DIE FRAU, DIE SICH VERLOR. Roman. Von Willa Cather. Aus dem Amerikanischen von Magda Kahn. Benziger-Verlag, Einsiedeln, Zürich und Köln. 188 Seiten.Aus Willa Cathers „The Lost Lady” (1923) ist in der ersten deutschen Ausgabe (1949) „Die Frau im Zwielicht” geworden und jetzt, in der zweiten (1959) „Die Frau, die sich verlor”, weshalb man vermuten könnte, es handle sich um ein weibliches Wesen, das auf der abschüssigen Bahn ins Undelikate versinkt. Aber Marrian Forrester sinkt und steigt nur mit dem Pegelstand des Komforts, der ihr zur Verfügung steht. Nach dem Tod ihres ersten
TEMPO DI ROMA. Ein Taugenichts in Rom. Roman. Von Alexis Curvers. Aus dem Französischen von Friedrich Hagen. Stahlberg-Verlag, Karlsruhe. 352 Seiten.Das erste Drittel dieses Romans ist von bezauberndem Reiz, locker, witzig, leicht beschwingt, verschmitzt und wie aus einer commedia dell’arte mit improvisierten Scherzen und Intrigen. Und es sind alle da, die Arlecchini, Pulcinelle, Pantalone und die leichten, allzu leichten oder feistgefügten Damen: die Mar- chesa Lala mit ihrem Edelgigolo Orfeo, das Täubchen Geronima mit ihrer resoluten Mama, Dottori der verschiedensten Fakultäten,
Cayrol hat von einem Mann und einer Frau geschrieben, die ihre Wohnung wechseln müssen, in Paris Er heißt Pierre, schnuppert frische Luft und neues Leben, sehnt sich darnach, aus alten und muffigen Wänden herauszukommen und aus Erinnerungen, die an verblichenen Tapeten kleben, aus einem Haus, in dem seit Jahren nur gestorben wird. Für sie aber, Cate, ist dieser Umzug etwas Unbehagliches. Sie möchte bleiben, wo und wie sie war. Sie hängt an der Vergangenheit und am Gewesenen. Sie will sich nicht verändern, weder innerlich noch äußerlich. Darüber geraten die beiden in Streit und sagen
Man war aut allerlei vorbereitet, aber nicht darauf, daß man : nun während der sehr vorübergehenden Dadaisten-Pseudorenaissance auch Jakob von Hoddis wieder entdecken würde. Er schien sehr vergessen zu sein, und nur ein paar Spezialisten des literarischen Expressionismus und ein paar alte Herren, die „noch dabei gewesen” sind, wußten noch etwas von diesem Hans Davidsohn, der sich Jakob van Hoddis genannt hat, und der hätte von sich sagen können wie Hermann Conradi: „Nur wie ein Meteor, der flammend kam, jach sich in Nacht verlor, werd’ ich durch unsere Dichtung streifen.” Aber
Nach dem 1. Band sind noch zwei weitere er- Ichienen, und im großen und gärizen’ wäre von die| sen ungefähr wieder dasselbe zu sagen wie in Nummer 35 der „Furche” von 1957. Es sind wieder (30) Lebensbilder von Konvertiten unserer Zeit, die in dieser Sammlung erscheinen; einige Frauen, viele Männer und überwiegend Literaten. Das hängt vielleicht damit zusammen, daß Literaten sich leichter auszusprechen vermögen über die persönlichen Dinge des Lebens und ihre seelischen Intimitäten, auch rascher öffentlich werden. Ob sie auch immer bemerkenswerter sind, das bleibe
Bela Just ist 1954 gestorben, erst 48 Jahre alt, und sein Roman „Die Masken”, der erst nach seinem Tod erscheinen konnte, beschäftigt sich noch einmal mit einem der großen Themen des Renouveau catholique, mit der Prpblematik der Konventionsmoral und der Figur des Pharisäers. Literarisch, ästhetisch, von der Form her, ist sein letztes Werk nicht von Bedeutung. Es bedient sich der üblichen Schemata, ist glatt und routiniert geschrieben und ohne jeden künstlerischen Impetus, und Just hatte in dieser Hinsicht wohl auch keine Ambitionen. Als er sie einmal hatte, im Roman „Der
