I Kürzlich fand unter dem Motto „Nachbarschaft" ein von Beppo Beyerl und mir organisiertes Symposion in Gmünd statt. Einleitend wurden die Anthologien „Magicke kameny" und der „Lerchenturm" von Emmerich Lang und Josef' Suchy zweisprachig vorgestellt. Erstere erschien in Prag und brachte Österreichsische Lyrik, letztere in der Edition Atelier in Wien und beinhaltet eine sehr gute Auswahl tschechischer Lyrik.Bundesminister Budolf Schölten sprach zur Eröffnung von der Wichtigkeit einer solchen grenzüberschreitenden Veranstaltung in einer Zeit, in der von mancher Seite
Auf der Opernkreuzung,über dem Kopfdes Verkehrspolizisten,entrollte sich auf dem Lichtmastum zwölf Uhr mittagseine Hakenkreuzfahne.Der Beamte notiertedie Nummer eines Autosdas vorschriftswidrig geparkt war.Der Polizeipräsident Aliens teilte mit: Trotz umfangreicher Nachforschungen fehlt von den Tätern jede Spur. Das vorschriftswidrig geparkte Automobil kann es nicht gewesen sein.Unbekannte,so stand in der Zeitung,zerschlugen am Montagalle Apparateder Telefonzellenam Schottenring.Unbekannte,so stand in der Zeitung,sprengten am Dienstageinen Lichtmast,bei dem Umspannwerkin
Wir haben herumgerätselt und etliche Bekannte gefragt, von denen wir annahmen, daß sie es wissen müßten, haben auch in einem Bestimmungsbuch nachgeschlagen, doch genau wußten wir es trotz weiterer Bemühungen doch nicht. Die Abbildungen in dem Buch waren so klein und variierten in den Farben. Unsere Bekannten, auch der Freund, der Zoologe, meinten, sie müßten es selbst sehen, und unserer Beschreibung nach, gäbe es mindestens zwei Möglichkeiten.Unterdessen wurde die Baupe immer größer und dicker und wir konnten beobachten, wie sie ein Blatt nach dem anderen der halbhohen Pflanze
Er war ein alter Seiltänzer, der diesen Namen zu Recht verdiente, denn während die meisten, die sich so nannten, einfach balancierend über das von Haus zu Haus gespannte Seil gingen, tanzte er wirklich hoch über den Köpfen seiner Zuschauer. Er schritt dabei vor und zurück, tanzte Slowfox und Walzer, und später Boogie und Jitterbug, je nachdem, was eben modern war. Natürlich fand er dazu keinen Partner, wer hätte es gewagt, auf dem hohen Seil solche Figuren zu machen? Darum blieb er sein ganzes Leben allein. Auch dann, wenn ihn die Menschen, Neugierige, die sich immer und überall
Es ist dunkel geworden. Ich sitze bei der Leselampe. Im J Raum ist es still. Nur aus der Feme hört man immer wieder das. Aufheulen der Motoren, ein Knattern und Brummen. Es ist da in der Heide, in einem aufgelassenen Steinbruch, ein Stück unebenes Gelände auf dem eine Horde Mopedfahrer ihre Krafträder hügel-auf und hügelab jagt. Hinter mir die Wand mit den Büchern. Ich brauche mich nicht umzuwenden; Da steht Marcel Prousts „Die Suche nach der verlorenen Zeit", dort Thomas Manns. „Der Tod in Venedig". Und dort drüben stehen die schmalen Lyrikbände. Paul Celan fällt mir ein, die
Ein Frühsommertag, du bist auf der Straße von Wien nach Znaim unterwegs. Ringsum die wogenden Felder. Fruchtbares Ackerland. Roter Mohn blutet den Wegen entlang.Die Hussiten zogen hier brennend und sengend vor Jahrhunderten durch die Dörfer, schwedische Reiter des General Torstenson stießen auf dieser Straße gegen die Kaiserstadt vor und Napoleon schlug auf den heute wogenden Ährenfeldern die Truppen des Fürsten Kutsow.Wogende Felder. Felder der Ähren. Felder der Ehre. Leben und Tod. Ein rotes Gerinnsel, da und dort ein blutiger Klecks inmitten der im Winde rauschenden, glänzenden
