Die Memoiren der großen Schauspielerin Erika Pluhar, „Am Ende des Gartens”, sind laut Untertitel „Erinnerungen an eine Jugend” und enden mit dem Anfang des Ruhmes der ungefähr 24jährigen und der Überlegung, „nie wieder Instrument in anderen Händen zu sein”. Das dürfte den Entschluß andeuten, sich von ihrem Mann Udo Proksch zu trennen - die gemeinsame Tochter Anna ist gerade zwei Jahre alt geworden.Ungewöhnliche Begabung führt oft auf einen ungewöhnlich schwierigen Lebensweg. Schon in frühester Kindheit begann sie ganz spontan vorzuspielen, zu zeichnen und bald dichtend
Vermutlich hat der polnische Drehbuchautor und Filmregisseur Tomek Tryzna erst hinterher ein Filmskript zu seinem ersten Roman, „Fräulein Niemand”, ausgearbeitet: In Warschau 1994 erschienen, sogleich verfilmt und bereits in zehn Sprachen übersetzt, wurde das Buch nun im „Literarischen Quartett” harsch gescholten und nur vom Gast Wendelin Schmidt-Dengler ein wenig verteidigt. Man hörte da, daß die deutsche Fassung (in sehr gutem Deutsch von Agnieszka Grzybkows-ka) sich nicht immer streng an den Originaltext hält, also eine eigenständige Übersetzung gelungen ist.Die Hauptfiguren
Der Titel des letzten Teils der Trilogie „Studenten, Liebe, Tscheka und Tod”, „Ehen im roten Sturm” und „Milchfrau in Ottakring” von Alja Rachmanowa war in den dreißiger Jahren in vielen Sprachen als geflügeltes Wort in aller Munde. Auch die ersten zwei Teile wurden viel gelesen, aber „Milchfrau in Ottakring” erreichte in wenigen Jahren eine Auflage von 600.000 deutschsprachigen Exemplaren und wurde in 21 Sprachen übersetzt. Es war eine authentische Milieuschilderung der kleinen Leute und des Wiener Vorstadtlebens um 1926/27, also in der Zeit jener leichten, kurzen
Helene Rahms, 1918 in Köln geboren, maturierte 1937 und erfüllte sich in einer von Jahr zu Jahr heikler werdenden Epoche ihren Rerufswunsch: Journalistin. Sie wurde Volontärin in der „Saale Zeitung” und studierte Literatur und Kunstgeschichte. Mitten im Krieg wurde sie in die Redaktion der berüchtigten Wochenzeitung „Das Reich” aufgenommen, das Vorzeige- und Protektionsorgan des Propagandaministers Goebbels, wo die ambitionierte Jungjournalistin eine namhafte Kollegenschaft traf, darunter Karl Korn, Paul Fechter, Theodor Heuss und Elisabeth Noelle-Neumann.Helene Rahms nennt ihre
Das schmale, aber kostbare Bändchen, erschienen beim Verlag, der sie im letzten Jahrzehnt betreute, ist nach der Geschichte betitelt, mit der Adelheid Duvanel vermutlich ihr Schaffen beendete: „Der letzte Frühlingstag”. Elf gedruckte Erzählungen, im Frühjahr 1996 entstanden, ergänzt durch eine Reihe weiterer aus den sechziger und siebziger Jahren, die kaum mehr greifbar sind, weil sie nur in Zeitungen erschienen. Großartig ergänzt wird die kleine Auswahl durch ein kenntnis- und verständnisreiches Nachwort des namhaften Schweizer Literaturwissenschaftlers Peter von Matt: „Das Land
Der 1909 geborene Moskauer Schriftsteller Jurij Ossipo-witsch Dombrowskij war früher dran als der um neun Jahre jüngere Solschenizyn, wurde schon 1933 nach Kasachstan verbannt, und er war zwei entscheidende Jahre später dran mit der Veröffentlichung seines unterschwellig satirischen Lebensromans als der Nobelpreisträger: Das heute in Rußland hochgeachtete Romanwerk „Der Hüter der Altertümer” erschien ebenfalls (so wie 1962 Solschenizyns „Denisso-witsch”) zunächst in der tonangebenden Literaturzeitschrift „Nowjj mir”, aber erst 1964, und wurde von der wieder argwöhnisch
