Alle Menschen müssen sterben, ‘ — vielleicht ich auch! So logisch i und alogisch, so unsentimental . und sentimental („selbstgenüßlich“) 1 leben wir. Es gibt nichts Sichereres ] als den gegenwärtigen Augenblick und . die Sekunde des Sterbens. Das wissen i wir. Und wollen es nicht wahrhaben. : Sterben und Tod sind Tat-Sachen. Sind sie auch jeden von uns betreffende geschichtliche Befunde? Mit den Tatsachen werden wir fertig i durch die vielfältigen Versicherun- : gen, die wir eingehen und monat- ] lieh bezahlen: Lebensversicherung, 1 Sterbegeld, dazwischen Versicherung i gegen
Der Autor wurde 1970 durch seinen theatralischen Selbstmord berühmt (siehe Friedrich Hacker „Aggression" S. 28 ff.). Der gefeierte Dichter konnte die wachsende Korruption, die Umweltverschmutzung, den Materialismus, kurz die zeitgenössische Misere nicht mehr ertragen und machte „für Kaiser und Vaterland" in der Truppenkommandantur zu Tokio durch Harakiri seinem Leben ein Ende. — Dieses Ende hatte Mishima in seiner Erzählung „Patriotismus" vorweggenommen, wo er die Geschichte eines jungen Offiziers darstellt, der nach Scheitern eines Putsches mit seiner jungen Gattin Selbstmord
„Was, schon wieder ein Buch über den Josephinismus?“ Der Verfasser gibt indirekt selber zu, daß man so fragen könnte, nachdem bereits so viel über das aufgeklärte österreichische Staatskirchentum zur Zeit Maria Theresias und Kaiser Josephs II. debattiert und geschrieben wurde. Hosp betont aber, daß er nur den sogenannten Spätjosephinismus und diesen nur auf einer vergleichsweise niedrigeren Ebene in seinen konkreten Erscheinungsformen und in den Gegenpositionen der Anti-josephiner, die zu einer teilweisen Uberwindung des staatskirchlichen Systems beitrugen, behandeln wollte. Was
Beim Anblick der Großmama sagte ein Kind zu seiner Mutter: „Mami, ich möchte nie alt werden. Ich will immer neu bleiben!“ Das ist ein sehr gescheiter Wunsch und man möchte diesem kleinen Fratzen wünschen, daß es ihm glücke, „neu zu bleiben“.Wenn man die Zeit zum Maßstab des Alters nimmt dann sind alt und jung Gegensätze. Aber dem „Alt“ steht auch das „Neu“ gegenüber. Jetzt wird die Sache kompliziert. „Neu“ ist eine Qualität, ist die Bestimmtheit eines Zustandes. Neu ist — wenn es sich um menschliche Qualität handelt -, wer am Anfang steht, wer neu-gierig ist,
In der Kathedrale zu Toledo hängen über den Gräbern der Erzbischöfe an langen roten Kordeln die Kardinalshüte aus dem Gewölbe herab. Auf den Steinplatten sind Namen und Titel der Kirchenfürsten aufgezeichnet. Auf einer dieser Grabplatten steht nichts als das seltsame Wort: „Hic jacet cinis, pulvis et nihil — Hier liegt Staub, Asche und nichts!“ Über diesen Worten hängt ein schwarzer Hut. Eines Weisen letzter Wunsch scheint hier erfüllt worden zu sein: wozu soll man in die Geschichte def Welt eingehen und seinen Namen verewigen? Man hat seinen Dienst getan, man wird abberufen,
Guten Abend, meine Damen und Herren! Eine gesegnete Weihnacht wünsche ich Ihnen: Gottes Ja über dieses Fest und die Feier, die Sie dem Feste gegeben haben. Der gestrige Heilige Abend und der ganze Christtag heute waren ausgezeichnet durch die Anwesenheit Gottes und das Gedächtnis an Seine Menschengeburt vor zweitausend Jahren. Daß Gott Mensch wurde; daß Gott Seine erschreckende Majestät derart verhüllte, daß wir Ihn verkennen konnten — das ist ein ungeheures Geheimnis unserer Erde. Die Luft und der Boden und die Tiere und die Sterne, die Nacht und das Licht und das Wasser und die
