„Horizonte” rücken nicht auf Knopfdruck nah heran. Das dritte West-Berliner „Festival der Weltkulturen” — nach dem chinesischen Kalender „Im Jahr des Büffels” genannt, aber darüber hinaus die ganze Region Ostasien/Südostasien anpeilend — war ein utopischer Versuch, für den von Seiten der Politiker das Wort „Dialog” überstrapaziert wurde. Ein Dialog setzt zweierlei voraus: das Wissen übereinander und das Zeithaben füreinander. Schneisen ins Nicht-Wissen wurden geschlagen in diesen vierundzwanzig Tagen; ausdrücklich sei es gesagt: auch für das Verstehen der
(Hamburgische Staatsoper/ Schwetzinger Festspiele, BRD; „Die wundersame Schustersfrau" .von Udo Zimmermann) Ein deutscher Meister, ich sag' es ohne Ironie: Udo Zimmermann, Jahrgang 1943, in Dresden zu Hause. Seine fünfte Oper, „Die wundersame Schustersfrau" nach einem frühen Lorca, in Auftrag gegeben vom Süddeutschen Rundfunk, brachte die Hamburgische Staatsoper zum Auftakt der Schwetzinger Festspiele heraus. Sechs weitere Bühnen in Ost und West haben fest gebucht, bevor der erste Ton erklungen war.Zimmermanns Lorca-Oper enttäuschte nicht. Sie ist, obwohl offenbar
„Die Inszenierung fand im Programmheft statt": Dieser mittlerweile recht abgenutzte Kritiker-Slogan wird hervorgeholt, wenn die Phantasiearmut eines Regisseurs auf die Einfallslosigkeit eines Rezensenten trifft. In Bayreuth wurden seit dem Neubeginn anno 1951 in den an innerem und äußerem Gewicht ständig zunehmenden Programmheften zwar nicht Inszenierungen erläutert, wohl aber Werkhintergrund und Werkaktualität kritisch aufhellend reflektiert; für andere Theater zum Vorbild dienend, für Festspiele immer noch einmalig.Diese Reflexionen stellen sich gesammelt dar als
Die politische Spannung in Polen wird zur schöpferischen Quelle für das musikalische Schaffen im Land. Inmitten der existenziellen Sorgen eines Volkes ereignen sich kulturelle Höhepunkte.
„Mudra”: das heißt in Sanskrit, der Bildungssprache Indiens, nichts anderes als „Geste”. Oder genauer: Es bezeichnet das Elementare der Geste, es ist ein gestischer Grundbegriff, das aufbauende Prinzip. Ausgehend von den Fingerspitzen setzt sich die Bewegung fort im Spiel der Hände, in der Sprache der Augen, der Augenbrauen (für die es 170 abgestufte Ausdrucksmöglichkeiten gibt), auf der Stirn. „Krishnattam”, (entstanden um 1650 unserer Zeitrechnung) eine Tanz-Pantomime mit Episoden aus dem Leben Krishnas, war einer der Höhepunkte des „Festivals Traditioneller Musik 80”
(Deutsche Oper, Berlin) Zum Festwochen-Finale ein Untergangsstück: die szenische Uraufführung von Claude Debussys „Der Fall des Hauses Usher“. Das einaktige Drame lirique ist nur fragmentarisch überliefert, mit in der Absicht erkennbarer, jedoch nicht ausgeführter Instrumentation. Dem Bearbeiter und Herausgeber Juan Allende-Blin ging es nicht darum, das Torsohafte aufzuheben. Er hat aber, und wohl zu Recht, die musikalische Prosa Debussys weit in die Moderne vorgetrieben.Das Werk basiert auf einer Erzählung von E. A. Poe. Der amerikanische Dichter begleitete Debussys ganzes Leben. Der
Wolfgang Wagner, der Bayreuther Festspielchef, betont es sicherlich mit Recht: Nach 1945 war er es, der sich am Ort um die Erhaltung der materiell und geistig schwer beschädigten Substanz gekümmert hat. Sein Bruder Wieland, der künstlerisch Begabtere, Phantasievollere, zum spekulativen Denken Neigende, konnte in der Abgeschiedenheit der Bodenleelandschaft die theoretischen Grundlagen für „Neu-Bayreuth“ erarbeiten.Eine solche Aufgabenteilung schien vorgezeichnet. Wieland hatte, mit den Worten seines jüngeren Bruders, „von oben angefangen“ (als Oberspielleiter im thüringischen
(Paris, Palais Garnier.) Tout Paris geriet ins „Lulu“-Fieber, es schien kaum noch anderen Gesprächsstoff zu geben. Gut 43 Jahre nach Alban Bergs Tod, knapp 42 Jahre nach der Uraufführung seiner fragmentarisch gebliebenen Oper „Lulu“ wurde diese ein zweites Mal uraufgeführt, und zwar mit dem dritten Akt - wieder im Ausland, im pomphaften Palais Garnier, das eigentümlich mit Frank Wedekinds Gesellschaftskritik (der „Lulu“-Text ist ein Kondensat aus den Dramen „Erdgeist“ und „Die Büchse der Pandora“) korrespondierte.Das Werk gehört in den Umkreis der Zweiten Wiener
Berlin. Schaubühne am Halleschen Ufer. „Death Destruction & Detroit“: Der Titel ist so bedeutungsvoll-bedeutungslos wie alles Sprachliche in diesem Stück. Die Sprache ist nur eine Mitteilungsform neben anderen: neben den Bildern, den Kostümen, den Bewegungsabläufen, den Gesten, der Musik.Es ist eine Sprache aus Redewendungen, Zitaten, Alltagssätzen, eine gewöhnliche Sprache -die aber poetischen Glanz oder auch entlarvenden Charakter gewinnt durch die traumlogisch gebaute Bilderwelt, in der sie sich entfaltet; durch den persönlichen Ausdruck der Sprechenden (Schauspieler und
Franz Schreker ist ein „Fall“, immer noch und nach dieser Frankfurter Premiere erst recht. Am 25. April 1918 wurde seine vielleicht bedeutsamste Oper „Die Gezeichneten“ am dortigen Opernhaus uraufgeführt; am 20. Januar 1979 wurde das Werk an der „Oper Frankfurt“ (so heißt das Haus seit Beginn der Ära Gielen) beim ersten Wiedererweckungsversuch nach dem Kriege in Grund und Boden inszeniert -und dennoch ein Erfolg. Ein Modellfall strikt professioneller, bohrend sachbezogener Arbeit im Musikalischen (am Pult, dem Hörensagen nach zunächst mit Widerstreben: Opernchef Michael
