Synodalität: Selbstbekehrung zum Miteinander
Papst Franziskus hat einen zweijährigen, weltweiten Prozess für mehr Synodalität und weniger Klerikalismus in der katholischen Kirche angestoßen. Auch für Österreich wäre eine solche Selbstevangelisierung eine enorme – und vielleicht letzte – Chance.
Papst Franziskus hat einen zweijährigen, weltweiten Prozess für mehr Synodalität und weniger Klerikalismus in der katholischen Kirche angestoßen. Auch für Österreich wäre eine solche Selbstevangelisierung eine enorme – und vielleicht letzte – Chance.
Papst Franziskus ist wie ein kluger, alter Schachspieler. Er weiß, dass er nur wenige Jahre hat und denkt daher schon jetzt an den übernächsten Zug. Daher verändert er die Dinge in seiner Kirche auch nicht mit einem Handstreich, sondern setzt vielmehr auf einen langsameren, vermutlich aber nachhaltigeren Weg. Dabei trifft er nur wenige Entscheidungen, verändert aber den amtlichen Weg, auf dem diese zustande kommen. Als Jesuit würde er sagen: die manera de proceder, die Art und Weise des Vorangehens. Er schlägt dazu einen synodalen Weg ein – und diese Weise des Miteinander-Vorangehens (von griech. syn-odos, der gemeinsame Weg) ist im Wortsinn radikal, denn sie geht an die Wurzel: Synodalität als ein Weg kirchlicher Selbstbekehrung zum Evangelium.
Anders als manche Gegner des Synodalen Weges in Deutschland behaupten, gibt es nämlich keinen Gegensatz zwischen kirchlichen Reformthemen und Evangelisierung: Kirchenreform ist vielmehr Evangelisierung – und zwar kirchliche Selbstevangelisierung im Geiste Jesu. Die Kirche, die Papst Franziskus vorzuschweben scheint, erinnert dabei an seine eigene Ordensgemeinschaft: an die Gesellschaft Jesu. Societas Jesu, jesuanische Weggemeinschaft der Nachfolge, das sind für ihn zunächst einmal alle getauften Christinnen und Christen. Sie sind Weggefährtinnen und Weggefährten Jesu – und alle hierarchischen Differenzierungen sind in Bezug darauf prinzipiell sekundär.
Klerikalismus und Missbrauch
Aufgrund dieser spirituellen Dimension wird Synodalität gerade zum Kernbegriff eines tiefgreifenden Reformprozesses, dessen Notwendigkeit sich aus den systemischen Ursachen von sexuellem und geistlichem Machtmissbrauch in der Kirche ergibt. Die MGH-Studie der deutschen Bischofskonferenz definiert: „Klerikalismus meint ein hierarchisch-autoritäres System, das auf Seiten des Priesters zu einer Haltung führen kann, nicht geweihte Personen in Interaktionen zu dominieren, weil er qua Amt und Weihe eine übergeordnete Position innehat. Sexueller Missbrauch ist ein extremer Auswuchs dieser Dominanz.“ Papst Franziskus zieht dieselbe Verbindungslinie: „Zum Missbrauch Nein zu sagen, heißt zu jeder Form von Klerikalismus mit Nachdruck Nein zu sagen.“ Für ihn ist gelebte Synodalität ein probates „Gegenmittel“ gegen diesen Klerikalismus.
Nicht zuletzt aus diesem Grund sagte er 2015 anlässlich der 50-Jahrfeier der Einrichtung der Weltbischofssynode durch Papst Paul VI., er wolle eine „ganz und gar“ synodale Kirche – also eine Kirche, die sich nicht nur hin und wieder synodal geriert, sondern eine, die in ihrem innersten Wesen synodal ist. Deswegen reformierte er auch 2018 in Episcopalis communio das Instrument der Bischofssynode grundlegend. Und deswegen berief er nun eine solche zum Thema der Synodalität ein, die als ein zweijähriger, mehrstufiger synodaler Weg konzipiert ist. Dieser beginnt im Oktober 2021 und wird das performative Synodenthema „Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung“ bis zum Oktober 2023 weltweit auf allen Ebenen der Kirche erörtern. Nathalie Becquart, die neue Untersekretärin der Bischofsynode, bringt die damit verbundene Chance auf den Punkt: „Die Synode kann uns helfen, aus einer klerikalen Kirche eine synodale zu machen.“
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