Ich las gerade in der Zeitung, wie leicht es für Einbrecher sei, einzubrechen: vorzugsweise in der Dämmerung, um nicht gesehen zu werden, ausgerüstet mit den raffiniertesten technischen Hilfsmitteln. Roll-Läden? Lächerlich. Flutlicht, Alarmanlagen, Telefone, kein Problem. Terrassen- und Balkontüren: ideal zum Einsteigen, ausräumen, unbemerkt zu entkommen.Ja, also das las ich gerade in der Dämmerung. Als ich aufsah, stand er in der Tür, eine Tür, die normalerweise gnarzte. Wie hatte er sie so lautlos öffnen können? Er stand also da, groß, schlank, dunkel, eine Halbmaske vor den
Bei der Spurensuche seiner Vergangenheit stößt der Autor Peter Härtling auf ein Schicksal, das von der grausamen Geschichte dieses Jahrhunderts verpfuscht wurde.
Im Bahmen der Halleiner Stadtfestwochen gab es auch heuer eine Fülle guter Veranstaltungen. Theater und Kabarett, Konzerte und Lesungen, Liederabende und Chorkonzerte. Das alles hatte Stil und Niveau. Was aber das Gastspiel des „Nederlands Dans Theaters" betrifft, so kann nur von einer Sensation gesprochen werden. Das Ensemble gastierte mit zehn jungen Tänzern verschiedener Nationen, die der weltberühmten, von Jiri Kylian geleiteten Ballett-Company angehören. Die Musik, nach der sie tanzten, stammt - unter anderem - von J. S. Bach, F. Chopin und W. A. Mozart.Was war an diesem
Fast zwei Jahrzehnte lang betreute Erwin Gimmelsberger die Literaturtage. Seit vier ihren ist. Britą Steinwendtner lerz und Kopf der Veranstaltung, ie inzwischen im deutschsprachi- en Raum einen hervorragenden ‘latz einnimmt. Durch die Jahre lieb die Grundidee Gimmelsber- ers die gleiche: die Autoren in ei- er Landschaft zu versammeln, ie mitunter wie aus dem Mär- henbuch scheint, sie nicht nur zu iner Lesung einzuladen und sie nieder heim zu schicken, sondern n Gespräch mit ihnen zu bleien, Gelegenheit zu geben zu Be- anntschaften oder gar Freund- nhaften. Außer den öffentlichen
Der heuer erstmals vergebene Preis der Osterfestspiele wurde im überfüllten Salzburger Literaturhaus an Robert Schneider für seinen ztmi Bestseller avancierten Roman „Schlafes Bruder" verliehen. Allein] uror war Tankred Dorst, der in seiner Laudatio die Ernsthaftigkeit, Sinnlichkeit und Erzählfreude des Autors hervorhob. In diesem Buch sei Kunst keine gefällige Ausschmückung, sondern eine gewaltsame, gefährliche Erfahrung, die ans Leben gehen kann. So ergeht es dem jungen Elias Aider, ein Häuslerkind in dürftigen Verhältnissen, dessen Anders-Sein ihn zur Spott- und Angstfigur für
Der Luchterhand Verlag legt eine Auswahl von 60 Briefen an Peter Härtling, die in den Jahren von 1953 bis 1993 geschrieben wurden, vor: an den literarischen Freund, den Rezensenten, Herausgeber, Verlagsleiter, den Autor. Vertreten ist die literarische Prominenz von Paul Celan bis Carl Zuckmayer. Da ist Helmut Heißenbüttel mit dem guten Satz: „Aktionen stärken das Gefühl des Vorhandenseins.“ Da ist Hermann Lenz, der Härtling für eine Buch-Kritik dankt. Da ist Amo Schmid, dem Härtling einen Auftrag erteilt hat und der seinen Brief beendet: „PS Ganz hürnen noch dies: mit welchem
Als ich aufstehe, um mir ein Buch zu holen, weil ich nicht schlafen kann, als ich die Tür aufmache, steht er vor mir, hell schimmernd. Ein Skelett..Ich bin nicht erschrocken. Eher verärgert. Es ist drei Uhr morgens, die Geisterstunde lang vorbei. Was soll das?Außerdem, ich lebe seit fast drei Jahrzehnten in diesem Haus. Nie ist mir ähnliches begegnet. Die Siebenschläfer, die auf dem Dachboden oder Balkon mitunter die Nacht zum Tag machen, ja. Aber das ist etwas anderes.Das Skelett hält mir die Hand hin und macht einen Schritt auf mich zu. Mich packt die kalte Wut. Komtur-Beminiszenzen.