Seit mehr als zwei Jahrzehnten wird in Fachkreisen über Sabina Spielrein (1885-1941) diskutiert. In den Protokollen der „Psychologischen Mittwoch-Gesellschaft bei Prof. Freud" scheint sie 1911/12 in der Anwesenheitsliste auf, kommt bei Diskussionen und einmal auch mit einem interessanten Referat zu Wort. Vor drei Jahren erschien in Amerika die Monographie „Eine höchst gefährliche Methode. Freud, Jung und Sabina Spielrein" des Analytikers John Kerr und alsbald auch eine deutsche Ausgabe. Und nun erschien „Sabina", Untertitel: „Sabina Spielrein -Der Roman ihres
Die hochangesehene, viel gelesene Romanautorin Dacia Maraini (die 50jährige lebt in Rom) hat ein großartiges Bravourstück zustandegebracht. Ihre „Nachforschungen über Emma B.” untersuchen von neuem den meistanalysierten und berühmtesten Frauenroman der Weltliteratur. Das Ergebnis wirkt wie neu, spannend, wird zum Boman jenes grundlegenden Liebesromans und seines Autors Gustave Flaubert.Er hat es stets abgelehnt, eine Autobiographie, zu schreiben, und trotzdem sind wir über sein Leben und den komplexen Charakter besser orientiert als bei allen seinen Zeitgenossen; denn Flaubert war
Ein Jahr nach der englischen Originalausgabe kommt die deutsche Fassung neuer weltanschaulich-literarischer Überlegungen der berühmten Erzählerin Nadine Gordimer heraus: „Schreiben und Sein”. Der Band wurde allerdings um zwei Texte bereichert: eine subtile Studie über Joseph Both sowie Nadine Gordimers Nobelpreisrede von 1990, welche in der Erkenntnis und dem Bekenntnis gipfelt, Wahrheit sei „schließlich das Wort der Wörter” und immer „das der Flüche und der Lobeslieder”.Die 1923 „in einer kleinen Gold-minenstadt, 45 Kilometer von Johan nesburg entfernt, irgendwo im
Schon der Titel „Beise mit vorläufiger Ankunft” deutet an, daß der 1933 geborene slowakische Jude Paul Frommer geprägt blieb von den mehr oder minder unfreiwilligen Übersiedlungen während der ersten 24 Lebensjahre. So ist für ihn ohne Bessentiment, eher wohlgemut, bis heute jeder Aufenthaltsort ein „vorläufiger”. Aber der seit 1957 in Wien ansässige Wahlösferreicher und Inhaber der vom Vater übernommenen Textilfirma mag die Stadt und ihre Einwohner. „An einem regnerischen Wochentag des Jahres 1991 kehrte ich nach mehr als 42 Jahren für einen Besuch in meine Geburtsstadt
Der unermüdliche Erzähler Helmut Krausser ist belesen wie Umberto Eco, aber um genau 30 Jahre jünger und wohl der erfolgreichste Jungautor deutscher Sprache. Eben kommt (wenn ich richtig gezählt habe) der achte, wie immer umfängliche Prosaband des 32jährigen heraus, ein Psychokrimi: „Thanatos oder das schwarze Buch”. Es besteht allerdings aus sechs „Büchern”, das letzte heißt „Anagnorisis (Drei Fragmente)”. Das Wort bezeichnet das Wiedersehen von Verwandten, in unserem makabren Fall die mystische Begegnung des genialen Germanisten Dr. Konrad Johanser mit dem von ihm