Einige Kollegen gerieten ins Schwärmen. Das las sich in einer Berliner Abendzeitung so: „Aus ihren Kehlen strömt der Gluthauch der Sahara. Sie singen gegen Sandstürme an. Der Gebetsruf vom Minarett prägt die Melodie. Der wiegende Rhythmus der Kamele und das Heulen der Derwische sind in dieser Musik.“ Alle Phantasie in Ehren, aber die Wirklichkeit ist etwas anders. Die Ensembles, die das vom Internationalen Institut für vergleichende Musikstudien organisierte Festival arabischer Musik - im Rahmen der neu etablierten Internationalen Sommerfestspiele Berlin - bestritten, kamen gewiß
Es ist gut, daß dieses Buch jetzt erschienen ist; die Betonung liegt auf „jetzt“. Das aktuelle politische Geschehen, die Themen der Zeit: Terrorismus, Menschenrechte, Dritte Welt und wie sie noch lauten, sind der tätigen Erinnerung an „die“ zwölf Jahre nicht günstig. Derweil sind die anderen tätig, faseln (auf einer NPD-Versammlung in Göttingen) vom „entschlossenen Kampf gegen alle Volksschädlinge“, stellen „der liberalen und marxistischen Zersetzung das korporative Konzept der gesunden Volksgemeinschaft entgegen“ und propagieren aus diesem Geist des „gesunden Volksempfindens“ den „Angriff einer radikalen Weltanschauung auf das verrottete System“, womit die „westeuropäische Szene“ gemeint ist („Aktion Neue Rechte“, Wien). Die zwölf Jahre begannen lange vorher, und ihre Schatten „marschier'n im Geiste mit“.
Mehr als 400 Teilnehmer hatte die 32. Hauptarbeitstagung des Instituts für Neue Musik und Musikerziehung in Darmstadt: Musikpädagogen, Komponisten, einige Interpreten, Musikwissenschaftler, Schüler und Studenten. So breitgefächert wie diese Zielgruppen ist auch das Arbeitsangebot: ein Kongreß (dem Generalthema der Tagung gewidmet: „Die Neue Musik und die Tradition“), Werk-Analysen, Kolloquien (über Neue Musik im Klavierunterricht und die elektronische Orgel), Instrumentalkurse und -Workshops (Ren6 Clemencic, Wien, machte mit „neuen Spiel- und Improvisationstechniken auf der
Kennen Sie Unna? Ich auch nicht. Aber ich habe mich informiert. Der Kreis Unna (542,25 Quadratkilometer, 375.688 Einwohner) begrenzt das Ruhrgebiet im Osten, umfaßt, einer Zange vergleichbar, das Stadtgebiet von Dortmund; die größte Stadt ist Lünen, die älteste Schwerte, die Kreisstadt natürlich Unna. Warum dies hier? Weil ich dieser Tage eine dicke Mappe auf den Tisch bekam: „Projekt UN 78“ - und dabei, klarer Fall, an ein Projekt der Vereinten Nationen dachte (und auch denken sollte, diese Schlaumeier). Das „Projekt“ hat einen Untertitel: „Kultur der Erinnerung“, und der
Man kann ein bißchen süchtig werden auf diesen klappernden Seria-Me-chanismus mit den vertrackten Koloratur-Arien und der sterotypen Dreiteiligkeit: Allegro-Adagio-Allegro, oder auch einmal: Adagio-Andan-te-Adagio. Das Oratorium „Betulia li-berata“ des 15jährigen Mozart, Finale der Mozartwoche 1978“ im Großen Salzburger Festspielhaus, unterscheidet sich nur durch die Aufführungsform, nicht im Stil und im musikalischen Aufbau von einer Opera seria.Es muß einmal ausgesprochen werden, gerade wegen des erlesenen Beifalls, der diesen akademisch-künstlerischen Taten zumal in Salzburg
Neun Tage Mozart - reines Glück, immer neue Entdeckungen: Das Köchelverzeichnis enthält 626 Werke; mit Programmnot ist nicht zu rechnen (was sollen da die Bayreuther Festspiele sagen!). Die „Zeitgenossen Mozarts“ waren in den kleinen „Tanzmeistersaal“ verbannt; warum eigentlich? So schlecht sind sie nicht, und Mozart hat von vielen gelernt und viele aufrichtig geschätzt. Als Beispiel einer Mozart-Rezeption des 19. Jahrhunderts gab es nur, von Rudolf Buchbinder in die Tasten gedonnert, die Liszt-Paraphrase von zwei „Figa-ro“-Themen, und die ist durchaus kein „Verbrechen an Mozart“, sondern ein sehr interessantes, spannungsreiches Dokument, das man sich freilich schattierter, lockerer, spielerischer hätte vorstellen können. Und schließlich: denkt hier noch jemand an die Neue Musik, die einstmals ein Programmpunkt war, so sie in Beziehung zu Mozart stand?
Kann Musik dem Menschen helfen? Musik, die nicht einem therapeutischen (also von außermusikalischen Erwägungen mit bestimmten) Ziel dient? Der Komponist Dieter Schne- bel denkt über diese Frage seit zehn Jahren nach. Und während dieser ganzen Zeit beschäftigte ihn die Arbeit an den „Maulwerken“: einer Musik, die ihren Ursprung, ihren Entstehungs-Grund nicht in bestimmten Überlieferungen und Konventionen hat, die man erlernen oder auch verlernen muß, sondern im Menschen selbst, in der Art und Weise, wie er artikuliert, seine Stimmorgane gebraucht.Etwas artikulieren heißt: seinen
Gemessen an gleichartigen Veranstaltungen in Frankreich, der Bundesrepublik und anderswo, sind die „Internationalen Begegnungen zeitgenössischer Musik“ in Metz ein kleines Wunder. Ein Festival Neuer Musik nicht nur für Insider, ein durchdachtes Programm, attraktiv für Snobs und Neugierige oder (anders gesagt) Eingeweihte und Laien, gefüllte bis überfüllte Säle, ein junges, temperamentvoll reagierendes Publikum meist in der Überzahl - wo gibt es das noch?
