SPRECHBLASEN. Von Ernst Jan dl. Luchterhand-Verlag, Neuwied und Berlin, 1968. 95 Seiten. DM 9.80.Die „sprechblasen“ sind das zweite „konkrete“ Buch des Wiener Autors Ernst Jandl.Von Jandl erschien 1956 ein Band mit konventionellen Gedichten: „Andere Augen.“ Nach seiner Konvertierung kamen 1964 die experimentellen Texte ,;länge gedichte“ und „kläre gerührt“, 1965 „mal hart lieb zapfen eibe hold“ und 1966 sein erster gro-*ßer Sammelband „Laut und Luise“. Die „sprechblasen“ stehen „Laut und Luise“ in nichts nach.Sie lassen sich nach wie vor in eher visuelle
PROTOKOLLE 68 — Wiener Jahresschrift für Literatur, bildende Kunst und Musik. Herausgegeben von Otto Breich und Gerhard Fritsch. Verlag für Jugend und Volk, Wien-München. 222 Seiten. S 80.—.
DIE WIENER GRUPPE: Acbleitner, Artmann, Bayer, Rühm, Wiener. Texte, Gemeinschaftsarbeiten, Aktionen. Herausgegeben von Gerhard Rühm. Rowohlt-Verlag, Reinbeck bei Hamburg. 1967. 466 Seiten. S 146.—.
Theater der Courage: Die Courage dieses Theaters geht immer seltsamere Wege. Nach Borchert spielt man hier „Das Versprechen” des Russen Alexej Arbusow, dessen Interesse vor allem dem jungen Menschen gilt, „in dem er das Gute zu sehen und darzustellen bemüht ist”, wie es im Programmheft heißt. Mit dem an sich recht lobenswerten Bemühen muß sich der Zuschauer allerdings begnügen, außer es ist ihm die Auflösung der Frage, wer in einer Dreiecksgeschichte wen bekommt, eine ausreichende ästhetische Befriedigung … Wozu also? Elisabeth Stemberger bemühte sich als Regisseur
Wien hat derzeit rund ein Dutzend Kleinbühnen mit mehr oder weniger regelmäßigem Spielplan. Diese Bühnen wären an sich nicht nur das Zeichen einer erfreulichen Aktivität, sondern auch notwendig. Über die Existenzberechtigung von kleinen und Kleinsttheatem ist so lange nicht zu diskutieren, als sie ihrer Aufgabe nachkommen, Neues zur Diskussion zu stellen, zu experimentieren, Stücke zu zeigen, die anderswo nicht gezeigt werden könnten, und so überhaupt dazu beitragen, die Beziehung der künstlerischen Tradition zur „Revolution“ nicht abreißen zu lassen. Kleinbühnen,
DIE BELEGE DES MICHAEL CETUS. Erzählungen. Von Andreas Okopenko. Residenl-Verlar, Salzburg. 182 Selten. S 59.—.Wer Okopenkos bisher veröffentlichtes lyrisches Werk („Grüner November“, 1957, und „Seltsame Tage“, 1963), für das er 1966 den Wildgans-Preis bekam, auch nur mit einiger Aufmerksamkeit verfolgt hat, der weiß, daß dieser sensible Protokoll-lierer trotz aller Sensibilität oder trotz seiner Unsicherheit oder intellektuellen Vorsicht durchaus die Zähne der Polemik zeigen kann. Aber immer mit einer gewissen Spitzbüberei und ironischer Bescheidenheit — auch wenn er
Theater der Courage: Die fehlende literarische und auch sonstige Courage der Gegenwart mag die „Courage“ veranlaßt haben, den Beweis zu bringen, daß man sie wenigstens in der Vergangenheit hatte. Stella Kadmon gründete nämlich 1931 im Cafe Prückel die Kleinkunstbühne „Der liebe Augustin“. Nun wählte sie aus dem damaligen Programm einige der besten Nummern aus und serviert es als Festwochenkabarett unter dem Titel „Schaunstnadösan“ (kein Mensch sagt übrigens „dös“). Leider sollte es bei der historischen Betrachtung nicht bleiben. August Rieger, der Regisseur des
Ateliertheater: Es gibt Stücke, die man ach einiger Zeit -als „historisch“ empfindet und die sich doch in jeder Zeit bewähren, aktuell bleiben. Ferdinand Bruckners „Krankheit der Jugend“ ist ein solches. Es war einmal die erschütternde Diagnose einer Generation, die gegen ihr anrüchig gewordenes Erbe eines Weltkrieges und einer verlorenen, verlogenen Tradition rebellierte. Die Mittel waren Haß, Gleichgültigkeit, Perversität, Zynismus ... eine kranke Jugend. Und wieder wurde ein Erbe suspekt, ein Weltkrieg verloren (oder gewonnen, was spielte das noch für eine Rolle?), und die