Der Satz „ich bemühe mich, auf Wirklichkeiten zu stoßen" steht zu Beginn des ms „Hölderlin" zu lesen. Er Lht sich nicht nur um Wirk-eiten. Er findet sie. Sie haben gkeit, auch wenn es „nur" sind.Streiflicht aus Osterreich, war während der „Rauriser aturtage", Ende der siebziger !. Wie immer viel Publikum, eimische, Touristen, Litera-luid solche, die es werden en, Verleger. Durch den ge-t vollen „Grimming"-Saal gte sich Peter Härtling, um vorn an seinen Lesetisch zu nen, hatte Mühe, wurde auf-Iten, „ein Autogramm, bitte", geduldig, lächelte,
Der dritte Gedichtband des Salzburger Autors Christoph W. Aigner (nach „Weiterleben" und„Drei Sätze") heißt .Landsolo". 1982 erhielt Aigner bereits den Trakl-Förderungspreis, 1993 das „Bettina-und-Achim-von-Arnim-Stipendium der Jury in Schloß Wie-persdorf und ist Preisträger des Mera-ner Lyrik-Wettbewebs 1993.Der Lyriker schreibt eine unverwechselbare Handschrift: genau, knapp, durchsichtig. Seine Verletzbarkeit gibt sich spröde, seine Bestandsaufnahme ist gewissenhaft und unerbittlich. Manches ist von Haikuartiger Kürze und Dichte, die poetischen Wendungen sind
Kennen Sie das, daß man zu bestimmten Gelegenheiten gern ein bestimmtes Gewand anlegt? Das muß nicht spießig sein. Das sind keine Äußerlichkeiten. Da gibt es ungeahnte Zusammenhänge. Zu Lesungen trage ich gern einen ganz bestimmten Rock und eine ganz bestimmte Bluse. Ich habe auch schon anderes ausprobiert, mich aber nicht wohl darin gefühlt.Gestern, als ich vor einer Lesung eben jenen Rock und eben jene Bluse anzog, die so schön unpraktisch ist, weil die sieben Knöpfe auf dem Rük-ken zu schließen sind, fiel es mir wieder ein. Das war vor vielen Jahren. Genau: im Jahre 1984. Noch
„Tante Helene", sag ich, „war dein Leben nicht langweilig?"Sie sieht mich erstaunt an. „Langweilig? Wie kommst du darauf?"„Naja", sage ich, „Kirche, Kinder, Küche, kaum verreist, immer am gleichen Ort..."„Viel Arbeit", sagt sie, „vergiß nicht, mein Mann ist gestorben, als ich 40 Jahre alt war. Von diesem Tag an war ich keine Frau mehr. Nur noch Mutter für die Kinder. Und wenn du meinst, daß ich nicht herumgekommen wäre in der Welt - das siehst du falsch. Schau sie doch an, die Leute. Wie wird denn heute verreist? Hinz & Kunz sind unterwegs
Ich hatte es vergessen. Jahrzehntelang. Ich habe es nicht vergessen.Der Flur in dem roten Backsteingebäude des „Königin Luise-Gymnasiums". Später wurde es umgetauft in „Lietzensee-Gymnasium", weil Könige und Königinnen in einer Zeit, da ein Volk zum Erwachen aufgefordert wurde und die Rufe des Un-Heils sich wie eine Flutwelle erhoben, nicht mehr gefragt waren.Der getünchte Gang mit der Tagdämmerung, die auf den staubgrauen Sonnenstrahlen durch das Oberlicht drang. Die kleine Lärm-, Renn-, Eßpause. Die kleine Flüster-, Freundschafts-, Intrigenpause. Die Kindergruppe in
Im Zug Salzburg-Wien. In Linz steigt ein Mann zu mit wenig Gepäck, dafür einem ganzen Packen Zeitungen. Er nimmt mir gegenüber Platz. Ich zähle unauffällig. Es sind fünf Zeitungen, zum Teil Samstag-Ausgaben, also besonders umfangreich.Der Mann fängt sofort an zu lesen. Und nicht nur das. Auf das Brettchen am Fenster hat er einen Füller und einen roten „Textmarker" gelegt. So bald er irgendetwas Bemerkenswertes gelesen hat, zieht er rote Streifen überden Text. Darüber hinaus schreibt er mit dem Füller längere Bemerkungen an den Rand, ganze Absätze. Das alles mit einer
Wenn sie so aus den Bussen quellen, gleichgültig ob in Pisa, Rom oder Neapel, hat man so seine Gedanken. Wenn man selbst mittendrin sitzt, Tourist unter Touristen, relativieren die Gedanken sich. Etwas -nicht viel.In diesem Fall Neapel.,.Neapel sehn und dann sterben", sagt eine, bevor der Bus einrollt. Die anderen nicken. Manche haben das Meer noch nie gesehen. Nun sehen sie's. „Das Meer hat seinen eigenen Reiz", sagt eine Dame. Es ist die gleiche, die,.Neapel sehen..." gesagt hat. „Aber es ist drek-kig", kommt die Reaktion dessen, der das Meer zum ersten Mal sieht.
Die Frage mag merkwürdig klingen. Es ging ihr auch einiges voraus, bevor sie gestellt wurde. Der Schauplatz der Handlung ist zunächst mal ein Klassenzimmer. Das Unterrichtsfach Religion. Ein katholischer Pfarrer erteilt ihn seit vielen Jahrzehnten. Er ist sozusagen im Amt ergraut, Kriegsteilnehmer, Seelsorgereiner überwiegend ländlichen Gemeinde. Nicht in Österreich übrigens, was gar nichts heißen soll, weil sich solches oder ähnliches auch hierzulande ereignet.Der Religionsunterricht des geistlichen Herrn ist wohl gut gemeint, aber schlecht bedacht. Religiöses, Lebensweisheiten,
Edwin Wolfram Dahl hat seinen sechsten Gedichtband veröffentlicht - wieder die Atemlosigkeit eines Ausgelieferten. Der Salto Mortale ins Wort. Ohne Netz. Zuschauer bleibt da keiner. Man wird mithineingezwungen in den Ablauf eines Tages, eines Augenblicks. Wegzulassen ist an dieser Poesie nichts mehr. In wenigen Worten hämmert Dahl Wesentliches. Um das Fürchten zu lernen, braucht er nicht mehr auszuziehen. Er komprimiert es in einem Wort, wenn's sein muß, in einem Schweigen, „kryptentief".Den Gedichten, in denen er sich mit „den Deutschen" auseinandersetzt, geht ein Text von
