György Dalos' Erzählung "Balaton-Brigade".György Dalos, der ungarische Autor mit Wohnsitz in Berlin, hat mit der "Balaton-Brigade" eine neue schöne Erzählung vorgelegt. Seine Romane - u. a. "Die Beschneidung", "Der Versteckspieler" oder zuletzt "Seilschaften" - waren stets gekonnte Vexierspiele aus autobiografischen Momenten und Fiktion. Dalos ist jüdischer Herkunft, das Kádár-Regime stufte ihn als politisch unzuverlässig ein, er durfte lange nicht publizieren. In den 80ern emigrierte er nach Österreich. Die Wende empfand Dalos als Auftrag, konkrete Verantwortung zu übernehmen, und
"Polizeiliches Handeln in einer multikulturellen Gesellschaft" und seine literarischen Blüten.Tandem ist Teil eines Lehrgangs für ExekutivbeamtInnen, der "Polizeiliches Handeln in einer multikulturellen Gesellschaft" zum Thema hat. An fünf Abenden treffen einander in der VHS Favoriten in Wien bis zu 25 Menschen aus den verschiedensten Bereichen der Polizei und eben so viele Migranten. Am ersten Abend werden die Tandem-Paare mit je einem Beamten und einem Migranten gebildet, wobei vertrauensvoll dem Zufall die Regie überlassen wird: Jeder Teilnehmer erhält die Hälfte einer Postkarte und
Ein bisschen zu schön um als Lektüre zu beglücken: Andrew Sean Greers "Die erstaunliche Geschichte des Max Tivoli".Es gibt Texte, die sind einfach perfekt - gefertigt nach allen Regeln der Kunst, makellos. Man liest sie und hat ein schlechtes Gewissen. Weil sie fehlerlos sind und man trotzdem etwas in ihnen vermisst.Immer jüngerEine unmenschliche Geschichte ist es, die Andrew Sean Greer erzählt. Sein Held, Max Tivoli, kommt "vom anderen Ende des Lebens" auf die Welt. Er wird 1871 in San Francisco als 70-jähriger Greis geboren. Sein Körper wird von Jahr zu Jahr jünger, sein Bewusstsein
Vladimir Vertlibs "Lebensgeschichten" wirken nicht sehr fertig.Vladimir Vertlib wandelt in den drei Geschichten seines Buches "Mein erster Mörder" auf den Spuren von Erich Hackls literarischen Reportagen. Nach den autobiographischen Romanen "Abschiebung" und "Zwischenstationen", in denen Vertlib die Emigrationsgeschichte seiner Familie aufrollt, nach den Fiktionen "Das besondere Gedächtnis der Rosa Masur" und "Letzter Wunsch" weist der Untertitel seines neuen Bandes "Lebensgeschichten" dezidiert auf eine reale Folie der Geschichten hin. In einem vorangestellten Passus erklärt er, dass aber
Wladimir Makanin zeichnet ein trostloses Bild der russischen Gesellschaft.Wladimir Makanin ist ein russischer "Groß-Schriftsteller", der sich wie kein anderer auf das literarische Erbe seines Landes einlässt, tradierte Stoffe und Motive fortschreibt und selbst mehr und mehr zum Klassiker avanciert. Nach seinem vielfach ausgezeichneten Roman "Underground oder Ein Held unserer Zeit" liegen nun drei Erzählungen vor. "Der kaukasische Gefangene" heißt die Erste, die auch dem Band den Titel gibt, und an Puschkins Gedicht vom "Gefangenen im Kaukasus" erinnern will - solcherart einen Bogen
