Auf ihren Platz in der Kirche hat meine Großmutter immer Wert gelegt. Mir muß der Mund of fengeblieben sein, als ich sie als Bub, ihr unverzichtbarer Begleiter, einmal bei mäßig besetzter Kirche leise, aber bestimmt eine nicht viel jüngere Frau von ihrem eigenen Sitzplatz verweisen sah ...” So beginnt Otto Borst das Kapitel „Die Leute auf dem Schachbrett” in seinem Buch „Alltagsleben im Mittelalter”. Wie auch sonst öfter nähert er sich der „ Alterität”, also der Fremdeheit des Mittelalters, diesmal dem Standesdenken von eigenen Erfahrungen und Erinnerungen her. Wie oft
Immer öfter fragen sogar Politiker, sogar aus „C-Parteien”, in Diskussionen: Was verstehen Sie eigentlich unter „Familie”. Was soll das sein ... Quer durch die Parteien leben die fa-milienpolitisch Verantwortlichen „unfamiliär” und „ehefern” -verantwortungslos. Man wird schließlich noch scheitern dürfen.Sind aber wirklich alle gescheitert oder haben sich manche gescheitert? Haben diejenigen, die für die Familie sprechen, nur die besseren Argumente, jene anthropologischen Argumente, die ihnen das Versagen anderer Lebensweisen liefert, oder haben sie eine echte, begründete
Die Landesausstellung 1993 in Niederösterreich steht unter dem Motto „Die Familie, Illusion und Realität". Ich meine aber, es müßte heißen: „Die Familie, Ideal und Realität".Denn die Realität dementiert das Ideal nicht. Das Ideal ist keine Lüge, sondern eine Vorgabe, eine Rfcht-größe. Und es liegt im Wesen des Ideals, daß es nicht erreicht wird. Es ist aber bekanntlich besser in einer halbwegs intakten Familie aufzuwachsen, als im Niemandsland von Menschen, die nur ihren Neigungen und Irritationen nachgehen. Vor der Abweichung aber kommt die Weichenstellung, die
Wir gingen wohl in die fünfte Klasse des Gymnasiums, als wir einmal „Dandy und Gentleman" als Aufsatzthema für eine Schularbeit in „Deutscher Unterrichtssprache" vorgesetzt bekamen. Meine Hilflosigkeit war groß, weil ich das Wort Dandy bis dahin nie gehört hatte und nur über den Gentleman Bescheid wußte, oder zu wissen glaubte. Verblüfft war auch der Professor, als ich mich über den Dandy beschwerte. Er könne jetzt keine langen Erklärungen abgeben, sagte er, aber der Dandy sei so ungefähr das Gegenteil des Gentleman. Im übrigen erlaubte er mir, bloß über den Gentleman zu
GeisterfahrerSo viele Wörterbücher stehen in meiner Bibliothek, xmd in keinem einzigen steht der GeisterfahrerX Der (fehlende) Geisterfahrer führt mir drastisch vor Axigen, daß mein gesamter Wörterbuchpark emeue-rxmgsbedürftig ist. Axif meinen Regalen drängen sich alte Modelle, ja ausgesprochene Oldtimer (Erstausgaben). Manch altes Wörterbuch aber verstehtdie moderne Weltnicht mehr. Wortlos xmd sprachlos stehen viele Wörterbücher dem Zeitgeist gegenüber. Keines kaim sich xmd mir das Phänomen der Geisterfah-rer erklären. Dabei wimmelt es in den Zeitungen von Geisterf ahrem.Gleich
Als ich vor einigen Tagen auf dem Weg nach Salzburg im tiefen Frieden der 1. Klasse des Blauen Enzian die Berichte dreier Zeitungen über die Niederlage einer Wiener Fußballmannschaft namens Rapid gegen eine russische Lokomotive namens Dynamo Kiew las, verging mir die Zeit im Express natürlich rapide und wie im Flug. Mit großem Erstaunen sah ich aber, daß in keinem derBerichte etwa von den Füßen oder den Beinen die Rede war, die bei einem Fußballspiel sicher auch eine gewisse Rolle spielen, sondern fast ausschließlich von Phänomenen der geistigen Welt.In einer jener Untersuchungen
Vor einiger Zeit hielt ich an einer deutschen Universität einen Vortrag über österreichische Gegenwartsliteratur. Wieder daheim in Klagenfurt, bekam ich von jenem Veranstalter eine Besprechung meines Vortrages in einer der dortigen Zeitungen nachgeschickt. Der Rezensent fand an meinen Ausführungen nichts auszusetzen. Meine Freude wurde nur dadurch gemindert, daß die Namen der Kollegen, über die ich referiert hatte, falsch wiedergegeben, ja zum Teil bis zur Unkenntlichkeit entstellt waren. Das war schlecht an der „guten“ Besprechung ... Selbstverständlich war auch mein eigener Name
