"Bauern erhalten keine Geschenke"

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Gerhard Wlodkowski ist seit einem knappen halben Jahr der Präsident der österreichischen Landwirtschaftskammer. Im Furche-Gespräch spricht er über den liberalisierten Welthandel, in welcher Form EU-Agrarsubventionen durchaus gerechtfertigt sind und über die Zukunft der Landwirte, die er nicht allein in der Erzeugung von Energie sieht.

Die Furche: Herr Präsident, wie sieht Ihre Linie zum Thema EU-Marktordnung aus?

Gerhard Wlodkowski: Die EU baut auf ständige Reformen: Zuerst war die Agenda 2000, 2003 folgte eine Evaluierung und die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Der damalige Agrarkommissar Franz Fischler meinte, dass die Direktzahlungen nicht haltbar und in grüne Maßnahmen umzuwandeln sind, unabhängig vom Produktionsvolumen. Zu dieser bis 2013 konzipierten Reform plant die Kommissarin Mariann Fischer Boel kommendes Jahr wieder einen "Gesundheits-Check". Im Sinne der Bauern müssen wir aber Stabilität und langfristiges Planen und Investieren ermöglichen. Wir sind überzeugt, dass die zunehmenden Liberalisierungen durch die Welthandelsorganisation (WTO) nicht gerechtfertigt sind, solange wir mit vielen Ländern konkurrieren müssen, wo Umwelt- und soziale Standards keinen Stellenwert haben. Natürlich muss mit unserer Hilfe alles unternommen werden, damit in den dortigen Ländern die Produktion aufgebaut werden kann. Der Vorwurf ist aber eher an die USA, Kanada und Australien zu richten, die ihre Überschüsse unter dem Titel Lebensmittelhilfe in Afrika bequem loswerden, aber kein gezieltes Programm zur Entwicklungszusammenarbeit haben.

Die Furche: Liberaler Handel bedeutet auch, dass subventionierte EU-Lebensmittel nach Afrika exportiert werden und dort im lokalen Marktgefüge großen Schaden anrichten. Ist das haltbar?

Wlodkowski: Das Gegenteil ist der Fall: Die EU importiert mehr Lebensmittel aus den AKP-Staaten (ehemalige Kolonien; Anm.) als Kanada, USA, Australien und Japan zusammen. Und es gibt nun im Rahmen der Initiative "Alles außer Waffen" eine weitere Öffnung. Außerdem hat die EU in der WTO-Doha-Runde den vollständigen Abbau aller Exporterstattungen angeboten.

Die Furche: Ein Dauerbrenner neben den Agrarsubventionen ist die Diskussion über die Gentechenik. Kann es ein Nebeneinander der Gentechnik mit herkömmlichem oder Bio-Landbau geben?

Wlodkowski: Österreichs Linie ist hier sehr klar, wir wollen gentechnikfrei bleiben, und Minister Josef Pröll unternimmt auch alles, dass es so bleibt. Heuer durfte noch kein genveränderter Mais angebaut werden. Jetzt ist die Frage, ob im kommenden Jahr die Beschlüsse fallen. Ich hoffe nicht, denn Österreich hätte keinen Vorteil davon. Man braucht hierzulande die Gentechnik weder zur Erzeugung von Bio-Energie noch gibt es so große Farmen, dass sie in der Massenproduktion wirklich Vorteile brächte. Von der Wissenschaft her haben wir leider keine Versuchsergebnisse, wie sich bei dieser kleinteiligen Landwirtschaft ein Nebeneinander auswirken würde. Man weiß nicht genau, wie weit der Pollenflug geht, und wenn es dann doch zu Auskreuzungen kommt, gäbe es zwangsläufig Schuldzuweisungen.

Die Furche: Im Handel gibt es jetzt die so genannte faire Milch, die Milchbauern zu mehr Geld verhelfen soll. Wie hoch ist der Druck auf die Bauern durch Einzelhandelsketten und Molkereien tatsächlich?