Ende der fünfziger Jahre erschien in der Grazer „Neuen Zeit" der Fortsetzungsroman „Abenteuer im Nahen Osten", der dann 1963 unter dem Titel „Die Abenteuer des Herrn Rafaeljan" unter dem Pseudonym Alexander Dormann als Taschenbuch herauskam: Es war der fünfte und letzte gemeinsam geschriebene Roman der Freunde Milo Dor (ursprünglich: Milotin Doroslo-vac) und Reinhard Federmann (1923-1976). Nun wurde die Geschichte unter dem neuen, ironisch-polemisch treffenden Titel „Und wenn sie nicht gestorben sind ..." neu ediert. Gemeint sind die märchenhaft balkanischen
Der Alltag ist makaber": Dies wurde zum literarischen Grundprinzip des 1946 geborenen Schweizer Antiidyllikers E. Y. Meyer, der schlicht auf den Namen Peter getauft wurde. Er lehnt jedoch alles Schlichte schlichtweg ab und nahm das exotisch kingende „y" als Initiale. Kurzfristig Lehrer, wurde er mit dem frühen Roman „Trubscha-chen" (1973) so erfolgreich, daß er kündigte und seither als freier Schriftsteller lebt. Fleißig produziert er Romane, Erzählungen, Hör- und Fernsehspiele, auch sarkastische Essaybände, „Das Zerbrechen der Welt" (1975) definiert die
Die Haupthandlung des Romans „Die Zwillinge" spielt 1990 im belgischen Kurort Spa, aber das Thema, das sich wie ein blutroter Faden durch die packende Erzählung zieht, ist die unheilbare Kränkung der Holländer durch den unprovozierten Überfall der Deutschen im Zweiten Weltkrieg. Die Konstellation der Figuren mag sorgfältig konstruiert sein - alle Argumentationen der zwei Rollenträgerinnen (beide tragen schwer an ihrer Rolle) wirken authentisch und überzeugend, auch in ihrer Widersprüchlichkeit.Erstaunlich das breite (wenngleich nicht absolut fehlerfreie) Bescheidwissen der 1946
Der seit 1950 nieist in England lebende, in Oxford ausgebildete Vidiadhar Surajprasad Naipaul wurde 1932 in Trinidad geboren, war aber auch dort kein Eingeborener. Er stammt aus einer der weit über hunderttausend indischen Familien, die vor dem Ersten Weltkrieg von den Briten als Kontraktarbeiter in die Karibik gebracht wurden, billiger Ersatz für die Schwarzen nach Abschaffung der Sklaverei. Der Erzähler ist besonders bekannt geworden durch seinen „Prolog zu einer Autobiographie” (1984) und den Rückblick „In den alten Sklavenstaaten” (1990). Mit einer Reihe von Romanen hat er
Franz Maus, 72 und rettungslos an Magenkrebs erkrankt, wird von der Nichte Anni in das solid geführte Haus Lebensabend verfrachtet. Er war einst Journalist in einem Provinzblatt und hat seine Schreibmaschine mitgenommen, außerdem hinkt er, mit 13 Jahren hat er eine Kinderlähmung überstanden, war nie verheiratet, das ganze Leben ein Alptraum - aber er träumt weiter und antwortet auf eine Zeitungsanzeige: „Hallo Jungs! Suche Brieffreundschaft in Deutschland. Marie Winter.” Darunter eine Adresse in Athen. Inhalt für den traurigen Lebensrest.Franz gibt sich als 19jähriger Zivi
Schon einmal hat Castillo sich ausschließlich mit seinem Kindheitstrauma befaßt; durch den erschütternden Rericht „Elegie der Nacht” (1958) ist er bekannt geworden. Seither schreibt er Romane, auch Drehbücher, lebt in den Ceven-nen und zählt zu den wichtigsten französischen Autoren der Nachkriegszeit, wiewohl er gebürtiger Spanier ist - Michel del Castillo kam 1933 in Madrid auf die Welt.Der neue Roman, „Straße der Erinnerung”, rekapituliert wiederum das schreckliche Erlebnis, daß die faszinierend-fatale Mutter den Neunjährigen in Paris einfach. verläßt, reicht aber diesmal