Der von Nikolaus Harnoncourt und Jean-Pierre Ponnelle am Opernhaus Zürich erarbeitete Monteverdi-Zyklus hat mit „II Ritorno d’Ulisse in Patria” seinen Abschluß gefunden, einem Bilderbogen frei nach Homer um das glückliche Ende der Irrfahrten des Odysseus. Eine Attraktion, zweifellos, liegt mit diesen drei Stücken vor: „L’Orfeo” („Orpheus”), „L’Incorona- zione di Poppea” („Die Krönung der Poppea”) und der „Rückkehr des Odysseus in sein Vaterland”, den einzigen „vollständig” erhaltenen Opern Monteverdis. Vollständigkeit bedeutet hier, daß das vorhandene
Die alte Frage nach dem Vorrang von Musik oder Text will nicht verstummen. Nur: hier geht es nicht um Opernästhetik (wie in Richard Strauss’ „Capriccio”, wo diese Frage aufgeworfen ist); hier geht es um die Erwägung, ob Musik in der gegenwärtigen Situation, also die Neue Musik, überhaupt in der Lage ist, Wesentliches mitzuteilen. Dieses Problem ist von zentraler Bedeutung. Wird es scharf genug formuliert, und zwar nicht zuletzt in der musikalischen Produktion selber, so rücken endlich einmal die fruchtlosen Erörterungen über Dissonanzen oder Harmonie, über neue oder alte Tonalität, Geräusch oder Klang, „schön” oder „häßlich” an die zweite Stelle. Die Donaueschinger Musiktage 1977 standen ganz im Bann dieses Problems.
Die Zeichen stehen günstig: Aus den USA wird eine Zunahme des Laienmu- sizierens um 15 bis 20 Prozent berichtet; in Österreich sprechen die Soziologen von einer ,Musikexplosion“ (Blasorchester sprießen aus dem Boden!“). Die Jugendmusikschulen in der Bundesrepublik können den Ansturm kaum bewältigen. Der Instrumenten-Verkauf zeigt zunehmende Tendenz - und das alles trotz der bekannten Misere im Musikunterricht der Pflichtschulen (wo nur punktuell, durch die Initiative einzelner, Kreativität und sinnvolles Hören gefördert werden). Offensichtlich spielen die sogenannten
Multi-media-Atmosphäre auf der neunten Musik-Biennale Zagreb: in dem monumentalen Konzertbau „Va- troslav Lisinski“ am Rande der Stadt, in dieser Kulturstätte aus Beton, auf die mit Stolz schon der Taxifahrer den Fremden aufmerksam macht, ist die Neue Musik in Bewegung geraten. Kybernetische Plastiken senden, nähert man sich ihnen respektvoll, forsch oder neugierig, einen melancholischen Sound aus; Blattpflanzen tönen, nach digitaler Umwandlung ihrer elektrischen Lebensströme, als hätte Steve Reich das Morsealphabet aufbereitet. Zu dem Environment, das sich Peter Vogel, der Bastler
Mit leichter Verlegenheit in der Stimme fragte mich die Garderobiere in der Salzburger Residenz, einem Ort, dem sonst Problematisches fremd ist: was denn das sei, ein „Hegel-Kongreß”. Sie ging sichtlich davon aus, daß es sich um einen festen Begriff handeln müsse, um etwas Dinghaftes - vielleicht um etwas Ähnliches wie die gleichzeitig in Salzburg stattfindende „Anti-Atomkonferenz”.Man mag die Frage (die streng wissenschaftliche Analyse einmal beiseitegelassen) zusammensehen mit der Verdinglichung des Bewußtseins; nur über Dinge sei, hat sich im Zeitalter der facts, der
Zwischen der Kompositionstechnik eines Johann Sebastian Bach und der Art und Weise, wie eine Mutter zu ihrem Baby spricht, gibt es gewisse Entsprechungen. Diese Ansicht vertrat Prof. H. PapouSek vom Max-Planck- Institut in München, Abteüung für Entwicklungspsychobiologie, auf einem Symposion der Herbert-von-Ka- rajan-Stiftung in München. Bach habe ein Thema so oft wiederholt, bis sich die Erwartung darauf einstellte und dann erst etwas Neues eingeführt, auf „angenehm-aufregende Weise”. Ähnlich „komponiere” imbewußt die Mutter, wenn sie dem Säugling einfachste vorsprachliche
Die Spannung war beträchtlich, im Westen vielleicht noch mehr als in der DDR: Der Hinweis auf Friedrich Goldmanns Kammeroper „R. Hot”, in Auftrag gegeben von der Deutschen Staatsoper Berlin, preisgekrönt in einem „Wettbewerb für musikalische Bühnendramatik” zur 25-Jahr-Feier der DDR, kursierte seit geraumer Zeit; die Premiere wurde einige Male verschoben, schließlich waren ganze zwei (!) Verstellungen zum Abschluß der VI. Musik-Biennale Ende Februar 77 angesetzt.Es handele sich, das war schon lange durchgesickert, bei dem einige Monate vorher im Druck erschienenen Libretto von
Die Salzburger Mozartwochen boten unter anderem eine ima- - ginäre Bühne der frühen Opern Mozarts: Vorurteile wurden getilgt, falsche Etiketten beseitigt, aber auch falsche Erwartungen korrigiert. Der musikalische Gewinn war reich; es gab kaum irgendwo eine Serie gleichgearteter Einstudierungen von derart kontinuierlicher Qualität. Die Entscheidung über ihre Zukunft fallt derzeit nicht in Salzburg allein: ohne Mitwirkung der Schallplatten-Industrie - der bisherige Partner, die BASF, stellte die Musikproduktion überhaupt ein - wäre der Veranstalter, die Internationale Stiftung Mozarteum in Zusammenarbeit mit dem österreichischen Rundfunk, Studio Salzburg, auf die Dauer überfordert. Die zur Stunde geführten Gespräche lassen indes eine Lösung erwarten.