Der Krieg am Golf ist nicht nur für die Erwachsenen eine Sorge. Krieg - das geht auch die Kinder an. Sie erfahren viel aus den Gesprächen zwischen Eltern und mit Freunden, das Fernsehen liefert Bombardierungen und Nahkampf-Training frei Haus. Der Krieg, der drohende Krieg, war schon im Gespräch, ehe er ausbrach, ehe die ersten Bomben fielen. Und keiner soll sagen, daß niemand etwas getan hätte.Was? Gebetet - zum Beispiel.Eine Klasse von achtjährigen Schülerinnen und Schülern im Salzburger Land hat wochenlang vor Ausbruch des Krieges mit ihrem Religionslehrer, einem Pfarrer, den sie
Uber das Wort „Kitsch" steht im „KleinenBrockhaus, Handbuch des Wissens" (1927) zu lesen: „Kitsch: geringschätzige Bezeichnung für Werke der Kunst, Literatur und Industrie, die Wertvolles vortäuschen, aber nur in minderwertigem Material ausgeführte geist- und stillose Nachahmungen eigenartiger Werke sind."Meyers großes Taschenlexikon in vierundzwanzig Bänden aus dem Jahr 1981 weiß schon mehr als der „Kleine Brockhaus", nämlich: „Kitsch: (mundartlich kitschen, streichen, schmieren) Erscheinungsform des Pseudokünstlerischen; massenhaft fabrizierter Kunstersatz... Mangel an
Wenn man jung ist, hat man nicht viele Tote. Die Freunde sind lebendig.Es war Ende Oktober. Lange her. Auf einer Wanderung in einem abgelegenen Gebirgstal. Jedenfalls hatte ich mir zu viel zugemutet, war zu lange gegangen, noch dazu allein. Der Rucksack drückte, die Schuhe auch. Es wurde dämmrig. Ich wußte, daß die Dunkelheit schnell kommt. Ein Kreuzweg. Kein Weiser. Rechts oder links? Ich entschied mich für links, stand plötzlich vor einem Haus. Im Dämmerlicht konnte ich Wohnhaus und Stallungen unterscheiden. Ein Fenster zu ebener Erde war hell, die Stallfenster trübe
Jeder Mensch ist ersetzlich. Ja? Wer hat denn nur diese Sprüche erfunden, die in ihrer Formulie- rung - Motto kurz und gut - so schlagend sind, daß man nicht wagt, an ihrer Richtigkeit zu zweifeln.Jeder Mensch ist ersetzlich? Natürlich. Oder haben Sie schon einmal erlebt, daß „es" nicht wei- tergegangen wäre, nur weil ein Mensch von uns gegangen ist?„Le roi est mort, vive le roi!" schallt?s durch die Jahrhunder- te. Man tut gut daran, solche Sprüche einmal zu überdenken. Zu überfühlen.Wie war denn das, als die El- tern tödlich verunglückten? Als das fremde Kind vor unserem Haus
Das anspruchsvolle Thema „Prophetische Stimmen aus der kulturellen Szene" der Interna- tionalen Religionspädagogischen Tagung in Salzburg brachte nicht nur namhafte Referenten, sondern auch Podiumsgespräche und Ate- liers für Malerei, Musik, Literatur, Tanz und Theater gaben Gelegen- heit zu Auseinandersetzung.Zur „Neuen religiösen Dimension in der Musik" versuchte Heinz- Albert Heindrichs (Gelsenkirchen) eine Diagnose, mit Beispielen ex- zellent beschrieben und nicht zum Klingen gebracht und Namen wie Dieter Schnebel, Karlheinz Stock- hausen, Wilhelm Killmayer und Arvo Pärt wurde die
Ich war jung und in einer ver- zweifelten Situation, als ich Her- mann Hesse zum ersten Mal schrieb. Wenig später kam Antwort aus Montagnola: „Sie haben mich be- schenkt mit einem Brief und mit Gedichten. Dafür sage ich Dank. Mögen Schreck und Unglück, die Sie erleiden mußten, Ihnen frucht- bar und hilfreich werden und die dichterischen Abendstunden mö- gen Ihnen Freude und holde Wand- lung bringen. Es grüßt Sie Ihr Her- mann Hesse." Ich weiß noch, wie ich an dem Wort „hold" hängen- blieb, das mir damals schon wie aus einer fernen Zeit erschien. Das war der Anfang. Die Verbindung
Das Buch spielt in der Zeit zwi- schen 1945 und 1955, nach Peter Härtling „Jahre, in denen Anfänge versucht und verdorben wurden." Hier wird Autobiographisches er- innert, ausgelöst durch eine Herz- untersuchung, der der Patient zu- sah. Auf dem Monitor beobachteter gespannt, wie der Katheder, durch die Aorta geführt, sich dem Herzen näherte, bis die Sonde die Herzwand berührt. Das Ergebnis: ein „inwendiges Lachen ... ein wunderbares Lachen", das „sein Wesen und Gedächtnis verändert. Der, der ich gewesen bin, ein Kind, ein Junge, ein Mann, drängen sich nach vorn und Geschichten,
In den elf Vorlesungen der Inter- nationalen Sommerakademie der Hochschule Mozarteum, die Peter Härtling vor Sängern, Liedbeglei- tern und Literaturfreunden hielt, ging es um ein Thema von bestür- zender Aktualität: Wanderschaft und Fremde, aufgezeigt an den Zyklen „Die schöne Müllerin" und „Winterreise". Es war eine späte Rehabilitierung des oft verkannten Dichters Wilhelm Müller (1794-1827), dessen Texte Franz Schubert (1797-1828) vertonte. Härtling, dessen Buch „Der Wan- derer" vor zwei Jahren erschien, spricht von der „gewaltigen poeti- schen Substanz eines der bedeu-
