Der Abend lebt von der Nähe der Schauspieler, die permanent ihre Rollen wechseln und in den besten Momenten mit diesen Rollen kämpfen.Natürlich kann man das Buch der Bücher auch als Skript lesen, in dem die kulturelle Evolution des Menschen zur Sprache kommt, wie es Carel van Schaik und Kai Michel in ihrem Bestseller "Das Tagebuch der Menschheit. Was die Bibel über unsere Evolution verrät" begreifen. Die Vertreibung aus dem Garten Eden markiert dabei das wohl folgenreichste Ereignis in der Geschichte der Menschheit: den Übergang vom Leben als Jäger und Sammler zum sesshaften Dasein mit
Sie sei bestens vernetzt, kommentierte man zu Recht, als die Bestellung von Veronica Kaup-Hasler zur neuen Wiener Kulturstadträtin am Montag "geshared" wurde. Eine, der man in der Tat nichts zu erzählen braucht, keine Reden vorschreiben, kein künstliches Lächeln aufsetzen, keine Konzepte verschönen muss - Alltagsszenen einer (Kultur-)politikerin, mit der sie dennoch konfrontiert sein wird.Aber Wien ist nicht nur das Eldorado einer liberalen Stadt, Wien kann auch ganz anders sein, das wird die neue Kulturstadträtin wohl noch merken - nicht nur in den Verabredungen der "kulturellen
Die Frage nach dem Glauben stellt sich in dieser Spielsaison das Grazer Schauspielhaus unter Iris Laufenberg. Wer glaubt, wird also selig?Ja, zumindest jene, die (noch) an Theatergötter glauben! So dämmerte uns ein großartiger Auftakt mit Werner Schwab. Jenem Literaturgiganten, der sich 1992 auf der Höhe seines Ruhms mehrere Theaterklassiker antat und sie bis zum Abwinken mit seiner Schwabschen Sprache überfiel. Darunter "Faust :: Mein Brustkorb :Mein Helm", welches nun 25 Jahre nach seinem frühen Tod erstmals in seiner Heimatstadt aufgeführt wurde.Schwabs ScheußlichkeitsvokabelnSchwab
Intendantin Veronica Kaup-Hasler eröffnete am Wochenende ihren
letzten steirischen herbst: Das Festival versucht anlässlich seines
50-jährigen Bestehens eine Verortung, nimmt Bezug auf die Skandale
von einst und blickt auf die Rolle von Kunst(schaffenden) heute.
Nach drei Wochen Festivalbetrieb endete am vergangenen Wochenende der steirische herbst mit Milo Raus finaler Europatrilogie "Empire". Nach 130 szenischen Produktionen, die alle dem diesjährigen Leitcredo "Wir schaffen das. Über das Verschieben kultureller Kartografien" folgten, gelang endlich, nach einer höchst durchwachsenen Erfolgsbilanz, der große Abend. Die österreichische Erstaufführung, in Kooperation mit der Schaubühne Berlin und dem Züricher Theater Spektakel, erzählt von Krieg, Vertreibung, Migration und Rettung durch (Spiel)Kunst. Sie schafft Erinnerungsräume, sucht nach
Das Schauspielhaus Graz eröffnet mit einer Uraufführung von Thomas Arzt seine Saison. Man sieht "Die Neigung des Peter Rosegger" und wundert sich über die Banalität dieses Umstands. Der hätte nämlich auch Eindruck hinterlassen können. Der Dichter Peter Rosegger (1843-1918) ist zweifellos eine steirische Berühmtheit, und jeder, der an diesem Premierenabend im Publikum saß, musste als Volksschüler ein paar Zeilen von ihm lesen. Tatsächlich war Rosegger zu Lebzeiten äußerst erfolgreich: 15 Millionen verkaufte Bücher, dreimal für den Literaturnobelpreis nominiert. Er gilt bis heute
Ein Dichterkind spielt Sonne, Mond und Planeten. Lässt fünf Alte kreisen. Stupst sie zärtlich an und schickt sie auf die Umlaufbahn um eine gebeugte Sonne, die mit zittrigen Händen ihre Augen bedeckt. Erschaffen ist der Bühnenkosmos, auf dem sich zweieinhalb Stunden lang das gewaltige Sprachuniversum eines Clemens Setz drehen wird.Der 1982 in Graz geborene Setz gehört seit Jahren zu den laut Bejubelten des Literaturbetriebs. Er hat Germanistik und Mathematik studiert, und an seinen Büchern werden all jene Freude haben, die Lust verspüren in höhere Sprachdimensionen vorzustoßen.
Alte Mythen und private Monologe spielen im Schauspielhaus Graz in
"Merlin oder Das wüste Land" und auch beim steirischen herbst der
Welt eine verzweifelte Menschheit in die Hände.
Das Schauspielhaus Graz hat mit "Die Götter weinen" und "Wir sind
keine Barbaren!" die diesjährige Saison eröffnet. Die Blicke gehen
wie das Motto der Spielzeit "Von unten nach oben, von oben nach
unten!" und liefern dazu wortreiche Bilder.
In Peter Handkes "Immer noch Sturm" erfragt sich ein Ich die
Gesellschaft seiner Ahnen. Im Schauspielhaus Graz zieht das
Gedenkspiel als kraftloses Beschwörungsspektakel über die Bühne.
Das Schauspielhaus Graz bringt Thomas Bernhards Roman "Holzfällen.
Eine Erregung" in der Bearbeitung von Krystian Lupa auf die Bühne:
virtuos, melancholisch, eindrucksvoll.