Ganz andere Musik soll ertönen: Musik von Interpreten, die sich einen Komponisten zum Berater nehmen, statt umgekehrt, Musik von Gruppen, in denen womöglich Komponisten, Interpreten und Laien zusammenwirken, Musik nach Konzepten, wohei diese auch immer kommen. Nicht länger, so der Schweizer Hans Wüthrich, will der Tonsetzer „Flaschenpost-Künstler“ sein, der auf der Insel seiner Abgeschiedenheit vom Alltag haust und „dem Meer der Öffentlichkeit“ Werke anvertraut in der Hoffnung, irgend jemand werde die Flaschen schon an Land ziehen, den Inhalt „lesen“ können und für wichtig
Rundfunk und Neue Musik: das sind zwei Begriffe, die in einem bestimmten Bereich unbezweifelbar zusammengehören, nämlich in dem der; Elektroakustik. Wo die Elektronenröhre im Spiel ist, schall- bzw. span-nungsverstärkend wie beim Rundfunk oder tonerzeugend wie bei der elektronischen Musik, ist die Gemeinsamkeit a priori gegeben. Elektroni-. sehe Musik ist aber nicht „die“ Neue Musik, sondern eines ihrer Teilgebiete, längst schon ohne die Aura des Geheimnisvollen, avantgardistisch Vorpreschenden. Läßt man nun die physikalischen Erwägungen beiseite, steht das Massenmedium einer
Nach wenigen Tagen fühlte man sich in der Berliner Nationalgalerie zu Hause, fast allabendlich für zweimal zwei Stunden, drei Wochen lang. Mütter kamen mit kleinen Kindern; eine junge Frau wickelte in der Pause ihr Baby. „Metamusik“: das ist zunächst nur ein Reizwort. Es verheißt eine ganz andere Musik, als sie normalerweise im Konzertsaal erklingt; es beseitigt Schwellenangst, weil es die Neugier weckt. Walter Bachauer vom Sender RIAS hat es sich ausgedacht, die Berliner Festspiele haben es (in Zusammenarbeit mit dem „Berliner Künstlerprogramm“ des Deutschen Akademischen
Alles, was auf der Bühne geschieht, ist — im Verhältnis zur Realität — Schein. Wenn eine bestimmte Theatergattung, das Konversationsstück, als scheinhaft dargestellt wird, wenn ein Autor das allseits bekannte Muster als Täuschungsmanöver benützt: was kommt dann heraus? Wäre das Schreiben von.Theaterstücken angewandte Mathematik, wohl die Aufhebung des Scheins: Realität; in der Praxis meist: schlechter Ionesco. Dem Theaterneuling Rene Regenass, geboren 1935 in Basel, bisher Autor von Kurz-Texten, „auch experimentellen“ (wie er sagt), eines Hörspiels, zweier Einakter, von Brotberuf kaufmännischer Angestellter und Redakteur einer Werkzeitschrift, Rene Regenass also unterläuft schlechter Ionesco — aber auch problematische Realität.
Ist unsere Zeit im Künstlerischen nicht mehr schöpferisch? Immer wieder hört man diese Klage, auch auf dem Holland-Festival, wo man stets eine Spürnase hatte für das Nicht-Alltägliche, Neuland Bereitende oder zu Unrecht Vergessene in Musik und Theater. Und diesmal, auf dem 29. Festival, das den 200. USA-Geburtstag zum Thema hatte? Den Off-off-Broadway gäbe es nicht mehr, die Komponisten (in den USA) seien konservativ, strebten zurück zu Brahms. Dahinter steht, scheint mir, ein falsches Geschichtsbild. Die Kunst schreitet nicht in gleichmäßigen Schritten voran; mal tritt dieses, mal jenes Moment signalhaft ins öffentliche Bewußtsein. Fünfzig Jahre bedeuten, da gar nichts.
Ein passendes Symbol der Neuen Musik scheint mir der Kreis zu sein. Es kommt nicht mehr darauf an, daß sich in jeder Phase etwas Neues ereignet, denn alles Neue ist irgendwann schon einmal dagewesen. Erfahrbar gemacht wird die Zeit, und zwar im Erlebnisraum des Bewußtseins, das auf seine eigene Realität pocht, das sich gegen die Absolutsetzung physikalischer Abläufe stemmt. Die Tage „Pro musica nova“, veranstaltet von Radio Bremen, und die Wittener Tage für neue Kammermusik, für die neben der Stadt Witten auch der Westdeutsche Rundfunk verantwortlich zeichnet, sind von der Konzeption her kaum auf einen Nenner zu bringen. Gemeinsam waren beiden Musikfesten nur die unbegrenzten Möglichkeiten musikalischer Sprache.