Die Geschichte unserer Hausfliege Isabella wäre beinahe traurig ausgegangen, wie das Leben so vieler anderer namenloser Fliegen. Isabella war schon lange Zeit bei uns — jahrelang. Vielleicht war sie auch nur jedes Jahr eine ihrer Nachfahren —, aber das merkten wir nicht. Sie war unserem Hause getreu, und niemand kam auf die Idee, sie zu fangen und zu töten. Das wäre uns wie ein Mord vorgekommen. Vielleicht waren wir auch etwas abergläubisch: wer weiß, ob das Glück unseres Hauses nicht von ihrer alljährlichen Ueberwinterung bei uns abhing. Das Schicksal ernährt sich oft von
UNSERE UHREN GEHEN FALSCH-die einen zu rasch, die anderen zu langsam. Bei manchen Zeitgenossen gehen die Uhren zugleich vor und nach. Unser Leben geht zu schnell und ist zuviel und vielfältig und vielfach. Und in dieser Hast wird die Langeweile zur öden, allzu langen Weile in den Stunden unserer Tage. Die Uhren beherrschen unser Leben wie unerbittliche Tyrannen, unter deren Strenge man atemlos sich langweilt. Wir wollen Zeit gewinnen und Zeit sparen wie Geld — und doch haben wir nie Zeit, wie wir auch nie genug Geld haben. Zeit und Geld — das sind unsere Prinzipien und Probleme. —1
Dies ist die Geschichte der Narzisse, die im Frühjahr auf den Bergwiesen blüht: Narkissos war einst ein einsamer Mensch und lebte in den Bergen. Eines Tages rief er; er rief weit und laut hinaus; er rief nichts Besonderes; vielleicht rief er nur nach sich selbst; vielleicht aus lauter Freude am Dasein; nur so . .. Und da kam ihm, dem Einsamen, unverhofft eine Antwort. Von weither kam sie; und ebenso, in Ruf und Klang und Farbe, wie er selbst gerufen hatte. Eine richtige Antwort. Ein wenig leiser zwar, als er selbst geschrien und gejubelt hatte. Aber dennoch ein Anderes, das ihm zurückrief
Am Feste des heiligen Kirchenlehrers Augustinus singt die christliche Kirche:„Zu seiner Zeit wurde die Stadt Hippo von einem Heer der Barbaren belagert; während dieser Notzeit wurden Tränen das Brot für Augustinus bei Tag und Nacht; und unter diesem Ereignis starb er im Frieden.“Ist es nicht seltsam, daß die Zeiten einander gleichen? Und wie sie einander ähnlich sind, so daß nichts Neues zu geschehen scheint und nur immer das ewig Gleiche und Alte, das Gestrige sich wiederholt — ?! Die Welt ist eine lange Weile. Und was weilt, ist diese unlernbare und immer wieder schwere Mischung
Lieber Peter!Nach einem Jahre haben Sie nun den Mui gefunden, mir zu schreiben. Wir sehen uns zwar jede Woche einmal zum Religionsunterricht in der Schauspielschule, und Sie hätten auch mit mir sprechen können. Aber ich verstehe: beim Schreiben bleibt man nüchterner, und es kommt Ihnen darauf an, sich über die Wahl Ihres Berufes klarzuwerden.Was Sie am meisten zu drücken scheint: Sie sind von der „Schule“ enttäuscht. Sie hatten sich etwas anderes vorgestellt; — oder, Peter, hatten Sie sich überhaupt etwas vorgestellt, als Sie um Aufnahme in die Schauspielschule baten? Vielleicht