Rund 50 der bemerkenswertesten von fast 400 Einsendern auf den Gebieten der Literatur und Malerei, unter ihnen auch sechs Preisträger, eine zwölfköpfige Jury, um sie herauszufinden, eine Handvoll Ideen und ebenso viele organdsations-eiprobte Leute, um sie verwirklichen zu können, weiters ein neues, ziemlich günstig gelegenes „Haus der Begegnung“, um das alles unter einem Dach zu haben, und schließlich der finanzielle Segen von „oben“ — das war die Konstellation, unter der die 18. österreichische Jugendkulturwoche in Innsbruck starten konnte.Der beste Erfolg war ihr von
Theater am Börseplatz: Hier erzählen die Komödianten die „Geschichte von des Kesselftickers Hochzeit“, von John Millington Synge. Dieses Stück dies irischen Dichters (1871 bis 1909) gilt in seiner Heimat angeblich als gotteslästerlich. Man wundert sich. Entweder wurde dabei nur die Meinung eines übereifrigen, kurzsichtiglen irischen Theaterdirektors kolportiert oder es gelten in Irland spezielle Maßstäbe... Es handelt sich um die Geschichte von der „Frau“ eines armen Kesselflickers, die endlich kirchlich heiraten möchte, was aber nicht zustande kommen will, weil der ständig
GRUNVERSCHLOSSENE BOTSCHAFT, 0 TRÄUME. Von H. C. Artmann Gezeichnet von Ernst Fuchs. Residenz-Verlag, Salzburg 1967. 116 Seiten, S 148.—. VERBARIUM. Gedichte von H. C. Artmann. Walter-Verlag. Ölten 1966. 92 Selten, sFr. 10.50. - DER LANDGRAF ZU CAMFRODON (für H. C. Artmann). Herausgegeben von Gerald Bisinger und Peter O. Chotjewitz. Verlag Ulrich Ramseger, Wangen 1966. 110 Seiten, DM 32.— (700 numerierte Exemplare)
Die Arche: Seit der Uraufführung von „Einstweilige Verfügung“ des Belgiers Jozef van Hoeck in Antwerpen sind zehn Jahre vergangen. Um mindestens die Hälfte davon kommt die jetzige österreichische Erstaufführung zu spät. Die Problematik des Stückes: Atombombenspionage aus Gewissensgründen... Inzwischen haben wir uns aber die intellektuellen Zähne an anderen (zum Teil besseren) Stücken ausgebissen und empfinden als überflüssigen Nachzügler, was eigentlich Vorhut gewesen ist. Als Trost bleibt, daß einem bei dieser Bilderbuchgeschichte nicht viel verlorengeht. — Jo van Osselt
Kabarett der Würfel: Es war nicht zu erwarten, daß Herwig Seeböck seiner grandiosen „Häfen-Elegie“ von „einst“ ein zweites, gleichwertiges Programm folgen lassen könnte. Er konnte. „Herwig See-böcks Raritäten-Kabinett“ heißt es, und nur Blindheit oder eine leidige Mentalität, die sich immer auf Kosten des Gegenwärtigen zur sentimentalen Verklärung der Vergangenheit aufrafft, wäre imstande, dabei über einen „Leistungsabfall“ zu raunzen. Tatsächlich ist Seeböck nämlich neben Qualtinger der größte Könner seines Faches, den man in den letzten Jahren in Wien
Theater der Courage: Einen in den letzten Jahren oft zitierten Zeitgenossen wählte sich Georg Orgel (Autor der ebenfalls in der „Courage“ erstmals gebrachten Sketches „Gemmasiflrchtn“) als Tttelflgur seines nun uraufgeführten Stückes „Die seltsame Tirade des Lee Har-vey Oswald“. Orgel teilt darin die umstrittene These, nach welcher Oswald der Kennedy-Mörder sei, nicht nur absolut nicht, sondern zeichnet mit ihm das „Modell eines Rebellen, der seinen Traum suchte und scheiterte“. Ob dieses Modell mit der historischen Wirklichkeit übereinstimmt, ist dabei gleichgültig. So
Ateliertheater: Die österreichische Erstaufführung der beiden 1919 entstandenen Einakter „Der Fischzug“ und „Die KleinbürgerhochzeW von Bertolt Brecht mag eine Kuriosität sein, künstlerisches Ereignis ist sie keines. Zum Teil liegt es an den Stücken. Das erste der beiden ist der dürftige Sketch über einen Fischer, der seiner untreuen Frau eine Falle stellt, um sie in flagranti zu ertappen, davonzujagen und am Ende auf die „verstorbene“ Gattin den Trauerschnaps zu trinken, während diese bereits wieder zurückgekommen ist und sich weiter von dem versoffenen Fischer mißhandeln