Jeder ist willkommen! Wer Künstler werden will, melde sich! Wir sind das Theater, das jeden brauchen kann, jeden an seinem Ort!“ Der Aufruf zur Theatergründung, den Franz Kafka vor genau 100 Jahren in seinem Romanfragment "Amerika“ erließ, hallt nach bis ins Graz des 21. Jahrhunderts. "Wir sind das Theater, das jeden brauchen kann“ - gibt es ein schöneres Versprechen?In einer Zeit, die zunehmend auf den Einzelnen vergisst, lancieren heutige Theater immer häufiger das Spiel mit "Jeder und Jedem“. So auch in Graz. Ungewöhnlich ist nur, dass es sich um die Abschlussarbeit eines
Das Schauspielhaus Graz startet mit einer Uraufführung: in "Thalerhof“ werden Tote lebendig und fordern die Gegenwart mit poetischer Kraft heraus. Nicht alles führt da zum großen Theatersieg.Die polnische Literatur ist bekannt für ihre Lyriker und Exzentriker. Einer von ihnen ist der Geopoet Andrzej Stasiuk. Schreibend treibt er sich in den von der Westsanierung noch vergessenen südpolnischen Territorien herum, um die letzten vormodernen Bilder Europas einzusammeln. In seinen Büchern findet man die Welt von gestern, in der man zum Frühstück Kaninchen schlachtet, der Mittag so still
In Graz ist der Steirische Herbst dieses Jahr auf Beziehungssuche: Ausstellungen, Diskurs, Neue Musik, Film und Performance gehen eine Liaison mit ihm ein.In diesem Jahr muss man den Steirischen Herbst suchen. Kaum etwas deutet in der Grazer Innenstadt darauf hin, dass eines der ältesten Festivals in Europa für zeitgenössische Kunst von Ende September bis Mitte Oktober wieder auf Kunstliebhaber wartet. Die Intendantin Veronica Kaup-Hasler hat in ihrem achten Jahr das Festivalzentrum an den Rand der Stadt gesetzt, neben Ausfahrtsstraßen und Logistikzentren für Post und Bahn.Seit sieben
Im blutleeren Sprachrausch: "Klytaimnestra“ nach der "Orestrie“ des Aischylos am Grazer Schauspielhaus. Die Regie bleibt im Ansatz stecken, aber es gibt starke Momente. Nur Michael Köhlmeier nervt.Es gibt offenbar zwei Möglichkeiten für das heutige Theater, mit antiken Stoffen umzugehen. Die eine zielt geradewegs ins Heute und lässt Distanzen im Handumdrehen schrumpfen, als gäbe es nichts dazwischen, weder Zeit noch Geschichte, weder einen leeren Götterhimmel noch gesellschaftlichen Wandel. Was damals also galt, gilt immer noch. Rasch sind Aischylos’, Euripides’ oder Sophokles’
Das Grazer Schauspielhaus spielt Thomas Bernhards Roman "Der Untergeher“ zehnhändig: sicherlich gewagt - aber dennoch leicht zu überhören.Katastrophendenker, finsterer Idylllyriker, alpenländischer Beckett, Meister der Übertreibungen - das alles sind gängige Thomas-Bernhard-Etikettierungen, die ihm auch 24 Jahre nach seinem Tod noch anhaften. Mitunter deutlicher als die Tatsache, dass die Substanz seines Schreibens letztlich das Schreiben selbst war.In Bernhards Büchern ist oft der Erzähler, obwohl er ebenso verurteilt ist wie die anderen, der einzige Überlebende. Und dass er
Alles anders gilt heuer beim Steirischen Herbst: Mit einem Marathon-Camp hat man auf die Umbrüche in der Welt reagiert und eine Woche lang mit dem Widerstand experimentiert.Die Wahrheit ist konkret“ stand über Bertolt Brechts Schreibtisch in seinem dänischen Exil. Er hatte das Zitat von Lenin, dieser von Hegel, und der wiederum von Augustinus - eine denkbar weite Spanne. Und es steht derzeit als Leitthema über dem diesjährigen Steirischen Herbst, welcher am 21. September seine Türen öffnete und diese Mitte Oktober (mit Ausnahme der Ausstellungen) wieder schließt -auf Englisch
Österreichische Erstaufführung von Jelineks "Rechnitz (Der Würgeengel)“ am Grazer Schauspielhaus: präzis inszeniert, eine packende Produktion.Die Juden haben eine Klagemauer, wir haben eine Schweigemauer“, sagt ein Bewohner von Rechnitz in Margareta Heinrichs und Eduard Ernes Film "Totschweigen“ aus dem Jahr 1994, der die vergebliche Suchexpedition nach den Gräbern der 180 dort ermordeten Juden dokumentiert. Jelinek begegnete, in Anlehnung an die filmische Dokumentation, dieser Mauer des Schweigens in ihrem 150 Seiten starken Text "Rechnitz (Der Würgeengel)“.In den Ritzen der
Der ungarische Regievirtuose Viktor Bodó hat mit List und Witz Shakespeares "Sommernachtstraum“ auf die Bühne des Grazer Schauspielhauses gezaubert.Im Theater wirken die liebeskranken Sommernachtstraumfiguren immer vollkommen vertrottelt. Wie sie sich über Kreuz verknallen und einander mit Eifersucht verfolgen, wie sie auf der Flucht vor ihren Feinden im Wald umherirren und sich von einem Kobold schikanieren lassen. Diese Einfaltspinsel sind eigentlich nur schwer zu ertragen. Schon ihre pompösen Namen Hermia, Helena, Demetrius und Lysander! Und dazu noch der Handwerker Zettel, der sich
Das argentinisch-spanische Theaterprojekt "Gólgota Picnic“ im steirischen herbst hatte schon vorab für Empörung gesorgt. Doch letztlich ist das Stück eine eigenwillige Liebeserklärung, provokant und an der Grenze zum Ekel, ein brachialpoetischer Abgesang auf eine schamlos übersättigte Konsumgesellschaft, die sich zu Tode lebt.Abertausende Hamburger-Laibchen bedeckten zu Beginn lückenlos den Boden - hellbraun, süßlich riechend, mit Sesam bestreut. Am hinteren Ende der ausgeleuchteten Bühne war ein Picknick-Platz mit fünf Campingstühlen aufgebaut. Zudem ließen eine E-Gitarre,
