Das Recht auf Nahrung

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Der Film "Septemberweizen" aus 1980 ist so aktuell wie bei seiner Premiere.

Am 21. Juni 1980 strahlte das ZDF im Rahmen des "Kleinen Fernsehspiels" den Dokumentarfilm "Septemberweizen" von Peter Krieg zum ersten Mal aus. Der Film lief erst spät um 22 Uhr, und so mancher dachte wohl, dass der Streifen einmal und nie wieder gezeigt wird. Weit gefehlt, denn der Kultfilm des deutschen Dokumentarfilms hatte und hat es in sich (ab 19. Oktober wieder in den Kinos), geht es doch um das Grundnahrungsmittel Weizen. Brisant wie eh und je ist dieser Film vor allem vor dem Hintergrund, dass in diesem Sommer in Italien zum Pasta-Boykott aufgerufen wurde, weil der Preis dafür derart gestiegen war. Ein anderes Beispiel ist der Milchpreis, der auch heuer in die Höhe schoss - nach Jahrzehnten der hoch subventionierten EU-Überschussproduktion. Die Lebensmittel werden teurer und das trifft vor allem die ärmeren Bevölkerungsschichten, doch nicht nur in den Entwicklungsländern, sondern auch in Industrienationen.

Dem Weizen folgen

Peter Krieg, Teil der 68er-Generation, wie er sich selbst im Furche-Gespräch bezeichnete, hatte sich in den 1970er Jahren schon länger mit dem Thema Hunger auseinander gesetzt und fand, es wäre an der Zeit, ein Grundnahrungsmittel näher zu betrachten. Sein Zugang war es, den Weg des Getreides vom Farmer bis zum Konsumenten aufzuzeigen. Der Film gliedert sich in sieben Teile: Winterweizen, Kassaweizen, Papierweizen, Brotweizen, Blutweizen und Hungerweizen. Krieg behalf sich keines Erzählers, sondern schildert in einer Collage aus Reportagen, Nachrichtenmeldungen und suggestiven Bildern schön und teilweise ruhig, was gar nicht so beruhigend ist. Die einzige Klammer des Films stellt der Weizen dar und die Geschichte von Josef in Ägypten, die doch von einem Erzähler erzählt wird, der sich aber rein um die Wiedergabe der Bibelgeschichte kümmert und zwischen den einzelnen Kapiteln zu Wort kommt. Josef der Ernäher, der nach Auslegung Kriegs der Prototyp eines vorsorgenden Sozialpolitikers war, der die absolute Staatsherrschaft im Auge hatte.

Eine zentrale Rolle im Geschäft mit dem Weizen stellt die Warenbörse in Chicago dar - die Chicago Board of Trade, die seit Juli diesen Jahres mit der Chicago Mercantile Exchange zur Chicago Mercantile Exchange Group fusionierte. Dort wird der Weltmarktpreis für Weizen bestimmt. Auch heute noch wird auf dem Parkett gehandelt, sprich Käufer und Verkäufer rufen sich Angebote zu bzw. tauschen sich untereinander mittels Handzeichen aus. Das Kapitel Papierweizen in "Septemberweizen" fühlt den Spekulanten auf den Zahn, die sich selbst als diejenigen bezeichnen, die bei Termingeschäften mit Weizen das Risiko für Wetter, Katastrophen und dergleichen tragen. Steigt nun der Preis in Chicago freuen sich die Verkäufer, und jedes Grundnahrungsmittel, das auf der Basis von Weizen produziert wird, verteuert sich. Kann man soweit gehen, dass heute ein guter Handel für den Verkäufer an der Chicago Board of Trade automatisch zu mehr Hungertoten in den Entwicklungsländern führt? So einfach kann man es sich nicht machen, meint Getrude Klaffenböck, Sektionskoordinatorin von FIAN (Foodfirst Information and Action Network), einer nichtstaatlichen Organisation, die sich für das Recht, sich zu ernähren einsetzt. Der Weizenpreis an der Chicagoer Börse ist vielmehr als Indikator zu betrachten. Laut Klaffenböck schauen sich Warenhändler den Weizenpreis genau an, steigt dieser, so wird mit anderen Nahrungsmitteln gehandelt, dadurch entsteht ein Schneeballeffekt und nicht nur Produkte aus Weizen steigen im Preis, sondern auch viele Ausweichprodukte.

FIAN ist der Meinung, dass die Staaten Maßnahmen wie Schutzzölle oder Ausfuhrverbote für bestimmte Lebensmittel verhängen sollen, um sicherzustellen, dass auch die arme Bevölkerung in einem Land genügend Grundnahrungsmittel zur Verfügung hat, oder es müssen andere Maßnahmen gefunden werden, damit ein Nahrungsmittel wie Weizen leistbar für alle bleibt.

Dieser Weg führt laut Krieg zu nichts, er sieht heute mehr als noch zu der Zeit, als er den Film "Septemberweizen" drehte, das Heil in der Globalisierung, in einem System, in dem ein freiwilliger und freier Austausch von Waren stattfindet. Denn die Problemlösungspotenziale durch individuelle Freiheit und Selbstorganisation sind groß, so der Regisseur. Das Problem des Hungers in der Welt ginge er so an, indem er die Menschen durch ein Mehr an Freiheit ihre eigenen Überlebensstrategien entwickeln ließe.

SEPTEMBERWEIZEN

BRD 1980. Regie: Peter Krieg. Verleih: Filmladen. 96 Minuten.

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