Mit seinem Romandebüt "Engelszungen" eroberte der bulgarisch-österreichische Schriftsteller Dimitré Dinev die Herzen von Publikum und Kritik im Sturm. So ließ der Deuticke Verlag rasch einen Erzählband folgen: "Ein Licht über dem Kopf" versammelt vor allem frühe Erzählungen Dinevs, die bereits 2001 in der "edition exil" unter dem Titel "Die Inschrift" publiziert wurden. Auf dem Cover damals eine Schwarz-Weiß-Fotografie - darauf der Autor im fröhlichen Sprung mit ausgebreiteten Armen, in einem schwarzen wehenden Mantel. Selbst die herbstlich kahlen Bäume im Hintergrund tun dem
David Albaharis Erzählungen "Fünf Wörter" wirken nachhaltig.Warum soll man den Erzählband "Fünf Wörter" des serbischen, seit 1994 in Kanada lebenden Autors David Albahari lesen? Unter anderem, weil die Lektüre außergewöhnlich nachhaltig ist.Die Erzählung "Worte sind etwas anderes" etwa: Einem Mädchen wird am Telefon der Laufpass erteilt. Sie geht in die Küche, wo die Mutter gerade an einer Mütze strickt. Trost findet sie bei ihr nicht, nur den Rat zu schweigen. Das Mädchen geht in sein Zimmer. "Recht hat sie, dachte sie, Worte werden ihn nicht zurückbringen. Worte sind etwas
Yasmina Rezas Roman "Adam Haberberg".Adam Haberberg sitzt auf einer Bank im Jardin des Plantes und ist nicht glücklich. Er ist 47 Jahre alt, leidet an einem Ödem im linken Auge und hat Angst zu erblinden. Seine Ehe ist in keinem guten Zustand und sein letztes Buch - er ist Schriftsteller - war ein Fiasko.Nein, der Titelfigur im zweiten Roman der erfolgreichsten Dramatikerin der Gegenwart, Yasmina Reza, geht es gar nicht gut. Und da steht plötzlich Marie-Thérèse vor ihm, eine ehemalige Klassenkameradin, die ihn schon damals nicht interessiert hat und 30 Jahre später genauso wenig, mit der
Thomas Manns Erfindung Hans Castorp taucht wieder auf: in Danzig.Wer Thomas Manns "Zauberberg" liebt, wird die Lektüre von Pawel Huelles "Castorp" ambivalent angehen - misstrauisch und neugierig in einem. Der polnische (in Danzig lebende) Autor wagt eine Phantasie. Bei Mann heißt es, dass Hans Castorp "vier Semester Studienzeit am Danziger Polytechnikum hinter sich" hat, als er die Reise nach Davos antritt, um seinem Vetter einen Besuch abzustatten. Von diesen Danziger Semestern handelt Huelles Roman.Man beginnt zu lesen und man beginnt zu vergleichen, man ist empfindlich. Weil man sein Bild
Andrej Blatnik legt in seinem Band "Der Tag, an dem Tito starb" Kurztexte und Erzählungen vor, mit denen er viele Formen versucht, aber das Vertrauen des Lesers verliert.Kein Buch für frisch Verliebte, Optimisten, Romantiker oder allgemein hoffnungsfrohe Menschen. Andrej Blatniks Erzählungen sind ziemlich illusionslos. Wobei der Untertitel "Erzählungen" für die vorliegende Sammlung etwas unverfroren ist - finden sich darin doch auch minimalistische Skizzen von nicht mehr als einer Seite oder gar nur ein Titel und ein einziger Satz.Eine echte Erzählung ist aber ohne Zweifel der
Eine besonders liebe Familie steht im Zentrum von Olga Flors Roman "Talschluss", auf der Suche nach einem authentischen Ort, "der mit sich im Reinen ist".Olga Flor hat scharfe Augen und Ohren. In ihrem Blick- und Hörfeld: Familien, Elite-Familien, wohlhabend, gebildet, konservativ und alternativ in einem, untadelig, repräsentabel, städtisch, Horte traditioneller bürgerlicher Anpassung und Ordnung, selbstbewusst und leistungswillig, zuhause in Graz oder Wien oder Salzburg, mit Zweithaus am Land, im schönen gesunden Grün.Ein im besten Fall durchaus heimeliges sonniges Milieu, auf der Höhe