Interessiert höre ich die neuesten Berichte über die jüngsten Aussprüche jenes humorvollen Praktikers, der seinen Patienten die medizinischen Sachverhalte gern mechanikermäßig erklärt, wohl in der richtigen Annahme, daß den meisten Menschen das Auto und sein Innenleben vertrauter ist als der eigene Körper mit seinen anatomischen, pathologischen und sonstigen Rätseln.Doch findet dies, höre ich, nicht jedermanns Beifall. Nicht jeder fände etwa das Wort „schadhafter Auspuff” im Zusammenhang mit einem Hämorrhoidenleiden lustig. Und die Gleichsetzung von Herz und Pumpe, Darm und
Nur der sogenannte Träger eines Namens kann abschätzen und ermessen, was dieser sein Name wirklich „bedeutet”. Und mancher Namensträger trägt durchaus schwer an seinem Namen. Was mich betrifft, so weiß ich, was ich am Namen Alois habe...Ich kenne sämtliche Möglichkeiten der Verkleinerung, aber auch der Vergröberung, des „Diminutiven” und des „Augmentativen”, um es sprachwissenschaftlich zu sagen. Da ich lange Zeit als Kind den Eindruck erweckte, als ob ich ungewöhnlich klein bleiben möchte und „Angst vor der Größe” hätte, um es schließlich doch zu einer
Einem ist gut zuhören. Die meisten Menschen haben indessen eine größere Freude am Erzählen als am Zuhören. Nicht immer trifft darum ein guter Erzähler auf einen guten Zuhörer ... Wenige beherrschen die sogenannte „Rhetorik des Schweigens". Oft wird das Hören auch zu einem Akt des Gehorchens. Wenn etwa der Vorgesetzte Witze erzählt und die Untergebenen aufmerken und applaudieren müssen. Unter diesen sozialen Rahmenbedingungen der Narration wird auch die Frage: Kennen Sie den schon? zu einer rein rhetorischen, deren Bejahung sich geradezu kategorisch verbietet.Auch zwischen
Sprachlich gesehen hängt läuten mit laut zusammen. Läuten aber hat einmal als faktives Verbum zu laut jede Art von lautmachen und lautwerdenlassen bedeutet. So heißt es bekanntlich in der althochdeutschen Weltuntergangsdichtung „Muspilli": „So daz himilisca horn kihlutit uuir-dit..." (Wenn die Trompete des Jüngsten Gerichtes „geläutet" wird ...)Wie schön, —nicht einfach laut— die Glocken klingen, das wurde uns vor allem bewußt, wenn wir sie zum Gloria in der Gründonnerstagsmesse noch einmal kräftig rüttelten, die Glocken am Turm und das Glöcklein neben dem Eingang zur
Ein lieber und maliziöser Freund, der viel bei Faschingsveranstaltungen und auf Bällen unterwegs war und darum - ganz im Gegensatz zu mir — aus reicher Erfahrung sprechen konnte, sagte einmal während meiner Wiener Studienzeit zu mir: Die Bälle werden erst nach dem Aschermittwoch lustig, wenn endlich die Katholiken daheim bleiben! Für mich, der ich vom Land kam, war es völlig unvorstellbar, daß jenseits dieser sozusagen magischen und tragischen Grenze, wie auch nach dem Katharinentag, tatsächlich noch getanzt werden sollte. Für mich waren im Sinne der Erziehung durch meine Eltern die
Georg Drozdowski hat acht Erzählungen geschrieben, die in mehrfacher Hinsicht „seltsam“ und „merkwürdig“, das heißt wert und würdig sind, gelesen zu werden. 1In den meisten Geschichten, ganz besonders aber in der Titelgeschichte, geht es darum, daß die vordergründige Wirklichkeit durch ein eigenartiges Erlebnis plötzlich unsicher und fragwürdig wird. Wie in Delirien und Fieberträumen, in Ausnahmezuständen der Paranoia, wird der Held durch Traumreiche geführt. Phantasie wird Wirklichkeit, die Realität aber destabilisiert sich. Manchmal wurde ich beim Lesen an „Der goldene
Janko Messners „Kärntner Heimatbuch" ist ein Buch über eine „Unhei-mat", wie Franz Innerhofer das nennt. Es ist also sicher kein versöhnliches Buch, wie sich ja jemand, der hierzulande kalmierend der Versöhnung und dem Ausgleich das Wort redet, fragen lassen muß, wie er sich diese Ruhe vorstellt. Frieden gibt es nicht ohne Gerechtigkeit und Gerechtigkeit wahrscheinlich nicht nur durch gutes Zureden und Appelle. Uber den Frieden schreibt Messner im letzten seiner 25 „Streiflichter": „ ... Frieden eines riesigen Friedhofs, auf den man Tag für Tag das rechtlose
Wo ich auch hinkam und Eisschützen beim Eisschießen zusah, an keiner der anderwärts gepflogenen Spielarten und Varianten fand ich Gefallen, sie kamen mir alle, verglichen mit unserem oberösterreichischen Modus ludendi, eher unvernünftig und reizlos vor.Manchmal stand ich, bei verschiedenen Reisen, in der Steiermark, in Salzburg oder in Kärnten, Winterszeit am Rand eines Teiches oder eines künstlich hergestellten Eisplatzes und beobachtete mit Interesse und Verachtung die sichtbar enttäuschende Kümmerform eines an sich prächtigen Sportes, wenn er in Anlage und Ausführung sein hohes
