Ruprechtskirche - © Martin Höfling    -   Ruprechtskirche, Wien I. mit Regenbogenfahne

Trotz Segensverweigerung Roms: Gleichheit – auch für Homosexuelle

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Die Glaubenskongregation hat erklärt, die Kirche habe keine Vollmacht, gleichgeschlechtliche Paare zu segnen. Auch wenn die römische Sicht auf die Ehe als „unabänderliche Lehre“ daherkommt, lässt sich zeigen, wie sich diese in den letzten Jahrzehnten massiv verändert hat.

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Die Glaubenskongregation hat erklärt, die Kirche habe keine Vollmacht, gleichgeschlechtliche Paare zu segnen. Auch wenn die römische Sicht auf die Ehe als „unabänderliche Lehre“ daherkommt, lässt sich zeigen, wie sich diese in den letzten Jahrzehnten massiv verändert hat.

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Die Kirche hat keine Vollmacht, gleichgeschlechtliche Paare zu segnen. Das bestimmte kategorisch ein am 15. März 2021 mit Gutheißung von Papst Franziskus veröffentlichtes Dekret der Kongregation für die Glaubenslehre. Die Reaktionen darauf waren zahlreich, erwartbar vielfältig – und sehen sich allesamt im Recht. Die dem rechtskatholischen Segment zuordenbaren Stimmen betonten, dass hiermit ja nur die bestehende Lehre der Kirche bekräftigt werde, wie umgekehrt ­andere – nicht selten sehr kritisch – vermerkten, dass diese Lehre unter anderem wegen ihrer tiefen Kluft zur Praxis oder unzureichender argumentativer Stringenz dringend modifiziert werden müsse.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, meinte, dass es auf Fragen dieser Art „keine einfachen Antworten gibt“. Somit sei das Ringen um „tragfähige Argumente“ und auch der deutsche Prozess des Synodalen Wegs in dieser Frage keineswegs beendet.
Worin aber kann dieses Ringen Motivation finden, wenn keine Vollmacht vorliegt, solche Verbindungen zu segnen? Keine Vollmacht besagt aus kirchlicher Sicht, über den Plan Gottes für Ehe und Familie nicht verfügen zu können, weshalb auch ein Segen nur in dessen Dienst stehen kann.
Da dieser Plan dem Dekret zufolge keine „sexuelle Praxis außerhalb der Ehe“ einschließt, ist es nicht erlaubt, anderen Formen von Partnerschaft, selbst wenn diese verbindlich konzipiert sind, einen Segen zu erteilen. Im Plan Gottes stehe nur die Ehe als „unauflösliche Verbindung eines Mannes und einer Frau, die an sich für die Lebensweitergabe offen ist“.

Dagegen wäre die homosexuelle Neigung einer Person, wie 1986 ein anderes Dokument der Glaubenskongregation konstatiert, „objektiv ungeordnet“. Somit könne auch „die Aktuierung einer solchen Neigung in homosexuellen Beziehungen keine moralisch annehmbare Entscheidung“ sein, zumal diese nicht „in der Lage wären, das Leben weiterzugeben“.

Die Lehre von den Ehezwecken

Doch wie gelangt man zu jener Einsicht in den Plan Gottes? Blicken wir 77 ­Jahre zurück. Am 1. April 1944 hat ebendiese Kurie, damals noch Heiliges Offizium genannt, mit Bestätigung von Papst Pius XII. ein Nein zur „Auffassung einiger neuerer Autoren“ ausgesagt, welche die Liebe als zentrales Prinzip der christlichen Ehe etablieren wollten. Damit war die kirchlich geltende, auf Augustinus (354–430) zurückgehende Lehre von den Ehezwecken infrage gestellt, wonach nicht die Liebe, sondern die Zeugung und Erziehung von Nachkommenschaft der primäre Ehezweck ist.

Die Ehe, so Pius XII. in einer Ansprache 1951, hat „nach dem Willen des Schöpfers zum primären und innersten Zweck nicht die persönliche Vervollkommnung der Gatten, sondern die Weckung und Erziehung neuen Lebens“.

Das Nein dieses Dekrets hat 21 Jahre gehalten. 1965 verabschiedete das Zweite Vatikanische Konzil in der Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“ eine Lehre, welche die Ehe grundlegend als einen Bund der Liebe begreift, begründet „durch ein unwiderruflich personales Einverständnis“. Damit war die jahrhundertelang ­gelehrte Hierarchie der Ehezwecke Geschichte, aber auch jene der Geschlechterordnung.

Pius XI. hat noch eingeschärft, dass die Unterordnung der Frau unter den Mann ein „von Gott selbst erlassenes und bekräftigtes Grundgesetz“ sei, das „umzukehren oder anzutasten nie und nirgends erlaubt ist“. Auch Pius XII. verteidigte wiederholt den „Mann als von Gott bestelltes Haupt der Familie“.

Ohne hier auf erkenntnistheoretische Problemlagen der Planeinsicht ­eingehen zu können: Im Ergebnis lässt sich unschwer erfassen, dass Gottes Plan für die Ehe auf dem Konzil markante Veränderungen erfahren hat, da, wie Joseph Ratzinger damals als Konzilstheologe festhielt, der bislang „generativen Betrachtung eine personale entgegentritt“.

Dieser personale Entgegentritt im Denken wurde aber nach dem Konzil durch gewichtige naturale Auftritte massiv verdunkelt. Restaurative Prozesse besorgten die Prolongierung des vorkonziliar üblichen naturrechtlichen Denkens, das dem ehemals primären Ehezweck im Bereich der kirchlichen Ehe- und Sexualmoral erneut Aufwind verlieh: So lehnt Papst Paul VI. Empfängnisverhütung als „gegen Gottes Plan“ und „im Widerspruch zur Natur des Mannes und der Frau“ stehend ab. Papst Johannes Paul II. begreift die „intimste Verflechtung von Natur und Person“ derart, dass ihm die Norm der Naturordnung „elementarer und grundlegender“ ist als die aus der Würde der Person abgeleitete Norm. Papst Benedikt XVI. setzt diese Linie bruchlos fort.

Nur Papst Franziskus hat diesbezüglich für manche Irritationen gesorgt. Er bezeugt mit seiner Aussage, dass Gott eine homosexuelle Person mit Liebe anschaut und sie nicht verurteilt, eine personale Betrachtung – ganz im Sinne des Konzils. Er bezieht diese aber nur auf die pastorale Begleitung im Einzelfall, lässt also das Problem der Morallehre außen vor.

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