Die belgische Choreographin Anne Teresa De Keersmaeker eröffnete mit ihrem Tanzstück "Cesena“ den steirischen Herbst und zeigte einen Tanzplatz von albtraumhafter Intensität.Der diesjährige steirische herbst steht unter dem Motto "Zweite Welten“. Kulturelle, soziale, politische und psychologische Systeme werden, wie auch schon in den Jahren zuvor in der Intendanz von Veronica Kaup-Hasler, in unterschiedlichsten Kunstsparten nach relevanten Anknüpfungspunkten befragt: Nach "Virtuosität“ oder "Strategien zur Unglücksvermeidung“ ist es diesmal das Spiel mit realen und fiktiven
Die Hamlet-Inszenierung des niederländischen Regisseurs Theu Boermans ist in der Gegenwart angekommen: Sie zeigt sich transparent, hellhörig und über weite Strecken völlig unbefangen.Die rätselhaftesten Theaterfiguren hat Shakespeare hinterlassen, von denen der amerikanische Literaturwissenschafter Harold Blum sagt, dass sie die ersten modernen Menschen seien. Die theatralischen Stoffe und Figuren erlangten unter seiner Hand eine Qualität der Allgemeingültigkeit: Sie verloren ihre örtliche und zeitliche Beschränkung. Waren Theaterfiguren ursprünglich in ihrem Denken und Handeln auf
Der diesjährige steirische herbst widmet sich dem virtuosen Schwindeln und Tricksen in vielen Facetten: Von der Begabung abzulenken bis zur fulminanten Könnerschaft. Wer hier wen (be)spielt, ist nicht leicht zu beantworten.Der steirische herbst nahm am letzten Wochenende seine Tätigkeit wieder auf. Für die kommenden vier Wochen will er, trotz der Wahlschlacht, die die Kultur vollkommen ignoriert hat, zur Stadt gehören, mitspielen und Diskurse anführen. Das diesjährige Generalthema #Meister, Trickster, Bricoleure # Virtuosität als Strategie für Kunst und Überleben# erweist sich dabei
Viktor Bodó ist ein Meister im Einrichten von Enklaven, die wie Vogelnester hoch oben im Welt-Baumgeäst sitzen. Dort flattern Menschen wie Gefiederwesen ein und aus und stopfen sich ihre aufgesperrten Münder mit Sprachphantasmen und zuckenden Bildimaginationen voll. Aber das wirklich Erhebende an diesen hoch oben liegenden Bühnenenklaven ist, dass sie nicht „Nicht-Orte“ sind, wie die vielen mono-funktionalen Räume der Moderne. Seine Orte sind zauberhafte Brutstätten, die beflügeln. Und die es wagen, uns ein Kopfnest zu bereiten. So war es 2007 bei Kafkas „Schloss“, seiner ersten
Peter Simonischek gastiert als Antibarock-Jedermann am Schauspielhaus Graz in einer Inszenierung von Götz Spielmanns Stück „Imperium“.Die Diagnose kommt erst nach der Halbzeit des Imperiumsbesuchs: Bald wird er tot sein, drei Monate, maximal ein Jahr bleiben noch. Nun muss der erfolgreiche Geschäftsmann, der mit dem Arzt von einem schauderhaften Lachen gebeutelt noch handeln will, an seine Zukunft denken und sich um das Seinige kümmern. Doch erstmals in seinem Leben ist er nicht mehr Herr der einträglichen Lage. „Wenn du nicht genau weißt, wer du bist, dann wird es gefährlich“,
Drei Generationen treffen bei der österreichischen Erstaufführung von Federico Leóns Generationenspiel „Yo en el futuro“ („Ich in der Zukunft“) beim steirischen herbst aufeinander. Zwischen ihnen bleibt die Zeit stehen. Die Orientierung, was heute ist und gestern war, geht verloren. Am Ende der Performance sitzen die Zuseher endgültig in der Zeitfalle.Seit zehn Jahren gehört der argentinische Filmemacher, Schauspieler und Regisseur Federico León zu den Schlüsselfiguren in der argentinischen Theater- und Filmszene. Und das mit 34 Jahren. Er betreibt künstlerisches Multitasking,
Am Grazer Schauspielhaus hat Anna Badora Shakespeares „Macbeth“ zum Saisonauftakt inszeniert. Eine Mischung aus biederem Schlachttheater und hübschem Märchentheater. Die Regisseurin misstraut offenbar der Sprachgewalt des Dramatikers – und zollt der Langeweile der Laufkundschaft des heutigen Theaters Tribut.Shakespeares Dramen prägen unsere Welt so sehr, dass wir kaum in der Lage sind, sie aufzuführen. Wir versuchen es dennoch und lernen dabei zu scheitern. An allen Ecken und Enden muss gleichzeitig gedreht werden, um seine wuchtige Sprachmaschinerie in Bewegung zu setzen, um Distanz
Der „steirische herbst“ eröffnete am 24. September einen „Tempel der Vernunft“ und haust dennoch bis 18. Oktober in einem Festivalzentrum mitten in der Stadt.Das ist mir gleich, sagen wir, wenn wir auf gefällig machen. Oder wenn es uns schlicht egal ist. Noch öfter sagen wir es, wenn wir uns nicht entscheiden können. Und hoffen, dass dies ein anderer für uns tut. Für die kommenden drei Wochen entscheidet der steirische herbst in Graz für zeitgenössische Kunstfreunde, was es zu sehen gibt. Zahlreiche Veranstaltungen quer durch alle Kunstdisziplinen, inklusive Theorie und
Das wortlose Handke-Schauspiel "Die Stunde da wir nichts voneinander wussten" hat der ungarische Theaterfantast Viktor Bodó zu einer Bühnendichtung eigener Art gemacht. Bodó ist seit diesem Abend Handke mehr als eine Stunde voraus. 60 Seiten Regieanweisung konnten ihn nicht einbremsen in vorauseilendem Bildeifer die vielen Handke-Figuren einzusammeln, neu zu erfinden, mit Geschichten auszustatten, die erzählbar sind in einer Welt der kleinen und großen Wunder.Und das Schweigen? Auch dieses Ohne-Worte-Spiel im Grazer Schauspielhaus, 130 Minuten lang, ist eine Art von Sprachwunder, als ob