Kurt Weill, vor 75 Jahren in Dessau geboren, vor 25 Jahren in New York verstorben — was hat er uns heute zu sagen? Der Komponist der „Dreigroschenoper“, von „Mahagon-ny“ und den „Sieben Todsünden“, der sozial engagierte Musiker bürgerlicher Herkunft (sein Vater war Kantor an der Dessauer Synagoge), der hervorragende, scharf beobachtende Musikpublizist: Was kann, er uns Neues bringen, wo berührt sich sein Wirken mit einem Trend der Gegenwart? Der Kurt-Weiil-Zyklus im Rahmen der Berliner Festwochen, leider Stückwerk, da die szenische Komponente fehlte, gab in diesem Punkt
Die Salzburger „Mozartwoche“ begann erstmals im Großen Festspielhaus: Gleichwohl wäre ihr zu wünschen, daß sie kein „großes Festspiel“ wird, sondern bleibt, was sie ist — wissenschaftlich grundiertes Korrektiv des Salzburger Festspielgedankens, der Mozart-Ästhetik und der Aufführungspraxis in Sachen Mozart. Zu berichtigen gibt es da viel! Der größere Raum gab einem breiteren Publikum die Möglichkeit, abermals den weitgehend unbekannten, ja den verkannten Mozart zu erleben: die Oper „Lucio Silla“ erfuhr unter Leopold Hägers Leitung eine konzertante Aufführung, die
Sevilla liegt im halbmodernen Nirgendwo, die Zigarettenfabrik — Carmens Arbeitsstätte — hängt in der Luft, d. h. als Soffitte vom Schnürboden herab. Auf der Szene agieren nicht Soldaten, Arbeiterinnen und Straßenjungen; sondern ein Opernchor, Statisten und brave Knaben, die an ihren Musiklehrer denken. Es ist alles so, wie man befürchtet hatte, als man der gastfreundlichen Einladung zu den Musikfestspielen von Bratislava, dem ehemaligen Preßburg, Folge leistete. Ist wirklich alles so? Nein, es ist ganz anders. Denn dieser bemühte, mühsame Opernbetrieb, überholten Vorstellungen von
Das „Holland Festival“ hat viele Gesichter; das wichtigste ist seine Liberalität in Form und Inhalt, seine Offenheit nach allen Seiten. Es will nicht bilden, nicht erziehen, nichts verändern. Sein Publikum scheint mit den Veranstaltungen in zwölf Städten des Landes überwiegend im Einverständnis zu sein. Wer ist dieses Publikum? Arbeiter sind es auch hier nicht. Aber für die US-Touristen auf Europatrip und für die internationale Snobiety wird das Festival ebensowenig geplant. Die Zielgruppen, wurde dem Fremden erklärt, seien sehr differenziert. In die Oper gingen auffallend viele
Das war neu in Royan: Volksmusik lateinamerikanischer Gruppenstimmte das Festival ein, in der freundlich-modernen Stadt am Atlantik und in einigen Orten der Umgebung; Folklore, die auf der Rekonstruktion originaler Instrumente basierte, die Elemente des modernen Chansons einbezog, bedenklich schon in kommerzielle Schlagernähe geraten war oder sich ihren Ernst und Anspruch durch politische Texte bewahrt hatte. Eine „lateinamerikanische Nacht“ bot den Übergang zum eigentlichen Festival Neuer Musik; parallel dazu wurde das Thema „Südamerika“ weitergeführt von einer stilistisch
Die Einwohner von Florenz, genauer: die republikanisch eingestellten Bürger der Stadt, beklagen deren Niedergang — sie wenden sich gegen die tyrannische Gewaltherrschaft der Medici. Aber zum Handeln, zur befreienden Tat fehlt ihnen die Kraft; einige hoffen auf Lorenzino de Medici, genannt Lorenzaccio, den Vetter des gewissenlosen Herrschers Alessandro. Bei Alfred de Musset ist „Lorenzaccio“' ein politisches Stück, das aber auch zeigt, wie politisches, befreiendes Handeln gelähmt ist durch die Einwiricung psychischer Komponenten, mit denen die Herrschenden zu spielen wissen. Nicht so
Genuß plus Ratio gleich Mozart — geht die Formel auf? Sie erfüllt sich alljährlich in der Salzburger Mozart-Woche, die schon dadurch etwas von dem Geiste dessen vermittelt, dem sie gilt. Die Internationale Stiftung Mozarteum, das Studio Salzburg des Österreichischen Rundfunks und das Musikwissenschaftliche Institut der Universität arbeiten zusammen. Wissenschaft und Praxis finden sich in nahezu fröhlichem Einvernehmen; Forschungsergebnisse, Editionsrecherchen gewinnen Lebendigkeit als beglückender Klang. „Festivals“ müssen also nicht langweilig sein, nicht sinnentleert das
Eine Neuerscheinung wie die auf dem Buchmarkt so unsensationell wirkende Auswahl von sechs „Theaterspielen“ aus der Feder von Günter Grass zwingt, je mehr man sich damit beschäftigt, zum Nachdenken. Grass, ursprünglich ja von der Bildhauerei herkommend, also dem sinnlich Tastbaren, dem Konkreten mental näher als der bloßen Reflexion, hatte als Theaterautor erst „Erfolg“, als er scheinbar vordergründig Zeitgeschichte einbezog, freie Erfindung und 'jedermanns Gegenwart unkenntlich inein-andermischte, wie man's aus seinen Epen gewohnt war: „Die Plebejer proben den Aufstand“ war schon auf den Spielplanankündigungen zu finden, als Grass noch an dem Stück herumfeilte, während „Die bösen Köche“ — Hauptwerk der vorangegangenen, fälschlich „absurd“ genannten Periode, bis jetzt das beste Stück von Grass überhaupt — fünf Jahre auf die Uraufführung warten mußte. Bis heute ist es weit unbekannter als „Die Plebejer“, und sein letztes Stück, „Davor“, in dem sich persönliche Redlichkeit bis zur Selbstanzeige und künstlerische Unzulänglichkeit die Waage halten.
Noch hat Bayreuth entscheidenden Vorsprung vor Ka-rajans Osterfestivität in Salzburg. Aber wie lange noch? Auf dem „Grünen Hügel“ wirkt die Atmosphäre. Sie ist unvergleichlich und nicht einfach abzütün mit Wagner-Kult und Pseudoreligiosität. Sie wird erlebt als ein Sog der Konzentration aufs Werk, in den auch Traditionen hineinspielen, die sich in leuchtende Progressionen verwandelt haben. Aber das Kunstwerk der Zukunft ist nicht mehr das Leitmotiv Bayreuths. Die einst spannungsvolle Atmosphäre verdünnt sich. Mit sensationellen Gags sei heute kein Theater mehr zu machen, sagt Wolfgang Wagner und hat in einer Hinsicht gewiß recht: es ist gut, daß die internationale Presse sich.nicht spaltenlang fast nur mit den Inszenierungen beschäftigt, sondern endlich nach neuen Aspekten der Bewertung zu suchen bereit ist.