Nun wird die schreckliche Innkreisautobahn Wirklichkeit. Mitten im Land um Wels, in der Heide und im angrenzenden Hügelland stehen bereits Brücken, bald werden sie die entsprechenden Straßen nachziehen. Damit ist der Punkt ohne Wiederkehr erreicht. Für Bürgerinitiativen ist es längst zu spät. Jetzt ist die Zeit der Trauer. Tempus adest, es ist Zeit, Elegien zu singen und Abschiedslieder anzustimmen.Es war vom gesamteuropäischen Verkehrskonzept, das diese Autobahn erfordert und erzwingt, die Rede, und die Argumente ehrgeiziger Politiker schienen vielen so schwerwiegend wie die großen
„Ich brauch noch Germ um einen Groschen, Weinbeerl'n um fünf Kreuzer, Zucker um fünf Groschen. Safran um zwei Groschen und Neugewürz um zwei Kreuzer." Das sagt die Mutter zum Peterle in Roseggers Weihnachtsgeschichte „Als ich Christtagsfreude holen ging".Als ich mich während der Arbeit an meinen eigenen Weihnachtsgeschichten „Vom Schnee der vergangenen Jahre" ein wenig bei der Konkurrenz umsah, was ihr zu diesem schönen und schön schweren Thema eingefallen ist, las ich auch Roseggers beispielhafte Erzählung wieder. Ich las sie in Marianne Bernhards erfolgreichem
Der 1977 dem Papst iiberreichte Bericht iiber die gesell-schaftliche Wirksamkeit der Kirche in Osterreich ist nun mit Kommentaren und „Forderungen fur die Zukunft“ unter dem Titel „Kirche in Osterreich“ im Styria-Verlag erschie-nen. Wir bringen daraus eine Stellungnahme des SchriftsteU lers und Germanistikprofessors Dr. Alois Brandstetter.
Kurzprosa ist die Literatur der Nervösen, Kurzprosa ist eine nervöse Literatur. Kurzprosa ist die Literatur, die schnell geht. Die Mühe, die sie macht, steht aber im Umkehrverhältnis zu ihrer Kürze. Kurzprosa ist eine Literatur, die sich erst gar nicht auf Literatur einläßt, sie widersteht den literarischen Versuchungen. Wolf Wondratschek, der große Meister der „kleinen Form“, schreibt: „Roman ist nur noch der Spitzname für Literatur.“ Der lange epische Atem der Romanschreiber ist anrüchig geworden, der Kurzprosaist rümpft die Nase. Noch hat die Literaturwissenschaft nicht begriffen und definiert, was Kurzprosa eigentlich ist, die Literaturwissenschaft hält sich noch immer beim Roman auf. Sie verbreitert sich immer noch über den Roman. Die Literaturwissenschaft ist offensichtlich zu langsam für eine schnelle Literatur. Man weiß lediglich: Kurzprosa ist etwas anderes als bloß kurze Prosa. Sie ist weder episch, noch lyrisch (das am ehesten), noch dramatisch. Eine Kurzprosa ist keine Kurzgeschichte, eine Kurzprosa ist überhaupt keine Geschichte. Die Kurzprosa lebt vom dialektischen Sprung, dem Umschlag von Quantität in Qualität. Kurzprosa springt aber nicht nach vorn, am ehesten zur Seite, wenn nicht überhaupt zurück.
Mein Voter heißt mit Vornamen Martin, meine Mutter hieß Anna, meine Geschwister heißen Felix, Josef, Theresia, Anna und Rosa. Allerheiligen! Mich selbst haben meine Eltern nach dem Schutzpatron der Jugend und der Reinheit auf den Namen Alois getauft. Je älter ich werde, um so unpassender kommt mir mein eigener Name vor. Um so nachlässiger wird aber offenbar auch der Heilige, was den Schutz meiner Reinheit anbelangt. Bei H. Eisenreich habe ich einmal eine schöne Geschichte gelesen, in der von einem spanischen Jungen die Rede war, den seine Eltern in bester Absicht und Meinung Jesus taufen
LambachMein verehrter Führer im fernen, großen Berlin wird dem alten Pater Alois im Benediktinerstift Lambach verzeihen, wenn er eine Geschichte von damals erzählt.Schön sind unsere alten Kloster- mauem und malerisch, von Efeu und Moos bewachsen. Doch sind sie nicht auch ein Schlupfwinkel für mancherlei Ungeziefer? Sie sind es, jeder, der hier zu Hause ist, weiß es. Was kriecht nicht doch an Getier, Ratten, Mäusen, Asseln, Käfern, Spinnen und weiß Gott was aus diesen Mauern. Selbst in der Kirche nistet manches, was gar nicht dahin gehört. Wir Patres sind, was die Vertilgung dieser