Franzobels "Prinzessin Eisenherz" wurde am Grazer Schauspielhaus uraufgeführt. Regie führte Georg Schmiedleitner - er inszenierte die wahre Geschichte der Milli Deutsch.Man gewöhnt sich auch an die Angst" - dieses Bekenntnis der heute 88-jährigen Milli Deutsch wird zum Drehpunkt in der von Franzobel verfassten Lebensbeichte einer mutigen Frau. Eineinhalb Jahre lang hat sie eine von den Nazis gesuchte Freundin in ihrer Eisenerzer Wohnung versteckt. Dass später auch noch zwei Partisanen hinzukommen und eine Hitler treue, hochschwangere Berlinerin als Untermieterin vorbeischneit, machten die
Der polarisierende Opernregisseur Peter Konwitschny hat am Grazer Schauspielhaus Shakespeares "König Lear" inszeniert. Er zeigt uns das Stück als große Weltentblößung und macht uns zu Voyeuren einer entleerten Moderne.In Shakespeares Stücken gibt es immer wieder jene modernen Momente, in denen wir nicht mehr wissen, ob wir uns in einer Tragödie oder einer Komödie befinden. Szenen tauchen vor uns auf, in denen die Tragödie sich über die Komödie hebt und die Komödie aus dem Grauen herauslacht. "König Lear" ist die Tragödie eines Mannes, der sich nicht kennt. Und keiner an seinem
Peter Simonischek spielt Henrik Ibsens „Baumeister Solness“ am Grazer Schauspielhaus: ein spätsommerlicher Taumel, ein erotischer Spuk. Neben dem Burg-Star tritt alles andere in den Hintergrund, die Regie von Intendantin Anna Badora bleibt seltsam unauffällig.Ein mintgrüner Kubus schiebt sich in den Bühnenraum. Nach vorne hin erweitert, gibt er nach hinten den Blick in einen Himmel frei, über den helle weiße Wölkchen ziehen. Dazwischen greift Ibsens Seelenspiel um sich. Schiefe Ebenen machen das Leben und Arbeiten hier schwer. Und gearbeitet wird unwahrscheinlich viel. An sich und
Der steirische herbst setzt beim Finale zur großen Geste an: Dreimal "Welt retten" in Form von Kurzstücken und die österreichische Erstaufführung der Oper "Melancholia" versöhnten zum Teil mit einem zeitgenössischen Erkundungsfestival, welches Wertigkeit auf relativ geringem Niveau bot.Niemand weiß genau, was zu tun ist. Dieses Eingeständnis von Seiten der Wirtschaftsexperten ist in diesen Tagen oft zu hören. Und warum? Weil Erwartungen längst ein Teil des kapitalistischen Spiels geworden sind. Der Druck, den Triebkräften der Märkte etwas entgegenzusetzen, hat etwas von einem
Wer Künstler werden will, melde sich! Auch Karl Roßmann, Franz Kafkas "Amerika-Held", erliegt der Verlockung und folgt dem Ruf des Naturtheaters von Oklahoma. Doch leider bricht Kafkas Romanfragment ab, ehe man Genaueres erfährt über dieses größte Theater der Welt. In New York arbeitet das Regie- und Konzeptduo Pavol Liska und Kelly Cooper seit 2005 unter dem Label Nature Theater of Oklahoma. Mit großem Erfolg. Heuer ist das Ensemble bereits zum zweiten Mal beim steirischen herbst. Mit "No Dice", einer mittlerweile legendären Produktion, waren sie 2007 erstmals im deutschen Sprachraum
Im Schauspielhaus Graz fliegen einem zum Saisonauftakt wilde Verse und flotte Sprüche um die Ohren, ein Hebbel-Remake ist zu sehen.Friedrich Hebbels "Nibelungen" - kann man diese mit Shakespeare und der Antike liebäugelnde Trilogie aus Mythos und nationaler Geschichte überhaupt noch überzeugend auf die Bühne stemmen?Mag der Dichter viele Jahre lang mit dem Stoff gerungen und ihn so überwältigend empfunden haben, dass er eine Dramen-Trilogie dafür benötigte, um zu zeigen, wie starke Frauen durch Betrug im Innersten zu treffen sind, wie Männer durch Hinterlist erledigt werden und wie
"Antigone" in einer politisch virulenten Inszenierung in Graz.Es ist nichts zu sehen. Kein Mord, keine Toten, nicht einmal ein Vergehen. Nur diese verbotene Tat hängt wie ein Fluch über dem Stück und bringt einen nach dem anderen in eine gnadenlose Ausweglosigkeit. Damals wie heute entbehrt Antigones Verlangen, den im Kampf um Theben getöteten Bruder gegen den Willen des neuen Herrschers Kreon zu bestatten, nicht der aktuellen Brisanz.Diese legt Anna Badoras Inszenierung in Graz beeindruckend streng und unnachgiebig frei und zeigt, indem sie sich nahe an die Tragödie von Sophokles wagt,
David Greigs "Pyrenäen" im Grazer Schauspielhaus erstaufgeführt: ein ernüchterndes Versteckspiel in den Bergen.Über weite Strecken meint man Zeuge in einer Kriminalgeschichte zu sein. Oder Opfer eines langen, fesselnden Traums, der natürlich einen allegorischen Charakter hat: Wir sind nur Pilger hier auf Erden. Der halbtote Mann (August Schmölzer) auf der Bühne, der im frischen Kunstschnee liegt, scheint uns von unterwegs bekannt zu sein. Er hat sein Gedächtnis verloren. Das einzige, was er bei sich trägt, als er am Weg nach Santiago de Compostela aufgefunden wird, ist ein Aktenkoffer
Roger Vontobel taucht mit Gerhild Steinbuchs Stück "verschwinden" unter.Gerhild Steinbuch ist eine junge heimische Dramatikerin, der man gewünscht hätte, dass sie noch für längere Zeit dort unentdeckt bleiben könnte, um möglichst lange vor den unweigerlich über sie hereinbrechenden Bühnenstürmen bewahrt zu bleiben. Doch es scheint, dass der Theaterbetrieb davon nicht viel hält. Man erfreut sich an unverbrauchtem Anspruch und hoffnungsvoller Erzählkunst, um sie an gierig schnüffelnde Stückebestäuber weiterzureichen. Steinbuch hat mit ihren 24 Jahren bereits einige viel beachtete