Melinda Nadj Abonjis Romandebüt überzeugt nicht.Bei manchen Klappentexten bereut man, sie gelesen zu haben: Wenn man beispielsweise erfährt, dass es sich bei der Prosa der Autorin um eine "fragile Textur" handle, fühlt man sich implizit aufgefordert, beim Lesen behutsam zu sein, am besten nichts "anzugreifen". Es ist der Klappentext zum Debüt der jungen, in Zürich lebenden Autorin Melinda Nadj Abonji, der solcherart ein bisschen gar laut "Achtung, Porzellanladen!" ruft. Das ist nicht gut; man wird als Leser nur ungern für einen potenziellen Elefanten gehalten. Das Unbehagen, das einen
Mit ihrem Buch "Ein Kapitel aus meinem Leben" setzt Barbara Honigmann ihre Mutter als Legende in die Welt.Immer wieder während der Lektüre die Schwarz-Weiß-Fotografie auf dem Cover betrachten: Eine junge, ungemein hübsche Frau, dunkel das Haar, die Kleidung, der Hut, den Kopf etwas zur Seite gewendet, den Blick gesenkt. Es sind die Augen, die fesseln, lebendig und gleichzeitig in sich gekehrt. Man wüsste gerne, was gerade in ihr vorgeht, was sie denkt und fühlt. Es ist eine Aufnahme von Alice "Litzy" Kohlmann, der Mutter von Barbara Honigmann, entstanden in den 30er Jahren. Ein Jahr vor
Lisa Fritsch erzählt von der Sucht nach Gewinn und Verlust.Spielsucht - ein Fluchtversuch aus Zeit und Raum. Eine Scheibe mit bezifferten Fächern von 0 bis 36, eine Kugel, die rollt, der ersehnte Gewinn verknüpft mit der Utopie von einem anderen Ich, einem von allem Materiellen erlösten Ich. Irgendwie paradox, dass der Verlust zum gleichen Ziel führt, auch er "immaterialisiert", löscht aus, kann die Grundlagen der bisherigen Existenz vernichten.Fünf Geschichten erzählt Lisa Fritsch von der "Sucht nach Gewinn und Verlust". Die erste führt nach Las Vegas, in dessen Topografie das Auf
Ladislav Tazkys "Wiener Blut" überzeugt als Zeitdokument, nicht aber als Roman.Ich werde zornig. Wozu machen wir diese sinnlose Arbeit? Wer wird sie mir bezahlen? Herr Bürgermeister, hören Sie? Ich weiß gar nicht, wie Sie heißen, ich weiß nur, wo Ihr stolzes Rathaus steht ... Einmal ... einmal werde ich Ihnen die Rechnung präsentieren, für die Keile, für den Tunnel, für die Bergmannsschufterei." Matusch Zraz ist 20 Jahre alt, slowakischer Korporal, Kriegsgefangener und Zwangsarbeiter in Wien vom November 1944 bis April 1945. Die Arbeitskompanie, der er angehört, wird in den
Andrzej Stasiuks Essays trösten sogar in ihrer Illusionslosigkeit.Es ist seltsam, wie tröstlich Illusionslosigkeit sein kann. Ein Wort, ein Satz, die mitten in eine denkfaule Vorstellung z. B. von Glück hineintreffen, und statt enttäuscht zu sein oder voller Abwehr, ist man zu seiner eigenen Überraschung erleichtert. Ein Gefühl, das sich während der Lektüre von Andrzej Stasiuks Essays oft einstellt. Er schrieb die Texte zwischen 1993 und 2000 für verschiedene polnische Zeitschriften und für die Frankfurter Allgemeine Zeitung. In den Parabeln ähnlichen Kurztexten, die Szenen aus des