Else Eckersberg, die spätere Gräfin York, die zwischen den beiden Weltkriegen zum Ensemble von Max Reinhardts „Deutschem Theater” in Berlin gehört hat, schrieb — was Theaterleute gerne tun — das nieder, was sie wohl in den seither vergangenen 30 Jahren oft und immer wieder- und mit Genuß erzählt hat; Amüsantes, Interessantes vom Vor-und- Hinter-den-Kulissen. Daraus ist ein munteres Buch geworden, das man zwischen anderem ganz gerne liest. Eine große Stilistin ist sie zwar nicht, die „eminente Schauspielerin”, wie Johannes Guttmann sie genannt hat, und vielleicht kann sie
In diesem Roman hat man sich mit lauter „Männern ohne Eigenschaften“ und „Frauen ohne Schatten“ abzugeben; denn die zwei Dutzend Damen und Herren, die Angus Wilson uns vorführt, verbreiten einen immer penetranter werdenden Geruch von Nullität und werden nur mit ihren Schäbigkeiten präsentiert. Es ist zwar anzunehmen, daß sie insgeheim nicht ganz so übel sind, aber man erfährt fast nichts davon; denn in Wilsons „Gesellschaftsroman aus dem London unserer Tage“ ist das, was man in England „Humour“ nennt, zur beißenden Satire destilliert. Angus Wilson gehört zu jenen
Klaus Stephan hat es in seinem Roman mit den letzten, Kriegsjahren zu tun und mit einem Hitlerjungen namens Treptow, der, ideologisch verseucht, durch den Schlamassel gezogen wird, bis er endlich merkt, daß man ihn mißbraucht hat und daß seine Götter nur Popanze waren. Aus Bubenspielen wird blutiger Ernst, aus pubertären Idealen eine große Schweinerei und die systematische Pervertierung der Jugend endet in Resignation. Der Schluß ist wie eine Paraphrase von Rilkes Legende vom verlorenen Sohn. Es ist nicht nötig, mehr zu sagen, denn wir wissen ja noch, wie es zu- und herging und wie man
Walter Faber, tätig bei der UNESCO in Sachen Technische Hilfe für unterentwickelte Länder, macht sich nichts aus Romanen, sowenig wie aus Träumen. Er glaubt auch nicht an Fügung und Schicksal, sondern ist gewohnt, mit den Formeln der Wahrscheinlichkeit zu rechnen. Er braucht keinerlei Mystik; Mathematik genügt ihm. Als Techniker, sagt er, sei er „gewohnt, die Dinge zu sehen, wie sie sind“ (was aber einer jener billigen Schlüsse zu sein scheint, denen diese Herren öfter unterliegen). Der Mond ist für ihn „eine berechenbare Masse, die unseren Planeten umkreist, eine Sache der
Daß sich die Droste viele Jahre lang an Christoph Bernhard Schlüter angeschlossen hat, das hat man nie so recht verstehen können. Denn Schlüter, der Münsteraner Philosophiedozent, aus dem Umkreis der „Familia sacra“, schon mit dreißig Jahren fast erblindet und von „lebensfremden Frauen“ betreut, galt als ziemlich unvital und temperiert; als zwar gütig, aber etwas konventikelhaft und also kaum von jener Art, die einer Droste hätte besonders förderlich sein können. In der romanhaften Droste-Biographie der Mary Lavater-Sloman heißt es denn auch von ihm, er sei „wie ein warmer
Fürst der Finsternis. Eine Erzählung. Von James Earl Powers. Mit einem Nachwort von Elisabeth Schnack. Aus dem Amerikanischen übertragen, Walter-Verlag, Ölten und Freiburg i. Br. 91 Seiten