Bei dem vom Carl Orff Institut der Hochschule Mozarteum veranstalteten internationalen Symposion hatten sich rund 450 Teilnehmer aus 29 Nationen in Salzburg eingefunden, erstmals auch Vertreter der osteuropäischen Länder. Mit Orffs Erbe, pämlich „Musik für Kinder", vor rund vierzig Jahren von Carl Orff und Gunild Keetman herausgegeben, sei immer wieder neues Entdecken und Verlebendigen gemeint. Was sich in der zurückliegenden Zeit verändert habe, sei einerseits die Ausweitung der Anwendungsbereiche des Schulwerks, von Kindern auf Jugendliche, Erwachsene und Behinderte, und andererseits
Verstehen Sie Spaß?" heißt eine Vbeliebte Sendung, die unlängst zum hundertsten Mal über den Bild- schirm flimmerte.Die Frage ist gut. Wer darauf mit einem freudigen „Ja!" antworten kann, hat's auch gut, denn er kommt besser mit den Menschen zurecht, kommt besser durch's Leben. Ei- ner, der schon am frühen Morgenmit dem falschen Fuß aufsteht, dem beim Frühstück die Butter vom Brot fällt, der in jedem Menschen den Feind wittert, der seine Arbeit mißmutig bis übellaunig tut, hat wahrhaftig nichts zu lachen - und seine Umwelt auch nicht.Spaß muß sein.Wie überall, so hat aber auch
Die Marktgemeinde Rauris liegt im Pinzgau, tausend Meter hoch im Gebiet der Hohen Tauern, wo vor vier Jahrhunderten Gold abgebaut wurde. Der Reich- tum des Ortes läßt sich noch heute an den schönen alten Gewerken- häusern ablesen. Anfang der sieb- ziger Jahre hatte der Salzburger Journalist und Schriftsteller Er- win Gimmelsberger die Idee, zeit- genössische Literatur aufs Land zu bringen. Mit Hilfe des ortsansässi- gen Kulturvereins, hier muß der Name Dorothea Granegger erwähnt werden, des Landes und der Stadt Salzburg wurden im Februar 1971 die ersten Rauriser Literaturtage
Dieser Wind - der Wetterhahn schwenkt von Süd nach Ost und wieder zurück, bleibt, bleibt auf Süd: Föhn.Dieser verrückte Wind. Wer da nicht abheht - wie heißt's im Lied, im längst vergessenen, nie verges- senen: „Da bleibe, wer Lust hat, mit Sorgen zu Haus." Es ist ein Mailied. Und wer hat schon Lust, mit Sorgen zu Haus zu bleiben? Bei diesem verrückten Wind.Also ab - in die Stadt, ohne Zweck, Richtung, Ziel, einfach so, der Nase nach, den Füßen nach, wohin sie wollen.Sie wollen an den Fluß, über die Brücken, hin und her, von einer Seite auf die andere, Alt- oder Neustadt,
Vor dem Hotel stehen die Taxis. Ich gehe zum ersten. Der Fahrer kurbelt das Fenster herunter. Ich stutze einen Augenblick. (Taxifahrer ist nicht gleich Taxifahrer.)„Bringen Sie mich bitte zum Westbahnhof?"„Gern."Ich steige ein.Wir kommen in ein Gespräch, das wohl keiner von uns so erwartet hat. Anlaß dazu ist das kleine Schild im Auto mit der Aufschrift „Rauchen verboten".„Das kostet Sie sicher einige Kundschaft?"Er zuckt die Achseln. „Wissen Sie, vielen ist das ganz egal. Sie rauchen trotzdem, als könnten sie nicht lesen. Die Asche verstreuen sie auf den Boden und die
Wess' Brot ich ess, dess' Lied ich sing“ heißt ein altes „Sprüch-Wort“ - auch dies in der alten Form geschrieben. Diese Volksweisheiten haben zweierlei an sich. Sie sind banal, und sie haben einen wahren Kern. Das eine ist ärgerlich, das andere ist gut.Gotthold Ephraim Lessing gestaltet die Frage in seiner „ EmiliaGalotti“ deutlich genug. Im ersten Aufzug und zweiten Auftritt des Trauerspiels empfängt der Prinz von Guastalla den Maler Conti. Er begrüßt ihn mit folgenden Worten:„Guten Morgen, Conti. Wie leben Sie? Was macht die Kunst?“Der Maler antwortet: „Prinz, die Kunst
Und -? fragen Sie, denn daß Vorlesungen an Universitäten mit akademischem Viertel beginnen, ist nichts Neues.Gut, gut, wenn's nur besagtes Viertel wäre. Das scheint nämlich bei den Hörern einkalkuliert. Anders ist's nicht zu erklären, daß so viele noch später kommen als der Professor es sich je leisten könnte,wenn er nicht um seinen Lehrstuhl bangen will.Ein Beispiel aus der Praxis an der Theologischen Fakultät - vermutlich ist es an anderen nicht anders. Das klingt dann so: Türenauf reißen, Türenwerfen, Schritte, Stühlerük-ken, Füßescharren - vom Katheder vernimmt man derweil
An jenem Tag hatte ich es sehr . eilig, in die Speisekammer zu kommen. Ich hatte Hunger.Sonst habe ich es nie eilig. Seit ich Rentner bin, habe ich Zeit. Die Umstellung auf das Zeithaben war schwer.Als Journalist hat man nie Zeit. Das gehört geradezu zum Beruf, das Wichtignehmen und Keine-Zeit- Haben.Ich war mit Leib und Seele Journalist Fünf Jahrzehnte lang. Lokale Berichterstattung (in einer Stadt wie der unseren ist immer was los), Schwerpunkt Gerichtswesen. Unwesen, spotteten meine Freunde, aber das hat mich nicht gestört.Eigenbrötler, spotteten sie und später: Hagestolz.Ich hätte
Seine Erscheinung ist so bescheiden wie entschlossen, sein Gesicht wirkt unbestechlich und redlich. Seine Sprache ist knapp und genau, von hoher poetischer Schönheit. Man könnte ihn einen poetischen Politikernennen, denn der Zeitgeist - oder Zeitungeist - weht durch seine Gedichte. Sein Vortrag ist brillant - das sagt man ungern, weil es ein oft mißbrauchtes Wort ist, aber es stimmt: was er sagt und wie. Am ersten Abend seines Poetik-Seminars im überfüllten Hörsaal der Universität Salzburg sprach Reiner Kunze über eine Anekdote Heinrich von Kleists aus dem letzten preußischen Krieg.