So weit haben wir es nun gebracht, daß der Sonntag der langweiligste Tag der Woche ist. Wir streben zwar immer auf ihn zu, weil wir auch nicht gern arbeiten, weil wir die Müdigkeit in den Knochen und Seelenwinkeln fürchten. Wenn der Sonntag, der Feiertag, der Ferientag aber dann da ist, so wissen wir nicht, was wir anfangen sollen. Schon der Anfang, der Beginn dieser Tage ist schwierig. Meistens wacht man früher auf als an den Werktagen — und man hätte doch gerade jetzt Zeit — Zeit zum Schlafen, Zeit zu — nichts! Das ist es ja gerade, daß wir den Sonn- und Feiertag fürchten: wir
Wir gehen unbedingt in die Sommerfrische. Oder wir möchten unbedingt in die Sommerfrische fliehen. Wir werden (oder würden) sie auf uns nehmen mit allen ihren Schönheiten und Unbequemlichkeiten, mit all dem, was sie uns bieten wird: wir werden warten (oder würden warten) auf alles, was möglichst wenig Arbeit und Geld von uns fordert und möglichst viel Vergnügen bereitet ... So ungefähr sind die heimlichsten Wünsche beim Gedanken an die Sommerfrische.Haben Sie aber schon einmal über das Hotel nachgedacht. Ich meine jetzt nicht dieses oder jenes bestimmte Haus, sondern „Hotel“ ganz
Wenn wir Menschen schon miteinander leben müssen, so wollen wir es uns nicht noch ichwerer machen, als es ohnehin ist. Die Eigenarten eines Mitbürgers, die Sonderlichkeiten und Absonderlichkeiten eines Nachbarn, die geliebten Fehler und die gehaßten Vorzüge der Verwandten — all das konkrete und individuelle Leben des Du geht uns irgendwann einmal auf die Nerven. Kommt das nicht letztlich daher, weil wir dieses Kreuz aus Einsamkeit und Gemeinschaft so mühsam zusammenhalten müssen, und uns davon kreuzigen zu lassen, der Sinn unseres Erdenlebens ist? Also sollten wir einander nicht noch
Jeder Mensch — bitte, ich sage Mensch, nicht Christ oder Literat — jeder Mensch sollte wenigstens einmal im Jahr aus der Bibel im Alten Testament den „Kohelet“ lesen. (Zu finden ist er auch unter dem Namen „Ecclcsiastes“ oder „Prediger“.) Denn dieses Buch ist ein Unikum. Es ist das vielleicht am wenigsten orthodoxe Buch der Heiligen Schrift, das den Gelehrten großes Kopfzerbrechen macht, aber dem Unvoreingenommenen, dem Laien ein Buch voll Weisheit und Kraft ist. Es fängt so an, daß es jeder wenigstens von diesem Anfange aus kennen könnte: „Vanitatum Vani-tas et omnia
„Wer noch zugestiegen, bitte?“ — nach jeder Station des Zuges tönt die gleiche Stimme an Ihrem Abteil vorbei. Immer der gleiche Mensch mit Beamtenmütze, Tasche und dickem Fahrplan geht vorbei, schaut herein, bleibt stehen, gibt Auskunft, wird als Lästigkeit empfunden, wird übersehen oder beschnattert. Das ist der oder einer der Zugführer jenes Vehikels des Verkehrs, das Sie sich aussuchten, um an irgendein Ziel zu gelangen. S i e wissen, wohin Sie reisen wollen. Lind das genügt Ihnen, zumal da die Fahrkarte teuer genug war. Gott weiß wohl auch, wohin Sie reisen, ganz abgesehen, ob
Von den Stau b-Dämonen war schon die Rede: seit dem Fluch über die Erde schwirrt und wirbelt und sehmutzt der Staub in Lungen und auf Tischen, in der Luft und im Bett. Die zu kleinsten Teilen zerriebene, aufgebrauchte Erde umgaukelt den Menschen und — der Mensch ist machtlos dagegen. Er kann den Staub sammeln, zusammenkehren und verlagern, aber er bleibt Staub. — Die L ä r m-Dämonen stammen nicht aus Gottes Fluch über den Menschen, sondern aus des Menschen Arbeit an der Erde: seit wir mit den primitivsten Werkzeugen die Erde bearbeiten, um sie uns Untertan zu machen, gibt es Lärm. Je