Der steirische herbst hat bisher viel Konzept bestellt und reichlich Moral geliefert.Mittlerweile ist in Graz die Halbzeit erreicht. Das Publikum nimmt freundlich getätschelt einen gewissen Höflichkeitsabstand zum Gebotenen ein. Denn das Leitmotiv des herbstes "Nahe Genug" hat bisher wenig Klares, Verbindliches, gesellschaftlich oder politisch Relevantes geboten. Mit Ausnahme einiger Ausstellungen. Natürlich sollte man sich fragen, ob das der Pakt ist, den man eingeht, wenn all zu viel Vernunft der Kunst auf die Sprünge hilft.Bereits der Auftaktsevent zum steirischen herbst hinterließ
29 Tage herrscht in Graz ein Ausnahmezustand. Das Motto: "Nahe genug".Am 20. September startet der "steirische herbst" in sein 40. Jahr. Als interdisziplinäres Festival zeitgenössischer Kunst hat er sich über all die Jahre immer wieder neu erfunden und positioniert. Intendanten kamen, stellten die Vorhut auf und gingen. Aus dem Schatten einstiger Skandale längst herausgetreten, hat die jetzige Intendantin Veronica Kaup-Hasler (noch keine 40!) keinen Grund, eine Midlife-Crisis für das Festival zu konstatieren. Und so erwartet sie sich für 2007 erneut einen "dichten, aufregenden und
Zwischen Groteske und intimer Distanz: Cornelia Crombholz inszeniert "Dunkel Lockende Welt" von Händl Klaus im Grazer Schauspielhaus.Für seinen grotesken Psychothriller Dunkel lockende Welt wurde Händl Klaus 2006 von der Fachzeitschrift Theater Heute in Deutschland zum Dramatiker des Jahres gewählt. Auf der Probebühne am Grazer Schauspielhaus wurde das Stück des 1969 in Tirol geborenen Autors nun neu inszeniert und die produktive Händl-Graz-Liasion - nach zwei Uraufführungen im steirischen herbst - erfreulich fortgeführt.Cornelia Crombholz' rasante Inszenierung setzt die extremen
Die Neue Galerie Graz widmet Hubert Schmalix eine große Personale.Der Hunger nach Farbe ließ in den 1980er-Jahren junge Künstler wieder zum Pinsel greifen. Strotzende Atmosphäre, emotionsgeladene Subjektivität und ausdrucksstarke Gestik, auf Leinwände gebannt, waren angesagt. In seiner ersten Ausstellung 1978 in der Neuen Galerie zeigte der damals 26-jährige Grazer Hubert Schmalix Stillleben, die man als die Initiation der Neuen Malerei in Österreich erkannte. Das Bild Vierzehn Zigaretten, auf welchem Zigarettenkippen vor gelbgrünem Hintergrund zu sehen sind, umgibt seither die Aura
Tschechows "Platonow" und Dürenmatts "Besuch der alten Dame" in GrazAnton Tschechows Moderne, sagt die Grazer Inszenierung, ist ein Alkoholexzess, der das Innere aus den Menschen wie Flüssigkeit aus Flaschen leert. Das Setting des dreistündigen Platonow besteht aus einem literarischen Wartezimmer, in dem der schreibende Arzt eine Handvoll russischer Provinzler versammelt. Florian Barth richtete für sie unter der Regie von Cornelia Crombholz und Sandy Lopicic eine Flachdachresidenz inklusive Plastikrollläden ein.Darin und davor räkeln sie sich und lavieren sie: die erotisch wendige, doch
Nestroys "Talismann" am Grazer Schauspielhaus: Eine Posse über Fluch und Segen der Äußerlichkeiten.Der schicksalhaften Verlogenheit und Verdummung hat Nestroy, Über-Ich der österreichischen Stückeschreiber, ein Bein gestellt. Ödön von Horváth und Thomas Bernhard taten es ihm gleich, wenn auch ohne hinterlistige Vorfreude, sie stolpern zu sehen. Nestroys Sprache diente der Täuschung von Wahrheit, dem Spaß hinter vorgehaltener Hand. Sie erwies sich als unerschöpflicher Schatz, in die er ein wenig Ramsch und Plunder eingeschmuggelt hat. Seine Wortspiele sind herrlich gewandete
Franzobels "Hirschen" am Schauspielhaus Graz uraufgeführt: Viele Bravorufe für ein Stück, das eine unheimliche österreichische Vergangenheit auf die Bühne stellt.Was wissen vier alte in Lederhosen und Trachtenloden gekleidete Widerstandskämpfer auf einer Bühne zu sagen, die der Lagerhalle des ehemaligen Konzentrationslagers Ebensee nachempfunden ist? "Wir sind noch da und geben keine Ruh" - gepresst intonierte Parolen laufen ihnen über ihre schmallippigen Münder. Sie geben in dieser Heimatposse den Chor, der immer dann seinen Auftritt hat, wenn man geneigt ist zu behaupten, nur damals
Österreichische Erstaufführung von Torsten Buchsteiners Terror-Stück "Nordost" in Graz.Eine jede von ihnen hat ihre ganz persönliche Geschichte. Sie sitzen an kleinen Verhörtischen mit Mikros und reden von den Tagen im Oktober 2002. 42 Tschetschenen stürmten damals die Musicalvorstellung Nordost im Theater an der Dubrowka und nahmen 850 Menschen als Geiseln fest. 170 sind am russischen Giftgaseinsatz gestorben. Die drei Frauen erzählen, als würden wir ihren Berichten, wenn es sein muss, auch bis weit nach Mitternacht folgen.Drei Frauen erzählenUm ein Urteil fällen zu können? Was