Die Spurensuche nach dem weltberühmten Erzähler Emmanuel Bove, der in viele Sprachen übersetzt wurde, ins Deutsche unter anderem von Peter Handke, war nicht leicht. Der eine der beiden Autoren von „Emmanuel Bove Biographie”, Raymond Crousse, Literat und Regisseur, brachte sich zudem mitten in der Arbeit um. Sein Schüler Jean-Luc Bitton hat sie vollendet; 1994 kam sie in Paris heraus und liegt nun deutsch vor.Das Schicksal des Erfolgsschriftstellers spielte sich so verwickelt ab, daß der Bericht als Erfindung einen Kolportageroman ergäbe. Emmanuel Bove (1898 bis 1945) hieß eigentlich
Der jungeTVIann Benjamin Stein - er ist 1970 in Ostberlin geboren - hatte das „Alphabet des Juda Liva” schon vor vier Jahren durchbuchstabiert, wenn man der humoristisch gehaltenen Danksagung am Buchende glauben darf, denn sie ist mit „Berlin/Prag - 1991/92” datiert. Dieser Debütant hat die Technik bereits im kleinen Finger, wie man den neugierigen Leser verwirrt und den verwirrten neugierig bleiben läßt. „Das Alphabet des Juda Liva” weist nach, daß die ganze Welt aus 22 Buchstaben besteht und erzählt von A bis Z, wie verrückt es zugeht: in Berlin, Prag, Budapest, in den
Pavel Kohout konnte werden, was er ist, weil er vorher alles war: herangewachsen unter der NS-Besatzung, sodann ausgebildet zum hoffnungsvollen jungen Funktionär der KP (journalistische und lyrische Zustimmung für den politischen Neubeginn, gewichtiger diplomatischer Delegierter in Moskau), noch wohlgemeinte kritische Batschläge für das diktatorisch ausartende Begime, allmählich Empörung über das Unerhörte, provokantes Bekenntnis als „Gegenrevolutionär”, umgehend Schreibverbot, bald führender Dissident, Emigrant in Wien, von der CSSB ausgebürgert, Beisen durch Europa und
Der Titel des Romans „Warten auf Dunkelheit/Warten auf Licht” des 1931 geborenen Pragers Ivan Klima kündigt an, was dann auch die Diktion bestätigt. Ein Teil der Menschen, Machthaber und Helfershelfer, bemüht sich, die herrschenden Lebensverhältnisse zu verdunkeln; die ängstlich gewordene Mehrheit erhofft ideologische und rechtliche Aufhellung. Entsprechend helldunkel erweist sich bei manchen Passagen der an Kafka gemahnende Stil des Autors. Er publizierte früh, unterrichtete mehrere Jahre in den USA, kehrte zurück, hatte aber seit dem 1968 Berufsverbot, weshalb seine
Der 85jährige Prosaist und gesellschaftskritische Beobachter Stefan Heym denkt und schreibt unermüdlich weiter, absolut nicht senil. Soeben kommt (570 Seiten stark) nach langjähriger Recherchen sein historischer Roman „Radek” heraus. Der Autor und der Held des Werkes haben einiges gemeinsam: Radikale Linksdenker, aber einst wie jetzt wird linksradikale Praxis kritisiert. Der 1937 in einem Moskauer Schauprozeß zu zehn Jahren Gefängnis verurteilte und 1939 in irgendeinem Lager umgebrachte Kommunist Karl Bernhardowitsch Radek war ein 1885 in Lemberg geborener Altösterreicher.Heym
Schon aus dem leicht variierenden Titel des kleinen Romans „Der Tod des Grafen Ortiz” von Hans Heinz Hahnl geht hervor, daß hier keine bloße Beschreibung des berühmten Gemäldes „Der Tod des Grafen Orgaz” von El Greco vorliegt, sondern eine eigenwillige, originelle Deutung. Teilnehmer von Spanienrundfahrten bewundern das Werk pflichtgemäß in Toledo.Der Buchumschlag zeigt jenen Ausschnitt, der den kritischen Romanschreiber Hahnl inspirierte.Vorne der Tote (oder gerade Sterbende) in den Armen des Kardinals und im Hintergrund die hintergründige Reihe von anderthalb Dutzend