Theater am Belvedere: Die sinnlose Frage, ob Georg Kaisers expressionistische Proklamation „Gas“ überhaupt spielbar sei oder nicht, erfährt hier eine sehr einfache Beantwortung — es wird gespielt. Und zwar überzeugend. Sämtliche guten Geisten: haben sich im Keller eingefunden und lassen einen all das vergessen, was man hierorts nicht selten als „Engagement“ verkaufen wollte. Aber diesmal stimmt die Rechnung: „Gas“ erweist sich als hochaktuelles, ehrliches und gar nicht schlechtes Stück, dessen Pa-thetik durch die notwendige Reduzierung auf den Aktionsradius einer winzigen
Nestroytheater: Die jetzige Inszenierung des „Zerrissenen“ müßte es allen Beteiligten und den Zuschauern endlich klarmachen — so geht es nicht! Für ein neues Bühnenbild ist nicht genügend Geld da? Gut. Dann hätte wenigstens ein Bühnenbildner das Vorhandene mit Elan einsetzen müssen. Diese Rumpelkammer eines Ungenannten tut aber den Augen weh... Hat man nicht die Zeit oder Möglichkeit, die Originalmusik zu spielen? Gut. Dann hätte man sich wenigstens über einen befriedigenden Kompromiß den Kopf zerbrechen müssen. Dieses pseudoelegische, in jeder Hinsicht dilettantische
Theater der Courage: Rumäniens Beitrag zum europäischen Theater des 20. Jahrhunderts ist ein mehr als bescheidener — trotz gegenteiliger Behauptung im Programmheft der „Courage“. Immerhin und gerade deswegen ist die deutschsprachige Erstaufführung von „Ich bin nicht der Eiffelturm“ der rumänischen Journalistin Ecaterima Oprofc* ein erfreulicher Schritt. Das Stück selbst, übrigens ein Erstling, erweist sich als interessant, halbwegs gut gebaut und passagenweise sogar als gut: Zwei junge Menschen, die sich zufällig kennenlernen, erleben in der Phantasie den Weg ihrer Liebe —
DER SECHSTE SINN. Texte von Konrad Bayer. Herausgegeben von Gerbard Rühm. Rowohlt-Verlag, Reinbek bei Hamburg, 1966. 314 Seiten, DM 26.—. — TOD DURCH MUSEN — Poetische Texte. Von Friederike Mayröcker. Rowohlt-Verlag, Reinbek bei Hamburg, 1966. 199 Seiten. DM 20.—. — LAUT UND LUISE. Von Ernst J a n d 1. Walter-Verlag, Ölten und Frelbnrg Im Breisgau (Walter-Druck 12). 206 Seiten. sFr. 28.—.Nachdem es in Österreich offiziei-lerseits keine Avantgarde gibt, man schon von jeher lieber feststellte, daß es sie gegeben hat, hat man sich auf Grund einer bestimmten Mentalität darauf
Die Arche: Diese Studentenbühne — sie ist mittlerweile die einzige geworden — macht mit den „Zeugen oder Unsere kleine Stabilisation“ von Tauenisz Rösewicz (Jahrgang 1921) mit einem weiteren Stück moderner polnischer Dramatik bekannt. Rözewicz versucht hier in bewußt banalen Texten, in AH-tagsfloskeln und Phrasen ein Stück Wirklichkeit poetischer einzufangen, als dies seiner Meinung nach bei Verwendung von „schönen“ Bild-metaphem der Fall sein könnte. Die Poetisierung gelingt allerdings nur stellenweise (am ehesten im zweiten Teil), ansonsten bleibt das Flache flach. Man
INMITTEN EINES BLÜHENDEN PRESSEMARKTES, inmitten Länder, in denen Zeitungen und Illustrierte fließen, liegen noch Brachfelder journalistisch-kommerzieller Saumseligkeit. Für die zahlreichen Konsumenten in den Oberstufen der höheren Schulen, denen am Anfang ihres längeren Weges zum „Twen“ höchstens noch „Bravo“ nachgerufen wird, fand bis jetzt keine Markterschließung großen Formats statt. Sie haben keine eigenen Zeitschriften — bis auf diejenigen, die sie sich in ihren Organisationen selbst machen. Was aber gemacht wird, sei hier kurz mit Auflagenhöhe, Seitenanzahl,