XIISchon einmal erlebten wir es, daß das Volk seinen Diktator legal an die Spitze des Staates berief.Schon damals glaubten Professoren aller Fakultäten, ach, so gescheite Männer, einen neuen Heiland gefunden zu haben.Schon damals glaubten Politiker, mit einem Hasardeur reden zu können.Berchtesgaden, München, auch Godesberg zeigten:Der Weg führt nach Stalingrad!XVDie Schuhe vom älteren Bruder, den Mantel vom Onkel, dessen Lunge kaputt war. Gewaschen, gewendet, gekürzt. Die Strümpfe nur mehr aus Stopfwolle. Doqh vom Nachbarn, den man in Wollersdorf eingesperrt hat, den Buben trotzdem in
IXWir glaubten sie längst erloschen.Die Arzte meinten sie hätten sie für immer besiegt.Die Pest gehört derVergangenheit an.Doch welch ein Irrtum!Es platzen die Beulen, von Hoyerswerda bis Rostock, verspritzen den braunen Saft, der seit Jahrzehnten sorgsam vom Irrsinn genährt, in Kavernen verkapselt gewesen.Die Ärzte haben den Impfstoff verwechselt.Nun sind unsere Mörder pensionsberechtigt.Welch ein Problem, für einen ernsthaften Mann(vielleicht nennt er sich auch noch Christ), ob die blauen Socken zu seinem Anzug passen!Welch ein Problem, für eine emanzipierte Frau(vielleicht nennt
IVLust und Unlust, Verführung.Süße und Bitternis.Vieles wurde darüber geschrieben, deutlich und weniger deutlich, verschämt und schamlos.Alles zu seiner Zeit.Doch vergeßt nicht, daß heute wieder der Wolfsrudel altes Geheul durch die Täler schallt. Vergeßt nicht, daß unersättlich ihre Lefzen nach Blut immer wieder lechzen.Was soll uns da Lust oder Unlust, verschämt oder schamlos auf die Bretter aller Bühnen gezeichnet? Jetzt gilt es, die Zähne aus den Wolfsrachen zu brechen!V„Nie wieder Krieg“ war in meiner Kindheit auf den Hauswänden gepinselt.Der Lokomotivführer, der mit
Ich kam von der Marienkirche zur Treppe, die zur Straße der Hufschmiede führt. Es war ein stiller Morgen, ein klarer Himmel und im Sonnenschein angenehm warm, im Schatten aber noch kühl von der Nacht. Ich wollte an der Mauer, mit dem Blick über die Hausdächer verweilen. Eine fremde Stadt. Ein neuer Ausblick. Doch dann sah ich das Liebespaar unter dem Rotdorn stehen und ging weiter. Es schien mir nicht recht, sie durch meine Anwesenheit zu stören.Das Mädchen, eine schlanke Blondine mit schulterlangem Haar, hatte die Augen geschlossen und die Arme um den Hals des jungen Mannes
Wir kommen von Rohrau. Der Sommer ist hoch. Mitten durch ein Bild Vincent van Goghs fahren wir einem apfelgrünen Himmel zu. Immer aufs neue schwingt die Straße links und rechts aus. Es ist der Weg eines Bauernkarrens durch fruchtschweres Ackerland. Buschreihen und die Kronen der krummen Obstbäume, die sich von den Straßenrändern ängstlich wegdrängen, zeichnen mit weichen Pinselstrichen graphische Linien in das Gold des Grundes. Am Horizont schnürt die gerade Linie der Pappelallee: die Reichsstraße von Wien nach Hainburg. Zypressensilhouetten stehen gegen den lichten Himmel,
Arpad", hatte die Frau gerufen, ,„du hast ja schrecklich schmutzige Hände!"Der Mann blickte auf seine Hän- de und stellte fest, daß sie fast grau waren. Die Fingernägel zeigten einen schwarzen Rand und auf den Handrücken zeichneten die Adern dunkle Linien, gewunden wie Strö- me im Bergland.Wie wäre es aber auch anders möglich gewesen in dieser Stadt? Diese schmalen Gassen! Sie waren so schmal, daß es schien, als wür- den sich die verwaschenen Häu- sermauern mit denen der Ge- genüberseite am Ende der Zeile berühren. Die Passanten mußten sich an die Wände drücken, wenn eine der
