Die Chronik dieser Rezeption in den zwei ersten Dezennien des 20. Jahrhunderts war bis vor kurzem auf sehr wenige Fakten und Namen beschränkt. In seiner umfangreichen Peguy-Biographie erwähnt R. Rolland einzig die sozialistische Zeitschrift „Die Aktion“, die 1915 dem gefallenen Gründer der „Cahiers de la Quinzaine“ eine feierliche Huldigung erweist. Man könnte demnach glauben, daß sonst kein Freund, kein Übersetzer, kein Verleger sich vor dem Ersten Weltkrieg für Peguys Oeuvre interessierte. Dem ist aber nicht so. Im Peguy-Archiv von Orleans sind unlängst Briefe und Dokumente gefunden worden, die die Situation ganz anders beleuchten. Man weiß nun, daß „Les Cahiers de la Quinzaine“ bereits 1902 in Deutschland ein nicht unbedeutendes Echo gefunden hatten. Ein Rechtsanwalt aus Urach (Württemberg) hatte damals „Jean Coste“ — einen Roman von A. Lavergne —, übersetzt, den Peguy in seinen „Cahiers“ veröffentlicht hatte: allein das Versagen eines Stuttgarter Verlags vereitelte die deutsche Publizierung eines Werkes, für das sich gleichzeitig andere Übersetzer aus Dresden und Freising (Bayern) eingesetzt hatten. Der bekannte sozialistische Theoretiker Karl Grünberg, lange Jahre Professor an der Wiener Universität, schrieb seinerseits 1912 an Peguy, um dessen politisch-soziale Einstellungen besser kennenzulernen und sie in den sozialistischen intellektuellen Kreisen bekanntzumachen.
Christozentrik und kühn anthropomorphe Dramatisierung des „Göttlichen Abenteuers“ in der Zeitlichkeit sind nicht die einzigen Merkmale der Claudelschen Bibelexegese. Nicht gleich auffallend, aber immerhin ständig unterschwellig und manchmal sogar vor keinem offenen Ausdruck zurückschreckend, kommen andere Leitgedanken ans Tageslicht, die eine rein menschliche Problematik illustrieren und Claudels Bibelkommentaren den Charakter einer aufregenden, aufrichtigen Konfession verleihen. Claudel hat sich bekanntlich erst am Ende der zwanziger Jahre dem eingehenden Studium der Bibel gewidmet:
CLAUDEL-RIVIÈRE. „ICH WILL DIE ANT- WORT.“ Der Briefwechsel des Dichters P. Claudel mit einem jungen Intellektuellen. Axena-Taschenbuch-Ausgabe, Band 128. Übersetzt von H. Szasz. 165 Seiten. S 19.—. — P. CLAUDEL. GEDANKEN ZUR DICHTUNG. Langen-Müller-Verlag, 1967. Auswahl, Übertragung und Nachwort von E. M. Landau, 899 Selten. DM 26.50.
Eine seltsame, aber keine sinnlose Konstellation. Wenn man die strikte Chronologie berücksichtigt, kann man sie als Zeitgenossen bezeichnen: Der Mäler wurde 1864, der Komponist 1866 geboren. Der Verlauf ihres Lebens hait sie aber nicht zueinander geführt und, als Toulouse-Lautrec 1901 stirbt, hatte er bereits 1899 für viele Monate von der Pariser Künstlerwelt Abschied nehmen müssen. Satte seinerseits, der ihn 25 Jahre überleben sollte, hatte um die Jahrhundertwende noch nicht ganz zu seiner echten Originalität gefunden.Durch ihre Lebensweise und den Kreis der Bekannten und Freunde aus
Beethoven und Wagner haben vor einem Jahrhundert die Sensibilität der musischen Franzosen derart angesprochen, daß Baudelaire und Mallanme, E. Bourges, Claudel und Romain Rolland in deren Musik ein Ideal des Humanismus und beinahe eine Art Mystik gesucht und gefunden haben. Das geistige Frankreich der letzten dreißig Jahre des 19. Jahrhunderts kann unmöglich verstanden werden, wenn man diesen Kristallisationspunkt nicht berücksichtigt. Beethovens Prometheisraus und Huimanitätsgefühl, Wagners Pessimismus und dumpfe Religiosität sind von der Geistes-geschichte der „belle epoque“
„Der“,Renouveau catholique'“, -schrieb Paul Claudel, „ist eine der interessantesten literarischen Revolutionen, die sich jemals in der Geschichte Frankreichs ereignete. Wir schreiben jetzt 1938 — das sind 136 Jahre nach der Veröffentlichung von Chateaubriands .Genie du Christianisme' — und man kann wohl sagen, daß es heute in Frankreich keine Dichtkunst gibt außer der christlichen. Es ist dies eine epochale Tatsache.“ Es fällt dem Literarhistoriker nicht schwer, dieses summarische Urteil des großen, selbstbewußten Dichters zu nuancieren. Der „Renouveau catholique“
LAMENNAIS. SES AMIS ET LE MOUVEMENT DES IDEES A L'EPOQUE ROMANTIQUE (1824/1834). Von Jean Rene Derre. C. Klincksieck, Paris, 1963. 765 Seiten.Der früher in Wien am französischen Kulturinstitut und an der Universität tätige Literaturhistoriker J. R. Derre, der nach vorübergehender Lehrtätigkeit an der Universität Athen nun Ordinarius für Literaturwissenschaft an der Universität Lyon ist, legt uns in diesem umfangreichen Werk über Lamennais und die Ideengeschichte zur Zeit der Romantik in Frankreich das Ergebnis jahrelanger Forschung vor und erschließt somit neue, höchst interessante
Der Herold-Verlag hat es unternommen, dem deutschsprachigen Publikum die Hauptwerke von Charles Peguy zugänglich zu machen. Zwei dramatische Oratorios sind schon erschienen: „Le Porche du Mystere de la Deuxieme Vertu“ (Das Mysterium * der Hoffnung, 1952) und „Le My9tere de la Charite de Jeanne d'Arc“ (Das Mysterium der Erbarmung, 1954).; Nun ist Anfang 1956 eines der bedeutendsten Prosastücke „Note conjointe“ herausgegeben worden. Dieses Werk besteht bekanntlich aus zwei Essays aus den letzten Monaten der schriftstellerischen Tätigkeit Peguys: der erste, „Anmerkung über Herrn
Monlherlcinf, der erst in seiner Reifezeit für das Theater zu schreiben begann, ist damit sofort zu unbestrittenem Ruhm gelangt. Sein Stil, der schon in seinen Romanen außerordentlich klar und kultiviert war, erreichte in den Dramen eine klassische Vollkommenheit, die ihn zu einem der besten zeitgenössischen Schriftsteller Frankreichs macht. Montherlants geistiger Werdegang aber, der seit zehn Jahren beharrlich Probleme des christlichen Gewissens streift, hat sich nicht so einfach entwickelt. Das Heldentum im Kriege, der Kampfgeist im Sport begeisterten ihn zuerst: dem nihilistischen