Er kannte das Milieu der kleinen Leute, aus dem er gar nicht kam, das er aber erlebt hatte, und er kannte die besseren Kreise, die er immer wieder störte, so daß sie ihn ausschlössen. Eigentlich hieß er Rudolf Dietzen, kam 1893 als Sohn eines Reichsgerichtsrates auf die Welt, flog aus dem Gymnasium, veröffentlichte 1920 seinen ersten Roman, lebte als Adressenschreiber, als Reporter, kam 1923 wegen Unterschlagung ins Gefängnis, schrieb weiter, wurde 1931 mit „Bauern, Bonzen und Bomben” bekannt und ein Jahr nachher weltberühmt.„Kleiner Mann, was nun?” liegt in zwei Dutzend
Ihre sieben „Geschichten vom Fremdsein” nennt Brigitte Schwaiger nach der ersten „Jaro heißt Frühling”, aber bald merkt man, daß nicht nur die Grenze zwischen Oberösterreich und Böhmen, sondern der ganze Boman einer Nachbarschaft zu verstehen ist und -noch genauer beurteilt - ein Lebenskapitel im Bomanleben der Schriftstellerin Brigitte Schwaiger. Sie kommt aus Wien, besucht nach längerer Zeit ihren grenznahen Herkunftsort Freistadt und die dort lebende Mutter. Die Tochter kommt mit dem „vaterlosen” Sohn Michael, fühlt sich zu Hause so fremd wie der zugereiste Jaro, fährt
Rolf Schneider, 1932 in Chemnitz geboren, hat heute noch seinen Wohnsitz in jenem Teil der einstigen (und künftigen) Reichshauptstadt, die bis vor ein paar Jahren Ost-Berlin genannt wurde.„Wie kann es geschehen, daß ein sozialdemokratischer Politiker aus Österreich, der einer großbürgerlichjüdischen Familie entstammt, und ein Schriftsteller, ider aus dem preußischen Ostelbien kommt und dessen Familie.nhintergrund ein proletarisch-kommunistischer war, zueinander in eine persönliche Bezie: hung treten?” So beginnt das vorletzte der elf Kapitel, „Der Kanzler”, in dem Essayband
Wer nur Sachen zum Lachen erwartet, hat sich einfach geirrt und könnte enttäuscht sein von der ernstzunehmenden Sammlung „Heiteres aus Österreich”; denn der Herausgeber Alois Brandstetter, gebürtiger Oberösterreicher, ist nicht nur ein längst bekannter und anerkannter Meister ironisch fundierter Epik, sondern auch Ordinarius für Germanistik an der Universität Klagenfurt, also Lehrer. Wenn sich jemand beklagt, weil er seinen Lieblingsautor von „Heiterem” vermissen mußte, verkennt er die Absicht des Buches. Es strebt eine möglichst vollständige Vorstellung unterschiedlicher
Man kommt nur mit Mühe beim Rezensieren nach, weil Egyd Gstättner so schnell schreibt, noch dazu derart gut, daß sich eiliges Lesen verbietet.Servus“ sagt man alltäglich so hin, ohne daß einem die Lati- nität des Wortes seine eigentlich mißbräuchliche Verwendung ausredet. Der Gruß bedeutet „Diener“, und unser Schriftsteller hat Anspruch auf die Bezeichnung „Autor“: gelernter J_.ateiner und diplomierter Philosoph. 1989 begann er, 27jährig, zu publizieren, seit 1990 auch in Buchform, und „Servus oder Urlaub im Tauerntunnel“ ist schon sein fünftes Buch: 25 ernsthafte
Der bosnische Autor wurde mit diesem Roman, der 1966 im Original erschien, weltberühmt. Er beschreibt ein früheres düsteres Kapitel aus der Geschichte dieses Landes.