Da saß nun das Kind. Vor ihm ein Einsiedeglas, in dem, zwi¬schen einigen Grashalmen und grünen Lattichblättern, ein kleiner Frosch hockte, der seinen Kopf bedächtig hin- und herwendete und ab und zu mit den Augen blinzelte.Tränen liefen über die Wangen des Mädchens. Es saß still und starr¬te in den gläsernen Käfig.Die Tante, die die Tür geräusch¬voll hinter sich geschlossen hatte und verärgert in der Küche herumhantierte, brummte: „Die ganze Mutter." Die ganze Mutter. Grollend dachte sie an die Frau ihres, von ihr schon seit der Kindheit verehrten älteren Bruders. Er
In dem kleinen Hafen Epidauros, etwa fünfzehn Kilometer von der Ausgrabungsstätte des antiken Ortes entfernt, ist es still. Hier kommen an den Tagen, an denen im alten Theater wieder gespielt wird, Tausende Menschen mit dem Schiff von Athen an und werden mit Autobussen zum Asklepieion gefahren. Heute jedoch ist es ruhig hier.Ein kleiner Dampfer, kleiner als manches Flußschiff, liegt in der schönen, tiefgewölbten Bucht. Er führt die kanadische Flagge.Und dann fällt es einem auf: Hier gibt es überhaupt nur reiche Leute, denn alles ist schön hier, selbst die zahnlose Alte, der einbeinige
Zwei Stadtbahnzüge waren in die Station eingefahren und zwei hatten sie wieder verlassen. Der Mann saß noch immer auf der Bank und sah vor sich hin. Zwischen den Schienen war ein kurzes, von der Sonne schon gelb gebleichtes Grasbüschel. Es waren nur wenige Halme, doch er konnte den Blick nicht von ihnen wenden. Jedesmal beugten sie sich tief zur Erde, wenn ein Zug in die Haltestelle ein- fuhr, und jedesmal richteten sie sich nach dem letzten Waggon wieder auf, schwangen hin und her. Immer wieder dasselbe Spiel, immer im gleichen Rhythmus.Der Mann war schon oft hier eingestiegen, noch nie
Ich kam von der Marienkirche zur Treppe, die zur Straße der Hufschmiede führt. Es war ein stiller Morgen, ein klarer Frühlingshimmel und im Sonnenschein angenehm warm, im Schatten aber noch kühl von der Nacht. Ich wollte an der Mauer, an der sich ein Blick über die Häuserdächer bot, verweilen: Eine fremde Stadt, ein reizvoller Ausblick. Doch dann sah ich das Liebespaar unter dem Rotdorn stehen und ging weiter. Es schien mir nicht recht, sie durch meine Anwesenheit zu stören.Das Mädchen, eine schlanke Blonde, mit schulterlangem Haar, hatte die Augen geschlossen und die Arme um den Hals
Der Park lag etwas außerhalb des Stadtzentrums. Zwar merkte man auch hier, daß die Feuerwalze des Krieges über das Land gegangen war, doch in den drei, vier Bombentrichtern, die eng beieinanderlagen, wucherten schon wieder niedere Stauden, die zerbrochenen Äste der alten Bäume in der Allee hatten neue Zweige getrieben, und die Splittergräben in den Wiesen waren im Laufe des Sommers von Unkraut überwuchert worden.Franz war aus dem Zentrum, wo man kilometerweit nur Schuttberge, höchstens Hausskelette und dazwischen verkohlte Autowracks sah, in diese Zone der Ruhe gekommen. Er saß auf