Thomas Stangls Debüt "Der einzige Ort" ist ein sprachliches Ereignis. Er erhält dafür den aspekte-Literaturpreis 2004.Ein dichter Text, voller sprachlicher Ereignisse, getragen von beeindruckender stilistischer Sicherheit und Konsequenz, das ist Thomas Stangls erster Roman "Der einzige Ort". Eine Reise aus Wörtern und Sätzen, die an viele Orte führt - nach Tripolis, nach Tiémé oder nach Djenné, die schließlich die Protagonisten des Romans bis nach Timbuktu begleiten wird, und eine Reise, die um die Unmöglichkeit weiß, sich der Wirklichkeit allein verschreiben zu wollen, die im
Ulrike Kolbs Lektion in Sterblichkeit.Eine Frau sitzt am Bett eines Mannes. Er liegt nach einem Unfall im Koma. Sie solle mit ihm sprechen, meint der Arzt, sich ihre Stimme wie eine "akustische Nabelschnur" vorstellen. Und so sitzt sie und erzählt - eine Nacht lang erinnert sie den früheren Geliebten an das Leben, versucht ihn aus seinem tiefen Schlaf zurückzuholen.Menschen, die sich in Todesnähe befanden, erzählen, dass das eigene Leben wie ein Film vor ihnen abgelaufen sei. In "Diese eine Nacht", dem Roman von Ulrike Kolb, sind es die Erinnerungen der Ich-Erzählerin Vera, die sich wie
Peter Stamms Erzählungen geben Platz zum Nachdenken und Ruhigwerden.Ich brauche ja nichts', sagte er. Ich hab ja alles, was ich brauche.'" Henry hat Manuela mit in seinen Wohnwagen genommen. Sie haben gerade miteinander geschlafen. Er zieht mit einer Artistentruppe durchs Land, sie arbeitet in einem Fastfood-Restaurant. Es ist erst wenige Stunden her, dass sie sich kennen gelernt haben. Ob er aus dem Osten sei, hat sie ihn gefragt, als er seinen Hamburger bezahlte. Henry ist der "Feuerteufel", er liegt auf einem Auto, das durch eine brennende Wand fährt, das ist sein Part in der
Zoran Feric wilder Inselkrimi über einen Mord auf Rab.In diesem Buch erwartet einen alles andere als leichte Kost. Vor den ersten Seiten empfiehlt es sich sogar, tief Luft zu holen. Der mehr als schwarze Humor von Zoran Feric macht einen kräftigen Leseanlauf nötig, denn es gibt keine Geschmacksgrenze, die er nicht bereits im ersten Kapitel seines Romans "Der Tod des Mädchens mit den Schwefelhölzchen" übertreten würde.Fero heißt der Erzähler. Das Begräbnis der kleinen Tochter eines Jugendfreundes hat ihn zur Fahrt auf die Insel veranlasst, die er vor fünf Jahren das letzte Mal
Ein Dorf an der tschechisch-slowakischen Grenze bildet den Hintergrund für jene Novelle von KveÇta Legátová, deren Verfilmung dieses Jahr für den Oskar für den besten ausländischen Film nominiert war.Über ein Buch, das man zu lesen beginnt und damit nicht mehr aufhört, bis die letzte Seite erreicht ist, und man gar nicht bemerkt hat, dass es darüber schon weit nach Mitternacht geworden ist, möchte man im ersten Moment gar nicht viel mehr sagen, als dass es schön war, und es dem nächsten Freund auffordernd in die Hand drücken: "Lies!"Zuerst der FilmEs ist schade, dass KveÇta
Marta Kijowska porträtiert den streitbaren Schriftsteller Andrzej Szczypiorski mit Sympathie und kritischer Distanz.Mein europäisches Bewußtsein existiert nicht mehr, dachte er bedauernd, vielleicht hat es sogar nie existiert, vielleicht war es nur eine Illusion, das Streben nach einer Identifikation, die mir nie gegeben war?" Gedanken Pawels in "Die schöne Frau Seidenman", dem Roman, der Andrzej Szczypiorski in den späten 80er Jahren berühmt machte. Der Erfolg begann in Deutschland, Szczypiorski wurde in der Folge zu einem der meistgefragten Kommentatoren der deutsch-polnischen