Die Komödianten: Im neu (und recht gut) ausstaffierten Theater am Börseplatz wird nicht zum erstenmal viel Mühe und Können für eine im Grunde sehr zweifelhafte Sache aufgewendet. Diesmal geht es um den „Test“, ob Thornton Wilder in seinen „Iden des März“ mehr oder weniger präfaschistische Heldenverehrung betrieben habe, weil er den Diktator Cäsar menschlich „näherbringen“ wollte. Kurz: die Komödianten parodieren Wilders Roman. Weil sie nämlich (was für ein Engagement!) gegen Diktatoren sind. Speziell (wie aufrecht!) gegen Hitler und Mussolini. Das ist brav so, und
GODOT IST GEKOMMEN: „Prosa viva“. Von Mirodag Bnlatovlc. Hanser-Verlag, München, 1966. 132 Selten. — DIALOGE. Von Marguerlte D n r a s, Suhrkamp-Verlag, Frankfurt, 198$. 286 Selten. DM 24.—.Die Tatsache, daß sich hier einmal ein Autor nicht stillschweigend von Samuel Becketts „Warten auf Godot“ inspirieren ließ und ein bißchen Plagiat betreibt, sondern in aller Öffentlichkeit den Anschluß an Bek-kett schon im Titel hervorstreicht, ist sympathisch. Auch diesmal warten die beiden Existenzvagabunden Wladimir und Estragon auf Godot, der Erlösung bringen soll. Und — zum
Ateliertheater: Das in österreichischer Erstaufführung herausgebrachte Stück „Beute“ von dem 27jährigen Engländer Joe Orton nennt sich Kriminalgroteske: Die richtige Bezeichnung für einen Jux, mager an Einfällen, konventionell (bis auf die hier weniger wie in „Seid nett zu Mr. Sloane“ ins Gewicht fallenden Geschmacklosigkeiten) und ohne nennenswerten formalen Qualitäten, aber mit einigem groteskem Witz und einem pointierten, zum Teil gekonnten Dialpg — im Ganzen nicht gerade schlecht, aber weit davon entfernt, gut und eines größeren Aufhebens wert zu sein. — Die
Nestroytheater: Nach dem letzten hoffnungsvollen Teilerfolg war die jetzige Inszenierung von Nestroys „Unverhofft“ leider enttäuschend. Das Stück selbst gibt dazu keinen Anlaß: es entstand zwar sehr rasch im April 1845 für die „Benefizaufführung“ zugunsten der Prager Hochwassergeschädigten und lehnte sich daher noch enger als sonst an das französische Original an, hat aber neben dessen turbulenter, geschickter Handlungsführung seine speziellen Qualitäten im Dialog und der parodistischen Zeichnung der Figuren. Der Regisseur des Abends, Max Felber, hatte bei der Realisierung des
Theater am Belvedere: Da bot sich wieder einmal eine Gelegenheit zur Zeitkritik — oder was Theaterleiter Dr. Irimbert Ganser seit eh und je darunter versteht: völlig unkontrolliertes, blindes, teilweise auch unmotiviertes und fast pubertär anmutendes Umsichschlagen. Dabei würde sich eine Aktualisierung der „Frösche“ des Aristophanes durchaus rechtfertigen lassen. Gerade weil wir nämlich dem von Aristophanes so entschieden geführten Kampf gegen Euripides zugunsten Aischylos’ mit einiger Reserve gegenüberstehen, liegt eine Uminterpretation der Satire auf unsere Zeit und eine
Als der junge enthusiastische Idealist, Schauspieler und Regisseur Otto Kery im Jahre 1946 eine burgenländische Reisebühne aufzubauen begann, dachte er sicherlich nicht daran, daß er 20 Jahre später jubilierender Direktor eines der modernsten, größten und besteingerichteten nichtstabilen Theater sein würde. Der Weg vom mietweisen Einquartieren des eher bescheidenen Thespiskarrens bis zur 8X10-Meter-Bühne war ja auch ziemlich weit. An der künstlerischen Qualität sollte allerdings von Anfang an kein Zweifel bestehen: So fand beispielsweise die erste Dichterlesung im Eisenstädter
IM BANNE DES BTJRGTHEATERS. Von Ernst Haeusserman. Europa-Verlag, Wien-Frankfurt-Zürich. 175 Seiten, Preis S 87.30, — BRÜCKE ZU VIELEN UFERN: Wesen und Eigenart der österreichischen Literatur. Von Joseph Streiką Europa-Verlag 131 Seiten. Preis S 73.50.