Das Geheimnis des Luca. Roman. Von Ignazio S i 1 o n e. Aus dem Italienischen übertragen von Fritz Jaffe. 208 Seiten. Preis 9.80 DM. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln. — Morgen Mittag 12 Uhr. Roman eines Justizirrtums. Von Erich Ebermayer. Paul-Zsolnay-Verlag, Hamburg. Wien.Zur gleichen Zeit sind zwei Romane erschienen, in denen man es mit Irrtümern der Justiz zu tun bekommt und mit Männern, 'die ins Gefängnis gehen, um ihren Liebsten Scherereien zu ersparen. Sie schweigen tapfer, ruinieren sich das Leben, nehmen ein Verbrechen auf sich, das sie gar nicht begangen haben und zwanzig
Hugo Ball: Briefe 1911 bis 192 7. 315 Seiten und 12 Tafelbilder. Benziger-Verlag, EinsiedelnVor einigen Jahren entstand der Plan, die in alle Winde zerstreuten Briefe Hugo Balls zu sammeln und in einem Band herauszugeben. Das war aber leichter gewollt als getan; und Annemarie Schütt- Hennings (die Tochter von Emmy Ball-Hennings, die seit dem Tode ihrer Mutter den Nachlaß Hugo Balls betreut) bekam Schwierigkeiten über Schwierigkeiten. Zu vieles war in den dreißig Jahren nach Hugo Balls frühem Hinscheiden verlorengegangen, zu viele der einstigen Freunde auch waren inzwischen gestorben oder
Theodor Storm. Sein Leben und seine Welt. Von Franz Stuckert. Carl-Schünemann-Verlag, Bremen. 507 Seiten.Fontane hat einmal über Storms „Husumerei“ gespottet, denn das schien ihm etwas zu sein wie Heimat- und Idyllendichtung mit Stimmungszauber und Familienglück im Winkel, ein Sichergötzen am Allzukleinen und Begrenzten. Er dachte wohl an „Immensee“ und an die weichen und etwas knochenlosen Erzählungen der vierziger und fünfziger Jahre, an die Stormschen Resignationswellen und die Ent sagungslyrik. Der Spott war nicht ganz unberechtigt, und so blieb er an ihm hängen, wie Hebbels
Attentat auf den Mächtigen. Roman. Von Edzard Schaper. Verlag S. Fischer, Frankfurt. 168 Seiten.Der „Mächtige", der Oberprokureur des heiligen dirigierenden Synod, der kirchliche Beauftragte und Stellvertreter des Zaren, heißt Pobjedonoszew, und das bedeutet „Siegträger“. Nicht daß die Macht an »ich ein Sieg sei, aber dieser Mann trägt Liebe und Opfermut in sich, während er äußerlich die alte Macht, die traditionelle Macht, die zaristische, absolutistische Macht vertritt. 1901 geht er in eine deutsche Kurstadt, um sich einer nötigen Kur zu unterziehen; dort »oll er einem
Jenseits des schweigenden Sterns. Roman. Von C. S. Lewis. Deutsch von Ernst Sander. Im Verlag von Jakob Hegner, Köln & Olten. 233 Seiten. Preis 14.80 DM
Durch die ausgezeichneten biographischen und editorischen Arbeiten von Eduard Castle ist Seals- field in den letzten Jahren wieder bekannter geworden. Er war nie ganz vergessen, aber dieser sonderbare „Amerikaner” aus Poppitz in Mähren, der eigentlich Karl Postl hieß (und 1793 zur Welt kam), der einmal katholische Theologie studiert hatte, Priester geworden war und Sekretär des Generalgroßmeisters der Kreuzherren in Prag, dann aber absprang, verschwand und untertauchte und später als Charles Sealsfield ein etwas ruheloses und geheimnisvolles Leben führte und 1S64 im schweizerischen
Pisana oder die Bekenntnisse eines Achtzigjährigen. Roman. Von Ippolito Nievo. Aus dem Italienischen übertragen und mit einem Nachwort versehen von Charlotte Birnbaum. Suhrkamp-Verlag, Frankfurt. 972 Seiten. Preis 19.80 DM
Konvertiten der 2 0. Jahrhunderts. 1. Band. 256 Seiten. Herausgegeben von F. Lelolle. Aus dem Französischen ins Deutsche übertragen. Rex-Verlag, Luzern und München. Preis kart. 10 DM, Ganzleinen 12.30 DM.