Janusz Glowackis Roman "Die Unterhose, die Lotterie und das Schwein" fordert seinen Lesern einiges ab.Amerika war einmal ein gelobtes Land. Auch für Janusz Glowacki gab es keinen Zweifel daran, dass die Vereinigten Staaten das einzig mögliche Zielland seiner Emigration sein sollten. Er befand sich in London, wo eines seiner Stücke aufgeführt wurde, als über Polen das Kriegsrecht verhängt wurde. Er beschloss, nicht zurückzukehren und emigrierte 1982 nach New York.Es gelang ihm, Fuß zu fassen und mit dem sozialkritischen Stück "Antigone in New York" reüssierte Glowacki in den 90er
Herma Kennels gelungener Roman "BergersDorf" erzählt ein Stück heikle Geschichte.Bergersdorf heißt heute Kammená. Es liegt etwa 12 Kilometer nördlich von Jihlava, ehemals Iglau. 1939 hatte das Dorf 249 deutsche und 92 tschechische Einwohner. Es gehörte zur sogenannten "Iglauer Sprachinsel", die rund 25.000 Deutsche umfasste.Herma Kennel widmet sich in ihrem "Tatsachenroman" der Geschichte dieses Dorfes zwischen 1939 und 1945. Im Zentrum des Geschehens stehen der Bergersdorfer Bürgermeister Wenzel Hondl und seine Familie. Wie alle Deutschen der Sprachinsel ist auch er erleichtert, als
In Thorsten Beckers Roman "Sieger nach Punkten" wird die Fiktion von der Historie k.o. geschlagen.Das Buch hat Gewicht - über 1 kg bringt es auf die Waage, über 900 Seiten umfasst es, das flößt Respekt ein. Sein Held dagegen ist ein Superfedergewicht, er steigt mit 58,5 kg in die Handlung ein. Nasrettin Öztürk ist sein Name, und er tritt im Boxring zu Beausoleil an, den Europameister herauszufordern. Dass sein Erzähler viel vorhat mit ihm und mit seinem Roman, daran lässt er von Beginn an keinen Zweifel: um das "Gute zu zeigen und zu verkörpern" hat er den Helden erschaffen, schickt
Evelyne Polt-Heinzl legt eine originelle Anthologie vor und lädt ein nachzulesen, wie die Literatur Chefinnen beschreibt.Was hat der Mann überhaupt meinen Leuten anzuschaffen! Karin denkt es, sie errötet über den Gedanken, aber sie denkt ihn dennoch." Karin ist Herrin über ein großes Gut und gerade mit Krisenmanagement beschäftigt: Hagelschlag. Von den Ideen ihres Gatten ist sie wenig angetan, sie hat ihre eigenen Pläne. Karin ist eine Schöpfung von Imma von Bodmersdorf und eine der vielen bemerkenswerten Chefinnen, die die Literaturwissenschafterin Evelyne Polt-Heinzl in ihrer
Dimitré Dinevs Romanerstling "Engelszungen" begeistert.Wien, 30. Dezember 2001. Zwei bulgarische Einwanderer treibt es unabhängig voneinander in den Prater, wo sie im "Casino Casablanca" ihr letztes Geld verspielen. Beide treffen sie dort auf einen Polen, der ihnen rät, auf dem Zentralfriedhof das Grab von Miro aufzusuchen. Miro sei schon zu Lebzeiten ein Engel für alle Einwanderer gewesen. An sein Grab sollten sie gehen, ihm Blumen mitbringen und um Hilfe bitten. Svetljo und Iskren halten den Polen zwar für verrückt, aber zu verlieren haben sie nichts mehr. So kommt es, dass die beiden
Svetlana Vasilenko erzählt in ihrem Roman "Die Närrin" die Geschichte einer Kosmonautin im Stil einer Heiligenlegende.Was ist Russland? Ein Land, das in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts sehr damit beschäftigt war, diese Frage zu beantworten. Der Zerfall der Sowjetunion, die Implosion der staatlich verordneten Ideologie ging einher mit der Aufgabe einer fundamentalen Neupositionierung jedes Einzelnen wie der Gemeinschaft. Im Zuge dieser Definitionsprozesse bildete sich auch eine Vielzahl nationalistisch wie religiös motivierter Bewegungen auf der Suche nach "dem Eigenen",