Fasziniert von Grausamkeit und Gewalt: Richard III. am Grazer Schauspielhaus.Ich zerstöre gerne alles und schaue, was danach passiert", sagt Jan Klata, polnischer Jungregisseur, dem mittlerweile der Ruf eines enfant terrible vorauseilt. War er in seiner Heimat den Konservativen zu provokant und den Linken zu Gott-orientiert, erscheinen Klatas Theaterarbeiten für den abgebrüht westlichen Blick wie grobschlächtige Bubenstreiche, die nach Umsetzung drängen. So auch am Grazer Schauspielhaus, an dem er Shakespeares Richard III in den Sand setzte und zum nostalgischen Abend für Männer
Der steirische herbst feierte mit den Tanztheater "VSPRS" ein grandioses Finale.Auch wenn am letzten Wochenende der diesjährige steirische herbst nach gut drei Wochen zu Ende gegangen ist, lautet das Lieblingswort der neuen Intendantin Veronica Kaup-Hasler immer noch "generieren". Sie liebäugelte konsequent (und das bei nicht gerade üppigem Budget) mit einer "programmatischen Überforderung": Bei 280 Einzelveranstaltungen kann man zurecht von einem Produktionshype sprechen, der Graz in diesen Tagen heimgesucht hat.Es ist gelungen, dieses ins 39. Jahr gekommene Avantgardefestival wieder
Mit Grillparzers "Medea" und dem Auftragswerk "Ostmark" des polnischen Autors Andrzej Stasiuk eröffnete die neue Intendantin Anna Badora ihre erste Spielzeit in Graz.Medeas Handflächen und Fußsohlen sind rot eingefärbt. Von Anfang an sticht ihr Anderssein gewaltig ins Auge. Von ihrem Unglück meint man zu wissen, sobald sie erscheint. Heimatlos, ihr langes schwarzes Haar zu einem trotzigen Hauptschmuck verflochten, von einem unabwendbaren und tragischen Schicksal begleitet, wie es nur den Großen der griechischen Mythologie zusteht. Sie sucht, emotionsgeladen gespielt von Martina Stilp,
Cornelia Crombholz inszenierte Federico García Lorcas "Bluthochzeit" am Grazer Schauspielhaus.Deine Tränen sind bloß Tränen der Augen, die meinen steigen mir, wenn ich allein bin, aus den Fußsohlen hoch ..." Federico García Lorcas Frauen zelebrieren ihr Schicksal mit heiliger Wollust, so selbstverständlich, als würden sie das kurze Glück ihres Lebens und die ewige Bitternis, die ihm folgt, aus dem Besteckkasten holen. Die "Bluthochzeit" ist eine lyrische Tragödie, in der die Schuld eine Nebenrolle spielt. Schwer wiegen Tradition und Ehre, Frauen welken wie Schnittblumen und das Blut
Das Stück "Sieben Türen" von Botho Strauß in Graz.Das Dilemma ist, wir verlieren uns aus den Augen. Wir brauchen nur den Mund aufzumachen. Wir strampeln im trüben Teich, in dem Kaulquappen wimmeln. Und wollten doch eigentlich auf das Meer der großen Gefühle auslaufen. Botho Strauß ahnte, woran wir letztlich immer wieder aufs Neue scheitern werden. An Kleinigkeiten, an alltäglichen Missverständnissen, die dann Blasen werfen, die zerplatzen. Wir können nicht anders und lachen und retten uns mit dieser Erkenntnis ans andere Teichufer."Sieben Türen" heißt das Stück von Botho Strauß,
Das Kunsthaus Graz zeigt Malerei von Maria Lassnig und Skulpturen von Liz Larner in völlig ungewohnten Bezugsfeldern.Wenn es so etwas wie eine zumutbare Bekanntschaft gibt, dann wäre die Begegnung von Maria Lassnig und Liz Larner in einer gemeinsamen Ausstellung dafür beispielhaft: So sitzen sie für das Ausstellungssujet beieinander, herzlich lachend. Beim ersten schnellen Blick meint man gerade mal einer Bildungslücke entwischt zu sein. Man kann aufatmen, denn die kreativ anmutende Begegnung ist arrangiert, von Kunsthaus-und Joanneumsintendant Peter Pakesch. Verschwiegen sei nicht, dass
Gert Jonkes "Damals in Graz" in einer Neufassung am Grazer Schauspielhaus.Regisseur Philip Tiedemann arbeitet gewagt im Gefrierbereich der Gefühle. Intendant Mathias Fontheim holte ihn im letzten Jahr seiner Amtszeit abermals nach Graz. Nun brachte er eine Neufassung von Gert Jonkes ursprünglich als Hörspiel verfassten Text "Damals vor Graz" zur Uraufführung. Aus einem Zustand des Gefroren-Seins heraus lässt er Jonkes in österreichischem Phantasiedialekt geschriebene Wortpartitur zur Welt kommen. Was heißt: Irgendwo im Nebel auf einer Ebene vor Graz verfangen sich zwei Pärchen
Der diesjährige "steirische herbst" widmet sich dem Thema Stadt. Fulminantes Glanzstück war Peter Ablingers Auftragswerk "OPERA/WERKE". Drei Wochen lang spielte sich - an Schauplätzen und in Hörräumen über Graz verteilt - eine akustische Bestandaufnahme der Stadt ab.Die Furche: Herr Ablinger, Ihr groß angelegtes Auftragswerk "OPERA/WERKE. Stadtoper Graz" bezeichnet nicht nur ein Thema, sondern bereits auch die Aufführungsorte: Oper und Stadt.Peter Ablinger: Die Grundidee war so etwas wie eine Hörspielfassung der Stadt Graz zu erarbeiten, wobei es mir bei dem ganzen Projekt vor allem
Cornelia Crombholz inszenierte auf der Probebühne Graz Johannes Schrettles Stück "Dein Projekt liebt dich".Was wären wir ohne Auftrag! Was wären wir ohne jenes diktatorische Gefühl: "Es muss etwas geschehen!" Das sich reflexartig einstellt und den eigentlichen Kick auslöst, seinem Leben ein weiteres Projekt hinzuzufügen. Um Mehrwert zu gewinnen, der in einer Welt, in der nichts mehr auf Dauer ist, täglich neu erkauft werden muss.Johannes Schrettles grandios fragiler Bühnentext setzt zwei Frauen (Frederike von Stechow, Andrea Wenzl) und zwei Männer (Martin Bretschneider, Johannes