Das Porträt der Kehrseite einer Epoche und ihrer oft recht mutlosen Machthaber, mit einer erstaunlichen, sozusagen „banalen“ Titelfigur, die sich nicht konformistisch verhalten hatte.
Es bleibt abzuwarten, ob mit der Herausgabe von Walter Tomans Nachkriegs-Skizzen eine literarische Neuentdeckung oder eine literaturhistorische Dokumentation gelungen ist.
„Limericks“ kommen aus dem Englischen, und Erwin Rennert war wider Willen lange genug in den USA, um deutsche und englische Nonsens- Gedichte zustande zu bringen. „Lifestyle Limericks“ heißt die neue Sammlung, in der Glück und Unglück bei Grafen und gewöhnlichen Leuten persifliert werden. „Ein Poet, dem der Limerick Humbug, / mit dem er sich niemals herumschlug, / erkennt mittlerweilen / den Wert seiner Zeilen - / und jeglichen Vorurteils Unfug.“ Wer das nicht auf sich bezogen wissen will, urteile also erst nach der Lektüre; sie lohnt sich.LIFESTYLE LIMERICKSVm Erwin
Worin die fatale Menschheitsseuche besteht, wird in dem Roman „Suche meinen Mörder" der 1967 in Graz geborenen und dort lebenden Autorin Monika Wogrolly nicht gesagt. Behauptet wird, die Epidemie sei ansteckend und tödlich. Eigenartig ekstatisch trauert die junge Witwe Anna Schober um ihren plötzlich (an der Menschheitsseuche) verstorbenen Mann: neben ihr im Bett, ohne daß sie es bemerkt hätte.Untröstlich findet sie keinen Trost bei den ständig wechselnden Männerbekanntschaften, ist lebensüberdrüssig, hat nicht den Mut, sich umzubringen, und annonciert „Suche meinen
Hans Weigel hat zwar immer wieder Bücher geschrieben, oft aber auch zu einem Buch gesammelt, was da und dort verstreut erschienen war. Elfriede Ott, Lebens- und Arbeitsgefährtin der letzten drei Jahrzehnte, stets auch seine erste Leserin, hat nun im dritten Jahr nach seinem Tod aus der Erinnerung und nach vielem Stöbern in seinen Büchern und anderer schriftlicher Hinterlassenschaft eine gültige kleine Anthologie herausgebracht, die sich sehen lassen kann.Der Band präsentiert den Vielseitigen, wie er war: spöttisch, schwermütig, den theaterkritischen Theaterliebhaber, rechthaberisch
Die kleine Erzählung „Sunri-se" des Vorarlbergers Michael Köhlmeier heißt darum nicht „Sonnenaufgang", weil sie in der Nähe von Los Angeles spielt, spätnachts. Zwei Autostop-per, Richard und der Ich-Erzähler, heben wiederholt vergeblich den Finger, denn erst morgens pflegen die Fahrer zu halten. Richard erzählt einstweilen eine seltsame Geschichte. Der „Dünne" (das ist der Tod) hatte seine Sichel geworfen, auf den alten Säufer Pome-rantz gezielt, aber die junge Stripperin Rita Luna getroffen. (Auch der sichere Tod ist eben zuweilen unsicher.) Natürlich
Das von erinnerten und verinnerlichten Einzelheiten strotzende Werk rekapituliert meisterlich Gutes und Ungutes; beides hat bis in die achtziger Jahre durchgehalten.
Die elf Stücke Martin Walsers aus den Jahren 1987-1993, da und dort erschienen, versuchen mit subjektiver Gültigkeit und immer gültiger Subjektivität persönliche Erfahrung darzustellen. Lakonischer Zwischenruf an sich und Leser: „Meinungen meiden”.
Der Roman „Hoffmans Hunger" des routiniert fabulierenden Holländers Leon de Winter, in Zeitungen hochgelobt oder empört abgelehnt, vom „Literarischen Quartett" nach Noten verrissen, hat sich des Widerspruches wert erwiesen.