Theater im Palais Erzherzog Karl: Das Einmannspiel geht um und findet auf Direktor Pikis Bühnen Zuflucht und Bleibe. Was dem einen (Lederer) recht ist, ist beim andern billig. Im Falle von Eduard Sprin- ' gers Solo in der österreichischen Erstaufführung „Das Rennen“ allerdings zu billig. Das beginnt beim uninteressanten Stück des Engländers Ken Hughes, dessen Sorge um seinen Sammy, ob dieser nun die gefährlich werdenden Schulden bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückzahlen kann oder nicht, man als Zuschauer in keiner Weise zu teilen vermag. Und endet schließlich bei der
Experiment am Lichtenwerd: Eigentlich hieß er Schalom Rabino- witsch, wurde 1859 in der Ukraine geboren und starb 1916 in New York. Sein literarisches Pseudonym „Schülern Alejchem“ bedeutet „Friede sei mit euch“. Nach diesem Motto schien er auch über seine Mitmenschen, die großen und kleinen, meist aber ganz kleinen russischen Juden um sich zu schreiben. Er porträtierte sie mit einem Lächeln, er führte sie mit ihren Nöten und Schwächen vor, aber er karikierte iicht und verletzte niemanden. — Herbert Lederer stellte sich aus den Romanen „Tewje, der Milchmann“ und
Ateliertheater: Mit Heinrich Wilhelm Gerstenbergs (1737 bis 1823) „Ugolino“ setzte innerhalb des deutschen Dramas das ein, was man mit mehr oder weniger Recht „Sturm und Drang“ nennt (Klingers gleichnamiges Stück wurde erst acht Jahre später geschrieben). Vielleicht kann das und der für die damalige Zeit einigermaßen experimentelle Charakter dieser Novität erklären, warum sich das Ateliertheater ungewohnterweise zu zwei Schritt zurück statt einem nach vor entschloß. Es bewies damit in einer österreichischen Erstaufführung (!), daß es sich lohnt, dieses von Shakespeare
Nestroy theater: Schon bei der Eröffnungspremiere dieses neuen Theaters mit „Liebesgeschichten und Heiratssachen“ mußte man neben so manchem anderen den unoriginellen, einfallslosen Spielplan als Negativuni feststellen. Daran hat sich jetzt mit den „Früheren Verhältnissen“ und den „Schlimmen Buben in der Schule“ nichts geändert. Das eine sah man vor nicht allzuilanger Zeit ih der Josefstadt, das andere steht ita Repertoire des Akademietheaters ... Trotz dieser schlechten Ausgangsposition sind diesmal einige Hoffnungen bezüglich der Aufführung ih Erfüllung gegangen. Die
Der hundertste Geburtstag war der äußere Anlaß zur Matinee im Akademietheater für Richard Beer- Hofmann. Andere Anlässe gäbe es noch genug. Nicht zuletzt vielleicht den, eines bedeutenden Dichters zu gedenken, der neben seinen Freunden Hofmannsthal, Schnitzler und Martin Buber ein literaturgeschichtliches Schattendasein führt. Trotz dem hielt diese Feier eher jene intimen, persönlichen Töne fest, die in der Gedenkrede von Ernst Lothar gleich, zu Beginn angeschlagen wurden: Beer-Hofmanns Emigration in die Vereinigten Staaten, der Tod seiner geliebten Frau Paula kurz zuvor, seine
THEATERSCHRIFTEN UND REDEN. Von Friedrich Dürrenmatt. Verlag Arche, Zürich, 1966. 357 Seiten. sFr 2.80. — DER METEOR. Von Friedrich Dürrenmatt. Verlag Arche, Zürich, 1966. 71 Seiten, sFr. 8.80.