Das Kunsthaus Graz zeigt aktuelle japanische Kunstpositionen.Diese Ausstellung stellt für jeden, der gegenwärtig mit asiatischer Importware sein ausgedünnt westliches Alltagsleben zu bereichern versucht, eine tatsächliche Bereicherung dar. Kein überdimensioniertes Porzellanschälchen, gefüllt mit japanischem Grüntee, kein Sojasaucen leckendes Manga-Kätzchen, keine Oregami-Performance und auch keine Videosequenzen, in denen Youngsters Sushi-Burger vertilgen und über Zen faseln, sind anzutreffen.Was es in den zwei amorphen Stockwerken des Grazer Kunsthauses zu sehen gibt, bietet dem
Das Landesmuseum Joanneum in Graz wirft 120 Blicke auf die magnetisierende Kunstfigur.Graz pflegt einen Sommer lang die Liebe zu Carmen. Mit einer sehr jungen Leidenschaft, die der steirischen Kultur-Service GmbH zu verdanken ist. Diese hatte den Einfall, neben der einmaligen Opernproduktion "Carmen" unter der Leitung von Nikolaus Harnoncourt (die furche berichtete) den Carmen-Stoff auch mit weiteren inhaltlichen Schwerpunktsetzungen zu umschwirren, was man heute kulturelle Synergien nennt. Der Steiermark ein begehrenswert aktuelles Nachhaltigkeitsprofil zu geben, ist erklärtes Ziel dieser
Das Grazer "Theater im Bahnhof" nippt an Elfriede Jelineks "Burgtheater".Theaterkunst ist die flüchtigste Kunst und die intimste - wenn es gelingt, das Publikum wachzuküssen; langweilig jedoch wird es, wenn Wachheit mit einer gnadenlos abendfüllenden und aktiven Unterhaltung verwechselt wird. So passiert bei der Österreichischen Erstaufführung von Elfriede Jelineks "Burgtheater" im Grazer Theater im Bahnhof (TiB). Auch der höchst diffizile und bitterböse (zugleich Jelineks irrwitzigster) Text schützte den Regisseur Ed Hauswirth nicht, in gewohnter TiB-Manier (Slapstick-Elemente treffen
"Die Blendung" von Elias Canetti wurde in einer mutigen Bühnenversion an der Probebühne des Schauspielhauses Graz uraufgeführt.Auch Graz nimmt sich seiner an und feiert Elias Canettis 100. Geburtstag. Den Anfang - und der ist, bezieht man die noch ins (Literatur-)Haus stehenden Kunstprojekte rund um Canettis Jubeljahr mit ein, mit Abstand das kühnste Projekt - bildet die Aufführung des Romans "Die Blendung". Zum Stück extrahiert und inszeniert hat den Jahrhundertroman Friederike Heller. Am Ende, so lesen wir im dritten Teil, überzieht das beklemmend irrsinnige Gelächter des Sinologen
Das neue Gironcoli-Museum im Tierpark Schlosspark Herberstein ist die bislang größte Gesamtschau aus dem Lebenswerk des Künstlers.Es ist wohl das Museum mit der idyllischsten Umgebung in Österreich: Schloss, historische Gärten, Tierpark und dezent verstreute Landart. In diesem Ambiente entstand über den Sommer, treu begleitet von Pannen und Pleiten der steirischen Kulturpolitik, ein Museumsbau für rund 30 Gironcoli-Skulpturen. Der renommierte österreichische Architekt Hermann Eisenköck, immer dann zur Stelle, wenn es etwas Interessantes zu bauen gibt, erweiterte ein aus dem 17.
Uraufführung von Kathrin Rögglas Stück "junk space" beim steirischen herbst.Moment, bleiben sie doch hier! Ihnen schaut da die Angst zum Körper heraus. Darüber muss geredet werden, wenn nötig mit Strategie. Einer Art verordneter Auseinandersetzung glich auch Kathrin Rögglas Theaterabend im Programmkanon des steirischen herbst, realisiert als Koproduktion mit dem Züricher Theater am Neumarkt im Grazer Kristallwerk.Die 1971 in Salzburg geborene Wahlberlinerin zählt zu den derzeit außergewöhnlichsten Sprachbearbeiterinnen, die ohne selbst zeitgeistig oberflächlich zu klingen, dem
Die neue Galerie Graz zeigt Peter Weibels Frühwerk aus den Jahren 1964-79.Man sieht ihn mit nacktem Oberkörper über eine Stahlrinne gebeugt, Arme und Hände an Elektroden angeschlossen, die ihm beim Rezitieren eines Textes regelmäßig Strom durch den Körper jagen. Der lange Marsch, eine Sprachperformance von 1969, eskaliert wortwörtlich zum Befreiungsschlag eines Hochspannungskünstlers. Die Ausstellung der frühen Werke Peter Weibels ist Teil einer Werkschau zum 60. Geburtstag, an der sich Galerien in Karlsruhe und Budapest beteiligen. Die Schau gibt Einblick in das breite
Wolfgang Bauers "Foyer" beim steirischen herbst uraufgeführt: Pflichtapplaus für einen laienhaften Theaterabend.Wenn ein Theaterstück von einem alternden Autor handelt, der Dr. Charly Dodler heißt und sich eines Abends ins Theater begibt, um der Uraufführung seines autobiografischsten Werkes beizuwohnen - wer wollte da hingehen? Wenige. Wenn aber Wolfgang Bauer den Text liefert, viele.Alles beginnt recht harmlos (Charly Dodler, ein Dichter von etwa 70 Jahren, irrt in einem abgenutzten, etwas verfallenen Foyer umher) und endet hypnotisch, wie es Bauer gefällt, in einer Vorhölle des
Video-Arbeiten zwischen Traum und Illusion im Kunsthaus Graz.Spotlicht von oben: Zwischen Cinematischem und Theatralischem ist zu lesen. Dann begibt man sich in die tiefschwarze Nacht des Ausstellungsraums. Rehe tauchen auf. Über dem flüchtigen Schlaf eines Mädchens am Pool wacht ein Geheimnis. Die Kamera schwenkt ab. Schnell, sehr schnell fliehen Frauenhände über die Tastatur eines Klaviers. Schnitt. Ein Gärtner kniet am Poolrand. Langsam kippt sein Körper ins Wasser. Und wieder ein Schnitt. Teresa Hubbards und Alexander Birchlers Video "House with Pool" (2003) ist eine zerbrechliche