Wenn eine Einladung des Bundesministers für Auswärtige Angelegenheiten eintrifft: also, das kommt ja nun wirklich nicht alle Tage vor.Und wie kommt man auf mich? Es geht um Literatur. Und was will man von mir? Es ginge um die Frage, wie man die österreichische Literatur im Ausland besser vertreten könne.Und was erwarte ich von dem Abend? Vorsichtshalber wenig. (Ich werde angenehm überrascht.)Zunächst fällt mir natürlich wieder Kurt Tucholsky ein. Sein lapidarer Ausspruch: „Nichts ist schimpflicher, als wenn Literaten Literaten Literaten nennen.“Aber so arg wird es gar nicht.(Eine
Ich kenne einen Mann, der ist seit vielen Jahren tot. Ich schreibe: ich kenne, denn ich fange eben an, ihn kennenzulernen.Ich habe seinen Tod zur Kenntnis genommen wie viele andere. Er kam nicht überraschend, falls man das von einem Tod überhaupt sagen kann. (Man sollte dem Tod keine Gelegenheit zu Überraschungen geben. Wir sindja auch nicht überrascht, daß wir am Leben sind, ein Geheimnis, das mindestens so groß ist wie das des Todes, ein Zustand, der mindestens so unbegreiflich ist wie der Tod.)Jedenfalls waren wir auf diesen Tod vorbereitet. Es hieß, man müsse mit allem rechnen. Es
Man sollte das Wort „trostlos“ mit dem Heiligen Abend nicht in Verbindung bringen. Was das Wetter betraf, so kam aber gar kein anderes Wort in Betracht. Nachdem es wochenlang ununterbrochen und vielversprechend geschneit hatte, setzte kurz vor dem Heiligen Abend ein sanfter heimtückischer Föhn ein.Der weiß verschneite Marktflecken wurde zusehends kahler, nüchterner. Die schadhaften Stellen auf den Dächern waren wieder zu sehen, und die Schritte auf den nassen Straßen klangen wieder laut. Dieser sanfte Föhn, der sich so unaufdringlich aufdringlich benahm, hörte nicht auf, immer aus
Es gibt in der menschlichen Gesellschaft Sitten und Gebräuche. Und es gibt Unsitten und Gebräuche. Die Unsitten entwik-keln sich oft dann, wenn man eine Sitte übertreibt. Nach Konrad Lorenz gibt es nur ein menschliches Laster: die Übertreibung.Wir sind in einem Festsaal, in einer festlichen Versammlung, unter festlich gekleideten Menschen, sehen festlichen Blumenschmuck, hören festliche Musik. Daß es ein bedeutsames Fest ist, sieht man an der Anzahl von Prominenz und Ehrengästen, die sich eingefunden haben.Wer das etwa noch nicht bemerkt haben sollte, der erfährt es vom ersten
Im Nachlaß von Christine Bu-sta befanden sich fünf Legenden, die von ihr zur Veröffentlichung bestimmt waren. Eine ist schöner als die andere. Da ist die Legende von dem Engel, der nach einem abgründigen Sturz wieder in den ewigen Ursprung zurückkehrt. Die Sprache ist poetisch und genau, liest sich mitunter wie ein Gedicht: „Doch Fall und Flug sind eines in der Liebe / und runden nur den Kreis der Wiederkehr.“ Oder an einer anderen Stelle: „Doch nur was fallen will, wird unaufhaltsam steigen“.Eine andere Legende erzählt von dem Hahn, der zum „Morgenvogel Gottes“ wird, die
„Und ... nee, warten Se mal, ja, und noch'ne Tüte Mozartkugeln.“, sagt der Gast aus dem Norden, eben mit einer Herde weiterer Touristen einem Bus entquollen und auf die Innenstadt losgelassen.„Die gehn gut?“ frage ich die Verkäuferin, nachdem sie alle Wünsche nach Mozartkugeln erfüllt hat.„Ich sage Ihnen“, sagt sie, „ein Dauerbrenner. Aber saisonbedingt, Im Sommer verkaufen wir dreimal so viel wie im Winter.“„Auch Mozarttaler?“„Auch, alles, was mit Mozart zusammenhängt, der .Bachwür-fel' hat sich längst noch nicht so herumgesprochen, obwohl er sehr gut
Diese Betrachtung schreibe ich in einem Cafehaus, einem der schönsten und friedlichsten Orte in der Welt, vorausgesetzt, es dröhnt kein Radio. Das Äußerste an Geräuschen ist das gedämpfte Klirren von Löffeln oder Gabeln und das dito Stimmengewirr. Nur der Klang. Man sollte die Worte nicht verstehen.Daß Künstler Cafehäuser aufsuchen, ist bekannt. Wer komponiert, malt, bildhauert, schreibt, liebt die Stille. Er liebt auch den Frieden. Denn wer komponiert, malt, bildhauert, schreibt, ist vollauf beschäftigt (besonders in der Zeit, in der er das alles nicht tut, also in der Stille vor
Das Seltsame, Absonderliche, die Ausnahme von der Regel haben eine eigene Anziehungskraft, und die Erzähler haben sich zu allen Zeiten dieses Reizes gern bedient. Aber auf keinem anderen Felde scheiden sich gemeinhin so schnell und deutlich das Gewachsene, Durchlebte, Echte vom nur Gemachten, schnellfertig Ausgeheckten oder mühselig Zusammengeschwitzten, und die Ernte von der ersten Art ist niemals groß und reich gewesen. Johannes Moy aber... sieht schärfer und tiefer bis zu jener geheimen Sphäre, in der Wesen und Schicksal nur noch zwei Worte für ein und dasselbe sind.“Das ist ein
Im Zweiten Weltkrieg gab es ein Lied, das zu allen passenden und unpassenden Gelegenheiten aus dem „Volksempfänger“ erklang: „Heimat, deine Sterne...“ Das ist fast ein halbes Jahrhundert her.Aber hier geht's zunächst um etwas anderes. Mit Politik hat es nicht unmittelbar zu tun. Es geht um die Preise. Da hat sich in den letzten Jahrzehnten was getan.Im Jahre 1965 kostete ein „kleiner Brauner“ fünf Schilling. Beispielsweise. Gut, gut, ich lebe nicht hinter dem Mond und weiß, daß alles „hinaufgegangen“ ist. Die Mieten, die Preise für Nahrungsmittel und Textilien, für Bus