Theater der Jugend: Die Ge schichte vom bösen König, dem ein Mädchen unter vielen Gefahren sein veriorenes Herz zurückbringt und daraufhin von einem nun gutenKönig geheiratet wird (nebst der Intrige von eigensüchtigen Hofschranzen und einer bösartigenHerrscherin, die selbst gerne Königin werden möchte), ist keine künstlerische Höchstleistung und keine große Dichtung. Franz Karl Ginzkey schrieb aber mit seinem „Verlorenen Herz“ ein liebenswert naives, gerade für die jüngeren Abonnenten sehr geeignetes Stück. Unbedingt sinnvoller und auch von Erwachsenen akzeptierbarer als die
Theater im Palais Erzherzog Karl: Ein Mann, der sich von seiner Frau tyrannisiert vorkommt, ist zu vielem imstande. Sogar zu einer Epiphanie; was im gleichnamigen Einakter von Lewis John Carlino die Vereinigung des homo sapiens mit dem gailus domesticus bedeutet. Denn nur in der absoluten Hierarchie der Haushühner kann die untergrabene Mannesehre des 'von seiner Frau bei homosexuellen Neigungen ertappten Ornithologen, der jenen Tatbestand heftig bestreitet, wiederhergestellt werden. Der Hühnerstall ist bereits in der Wohnung installiert, die Frau zum Gehorchen gezwungen. Es gibt kein
Theater am Belvedere: JenesPseudonym Gottfried Hauser, das sich hier bereits zweimal mit zwar ideenreichen, aber schlechten Stük- ken produzierte, stellte Nestroy- Kenner und Rätselfreunde diesmal vor eine spezielle Aufgabe, indem es eine Possie schrieb, die „Verwickelte Geschichte“ heißt und eigentlich von Nestroy ist. Wahrscheinlich hatte das Pseudonym in enger Zusammen- überlegung mit Direktor Dr. Irim- bert Ganser den Gedanken, daß dieser späte Nestroy zu kurz und auch nicht so recht gut sei. Das mag immerhin eine Erkenntnis sein. Eine Anmaßung ist es hingegen, wenn Hauser
GEORG LUKACS — FESTSCHRIFT ZUM 80. GEBURTSTAG. Herausgegeben von Frank Ben »eie r. Luchterhand-Verlag, Neuwied und Berlin, 1965. 11« Seiten. 48 DM. — GEORG LUKACS: PROBLEME DES REALISMUS III: Der historische Roman (Werke, Band 6 . Luchterhand-Verlag, Neuwied und Berlin, 1965. 64:! Seiten. 6(1 DM.
Als man von der Idee hörte, in . Wien ein Nestroy-Theater zu eröff- i nen, war man positiv überrascht. : Leider wurde dieser an sich mehr als legitime Gedanke und langgehegte Wunschtraum, den Stücken des gro- : ßen Wieners eine ständige Pflegeanstalt zu geben, rauhe Wirklichkeit in Gestalt einer Aufführung von „Liebesgeschichten und Heirats- Sachen.“ Nun wäre das Ganze in : Jedem Kellertheater bloß eine mittelmäßige Produktion mit einigen Lichtblicken gewesen und gar nicht weiter aufgefallen, hier wird es unwillkürlich zum Prügelknaben enttäuschter Hoffnungen. Man hätte
Vienna’s English Theatre“ ist im Palais Erzherzog Karl wieder in Aktion. Heuer aber nicht mit einem Sprechstück, sondern — was bei dem Zweck und bei der Jahreszeit mehr als Berechtigung hat — mit amerikanischen „Blues — Spirituals — Ballads“. Oder genauer gesagt mit 18 Balladen, acht Spirituals und drei Blues, die von dem in Wien Musik studierenden Wendell Brooks aus Kansas, USA, zur Gitarre gesungen werden. Der Abend ist in einer wohltuenden Weise interessant und unkompliziert. So unkompliziert, daß nichts unternommen wurde, um das Gesungene stellenweise ins
Mit dem Wort Laientheater assoziiert der „anspruchsvolle“ Theaterbesucher ein Konglomerat von enthusiastischen Dilettanten, die mit viel gutem Willen Erbarmungswiirdiges produzieren, von primitiven Stegreifbiihnen und geplagten Schiilem, die der Ehrgeiz eines kunstbegeisterten Lehrers Klassiker spielen laBt. Diiese Vorstellung besteht nicht ganz zu Unrecht. DaB es aber noch andere Aspekte gibt, be- wies das von der Direktion der Wiener Festwochen in Zu- sammenarbeit mit der Redaktion „Der Spielvogel" veran- staltete erste Osterreichische Amateurtheatertreffen. Zehn Gruppen —
Theater der Courage: Wenn sich manche Autoren nur entschließen könnten, so lange auf die Eingebung zu warten, bis auch die als Füller getarnten Notnägel durch Qualität ersetzt werden könnten, dann wäre man im speziellen Fall in der Lage, die Uraufführung von Georg Orgels „Gemmasifirchtn!“ mit einigem Enthusiasmus zu begrüßen. So aber interessieren einem bei dieser „Grottenbahnfahrt durch fünf zeitgenös- siche Stationen“ immer bloß die Endstationen. Die anderen Haltestellen lohnen sich nicht: Bei der „Blumö“ liegt die Pointe allzu offensichtlich auf der Hand, beim