Zum doppelten Jubiläum persifliert Herbert Rosendorfer Literatur und Literaturkritik, indem er einen Drogisten In Rom ums Leben kommen läßt, der von Journalisten für den verschollenen Schriftsteller Fenix gehalten wird.
Nun gibt der Verlag, der die DDR überlebt hat, zweibändig, die zum größten Teil hochinteressante Korrespondenz seines Mitbegründers und Autors Joliannes R. Becher heraus: „Briefe von" und „Briefe an Johannes R. Becher".
„Das abenteuerliche Leben des Dr. med. Jakob Rosenfeld" aus Wollersdorf, der nach KZ-Aufenthalt nach Shanghai emigrierte, dort den Bürgerkrieg mitmachte, dokumentiert Gerd Kaminski. In China machte er als Arzt den Bürgerkrieg mit und erreichte als Arzt den Rang eines Generals und Regionalministers. 1949 kehrte er nach Europa zurück, herzleidend, berühmt und bald vergessen starb er 1952 in Tel Aviv. Der Mythos zuletzt entschlüsselt sachhch, was sich vorher vielleicht als Übertreibung gelesen hat: landesübU-che Legendenbildung, die aber nicht nur dort grassiert. Im Ganzen:
Hexeneinmaleins nennt Hans Heinz Hahnl, Kulturredakteur (der AZ) in Rente, seinen neuen Roman. Er denunziert die höhere Mathematik berechnender Kulturkritik als puren Schwindel. Sie ist ein Aufsitzer, der eine allzu gutgläubige Leserschaft ständig an der Nase herumführt.Das Einmaleins lautet: mög lichst viel Lärm machen. In der Regel ist es viel Lärm um nichts. Daher läßt Hahnl drei zynische Kritiker ein Literaturgenie erfinden, sie nennen es Tomassoni, und setzten Gerüchte über ihn in die Kritikerwelt, die sofort einsieht, daß da eine Sensation herausschaut. Bald ist das
Hier ist die typograpliisctte Inszenierung ebenso wichtig wie der Wortlaut, dessen Lautstärke nicht ausreicht, um vergeistigte Umnachtung denunzierend zu erhellen.
„Der Kapitän“ von Roberto Bazlen (1905-1965), deutsch geschrieben, hatte in seiner ursprünglichen Fassung 400 Seiten. Vollendet sind die ersten 60 Seiten. Der Kapitän, auf Fahrt auf den Weltmeeren, kommt nur kurz zu seiner Frau, sie entfremden sich, worauf er entschwindet. Schiffbruch? Es folgen aphoristische Einfälle zur geplanten Fortsetzung: Abenteuer, eine Odyssee, endlich Rückkehr. Der Triesti- ner Bazlen war kritischer Vielleser, vermögend, gab aber alles aus, hatte eine Abneigung gegen Berufsliteraten und starb in Rom. Das Buch: interessante Absonderlichkeit eines
Vieles im „Sudelbuch“ von Kurt Tucholsky ist ohne Kommentar kaum zu verstehen. „Angelegt den 11. Januar 1928“, mit dem Auftrag: „Dieses Buch soll nach meinem Tode meiner 2. Frau übergeben werden.“ Mary Tucholsky war gegen eine Veröffentlichung, sodaß das „Sudelbuch“ erst nach ihrem Ableben gedruckt werden konnte, die Tucholsky-Stiftung „verzichtet auf jegliche Anmerkung“, das bleibt einer geplanten Gesamtausgabe Vorbehalten. Der Titel ist natürlich Lichtenberg entlehnt. Notiert sind Einfälle, Zitate und Wortspiele, alles numeriert, zum Beispiel 724: „Der Sozialismus
Etwa zwei Drittel der Erzählung „Liebesbrief für Mary“ von Urs Widmer, der Liebesbrief nämlich, sind englisch geschrieben; deutsch vorgetragen werden eine sehr freie Inhaltsangabe und die zynischen Kommentare des Ich-Erzählers, der die Schöne auch vergöttert. Er und sein Freund Helmut, beide Schriftsteller, heben Mary, die es leider vorzieht, nach Australien zu übersiedeln um dort mit einem Aborigine (Beruf: Tankwart) in der Warburton-Wüste zu leben. Mit Glück findet Helmut sie, hat aber kein Glück und wird freundlich nach Hause geschickt. Witz des Werkes ist der Stil. Ein