Wir wohnen in unmittelbarer Nähe des großen Silos. Zuerst habe ich mich über diesen Betonklotz geärgert. Überall stehen diese riesigen Türme in der Landschaft und verunzieren das einheitliche Bild von Hügelauf und Hügelab, von Ackerstreifen und Weinberghängen. Haben sich früher nur die Kirchtürme über das Land erhoben und da und dort die festen Burgen oder Schlösser der . adeligen Herrschaften, so leuchten heute die mächtigen weißen Türme, in denen das Getreide für die Menschen gespeichert ist, weithin und markieren diese und jene Ortschaft.Geht nicht schon aus diesen Sätzen
Wir hatten einander lange nicht mehr gesehen. In den ersten Nachkriegsjahren waren wir manches Wochenende gemeinsam ins Wald- und Hügelland, das die Stadt im großen Halbkreis umschließt, hinausgewandert, waren oft erst nach zwei, drei Tagen zurückgekehrt, nachdem wir die Nächte in Stroh- oder Heuschobern geschlafen hatten.Er war das Kind armer Eltern und brachte oft nur einen Wecken trockenes Brot im Rucksack als Proviant mit. Oft begann er, schon bald nachdem wir die Straßenbahn verließen, von diesem Wecken abzubeißen. Er sagte immer, weil es ihm so gut schmecke. In Wahrheit hatte er
Franz blickte in die dunklen Augen seines Gegenübers: Im Weinkeller, kurz vor Kriegsausbruch: Der Nachbar könnte mithören! Der Bruder ist Blutordensträger! Das Verhältnis mit der Schwägerin! Das Gewölbe lastete dunkel mit seinen rohen Ziegeln über den Häuptern. Das Licht war spärlich und ließ gerade die grüngelbe Flüssigkeit in den Gläsern vor ihnen erglänzen. Die Luft war von milchigem Zigarettenrauch durchzogen und Marschmusik wurde ständig von irgendeinem Lautsprecher in der Ferne intoniert, dann und wann kam eine Unterbrechung und die Ansage irgendeiner wichtigen Nachricht
Im Mittelpunkt des Schaffens der Schwester Gertrud stehen die Gobelins, Arbeiten, die in zweifacher Weise typische Merkmale einer ganz anderen Wiener Schule sind als jener vielgenannten, die von Professor Gütersloh herkommt. Hier zeigt sich beste Boeckl-Tradition. Die zweite spezielle Wiener Note ist die von Fritz Riedl in Wien nach 1945 aktivierte Webetechnik, bei der der Künstler selbst an der Herstellung des Gobelins arbeitet und damit ein viel engeres Verhältnis zum Material und seinen Gegebenheiten gewinnt als jener nur einen Karton zeichnende Entwerfer. Bei Schwester Gertruds
Madien wir uns keine allzu großen Hoffnungen der Lämmer wegen.Verlassen wir uns nicht auf die Weisen.Der Stern von Bethlehem geht vorbei.Der Kelch von Gethsemane bleibt.Alles verbrennt: Der Steinbaukasten, des Knaben Wunderhorn, selbst der noch eifrig benützte Schwarze Peter.Das Aschenkreuz des 14. August 1945 bleibt auf der Stirn. Die Lämmer werden geopfert. Die Weisen wohnen irgendwo. In Peking, Little Rock und Johannesburg wurden sie nicht gesehen. Fünf Zacken in Moskau, fünf Zacken in Washington, rot und weiß.Weiß und rot brannte in Coventry, verscholl in Dien Bien Phu, wurde in
In der menschenleeren Kirche der Stadt Kalampaka singt ein Pope mit schöner Stimme sein Gebet. Ein junger Bursche respondiert. Wir halten uns schüchtern in einem gemessenen Abstand, verbergen hinter den mächtigen Pfeilern der frühchristlichen Basilika unsere Neugierde. Der Geistliche gibt uns aber mit Zeichen zu verstehen, daß wir weiterkommen, daß wir uns die Kirche ansehen sollen.Nun unterbricht er seinen Gesang, sagt einige Worte zu dem Knaben und singt wieder weitei\ Wir haben es kaum beachtet, wir dachten es gehört zu seinem Gebete. Doch der Knabe zündet eine Kerze an und kommt zu