Guardini, der auch ein bedeutender Religionsphilosoph sowie vor allem in der Zwischenkriegszeit ein prägender Pädagoge einer Generation junger Katholik(inn)en war, erlebte die Liturgiereform des Konzils gerade noch. (Eine beeindruckende, "Bildbiografie“ Guardinis liegt im von ihm gegründeten Matthias-Grünewald Verlag vor: "Romano Guardini, Zeugnisse eines großen Lebens“, hg. von Max Oberdorfer, 2010, Abb. ganz oben.)

Der erste Volksaltar in St. Gertrud

Der österreichische Vordenker der beiden Bewegungen, der Klosterneuburger Augustiner Chorherr Pius Parsch (1884-1954, Bild links), erlebte die Früchte seiner Arbeit nicht mehr. Parsch feierte ab 1922 Gemeinschaftsmessen in St. Gertrud/Klosterneuburg (unten: die erste Feier mit Volksaltar) und bemühte sich sehr um den Einsatz der Bibel in Liturgie und Gemeindeleben. Die von ihm mitgegründete Zeitschrift Bibel und Liturgie gibt es heute noch, auch das Katholische Bibelwerk, das bis heute seinen Sitz im Stift Kosterneuburg hat, geht aufs 1950 von Parsch initiierte "Klosterneuburger Bibelapostolat“ zurück.

Aufbrüche aus der Praxis

Romano Guardini und Pius Parsch als "Vordenker“ des Konzils.

Vortrag von Johann Pock, Pastoraltheologe an der Uni Wien

Mittwoch, 7.11., 18.30 Uhr

1010 Wien, Stephansplatz 3.

www.theologischekurse.at

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