Peter Brook, Direktor der Royal Shakespeare Company, Jahrgang 1925, hat ein Buch geschrieben, dessen Mängel offenkundig sind und das dennoch eines der wichtigsten Theaterbücher unserer Tage ist: „Der leere Raum.“ Die Mängel sind formaler und, soweit von der Übersetzung aufs Original zu schließen ist, stilistischer Art. Das Buch ist unsystematisch, die Beweisführungen sind nicht immer schlüssig: je mehr Brook ins Theoreti- sieren gerät, je entschiedener er auf die „Confessio“ zusteuert, desto mehr gerät er ästhetisch ins „Schwimmen“. Der Ausblick, wie Theater sein sollte, ist so engagiert wie vage. Das kann gar nicht anders sein: kein Theatermensch, der zu sich und seinen Lesern ehrlich ist, wäre in der Lage, ein Zukunftsbild des Theaters bündig zu entwerfen. Trotzdem muß er weitermachen, und er muß auch an das glauben, was er macht.
Die Internationalen Musikfestwochen von Luzern gehören zu jenem Typ von Festspielen, über den schwer zu reflektieren ist. Sie dienen dem Genuß und der Besinnung: Beides ist auf seiten des Publikums anzutreffen und nicht immer abhängig von höchster Qualität. Daß die Veranstalter sich um Qualität bemühen und zumindest die obere Grenze des Durchschnitts auch meist erreichen, sei unbestritten, aber die für ein Fest, für eine Ausnahmesituation bestimmenden Komponenten treffen selten zusammen. Herbert von Karajan und das Berliner Philharmonische Orchester steuerten zwei wirkungsvolle Standardprogramme (Bach-Tschaikowsky und Bartok-Brahms) bei; gleichzeitig wurde dem Dirigenten der Kunstpreis der Stadt Luzern zugesprochen, den er an das Konversatorium zur Förderung junger Talente weitergab. Das ist zweifellos eine gute Tat, lag aber auch irgendwie nahe. In Luzern mündet alles, auch die Offenheit nach außen, in den ruhigen Tritt nationaler Selbstbewußtheit. Töne von Infragestellung des eigenen Tuns (nicht nur von Selbstkritik) sind kaum zu hören.
Einiges muß vorab gesagt und geklärt werden. Erstens: Jan Cikker s Oper ,Das Spiel von Liebe und Tod“ nach Romain Rolland (Text vom Komponisten, Deutsch von Kurt Honolka) will nicht zur Lösung von Problemen des Müsiktheaters beitragen, sondern ist, als was sie sich ausgibt, eine Oper. Der mit Cikkers Werk am besten vertraute Dirigent der Uraufführung, Vaclav Neumann, brachte die Musik mit „Hindemith, Honegger oder Hartmann“ in Verbindung und bezeichnete ihren Stil, gewiß nicht zur Abwertung, als „romantischen Modernismus“. Zweitens: Es hat aus diesem Grunde keinen Zweck, Takt für Takt zu beklagen, was er nach den Maßstäben der Avantgarde; nicht leistet. Cikkers Oper kann nur an dem Anspruch gemessen werden, den sie an sich selber stellt. Davon bleibt unberührt, daß sie im historischen Stellenwert falsch liegt; sie kommt verspätet, repetiert Vergangenes. Drittens: Cikkers Musik spiegelt wider, was provinzielle Gemüter ein „echtes Anliegen“ zu nennen pflegen; ein tschechischer Kommentator „definiert“ es mit „quälendem Ringen um die Unvergänglichkeit der Humanität“.
Das Interesse am altgriechischen Drama wächst ständig. Aber alle Aufführungen antiker Dramen an unseren Bühnen haben ihre Achillesferse: den Chor. Ob er nun statuarisch erscheint oder aufgelöst äst in Einzelsprecher — von der Selbstverständlichkeit, mit der in den meisten Aufführungen des Griechischen Nationaltheaters und anderer griechischer Ensembles der Tanz- und Singchor agiert, von der dramatischen Intensität der Wechselgesänge, von der harmonischen und zugleich gespannten Beziehung zwischen Orchestra und Proszenium ist man am deutschsprachigen Theater weit entfernt. Der Grund
Die größte Attraktion des Hol- landfestivals ist Holland selber: mit der weltoffenen Freundlichkeit seiner Bewohner, dem Eigensinn der Städte, dem fast unglaublichen Bilderreichtum. Ist auch das Fest nach neunzehn Jahren noch attraktiv? Die Abnutzungserscheinungen vieler europäischer Festivitäten sind gelegentlich auch hier spürbar, aber Einsicht und Selbstkritik bewirken immer wieder eine Art von Regeneration. Weniger den Touristen gilt es mit immer neuen Reizen anzulocken: das aufmerksamste, dankbarste Publikum kommt aus dem Lande selber. Dort, wo man dem kulinarischen Bedürfnis der
Wer zur rechten Stunde das Hol- lamdfestival besucht, gewinnt die Illusion entfesselter Moderne. Die Schauspieltruppe eines polnischen Theaterlaboratoriums aus Wroclaw, dem früheren Breslau, führt eine eigene Version des „Standhaften Prinzen“ von Calderon auf: ekstatisches, mit Hilfe von Yoga erarbeitetes Theater, allein auf den Menschen und seine Körperlichkeit gestellt, ein Theater der Schreie, der unvermittelten Umbrüche, der rauschhaften Verzückung — Ohne Dekor, ohne Bühne. Der französische Komponist Pierre Bolulez dirigiert ein Programm des Concertgebouw- Orchesters mit
Zum aentzennten Male ging das Holland-Festival in Szene. Die Stimmung dieses Festes ist noch immer stark, wenn man sich ihr öffnet. Doch es gab, überblickt man es nun, mehr Fehlgriffe und Beiläufigkeiten, als seinem Ansehen guttat. Der Regisseur Virginio Puecher und der Bühnenbildner Luciano Damiani waren aus Italien geholt, um einen antisalzburgischen — das heißt antitraditionellen — „Don Giovanni“ zu realisieren. Merkwürdig genug schon, daß si<s mit dem Anspruch auftraten, erstmalig Mozarts eigentliche, nicht-metaphysische Konzeption zu verwirklichen; noch unvertretbarer,