Theater am Börseplatz: Mit Brechts Exilstück „Die Gewehre der Frau Carrar“ aus dem Jahre 1?37 bescheren die Komödianten ihrem verwöhnten Publikum einen jener Abende, die man in gleicher Weise ablehnt und begrüßt. Dieses, weil es sich um eine österreichische Erstaufführung des bedeutenden Autors handelt, jenes, weil die hier demonstrierte politische Tendenz und künstlerische Methode als antiquiert angesehen werden muß. Die „Moral“ der Geschieht (von der Mutter Carrar, die ihre Söhne nach Verlust des Mannes aus dem Spanischen Bürgerkrieg heraushalten will, weil sie sich
Theater der Courage: Nicht nur im Büro leistet man sich hin und wieder einen blauen Montag — auch ein Dramatiker kann der Versuchung erliegen, wie man bei dem in Ungarn geborenen Amerikaner Ladislaus Fodor sieht. Sein Stück „Blauer Montag“ (österreichische Erstaufführung) scheint auch das Produkt einer arbeitsunwilligen Stunde zu sein, Einfallsreichtum und Originalität waren noch vom Sonntag her strapaziert. Und so scherzt es halt so dahin — nicht gerade schlecht, aber auch nicht gut: ein verliebtes Büropaar, ein böser Chef, einige noch bösere Gedanken und ein gutes Ende. Wie
THEATER AM BÖRSEPLATZ: Wie hoch man die theatralische Wirksamkeit von Gestik, Rhythmik und gesteigerter Mimik zunächst einmal ganz abgesehen von sprachlichen Qualitäten veranschlagen kann, wenn sich Naivität und Können verbinden, zeigte sich (wieder einmal) bei „Bettler, Bauern und Balladen", dem neuen Programm der Komödianten. Das Beweisverfahren läuft an Herders 1778 erschienenen Volksliedersammlung „Stimmen der Völker in Liedern“. Die poetische Demonstration der ausgewählten deutschen, englischen, schottischen, sogar grönländischen Balladen ist spannend und subtil, die
Theater am Belvedere: 1901 schrieb das „Gehirn zu Pferde” (Hamsun) August Strindberg ein kühnes Werk, von dem Generationen von Dramatikern bis herauf zu den Absurden profitieren sollten. „Ein Traumspiel” hatte ein ganzes Register neuer Formmöglichkeiten mobilisiert, Assoziationen, Sprunghaftigkeit. Improvisation und Unlogik aufgenommen und zu einer phantastischen Vision vom Mitleid mit dem Menschen gestaltet. Indras Tochter, die Göttliche, muß die fruchtlosen Bemühungen, das Elend der Erdenbewohner erkennen. „Es ist schade um die Menschen”, zu dieser Überzeugung kommt sie
Dieser „andere” braucht kein leibhaftiger Mensch zu sein, es kann auch das „andere” in seiner eigenen Brust sein, das Denkerische, das logisch auch andere Möglichkeiten zuläßt, das Menschliche, das angesichts grauenvoller Notwendigkeiten schaudert. Was den absoluten Tatmenschen ausmacht, ist eine solche Geradlinigkeit und Einfachheit der Konzeption, daß nur ein einziger Weg möglich ist. Solch eine Konzeption fördert die Energie bei der Ausführung. Conrads Konzeption ist sicherlich gedanklich differenzierter als die eines Hindenburg, die Formeln, die er ausrechnet, sind
Theater im Palais Erzherzog Karl: Es gibt nicht sehr viele Werke der neueren Literatur, für die man eine Garantie zu haben glaubt, daß sie die Zeiten überdauern. „Der alte Mann und das Meer” von Ernest Hemingway gehört dazu; diese Erzählung vom heroischen, hohe Einsätze fordernden, erbarmungslosen, hoffnungsvollen, erdrückenden und immer wieder neu beginnenden Kampf des Menschen um all das, was sein Leben ausmacht, und überall dort, wo er sich hingestellt findet. Der Mensch kann den Kampf gewinnen, oft verliert er ihn. Er darf es. „Aber der Mensch darf nicht aufgeben” — das
SIE WIRKT SO EINLADEND MIT IHRER raffinierten Titelmontage in Rot-Schwarz-Weiß und liegt durch ihr starkes, exquisit wirkendes Papier gut in der Hand, die „kritische Zeitschrift für Studenten — ,impuls’ “ (Herausgeber und Eigentümer: Hauptausschuß der österreichischen Hochschülerschaft an der Universität Graz; erscheint zweimonatlich „exklusiv, aktuell, informativ, gegen Konformisten”). Man muß sie sich einmal näher ansehen: Auf der weißen inneren Kartonumschlagseite sieht man neben ein paar Zeilen Text das Bild des neuen Rektors und unter zwei Leisten den Presseaufruf