Wlodkowski: Für die österreichische Landwirtschaft und die Pflege der Kulturlandschaft ist der Milchpreis ein entscheidender Faktor. Im Sinne der Konkurrenzfähigkeit gleichen Unterstützungen wirtschaftliche Erschwernisse aus und tragen zur Erhaltung ländlicher Strukturen bei. Der Milchbauer kann die allgemeinen Kostensteigerungen nur tragen, wenn diese über den Milchpreis kompensiert werden. Die zehn Cent Milchpreiserhöhung Anfang Juli sollten natürlich vor allem den Bauern zu Gute kommen, die Bereitschaft der Handelsketten ist da. Auch die Molkereien haben nachgezogen und die Erzeugermilchpreise angehoben. Weltweit ist die Milch knapper geworden, da in Neuseeland und Australien durch lange Trockenheit Engpässe bestehen und China mehr Milch und Käse verbraucht.

Die Furche: Die Milchseen sind weg?

Wlodkowski: Ja, durch Nachfragesteigerungen und Trockenperioden. Für uns ist es noch selbstverständlich, dass wir Benzin und Lebensmittel in Hülle und Fülle haben. Aber durch viele Umstände werden Engpässe wie beim Benzin auch bei anderen Produkten kommen, und daran hängen Arbeitsplätze. Daher steht für uns die Lebensmittel-, nicht die Energieerzeugung im Vordergrund. Erste Priorität haben Lebens-, dann Futtermittel, und dann nachwachsende Rohstoffe.

Die Furche: Sie glauben also nicht an das Zukunftsszenario des Landwirts als Landschaftspfleger oder Energiebauer?

Wlodkowski: Das sind nur einige der Schwerpunkte, dazu kommen die Offenhaltung der Kulturlandschaft für den Fremdenverkehr, besondere Leistungen wie das Wasser sauber zu halten und die Landschaft zu pflegen. Dafür sollen auch Ausgleichszahlungen geleistet werden.

Die Furche: Das heißt, Subventionen sind auch längerfristig nötig?

Wlodkowski: Im positiven Sinne ja, als Abgeltungen für Leistungen, die unter erschwerten Bedingungen erbracht werden. Wir Bauern erhalten keine Geschenke, da geht es um Ausgleichszahlungen, dass Fremdenverkehr und Skilifte funktionieren et cetera. Jene Leistungen müssen genau definiert und die Bedingungen erfüllt werden, dann haben Bauern und Gesellschaft etwas davon.

Die Furche: Aber wenn es durch Flächensubvention zu Überproduktion kommt, muss das System flexibler werden …

Wlodkowski: Das System muss flexibler werden, soll aber nicht dauernd grundlegend geändert werden. Die Überproduktion gehört in Europa übrigens der Vergangenheit an.

Das Gespräch führte Thomas Meickl.

Geflügelzüchter an der Bauern-Spitze

1948 geboren, lebt der dreifache Familienvater in Gosdorf bei Mureck (Steiermark). Nach der Landwirtschaftlichen Fachschule und der Facharbeiterprüfung musste er bereits mit 17 Jahren nach dem überraschenden Tod seines Vaters den elterlichen Hof in Schwung halten. Seit 1986 ist der Geflügelzüchter zuerst als Landeskammerrat für die Steiermark als Interessensvertreter für Landwirte tätig, seit 1993 als Präsident der steirischen Landwirtschaftskammer und ab 2004 als Bauernbund-Obmann des Landes. In der AMA dient er seit Mitte der 1990er Jahre als Vorsitzender des Aufsichtsrates und des Verwaltungsrates. Anfang Mai dieses Jahres hat Wlodkowski von Rudolf Schwarzböck das Amt des Präsidenten der österreichischen Landwirtschaftskammer übernommen. Gerade zu einer Zeit, in der die Gentechnik buchstäblich vor den Toren Österreichs steht, und es bereits im kommenden Jahr zur ersten Freigabe von gentechnisch verändertem Saatgut kommen kann. Ein europäisches wie globales Thema. Vor allem die EU wird Wlodkowski auf Trab halten, denn EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel denkt bereits an neue Reformen.

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