Am letzten Oktobersonntag wird das Schweizer Volk sein Parlament neu zu bestellen haben. Wenn die politische Stabilität auch nicht unbedingt so groß ist, wie sie sich soeben in Österreich ergeben hat, so steht doch jetzt schon fest, daß keine gewaltigen Erdrutsche erwartet werden können. Zudem steht aber — und das ist eine schweizerische Besonderheit — jetzt schon die Regierungszusammensetzung vom kommenden Dezember mit fast absoluter Sicherheit fest. Seit 1959 wird der Bundesrat, also die Bundesregierung, die bekanntlich als kollegiales Gremium amtiert, nach einer Zauberformel auf vier Parteien aufgeteilt: 2 Christdemokraten, 2 Sozialdemokraten, 2 Freisinnig-Dertiokraten und 1 Mitglied der sogenannten Schweizerischen Volkspartei, die früher einmal „Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei“ geheißen und ihr soziologisches Spektrum auch über den Namenswechsel hinaus nicht geändert hat.
„Das chinesische Volk läuft nicht Gefahr, zu einer Konsumgesellschaft zu werden.”Derek Bryan, britischer BotschaftssekretärDie breite Pekinger „Avenue des Langen Friedens” quillt von Radfahrern! über. Zehn, zwölf Chinesen pe- dalen nebeneinander, in beiden Richtungen, und die wenigen Autos, welche die mittleren Fahrbahnen befahren, haben Mühe, sich durchzuringen. Ihr penetrantes Hupen scheint nur wenig Eindruck zu machen. Wenn das radelnde Gedränge zu beängstigend und die automobi- listischen Warnsignale allzu unüberhörbar werden, drehen die am meisten gefährdeten Radfahrer
Die am 5. Dezember des letzten Jahres neu gewählten drei Bundesräte, also „Bundesminister“, haben ihr Amt angetreten: Die Schweizer Regierung ist wieder vollzählig, und für den Außenstehenden hat sich außer den Namen nichts geändert. Tatsächlich ist die parteipolitische Zusammensetzung die gleiche wie vorher. Die sogenannte „Zauberformel“, wonach der siebenköpfige Bundesrat aus zwei Christlichdemokraten, zwei Sozialdemokraten, zwei Freidemokraten und einem Bauern zusammengesetzt sein soll, ist unangetastet geblieben. Seit dem Jahre 1959 ist sie eine bleibende Konstante
In der Schweiz ereignet sich alles mit einem bestimmten Verzögerungseffekt. Das heißt aber keineswegs, daß die Wirkungen deshalb geringer wären. Im Gegenteil, denn auf dem engen Raum stoßen sich die Kräfte, wenn sie einmal geweckt sind, um so mehr. Besonders deutlich wird dies bei der nun mit einer ungeheuren Vehemenz ausgebrochenen Pressekrise, deren Ende noch keineswegs abzusehen ist.
Kaum hatte man die schweizerischen Parlamentarier finanziell etwas besser gestellt, wurde ihnen prompt zusätzliche Arbeit auferlegt. Früher mußten sie für ein Taggeld, das kaum die Spesen deckte, zu vier ordentlichen Sessionen antreten. Nun gewährt man ihnen zusätzlich ein gewisses Fixum, womit sie in eine Zwischenstufe zwischen Berufs- und Amateurparlamentarier erhoben wurden, aber jetzt verlangt man von ihnen auch, daß sie endlich einmal mit der liegengebliebenen Arbeit aufräumen. So sind sie nur zu einer außerordentlichen Session aufgeboten worden.
Zwar sind die schweizerischen Parlamentswahlen vom letzten Oktober längst vorbei, eben zieht sogar — quasi als Nachlese — der neue Bundesrat als Justizminister ins Gremium der Sieben ein, und die Gemüter sollten sich eigentlich längst wieder abgekühlt haben. Wenn dieses Jahr der übliche Zyklus nicht ganz eingehalten werden konnte, so ist das Fernsehen daran schuld, das in der Vielfalt seiner Struktur immer wieder Angriffsflächen für ideologische und persönliche Machtkämpfe bietet.
Juristische Auseinandersetzungen sind in der Regel nicht nach dem Geschmack des breiten Publikums. Auf einmal aber beschäftigen zwei knifflige Rechtsfragen die schweizerische Öffentlichkeit in einem Ausmaß, das nur durch die politischen Konsequenzen zu erklären ist. Die beiden Fragen haben zwar nichts miteinander zu tun, es sei denn man denke an den im weitesten Sinn gemeinsamen Ursprung: beide sind nämlich von links her ausgelöst worden.