Die Glocken von Rom. Von Göran S t e n i u s. Aus dem Schwedischen übersetzt von Rita O eh- q u i s t. Verlag Josef Knecht, Frankfurt am Main. 488 Seiten. Preis 14.80 DM.Das katholische Rom hat besonders auf skandinavische Schriftsteller einen so tiefen Eindruck gemacht, daß manche von ihnen zum katholischen Glauben übergetreten sind, wie zum Beispiel Johannes Jörgensen, Sigrid Undset und in letzter Zeit der finnlandschwedische Diplomat Stenius, der in diesem abwechslungsreichen und farbenprächtigen Roman die Bekehrungsgeschichte eines jungen Kunsthistorikers schildert. Die Gestalt
Johannes Guthmann, der Sohn eines Berliner Baumaterialfabrikanten aus den Gründerjahren, gehört zu jener Generation der ästhetisch Hochbegabten, der Rilke angehört hat, Rudolf Alexander Schröder, Hugo von HofmannsthaL Monibert, Richard von Schaukai und mit einem kleinen zeitlichen Abstand auch Stefan George. Das war die Generation, die den Jugendstil inaugurierte, den deutschen Symbolismus und die literarische Neuromantik. Sie suchte das Schöne: Der eine suchte es mit Pathos und der großen Attitüde, der andere mit der geistreichen Nuance, der eine wurde ein Dichter-Philosoph und der
Vielleicht wäre es jetzt an der Zeit, da nun die grofjen Tagebuchbände in deutscher Uebersetzung erscheinen (und auch die „Briefe an Veronika“), einmal nicht über den „Pilger des Absoluten“ zu reden und nicht über seine „Mystik der Armut“, auch nicht über seine eigenwilligen Allegoresen und nicht über sein literarisches Werk, sondern nur über den Menschen. Denn dieser Mensch, scheint mir, ist nun ein wenig in Gefahr, von Formeln aufgesogen zu werden und hinter Formeln zu verschwinden, hinter den stilisierten Ideogrammen der Publizistik, die, für den literarischen Gebrauch
Ricarda Huch: „Briefe an die Freunde.“ Ausgewählt und eingeleitet von Marie Baum. Verlag Rainer Wunderlich—Hermann Leins, Tübingen. 391 Seiten. Preis 16.80 DMMan hätte es für den Leser nicht so mühsam machen sollen, als man die Freundschaftsbriefe der verstorbenen Ricarda Huch herausgab. Man hätte daran denken sollen, daß das Bild Ricarda Huchs, zehn Jahre nach ihrem Tod, schon etwas umrißlos geworden ist im Gedächtnis der Zeitgenossen. Denn wer von den jüngeren Leuten weiß noch, wer Ricarda Huch gewesen ist? Sie starb mit 83 Jahren, aber ihre große Zeit war die erste Dekade
Es ist kein verlegerisches Wagnis mehr, die sämtlichen Werke Rainer Maria Rilkes in fünf Dünndruckbänden herauszugeben, denn Rilke gehört nicht nur schon längst zu den großen Erfolgsautoren de Insel-Verlages, sondern er ist auch der, dessen Ruhm sich konsolidiert hat. Das kann man nicht Von allen Halbgöttern des literarischen Olymps der ersten Jahrhunderthälfte behaupten. Wie rasch ist Wassermann nach seinem Tode in Vergessenheit geraten, wie mühsam ist es geworden, das Interesse für Stefan George zu erhalten, wie schattenhaft sind schon Mombert, Schnitzlcr, Dehmel und Wedekind, wie
„Du Einsamster, Abseitiger“ könnte man sagen mit seinen eigenen Worten, „wie haben sie dich eingeholt auf deinem Ruhm. Wie lange ist es her, da waren sie noch wider dich von Grund aus, und jetzt gehen sie mit dir um, wie mit ihresgleichen. Und deine Worte führen sie mit ^ich in den Käfigen ihres Dunkels und zeigen sie auf den Plätzen und reizen sie ein wenig von ihrer Sicherheit aus.“ Was haben sie aus dir gemacht und aus den „Vokabeln deiner Not“, wie haben sie dich auf den Altar und in die Nischen gestellt, als ein Kultbild, als einen Rilke in effigie, als ein
Man kann sich fragen, ob es sie gibt, ob sie schon eine Realität ist oder noch eine Illusion, ein Postulat, ein Wunschgebilde, etwas reichlich früh Vorweggenommenes. Nun, wir sind auf dem Weg zu ihr, aber mindestens heute ist sie noch ein sehr fragmentarisches und begrenztes Gebilde und besteht eigentlich erst in der Kommunikation von drei oder vier europäischen Nationalliteraturen mit dem nordamerikanisch-kanadischen Literaturbereich. Denn drei Kontinente fallen für uns aus, und was hinter dem Eisernen Vorhang liegt, kommt nicht mehr in Betracht. Wir haben auch Terrain verloren. Die einst