Eine Gruppe von Menschen in einem Raum des Salzburger Bildungshauses St. Virgil: Hausfrauen, Mütter, Lehrer, Kindergärtnerinnen, Studenten, Pfarrer, alle Alters- und Berufsgruppen sind vertreten. Sie kommen aus allen Teilen des Landes, oft von weither.Eine mittelgroße Frau kommt herein. Was auffällt, sind ihre sprechenden braunen Augen, ist ihre ruhige Aufmerksamkeit. Sie bittet die Teilnehmer, sich in einem Kreis zu setzen, setzt sich zu ihnen, fragt: '„Weshalb sind Sie gekommen?“ Ein Blick in die Runde, der jedem gilt, geduldig und ermutigend zugleich. Ein junges Mädchen beginnt:
Unlängst besuchte ich einen Freund. Wir kennen uns seit Jahrzehnten, hatten uns ein paar Jahre nicht gesehen. Er gehört zu jenen Freunden, bei dem jeder Abschied schmerzlich und jedes Wiedersehen ein Fest ist. Es war Ende November. Der erste Schnee war gefallen, der Himmel hing tief.Die Haustür ist bei meinem Freund nie verschlossen. Ich kam unbemerkt herein. Er kniete am Boden, umgeben von Packpapier und Schnur, verpackte ein Bild. Er sah mich, richtete sich auf, freute sich. Seine Frau kam herein, wir umarmten uns alle drei.„Schön, daß du dich wieder mal anschauen läßt.“„Was
Die erste Überraschung erlebt der Leser in dem Text, der „Statt eines Vorworts“ steht: da rät der Autor, zu blättern und irgendwo ein paar Sätze zu lesen! Sollte der Leser nichts finden, was ihn anspricht, so „Leg dieses Buch weg“: Schade um die vergeudete Zeit.Man legt es nicht weg, sondern begibt sich mit dem Autor auf die Suche nach Einheit. Denn die Fragen, die hier aufgeworfen werden, gehen jeden an. Es geht um Anfechtung und Schwäche, um Angst und innere Emigration. Es geht um die tiefe Sehnsucht jedes Menschen nach Harmonie, nach gelebter Einheit.Traktätchen werden nicht
Wer meint, mit der Information über Ewos etwas über afrikanische Stämme zu erfahren, der irrt. Es handelt sich schlicht um Abkürzungen, wie sie sich seit mehr als einem halben Jahrhundert wachsender Beliebtheit erfreuen.Der Schupowar schon im Berlin der zwanziger Jahre ein sozusagen verkürzter Schutzpolizist. Der Ufo allemal ein Unteroffizier. Im sogenannten tausendjährigen Reich trieb der Abkürzungswahn Blüten, mit denen man — lassen wir es.Gelassen aber hat man es nicht.Man kürzt weiter und kommt zu Ergebnissen, die den Anlaß zu diesen Betrachtungen in der Nachsaison geben
In einem Schloß, irgendwo in Tirol. Ich saß mit meiner alten Freundin beisammen.Hier stock ich schon.Doch, den Jahren nach war sie alt, über achtzig. Aber was heißt das schon.Man mußte sie erzählen hören, um zu spüren, wie jung sie war. Ihren Humor, ihren Witz, ihre Selbstironie erfahren.Das war bezaubernd.Wenn sie erzählte, war alles Gegenwart.„Damals“, sagte sie, „da war ich dreißig. Knapp dreißig. Das war in Wien. Mein Gott, hab ich gern in Wien gelebt. Eine verrückte Stadt. So was von blühender De-cadence. Das ist direkt schon wieder schön. Aber man muß es aushalten
Hans ist ein Mädchen und auf den Namen ihrer Großmutter Johanna getauft.Die Großmutter sagt Hans zu dem Kind. Der Großvater auch.„Wenn es dir recht ist“, haben sie gesagt. Es war dem Kind recht. Die Großeltern hatten fünf Kinder. Drei Söhne und zwei Töchter. Die jüngste Tochter war mit achtzehn Jahren an der Schwindsucht gestorben.Das Kind hatte lange über diese Krankheit nachgedacht.Damals war es sechs Jahre alt.„Ist sie verschwunden?“„Ja“, sagte die Großmutter.„Wohin?“ Die Großmutter schüttelte den Kopf.Der jüngste Sohn der Großeltern war im Ersten Weltkrieg
Das Korbstühlchen quietscht. Die Mutter sagt:„Sitz still.“„Lassen Sie sie doch“, sagt der Maler, „sie kann tun und lassen, was sie will.“Das Kind staunt und sitzt still. Es sieht den Maler an. Er ist bleich und schwarz. Wo hat er die Badehose mit den Korallen?„Im Sommer, am Meer, trägt er eine Badehose mit einem Gürtel aus Korallen“, hat die Mutter erzählt, „einen ganzen Gürtel aus Korallen. Der Maler haust da irgendwo am Meer. Er ist ein bißchen verrückt.“Das Kind sieht ihn an. Ist er ein bißchen verrückt? Das Kind kann ihn leiden.Es fragt: „Wo hast du die
Ich war ein Kind, als wir von der Kuno-Fischer-Straße in die Holtzendorffstraße umzogen. Hochparterre.Von der Straße führten vier Steinstufen zum Portal. Wenn man läutete, erschien rechts vom Eingang in einem winzigen Fenster der graue Kopf des Hauswarts.Im Hausflur führten siebzehn Marmorstufen, die zu dieser Zeit mit nichts anderem belegt sein konnten als mit rotem Plüsch, ins Hochparterre. Die Wand, auf die man zuging, war ein riesiger goldgerahmter Spiegel, in dem man langsam oder schnell auftauchte, je nachdem, ob man die Marmorstufen einzeln oder in Sprüngen nahm.„Schließen
Leicht hat's der Kreuzer nie gehabt.Den Hof hat er nicht halten können. Die Zeiten waren schlecht. Die Landwirtschaft rentiert sich nicht mehr.Er hat verkaufen müssen.Was er herausschlagen konnte, war das Wohnrecht auf Lebenszeit. Zwei Zimmer und Küche. Eins für sich, eins für die Tochter, die in der zehn Kilometer entfernten Fabrik arbeitete.Die Frau war ihm früh gestorben. Die Tochter besorgte ihm den kleinen Haushalt.Leicht hat's der Kreuzer nie gehabt. 'Aber selbst, wenn er's leichter gehabt hätte - er gehörte zu den Menschen, die sich nichts schenken lassen wollen. Zu denen, die
Drei Monate nach Tschernobyl: Alles scheint wie vorher-auf unserem Speisezettel und in der Politik. F. J. Strauß reitet für Wakkersdorf. War also alles umsonst?