Das Festival von Aix-en-Provence steht an einem Wendepunkt. Von den Ideen, die es einst beflügelten, sind vornehmlich zwei geblieben: die Verbindung Mozarts mit der Provence, einer Landschaft, die dem Geist des Werkes fremd und zugleich auf unerklärliche Art verbunden ist, dann die Intimitė, der kammermusikalische Charakter des Festes, das in einem gleichsam barocken Freilichttheater und in alten Höfen stattfindet. Aber bereits die Wahl der Schauplätze schien in diesem Jahre, nimmt man das Theatre de 1’ArcheverJie aus, von Zufälligkeiten und Unsicherheit mitbeeinflußt. Während das
Ernst Krenek belegt mk Spott, was er heimlich liebt. Er ist ein Mythensucher, aber er macht sich über die Mythen auch lustig. Er steht in Opposition zur herkömmlichen pathetischen Oper und übersteigert die Parodie, bis sie wieder umschlägt in Pathos. Pallas Athene, die Göttin der Weisheit, weinte „mit ungeheurem Klagelaut” — Medea, die soeben einen Schiffsbauer zur Suppe verkocht, dessen liebreizende Tochter mit dem Giftgeruch eines Parfüms umgebracht und darauf ihre eigenen Kinder verzehrt hat, bricht in ein sardonisches Lachen aus. Immer noch wandelt Ernst Krenek auf antiken
Der Zauberer Merlin war der Sohn des Teufels und einer Jungfrau, also ein höchst dubioses Wesen, saß aber gleichwohl an der vielzitierten Tafelrunde des britischen Königs Artus. In John Drydens „King Arthur“ verkündet er Britanniens Größe, und Äolus beruhigt das Meer, damit die „Königin der Inseln“ sich strahlend aus den Fluten erheben kann. Als ein heroisches Gemälde, zerteilt in lauter Bruchstücke, deren letztes der Friedensschluß des christlichen Königs Artus mit seinem heidnischen Feind, dem Sachsenkönig Oswald, ist, tritt Drydens nach-shakespearischer Text, eine
An seinem 38. Geburtstag wohnte Giselher Klebe der Uraufführung seiner fünften Oper, „Figaro läßt sich scheiden”, in Hamburg bei. Der gebürtige Mannheimer und derzeitige Kompositionslehrer an der Nordwestdeutschen Musikakademie Detmold schrieb sie im Auftrag der Hamburgischen Staatsoper und speziell für deren Ensemble, das heißt also: für ausgesuchte Stimmen und Bühnentemperamente. Dieses früher selbstverständliche Verfahren bewährte sich erneut. Gewonnen ist ein sehr sangbares Werk, an dem Klebe seine serielle Handschrift in neuartiger Weise fortbildet. Während er im
Die mit der Bayreuther Festspielpraxis unausweichlich verbundene Auseinandersetzung der beiden Regisseure Wieland und Wolfgang Wagner mit immer dem gleichen Oeuvre bewirkt ein ungewöhnliches Eindringen in dieses Werk. Die dauernden Änderungen und Neukonzep- tioneh, so sagte Wieland Wagner, erwüchsen aus einem Gefühl des Unge- nügens vor dem Werk und aus Bescheidenheit. Denn selbstverständlich könne man ein Kunstwerk nicht nachschaffen, wenn man in Opposition zu ihm stehe. Dieser Vorwurf mag hier und da erhoben worden sein, möglicherweise haben auch einige sehr freimütige Äußerungen
Der Haarlemer Orgelmonat Ist eine internationale Veranstaltung von hohem Rang. Sie strahlt von Haarlem aus, der. Stadt mit einer besonders klangschönen, spätbarocken Domorgel des Amsterdamer Orgelbauers Christian Müller, auch nach Beverwijk, das ebenfalls über eine Müller-Orgel verfügt. Der geistige Kopf ist Dr. J. F. Obermayr, gebürtiger Österreicher, jetzt hier ansässig. Er vereint in sich oberdeutsches und niederdeutsches Wesen', .vstbijdet EiöfaHsreichtnm und Optimismus der, nötig Beharrlichkeit. Improvisationswettstreit und Sommer-akafimie für Organisten sind im wesentlichen
An der neuen Version von Giselher K1 e b e s Oper „Die Räuber“, zum Saisonende am Staatstheater Kassel erstmalig und mit Erfolg erprobt, spiegelt sich in mehrfachem Sinne das Wirken der Zeit. Vor genau fünf Jahren ging im Düsseldorfer Hause der Deutschen Oper am Rhein die Uraufführung in Szene — so lange mühte man sich also um eine Nachspielbühne; die gleiche Spanne benötigte det Komponist, um seinem Opus Gestalt zu geben. Ob die Neufassung nach einer Bühne strebte oder das Haus sich von der Chance der zweiten Uraufführung eines bereits als gültig ausgewiesenen Werkes verlocken
Zwar weiß ich nicht genau, wie Stücke-scfareiber Stücke schreiben, aber in bezug a4tr;Herbert AsmadttiiKomeäld kam idr? den- Verdacht nicnt iabschütteln, daß zwei Dinge in seiner Phantasie unumstößlich feststanden und er sich daraufhin an die Arbeit machte: der Titel und der letzte Satz. Beides ist gut und geeignet, das Ansehen deutscher Autoren zu heben, aber dazwischen liegt eine ganze Menge Text. Ich zitiere aus dem Prolog: „Das Stück ist vom Autor deklariert worden als eine spätabendländische Lustbarkeit... und heißt .Die Menschenfresser'. Es handelt von solchen und es spielt
Der schöpferische Zufall, der ja ohnehin das bestimmt, was wir „Theaterleben“ nennen, wollte, daß ich einen Tag nach der Uraufführung von Heinrich Bolls „Ein Schluck Erde“ im Düsseldorfer Schauspielhaus Samuel Becketts „Glückliche Tage“ (mit Maria Wimmer als Winnie, von Intendant Stroux inszeniert zur Eröffnung des Studios „Tribüne“) sehen konnte. Beide, Boll und Becke, projizieren ihr Zeitbild in die Zukunft. Beide leuchte das Makabre unserer Situation grell an. Boll installiert eine Hoffnung, Becke nicht. — „Barme — Kres — barme — Kres...“, heißt es einmal