Wladimir Makanins Roman-Plädoyer für die moralische Bedeutung der Literatur.Es muss schwer gewesen sein, aus der großen Anzahl bedeutender russischer Schriftsteller den einen auszuwählen, der die Eröffnungsrede bei der diesjährigen Frankfurter Buchmesse halten sollte. Die Wahl fiel auf Wladimir Makanin. Und nach der Lektüre seines knapp 700 Seiten fassenden Romans "Underground oder Ein Held unserer Zeit" glaubt man zu verstehen, warum.Ein Roman, dessen Titel bereits dazu zwingt, sich zwei Klassiker der russischen Literatur in Erinnerung zu rufen, Lermontows "Ein Held unserer Zeit" und
Der russische Schriftsteller Dimitrij Prigow entwirft ein schreckenerregendes Bild von Moskau.Dmitrij Prigow erinnert sich an Moskau. Jahrgang 1940, lebt er als Dichter, bildender Künstler, Performer in dieser Stadt und gilt als einer der wichtigsten Vertreter des Moskauer Konzeptualismus. "Lebt in Moskau!", befiehlt uns der Titel seines Romans. Wir haben aber ohnehin keine Wahl. Denn Prigows Moskau ist die Welt, ein Entrinnen unmöglich.Soziale PlastikMit einer Autobiografie haben diese Erinnerungen nichts zu tun. Prigow kreiert vielmehr eine schreckenerregende soziale Plastik.
Ungarn 1944/45: Tivadar Soros' Memoiren sind das Zeugnis einer blutigen Zeit.Ein Buch, das man liebt. Weil es von großem Mut erzählt und dem Leser Mut schenkt: "Maskerade. Die Memoiren eines Überlebenden" von Tivadar Soros. 1965 in Esperanto erschienen liegen die Erinnerungen des Vaters von George Soros, dem Börsenmagnaten und bekannten Mäzen, nun erstmals in deutscher Sprache vor.Soros' Memoiren umfassen vor allem den Zeitraum zwischen der deutschen Besetzung Ungarns im März 1944 und der Eroberung Budapests durch die Sowjetarmee im Februar 1945. "Maskerade" erzählt von einem Menschen,
Franz Hodjaks Roman hinterfragt Begriffe wie Freiheit, Identität, Heimat.Bernd Burger sitzt gern auf Balkons. "Heimat ist, wie ich denke", entgegnet er einmal seiner ihm Heimweh unterstellenden Frau Melitta. Da er oft auf Hotelbalkons denkt, könnte man vermuten, dass sie für ihn zur erweiterten Heimat gehören. Diese Vorbaue zwischen Himmel und Erde, dem Freien noch nicht und dem Haus nicht mehr zugehörig. Ein Balkon ist ein Zwischenreich. Und "zwischen", das ist auch das zentrale Wort in Bernd Burgers Leben.Aus SiebenbürgenEr ist der Held in Franz Hodjaks Roman "Ein Koffer voll Sand" und
Verfehlt wie Paris oder verdeckt wie Amerika sind die potenziellen Reiseziele in Wladimir Kaminers neuestem Erzählband "Die Reise nach Trulala". Die Reisenden verlaufen sich in Dänemark, verderben in Sibirien oder sind auf der Krim verschollen. Das Präfix ver- wiederholt sich als Anapher in den Titeln aller fünf Erzählungen. Die Etymologie vermutet die Herkunft der Vorsilbe im indogermanischen per, das so viel bedeute wie "hinübergehen", aus derselben Wurzel bildete sich auch das "Fahren". Doch mit der Zielgerichtetheit des Letzteren haben die Bewegungen der Protagonisten dieser