Die wahren Tragödien spielen sich nicht auf Bühnen ab, sondern auf der Straße, in Zimmern, auf Parkbänken, in Bahnhöfen, an Arbeitsplätzen, an diesen kleinen Tischen in zweitrangigen Cafes und Restaurants. Auch in erstklassigen.Diesmal ist's eine Bus-Haltestelle vor einem Lebensmittelgeschäft. Der Bus läßt auf sich warten.Mit mir warten zwei Jungen, der eine dunkelhaarig, mit dunklen Augen, dünn und lebhaft, wie ein schöner kleiner Zigeuner sieht er aus, der andere drei Köpfe länger, stämmig, semmelblond, mit teigigem Gesicht und wasserblauen Augen. Der kleine Zigeuner,
Wenn sie mit ihrem. Vater, dem königlich-bayerischen Bezirkstierarzt Johann Baptist Ehrle, im Wagen über Land fuhr, sagte er: „Sing, Mariele, sing.“ Und sie sang.„Auf da Wasa / graset Hasa / in da Wässerla / gampat d' Fisch...“ Was man tunlichst nicht übersetzen sollte, weil es den Schmelz von den Worten streift.Auf ihrem Kommunionbild sieht sie aus wie eine Prinzessin. Ein Kindergesicht, wie eine Gernme geschnitten, ein Kind, dessen natürliche Anmut die strenge Erziehung überblüht hat.(Der Vater ließ eher etwas durchgehen. Die Mutter war streng.) Die natürliche Anmut und die
April. Warm und sonnig. Das Alpenvorland braun und grün auf den abgeaperten Südhängen, die nördlichen noch weiß von brüchigem Schnee. Die Bäche im Wiesenland blitzen im Licht. Morgens singt die Amsel.Johannes sitzt am Balkon auf einem Stapel Brennholz. Er hat sich ein Küchensieb, das die Mutter zum Trocknen hinausgestellt hat, auf den Kopf gesetzt und hat eine Zweifelsfalte zwischen den hellen Augenbrauen. So tief, wie sie halt ein Bub im ersten Schuljahr haben kann. Er denkt sichtbar. In der Küche malt die vierjährige Barbara mit Holzbuntstiften einen Osterhasen mit riesigen Ohren.
Die Marktgemeinde Rauris im Pinzgau hat eine im Sinne des Wortes reiche Vergangenheit. Im 16. Jahrhundert erlebte sie eine Blütezeit durch den Goldabbau in den Hohen Tauern. Die stattlichen Gewerkenhäuser, die dem Markt heute noch das Gepräge geben, zeugen davon. Rauris ruht sich aber keineswegs auf den Lorbeeren seiner Vergangenheit aus. Ein rühriger Bürgermeister und eine fleißige Bevölkerung sorgen dafür, daß Rauris immer wieder im Mittelpunkt des Gesprächs steht. Bildungswochen, Literatur- und Malertage und Symposien zum aktuellen Thema „Nationalpark“ gehören zum
Mode, Modus = Art und Weise“ steht im Lexikon zu lesen. Wie man sich kleidet nämlich, wozu alles miteinander gehört, zum Beispiel Haartracht, Schuhe und das sogenannte modische Beiwerk wie Spangen, Schnallen, Schleifen oder auch Schmuck.Es heißt die Mode (auch wenn sie überwiegend von Männern gemacht wird, um dann von den Frauen getragen zu werden). Schauen wir uns doch einmal um. Ich behaupte, es war noch nie so schwer, die Mode auf einen Nen-ner zu bringen wie augenblicklich. Der gute alte „Look“ (von „Tulpen“ bis „Bleistift“ bis „New“) gehört einer nostalgischen
Am Abend hatten wir Cham-x7\pagner getrunken. Seit -zig Jahren zum ersten Mal wieder. Nein, keinen Sekt oder Schaumwein: Champagner aus dem Hause Moet & Chandon. Die Schickeria wird über Firma und Jahrgang vielleicht lächeln (das Etikett trug die Jahreszahl 1980), aber wirgehören nicht dazu und trinken so etwas nicht wie Mineralwasser. Wir genossen ihn aus vollen Zügen, gerieten in jenen Schwebezustand, den man festhalten möchte, verhockten bis Mitternacht, hatten Gespräche über Gott und die Welt - unbeschreiblich.Wie gut ein guter Tropfen ist, weiß man spätestens am anderen
Sind Sie satt? Sind Sie heute wieder einmal satt geworden? Ohne darüber nachzudenken, daß Sie satt geworden sind?Legen Sie Fasttage ein? Der Linie oder der Gesundheit zuliebe? Einen Reisetag, einen Safttag, einen Obsttag?Auf einem großen Bahnhof.Der alte Mann fällt auf, weil er so auffällig versucht, nicht aufzufallen. Er hat schöne weiße Haare. Wenn er sich beobachtet fühlt, bleibt er stehen, lehnt Stock und Aktentasche an einen Kiosk, greift mit beiden Händen in sein dichtes Haar, stellt den Mantelkragen hoch.Wie alt ist er? Siebzig bestimmt. Drüber, eher drüber.Es ist vormittags