Ein Blick in die Zeitungsarohive laBt schnell die Schwetzinger Grundmelodie er- kennen. Sie verlauft in melanoholischer Schwebe, wird wieder und wieder unter- brochen von den Seufzern einer mehr ge- traumten als aus realen Vorstellungen sich nahrenden Erinnerung. Das wehmutvolle „Es war einmal…“ hangt einer schwe- ren, siiBen Dolde gleich uber der Spargel- und Fliederstadt, und die ihr Loblied sin- gen, vergessen gewiB nicht, Voltaire zu zitieren, der Schwetzingen geliebt habe wie das himmlische Jerusalem seiner Sehn- sucht. In einem einzigen Namen kristalli- sieren sich die Gedanken an
Glanz und Besonderheit können den Münchner Opernfestspielen nur aus einer beharrlichen, künstlerisch beispielhaften und dokumentarisch informativen Pflege des Schaffens von Richard Strauß erwachsen. Die Veranstalter wissen das Sie bieten dem Besucher neben dem traditionellen Festkonzert „in memoriam“ sieben Bühnenwerke des Meisters, nämlich „Feuersnot“ und „Josephslegende“ an einem Abend, den „Rosenkavalier“, „Salome“, „Die Frau ohne Schatten“, „Daphne“ und „Capriccio“; zum Teil in exemplarischen Aufführungen. Die Einmaligkeit einer solchen Uebersicht
Ein Gemälde von Renoir zeigt Richard Wagner mit weichen, meditierenden Zügen, aber abweisend, fast trotzig zusammengekniffenen Lippen. Ein solches Bild von Wagner drängt sich auch angesichts der diesjährigen Festspiele auf: unversehens ist mancher strenge, objektivierende Zug aus den Inszenierungen geschwunden, und an seine Stelle sind leicht verschwommene Konturen getreten, die aber nicht immer mit dem Werkganzen kommunizieren. Die Revisionen, die Wieland Wagner von Jahr zu Jahr vornimmt, scheinen oft am Detail orientiert. Bruchstellen in den Werken selber treten jetzt stärker zutage.
Der Zug rattert von Perpignan, das an der Hauptstrecke via Barcelona liegt, nach Prades; durch die fruchtbare Provinz Roussillon, das Departement „Pyrenees Orientales“. Rattert und rollt zu Casals... Neben einfachen Leuten aus der Gegend sitzen in den Wagen Touristen, die größtenteils übermüdet sind und — wenn sie ins Gespräch kommen — das gleiche Thema haben. Dem Chronisten fügen sich die Worte, die er nur teilweise versteht, zum gleichen Tenor. Vielleicht legt er mehr hinein, als in Wahrheit gesagt wird. Er vernimmt, mit halbgeschlossenen Augen, dieses: Casals hören und
Auf der alljährlichen Hauptversammlung der „Gesellschaft der Freunde von Bayreuth” registrierte Wieland Wagner in eigener Sache, daß es — im Gegensatz zu der regnerischen Trübheit außerhalb des Festspielhauses — auf der Bühne zusehends heller werde, was manchem Kritiker, der um das „revolutionäre” Neu- Bayreuth besorgt sei, sicherlich nicht gefalle. Er werde indessen in den nächsten Jahren überhaupt mit neuen Konzepten aufwarten, nachdem die „lebensgefährliche Lücke” zwischen der Inszenierungsweise von Wagners Werken und dem derzeitigen Stand der bildenden Kunst
Bayreuth hat in diesem Jahr eine tiefgreifende Metamorphose vollzogen: Richard Wagners „bürgerliche“'Komödie — „Die Meistersinger von Nürnberg“ — wurde nahezu in den Stand des Mysterienspiels versetzt, ohne daß der menschliche Gehalt dabei verlorenging, und das mythische Welttheater des „Ringes“, ebenso das Weihespiel „Farsifal“, erfuhren eine gewisse Vergegenständlichung und Auflockerung.Wieland Wagner stellte die einzelnen Akte der „M eisfersinger“ unter beherrschende Bildsymbole:: das Innere der Katharinenkirche, durch freistehende Gitter und Bänke, angedeutet,
Es begann mit Ravel und endete mit Hindeinith. Dazwischen aber — o weh: dem Rezensenten schwirrt der Kopf. Die Ur- und Erstaufführungen der 11. Internationalen Ferienkurse für Neue Musik in Darmstadt sind nicht zu überblicken, die weisen Worte, die dort gesprochen wurden, noch viel weniger. Aber — und das ist das Erfreuliche —: alles, was geschah, förderte das Handwerk, die Solidität. Und das allzu Extreme schien fast ins Spielerische abgewandelt. Am Wege in die serielle oder elektronische Zukunft blühen die Veilchen einer weniger beschwerten Phantasie. Selbst die Todernsten, die
Hamburg, Anfang September Carl Zuckmayer hat stets zur rechten Zeit die rechten Stücke geschrieben. Denken wir an den „Hauptmann von Köpenick“, an „Des Teufels General“ oder an den „Gesang im Feuerofen“ ... Sein neueste Werk ist ein Drama um das Problem der Verwertung der Atomenergie. Den . eigentlichen Fragen, die sich aus dem Stoff ergeben, wich er jedoch aus. Sein Held ist ein junger deutscher Physiker, der aus Hitler-Deutschland nach England emigriert war, dort interniert und nach Kanada verschifft wurde und sich aus Enttäuschung über diese Behandlung dem Spionagedienst der
Im Rousillon, dem Weinkeller Südfrankreichs, lebt einer der größten Musiker unserer Zeit. Wenn er dereinst für immer vom Podium abtreten muß, hinterläßt er der Welt „nur“ das Andenken an sein Spiel. Aber so rasch Interpretenruhm sonst auch verblassen mag — der Name Pablo Casals wird in die Musikgeschichte eingehen. Schon jetzt handeln Bücher über Bücher von Maitre Casals; eines trägt den Titel „Der Papst des Cellospiels“. Und in der Tat — man pilgert nach Prades wie zu einer Weihestätte. Aus aller Welt — aus den USA, Südamerika, Japan und natürlich aus ganz Europa