Liebe Sommerzeitgenossen! Zu Wasser und zu Land, zu Fuß, per Fahrrad, mit Auto, Omnibus, Schiff und Bahn werden Sie in die Welt hinausfahren. Sie wissen vielleicht wohin; manch einer wird ins Blaue fahren, wird landen, wo es ihm gerade gefällt, oder wo der Regen und das Unwetter ihn befallen. Das Ziel Ihrer Reise ist eigentlich nicht sehr wichtig. Sie werden ja die Erde nicht verlassen, selbst wenn Sie in Hunderten von Metern über dem Erdboden tausende Kilometer der Entfernung mit dem Flugzeug fahren. Sie werden uns erhalten bleiben und — die meisten werden wiederkehren. Denken Sie daran,
Der menschliche Geist i,t nicht an allen Orten der Erde gleichermaßen fruchtbar. In manchen Wohnungen kann man einfach nicht denken. Andere Zimmer inspirieren uns und sind wie Brücken des geistigen Einfalls. Wer daheim in seiner Vaterstadt einen neuen Gedanken erdacht hat, soll damit auf Reisen gehen: bald wird er sehen, wie die einmal gefaßte Idee sich unter anderem Himmel erweitert, nuanciert, wie sie anders erscheint — leider oftmals in ein Geringes oder ein Nichts verschwindet. Das geographisch bestimmte Klima, die Atmosphäre der Länder und der dort Lebenden sind von Einfluß auf
„Gentleman“ — wenn ich doch dafür einen deutschen Ausdruck fände! „Edelmann“ stimmt nicht; „edler Mensch“ paßt auch nicht; der „anständige“, der „wohlerzogene“, der „ritterliche“, der „weltgewandte“ Mensch — keines trifft, was „Gentleman“ sagen will. Nicht einmal in einer anderen Fremdsprache ließe er sich benennen: weder der französische „Grandsei-gneur“, noch der spanische „Grande“ ist das, was ein „Gentleman“ bedeutet. Aber es ist doch auch nicht möglich, daß nur der Engländer ein Gentleman sein kann und ist.„Gentleman“ — das
So ahmt der Satan in allem Spruch und Position Gottes nach. Aus dem Reich Gottes macht er das Reich dieser Welt.Aus der Gemeinschaft der Heiligen wird die Masse der Sünder, der Gleicherleihaufe der Sauherde von Gerasa.Aus Mystik produziert er Mystizismen aller Art und Magie; aus der Gnade kommt ein Supranaturalismus oder eines jener Gebilde, davon die Dogmengeschichte über die Gnadenlehren der Häretiker zu berichten hat.Der Bruderliebe setzt er die Brüderlichkeit entgegen. Recht und Gerechtigkeit vernebeln sich im Panjurismus. Freiheit darf Willkür und Libertinismus werden. ■ Armut
Dies ist's, was keiner erlernt; was jeder flieht und zugleich ersehnt: die Einsamkeit. Fliehen wir, so bleibt doch die Sehnsucht; haben wir sie, so möchten wir fliehen mit Eile und Gewalt.Schlimmes Schicksal, wenn wir verlassen sind: wenn alle von uns gehen, wenn alle Kräfte uns verlassen, wenn wir beraubt sind und zerschlagen, wie jener Mann zwischen Jerusalem und Jericho. Der Verlassene ist der Bleibende: alle und alles wendet sich von ihn! und er bleibt stehen, kann nicht mit und kann nicht nachfolgen, muß eine Aufgabe zu Ende führen, ohne daß einer noch dabei bliebe. Dem Verlassenen,
Paris rückt uns wieder näher. Die französische Besatzung bringt uns Ausstellungen und Konzerte nach Wien. Auch ist es nicht mehr so ganz ausgeschlossen, nach Paris zu gelangen. Aber man kommt sich ein wenig „aus der Provinz“ vor, wenn man heute die Hauptstadt Frankreichs betritt. Schon der Abendschnellzug dorthin: sauber, hell erleuchtet, mit Platzmiete, wenig Stationen mit kurzem Aufenthalt. Und morgens ist man dort.Im Hochsommer ist Paris nur Stadt; die Pariser sind alle in den Ferien: Professoren, Künstler, Verleger — alles ist irgendwo auf dem Lande untergekrochen. So kann der