Kroatiens Hauptstadt Zagreb präsentiert sich in ihrer interessanten Mischung von kultureller Metropole und Geschäftszentrum. Äußerlich deutet nichts auf zusätzliche Spannungen hin, auch wenn der politische Journalist sich einbildet, überall Anzeichen von kroatischem Nationalismus zu sehen. Es ist Illusion, in der Stimme des Zeitungsverkäufers einen antiserbischen Ton zu spüren, und selbst wenn er „Matice Hrvatska“ anpreist, dürfte die im Tonfall leicht gesteigerte Aggressivität weniger dem politischen Hintergrund als vielmehr der Umsatzsteigerung zugedacht sein (siehe auch
Eine Equipe des japanischen Fernsehens hatte während einer Woche den schweizerischen Wahlkampf verfolgt und war auf den Wahlausgang ebenso erpicht wie der Kommentator des ORF, der seine „Kundschaft“ so rasch wie möglich informieren wollte. Beide waren enttäuscht, denn es dauerte Tage, bis das endgültige Resultat bekannt wurde, und selbst Hochrechnungen lieferten kein Vorausergebnis. In bissigen Gesprächen fiel der Vergleich mit unterentwickelten Ländern Asiens oder Afrikas.
‚,Der politische Stellenwert der Parlamentswahlen in der Schweiz ist nicht ganz der gleiche wie in anderen Ländern, nimmt doch der Bürger auch zwischen den Wahlen durch Initiative und Referendum kontinuierlich an der Bestimmung der politischen Marschrichtung teil.“ So kommentierte die „Neue Zürcher Zeitung“ die Ausgangslage zum eben begonnenen Wahlkampf. Der Kommentator ging sogar noch einen Schritt weiter, indem er den auf den 31. Oktober anberaumten Wahlen höchstens noch „als politisches Barometer“ eine „besondere Bedeutung“ zumißt.
„Ob Wilhelm Teil gelebt hat, weiß man nicht; aber daß er den Landvogt Geßler umgebracht hat, steht fest.“ Dieses Zitat von Hans Weigel ist nicht etwa nur ein geistreiches Wortspiel, es ist eine Charakterisierung der schweizerischen Widersprüchlichkeiten, und es war insofern denn auch als Vor Spruch für einen Schweiz-Report des deutschen Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ besonders eeeienet.
Mit scharfem Geschütz ist die schweizerische Regierung aufgefahren, nachdem in Brüssel der Ministerrat der Europäischen Gemeinschaft über die neue Situation, die weiß Gott nicht mehr neu ist, beratschlagt hat. Auf jeden Fall ist es außergewöhnlich, daß kein Geringerer als der schweizerische Volkswirtschaftsminister Bundesrat Ernst Brugger auf die Brüsseler Besprechungen offiziell geantwortet hat, obwohl es sich dabei um rein EWG-interne Gespräche gehandelt hat, über die die Schweiz nicht einmal offiziell orientiert worden war.
Es gibt in jedem Land Zeichen, die auf bevorstehende Wahlen hinweisen. In der Schweiz läßt sich die Nähe von Parlamentswahlen auch an der Thematik ablesen, die von interessierten Kreisen in die Öffentlichkeit getragen wird. Deutlich wurde dies zunächst, als sich der Stoß von Interpellationen, Postulaten und kleinen Anfragen, die sich auf Fernsehen und Rundfunk bezogen, zu einem Berg ausgewachsen hatte, der nur in einer Monsterdehatte halbwegs abgetragen werden konnte.
Von einem Jugoslawen zu sagen, er habe „nichts mehr im Gewehr”, ist ein vernichtendes Urteil. Diese serbische Redewendung grenzt an eine Beleidigung, an die Behauptung nämlich, der Betreffende habe nichts mehr zu bieten und sei abzuschreiben. Ein englischer Journalist wandte die Formel kürzlich auf Tito an, was den jugoslawischen Präsidenten doppelt treffen mußte: als Staatsmann und als Jäger.
„Gegen Faschismus in der Schweiz und im Ausland” demonstrierten rund 150 Manifestanten in St. Gallen. Die Kundgebung, an der Italiener, Griechen und Spanier teilnahmen, richtete sich gegen das Wiederaufleben nazistischen und faschistischen Gedankengutes, wie es nach Ansicht der Organisatoren jetzt von den sogenannten „Schwarzenbach-Anhängern” propagiert werde.
Der EHrektor der Schweizer Caritas-zentrale in Luzem, Peter Kuhn, ist suspendiert worden. Gleichzeifcig beantragte ein außenstehender Rechtsanwalt eine Strafuntersudnung. Das sind die Folgen eines Schreibens, das sieben Schweizer Kathollken an die Bischöfe richteten. Darin heißt es einleitend wörtlich: „Unter der Leitung von Direktor Kuhn ist dieses Hilfewei* in eine katastrophale finianzielle Lage geraten; ohne systematische Zweckentfremdung von Spendengeldem wäre die Caritas in den letzten Jahren bankroitt gegangen."Der Skandal um die Caritas ist nidit ein gewöhnlicher
Seit Jahren gingen in den größeren Schweizer Städten Frauen militant, aber nicht allzu zahlreich, am 1. Februar auf die Straße. Völlig unmodern stumm manifestierten sie für die Einführung des Frauenstimmrechtes, also für die politische Gleichberechtigung. Sie schlugen keine Fenster ein, veranstalteten keine Sit-ins und gerieten auch nicht mit der Polizei in ein Handgemenge. Trotzdem wirkten ihre Kundgebungen auf viele Männer eher negativ. „Diese zum Teil griesgrämigen und tierisch ernsten Hausfrauen”, so beklagte sich ein junger Ehemann, „widersprachen meinen Vorstellungen vom weiblichen Geschlecht.” Das böse Wort „Suffragetten” wurde in diesem Zusammenhang immer wieder laut.