Im Mittelpunkt der Literaturtage stand Fritz Hochwälder, an dessen dramatisches Werk wieder erinnert werden sollte. Im EinMann-Gang las er aus vier seiner bekanntesten Dramen, darunter aus „Das heilige Experiment”, das seinerzeit in Paris vierhundertmal en suite zur Aufführung kam. Heute bezeichnet Hochwälder seine Dramen, die kaum mehr gespielt werden, als „never-greens”. Dem will Rauris abhelfen, unter anderem durch die Uraufführung von „Der verschwundene Mond” in der subtilen wie intensiven Regie Klaus Gmeiners.Seit 1971 haben über zweihundert Autoren aus dem
„Hören Sie mir doch zu, hören Sie mir doch bitte zu, lieber Herr, Sie wissen ja nicht, was das für mich bedeutet.Sehen Sie, ich führe ein bescheidenes Leben. Ich habe keine Ansprüche. Meine Rente ist nicht hoch, aber ich kann davon leben, wenn der Winter nicht zu lang und zu kalt ist.Seit meine Frau tot ist, ist es schwer für mich. Aber was soll ich machen? Ich lebe weiter.Es ist gut, daß ich auf sie gehört habe. Daß wir uns das Häuschen gebaut haben. Mit unseren Händen. Buchstäblich mit unseren Händen. Stein für Stein.Auch der Garten. Es sind nur achtzehn Quadratmeter. Ich
Die Frau ist alt. Man sollte morgens nicht mehr in den Spiegel schauen. Sie legt ihn hin, mit dem Glas nach unten.Sie geht ans Fenster. Sie sagt: „So ein Nebel."Ihr fällt ein, daß sie jeden Tag sagt: „So ein Nebel." Mindestens einmal am Tag, bevor sie sich in ihren Farben verkriecht, damit die Einsamkeit sie nicht findet.Das runde Turmzimmer ist voll von gemalten Träumen. DerWohnturm steht mitten in der Stadt. Er hat so viele Stockwerke, daß das Versagen des Fahrstuhls einer Katastrophe gleichkommt.„Mein Wohnturm", sagt die Frau und hat vergessen, daß Hunderte von
Mehr als 90 Prozent Erfolgsquote hat der Amerikaner Martin Schwartz mit seiner neuen Stotter-The-rapie. Er führte sie jüngst im Salzburger Bildungshaus St. Virgil vor.
Es gibt ein Gedicht von dem Kärntner Lyriker Johannes Lindner. Das heißt: „Alter Fischer zieht sein Sterbehemd an." Er zieht es an, um zu sterben. Er weiß, wann es an der Zeit ist. Er sieht im Sterben einen Strom, „wo die Seelen wie Fischschwärme ziehn."„Wenn es am schönsten ist, soll man aufhören", sagte mein Vater, wenn ich von einem Fest nicht nach Hause gehen, keinen Tanz auslassen, immer die letzte sein wollte.„Wann ist es am schönsten?"„Das weiß man ganz genau", sagte er ruhig.Ich weiß es nicht.Und ganz genau schon gar nicht.Und er kann es auch nicht gewußt haben, als
Er lag im Bett, mit glänzenden Augen. Alle im Zimmer wußten, woran er dachte, wenn seine Augen so glänzten.Dann lag er ganz still, die Hände auf der Bettdecke gefaltet. Dann war er ganz weit weg. Bei ihr.Sie muß ungewöhnlich schön gewesen sein.„Und treu", pflegte er zu sagen, und dazu zwinkerte er mit dem linken Auge, weil Schönheit und Treue ja bekanntlich ...„Treu wie Gold", sagte er mit einem tiefen Atemzug, „durch dick und dünn, in guten und schlechten Zeiten. Und wenn die Welt unter-gegangen wäre, ich könnt mich auf sie verlassen."Uber dem Erzählen schlief er oft ein. Er
Doch, es gibt ihn noch, den armen Poeten: Ich hause in meiner Kammer wie der bei Spitzweg.Etwas anders.Ich bin tief gesunken. Es ist nicht bunt bei mir. Keine Zipfelmütze. Keine Folianten. Kein Stiefelknecht. Kein Humor. Auch kein Schirm. Den brauche ich nicht, denn ich hause nicht unter dem Dach, wo ich dem Himmel näher wäre.Ich hause im Keller.Ein ehemaliger Kartoffelkeller, fünf Quadratmeter groß.Die Hausfrau ist Sägewerkbesitzerin. Sie hat auf den Zementboden ein paar Holzbretter nageln lassen. Der Raum sah gleich wohnlicher aus. Auch heller.Den Himmel sieht man am besten, wenn man
Wir saßen auf der Bank vor seinem Haus, mein Freund und ich.Wir sprachen über Gott und die Welt, wozu zu sagen wäre, daß er mehr zum Thema wußte als ich, denn ich war achtzehn Jahre alt und er dreiundachtzig.Er hatte einen weißen Bart und rauchte Pfeife. Auch wegen der Bienen. Er hatte zwanzig Völker. Und natürlich stand sein Haus am Wald und natürlich züchtete er Rosen.Es war im Juli, am frühen Nachmittag.Er fragte:„Wissen Sie, was das größte Kompliment ist, das man einem Menschen machen kann?“In seiner Gegenwart kam ich mir immer noch viel dümmer vor, als ich wirklich war.