Die beiden ersten Personalen im Grazer Kunsthaus sind eine programmatische Neudefinition.Die Kunst, die es vermag, die architektonische Dominanz des Grazer Kunsthauses verträglich zu stimmen, ist gefunden. Es scheint, dass mit der Eröffnung der beiden ersten Personalen von Sol LeWitt und Vera Lutter das Unbehagen rund um die räumlichen Vorlieben des Kunsthauses geheilt ist. Nachdem die Erstausstellung "Einbildung" in den verschiedenen Ausstellungsebenen des Kunsthauses regelrecht verschluckt wurde, hat man sich mit dem Eintritt in die "Normalität des Ausstellungsbetriebes", wie es
Der "steirische herbst" setzte zum Abschluss auf ein zwielichtiges Spektakel.Etwa neunzig Minuten lang ließ die in Graz und Berlin lebende Modeschöpferin Lisa D. ihre um ethisch mustergültige Lösungen ringenden Modekreationen über die Bühne der Helmut List Halle schreiten. Die "Dry Clean Show" ist ein extravagantes Projekt, angesiedelt an der Grenze zwischen Kunst und Mode; ein experimentelles Schautheater, welches mit den Mitteln von Tanz, Musik, Stimme, Licht und Bühnenbild ambivalent den globalen Verflechtungen des herrschenden Kapitalismus begegnet.Drei fiktive Modefirmen
Das "Phantom der Lust", eine 1000-Bilder-Ausstellung der Neuen Galerie Graz, geht den Visionen des Masochismus in der Kunst nach.anchmal muss man ehrlich sein. Und sagen, dass die Tarnung perfekt ist. Ein trügerisches Phantomplakat ist die halbe "Besucherbeute", meinte die Graz-2003-Marketingabteilung und kleidete das Informantenpersonal in schwarze T-Shirts mit dem Aufdruck: Der Mensch ist zum Leiden geboren. Und die sich häutende Schöne auf dem Ausstellungsplakat ist ein gelungenes Beispiel für ein perfektes Sponsoringgeschäft. Aber zu einer Ausstellung möchte man ja verführen,
Uraufführung von Bodo Hells "Tracht:Pflicht" auf der Grazer Probebühne.Geh hin wo Pissoir ist; Räum auf wo Inventar ist; Knie nieder wo Altar ist; Glaub was offenbar ist." Gern schickt uns das Theater aus dem Theater hinaus und zeigt uns die wirklichen Möglichkeiten. Aktuell: Bodo Hells Theaterstück "Tracht:Pflicht", das in Kooperation mit dem Landestheater Salzburg im Rahmen von Graz 2003 uraufgeführt wurde. Bodo Hells Textformen dienten für den Schauspieler Bernd Jeschek und den Musiker Renald Deppe als Vorlage, die aus diesem Konvolut an Sprachmaterialien eine knapp einstündige
Die Kulturhauptstadt 2003 widmet "JoÇze PleÇcnik und Ljubljana" ein Ausstellungsprojekt im Zentrum von Graz.Graz hat sich für das kulturelle Jubeljahr um eine Hand voll Artefakte erweitert und damit Flair und Image der Stadt gestärkt. In den Fluss bettete man eine silbergliedrige Netzinsel des New Yorker Stardesigners Vito Acconci; am Murufer darüber wird ein blau geblähter Kunsthauskorpus der Briten Peter Cook und Colin Fournier verankert (Eröffnung September 2003). Diese extravaganten Zeichensetzungen im Stadtbild werden mit enormem internationalem Medieninteresse belohnt. Graz war
"M_ARS. Kunst und Krieg" - die Eröffnungsausstellung der Kulturhauptstadt Graz kommt ohne Hoffnung aus.Im barocken Innenhof der Neuen Galerie Graz schwebt ein Konglomerat aus Flugzeugteilen, Tragflächenelementen und Leitwerken. Expressiv und kompakt hängt Nancy Rubins Skulptur wie ein Damoklesschwert zwischen den Stockwerken. Im Schlagschatten der Klinge ein Sprayer-Spruch des Holländers Marc Mijl: "I'm too sad to kill You". Rubins Schrottszenario ist wie eine Art Topographie des Schrecklichen zu lesen, ein museales Manifest, um gängige Annahmen über die Kunst zu revidieren. "M_ARS Kunst
"Latente Utopien", die große Architekturschau im "steirischen herbst", entwirft Räume der Zukunft.Fremdkörperforschung betreibt der diesjährige "steirische herbst". Das Fremde und Körperliche übersiedelt dabei in eine große Ausstellung. Internationale Baukünstler inszenieren dort multiple Formen von Architektur und umwerben selbstbewusst ihre zukünftigen Bewohner. So verführen vier kokonartige Polypropylenhülsen, an der Innenseite mit neuen, visuell weichen Materialien bezogen, gekonnt mit Mutterbauchästhetik. Zur Restwelt, insofern diese noch gefragt ist, steht man digital in
Eine Grazer Ausstellung dokumentiert Kleiderordnungen, Privilegien, Abgrenzungen und Eitelkeiten.Im musealen Mittelpunkt steht der Mensch mit seinen Attributen. Gemeint sind jene Beigaben, die soziales Prestige und gesellschaftliche Stellung des Trägers verkörpern: etwa der barocke Herrnstöckelschuh, die Hauptbedeckung hoher Geistlichkeit oder das Gucci-Tuch. Von Kleiderordnungen ist die Rede, die bis zum Ende des 18. Jahrhunderts klare Machtverhältnisse schufen. Privilegien und die damit verbundenen Statussymbole waren zu erben und verschafften der oberen Gesellschaftsschicht und den
Elfriede Jelineks Frauen-Märchen "Der Tod und das Mädchen I-III" als Auftakt zum steirischen herbst.Bittere Wahrheit wiegt Jelineks Frauenmärchen. Weil sie von der Schönen (Schneewittchen), Schlafenden (Dornröschen), Schreibenden (Rosamunde) erzählen, enden sie rettungslos. In drei Teile gegliedert, überschrieben mit dem an Schubert angelehnten Untertitel "Der Tod und das Mädchen I-III", sind die Dramolette als Zwischenspiele für größere Texte entstanden. Bei der österreichischen Erstaufführung der drei Prinzessinendramen im Rahmen des steirischen herbstes gab man Jelineks