Die Vereinigten Staaten von Amerika erreichten, was nicht einmal das Dritte Reich zu erzwingen vermochte. Die Schweiz mußte in den harten Verhandlungen mit den USA klein beigeben und in die Aufhebung des Bankgeheimnisses unter bestimmten Voraussetzungen einwilligen. Vor einem Jahr ungefähr hatte die Administration Nixon die Initiative zu Gesprächen mit Bern ergriffen. Anlaß dazu gab die Frage des gegenseitigen Rechtsbeistandes, und wieder einmal zeigte sich, daß die Gegenseitigkeit zwischen David und Goliath doch eine recht fragwürdige ist.Auf alle Fälle hat Washington schnell erkannt,
Die Schweiz erlebt gegenwärtig eine ihrer schwierigsten Phasen der letzten zweieinhalb Jahrzehnte: Am 7. Juni werden die' stimmberechtigten Schweizer Bürger (zu denen die Frauen noch immer nicht gehören!) über eine Verfassungsänderung zu befinden haben, die der Parlamentsabgeordnete Dr. James Schwarzenbach beantragt hat. Seine Initiative, die er mit den nötigen 50.000 Unterschriften zur Abstimmung bringen kann, verlangt von der Bundesregierung Maßnahmen „gegen die bevölkerungsmäßige und wirtschaftliche Überfremdung der Schweiz“. Die Zahl der Ausländer dürfte dann in keinem Kanton die zehn Prozent der Wohnbevölkerung überschreiten, mit Ausnahme von Genf, wo dieser Anteil auf 25 Prozent limitiert würde. Dieser Beschränkung nicht unterliegen würden: Saisonarbeiter (welche jährlich nicht länger als 9 Monate und ohne Familie in der Schweiz leben), Grenzgänger, Hochschulstudenten, Touristen, Funktionäre internationaler Organisationen, Angehörige diplomatischer und konsularischer Vertretungen, qualifizierte Wissenschaftler und Künstler, Alternsrenter, Kranke und Erholungsbedürftige, Pflege- und Spitalpersonal, Personen internationaler karitativer und kirchlicher Organisationen.
Uberall in der Sowjetunion, in der Nähe des Moskauer Kremls genauso wie in den Außenquartieren der Hauptstadt, in Leningrad wie in Novosibirsk, in Taschkent und in Tiflis, schießen Lenin-Plakate und Spruchbänder mit Lenin-Zitaten aus dem Boden. Der hundertste Geburtstag des „Begründers der proletarischen Partei neuen Typs“, des „Theoretikers und Führers der sozialistischen Revolution“, wirft seine bunten Schatten voraus.
„Vier Tote täglich als Opfer der Rauschmittelsüchtigkeit allein in New York; zehn hingerichtete Rauschgifthändler im Monat Dezember in der persischen Hauptstadt Teheran.“ Mit diesen beiden erschreckenden Zahlen leitete der Generalsekretär der Interpol, Jean Nepote, sein Referat über den illegalen Handel mit Rauschmitteln ein.Nepote machte diese alarmierenden Ausführungen auf einem internationalen Syposium, das unter der Leitung des Schriftstellers Arthur Koestler während zwei Tagen im Gottlieb-Duttweiler-Institut für wirtschaftliche und soziale Studien in Rüschlikon, Zürich,
Jeweils am 1. Jänner eines jeden Jahres übernimmt in der Schweiz ein neuer Bundespräsident die Amtsgeschäfte. Er ist allerdings nicht eigentliches Staatsoberhaupt, sondern eher der Vorsitzende des kollegial regierenden Ministerrates, und er behält auch während des Präsidialjahres sein Ressort als Fachminister inne. Insofern hat der jährliche Turnus keine allzu große Bedeutung.Bundesrat Ludwig von Moos, Vorsteher des Justiz- und Polizeidepartements, also der Justizminister der Schweiz, wird aber sein am letzten 31. Dezember zu Ende gegangenes Präsidentenjahr nicht so schnell
Dem Beitritt der Schweiz zur Menschenrechtskonvention stehen verschiedene Hindernisse im Weg. Die markantesten sind das fehlende Frauenstimmrecht und die sogenannten konfessionellen Ausnahmeartikel der Bundesverfassung. Was das Frauenstimmrecht anbelangt, so deutet die Entwicklung auf eine schrittweise Ausmerzung dieses Unrechts hin. Mehrere Kantone haben für kantonale Angelegenheiten den Frauen bereits das ihnen zustehende Recht gewährt, anderswo ist die Korrektur wenigstens auf der Ebene der Gemeinde durchgeführt, und die schweizerische Tradition will ja das „organische Wachstum“ von