Experiment am Lichtenwerd: Für sein Intima Teatern schrieb August Strindberg 1907 vier Kammerspiele. Die Idee, ein weniger bekanntes davon durch die im Kellertheater bedingte Beschränkung auf das Wesentliche, auf scharfe Akzentuierung vom symbolisch übersteigerten Naturalismus zu lösen, war zu begrüßen. Sicherlich ist „Der Scheiterhaufen” mit so manchen Klischees und pathetischen Verstiegenheiten kein geniales Werk, aber ein interessantes und von der Dramtiker- pranke eines Meisters geformtes. Gier, Verlogenheit, Haß, Betrug und Ahnungslosigkeit als menschliche Register — die
Ateliertheater: Da Vermutungen verständlicherweise der Fixierung widerstreben, soll man nicht beurteilen, ob das in einer österreichischen Erstaufführung gezeigte Stück „Das Naturtalent” von dem Schweizer Hermann Ferdinand Schell gut oder schlecht, komisch oder langweilig Ist. Man wüßte es gerne, weil die Uraufführung im Stadttheater Bern ein großer Erfolg war; die freie Wiener Bearbeitung und Inszenierung von Veit Relin allerdings ließ im Eifer, eine „österreichische Komödie” zu schaffen, vom Original sicherlich nicht viel übrig. Wollte doch der Hausherr vor allem einmal
Kabarett „Der Würfel“:Mit dem neuen Programm „Verschlampt in alle Ewigkeit“ geht das Ensemble an eine schwere Front — wenigstens in einigen Nummern. Im allgemeinen nimmt man's nicht so genau mit dem Titel, denn wer vieles singt, wird manchmal etwas zwingen. In diesem Sinne mischt der „Würfel“ wie schon seit langem vier kaberettistische Möglichkeiten: sehr zeitbezogenes, parodistisch schwaches Polemisieren (Das Geburtstagskind, Probst Mahlzeit...), dann moralisierende Nummern, bei denen sich auch der unpolitische Bürger an der Nase gepackt fühlen kann (Das Plakat, Cool...),
Experiment am Lichtenwerd: Eugene Ionesco leistet sich im „Impromptu oder Der Hirt und sein Chamäleon“ eine brillante Attacke auf das Thesentheater aller Schattierungen (Sartre, Adamov, • Brecht, Brecht, Brecht...) und deren streitbare Exe-geten. Und wenn der Autor, der sich im Stück auftreten läßt, in seiner Reaktion darauf selbst zum unerbittlichen Didakten wird, so nimmt sich Ionesco — ohne mit der Feder zu zucken — dramatisch selbst auf den Arm: es soll nie wieder vorkommen. Hoch lebe das Anti-Anti-Theater! Dabei erweist sich eine Waffe des avantgardistischen Altmeisters
Theater am Börseplatz: Gute Ideen Und die Kraft, sie mit Können durchzuführen, ist man bei den „komödianten gewohnt. Das kann auch diesmal konstatiert werden, wenn zwei sympathische Amerikaner in der Montage von Conny Hannes Mayer „Das andere Amerika vorstellen. Gemeint sind die Vereinigten Staaten mit ihrem Negerproblem; das Amerika der Rassenungleichheit, der Diskriminierung, des Ku-Klux-Klan. Das „bornierte Amerika in der Retroperspektive mit einem Fragezeichen für Gegenwart und Zukunft. Leider wird der an sich durch seine eigenwillige Perspektive interessante Abend von einem
Kärntnertortheater: Einen zweiten Pantomimenabend innerhalb sehr kurzer Zeit bestritten Milan Sladek und seine Gruppe aus Preßburg unter dem Titel „Text an der Kasse oder Sieben Personen suchen keinen Autor“. Letzteres wurde den sieben jungen Darstellern wortloser Kunst auch zum Verhängnis. Begonnen hatte es ja ganz hoffnungsvoll, wenn auch nicht gerade originell, mit der „Marionette“ und dem „Kleinen Soldaten“. Das war so gut gemacht, daß man ihnen den langen Bart der Idee noch verzeihen konnte. Dann kam „Kefka telefoniert“, und man hielt sich nur noch an das Talent von
Ateliertheater: Das größte Kellerereignis war diesmal ohne Zweifel der Frangois-Villon-Abend von Herbert Lederer, welcher jetzt bereits ein beachtliches Repertoire von Soloprogrammen aufzuweisen hat. Unter dem Titel „Genie und Galgenstrick“ erzählt der ambitionierte Schauspieler mit gewohnter akrobatischer Gedächtnisleistung das abenteuerliche Leben des großen französischen Vagantendichters, dessen Leben vom Werk nicht zu trennen ist. Es war daher eine glückliche Idee Lederers, nicht bloß einen rezitativen Balladenabend, sondern das Leben des „Galgenstricks“ selbst— soweit