Tagebücher 1942-1980" von Jeannie Ebner liegen nun unter dem Titel „Der Genauigkeit zuliebe" vor und unterscheiden sich nicht grundsätzlich von ihren Romanen und Erzählungen.Im Tagebuch geht es um ihr Innenleben, nur stellenweise um jene Äußerlichkeiten, die es gefährden oder bereichern. Da und dort ist von Literatur und Literaten die kritische Rede, eher knapp, so daß die lange Aussprache mit Marlen Haushof er besonderes Gewicht erhält. Die materielle Bedrängnis langer Nachkriegs jähre, aus anderen Aufzeichnungen bekannt, kommt hier nur indirekt zu Wort. Ohne eigene
Thomas Pluch (f 1992) seine Frau Erika Moln; 1990) waren Literaturproi allen Sparten, geschätzt unterschätzt: angesehen, nicht „prominent". Eine se" der qualitativ unterscl liehen Arbeiten hat nun 1 ner Schneyder kommer herausgegeben: Zeitkritil Vers und Prosa, Segmente dramatischen und erzähle: Werken, Artikel. Die Aus' endet mit der lakonischen merkung von Pluch: „Das ze Leben hat nur eine schiebende Wirkung -Tod gegenüber." Dieser D versucht, das Aufschieb posthum aufzuschiebenLESE.Von Thomas Pluch und E Molny. Herausgegeben vo. Werner Schneyder Edition S, Wien 1993.
Sie lebten schlecht und recht oder auch gut und trotzdem umecht in dem bayrischen Dorf, während der Jahre und Jahrzehnte nach dem Krieg, aber auch schon im Krieg und vorher.„Versunkenes Land" ist der erste Roman von Rernd Schroeder (1944 geboren), der bisher Hörspiele sowie Drehbücher für Fernseh- und Kinofilme verfaßt hat. Romanpersonal ist die ganze Einwohnerschaft, die NS-Zeit ist zwar vorüber, aber die Zeitgenossen leben noch lange weiter, Anhänger wie Gegner. Liebesehen werden zu Ehen ohne Liebe, heiße Liebschaften kühlen ab, Kinder wachsen heran, werden wie die Alten,
Dietmar Grieser ist notorischer Spurensucher für künstlerischer Motive und Motivationen. „Nachsommertraum" deutet bereits an, wem das erste der 15 Kapitel gewidmet ist.„Adalbert Stifter in Hallstatt" heißt die Ouvertüre; es geht weiter mit Gustav Mahler, denn diesmal begnügt sich der Autor nicht mit Literatur und Literaten. „Maria Cebotaris Kinder am Attersee", „Gustav Klimt in Kammer", „Theodor Billroth in St. Gilgen", „Maria Jeritza in Unterach" und so weiter: Künstler und Forscher aller Art hat es in die berühmte Gegend gezogen (die Operette
Das österreichische Städtchen in der Bukowina an der rumänischen Grenze erlebte 1907 den Bauernaufstand im Nachbarland, weil Großgrundbesitzer und Unternehmer in Panik nach Österreich flüchteten. Wenige Tage später konnten sie wieder zurück, die Revolte war niedergeschlagen.Leo Katz (1892-1954) stammt von dort und hat, in New York, drei Jahrzehnte nachher einen ergreifend satirischen Roman bericht verfaßt. Politische wie finanzielle Machthaber sind korrupt, egal welchem Teil des Völkergemisches sie angehören, ein wenig bös', ein wenig lächerlich, und solche stilistische Melange
Ein ehrlicher Berufsrevolutionär: „Armer Adolf, Kommunist", von Herbert Berger erzählt mit herber Ironie das Schicksal des Adolf Tro-yer. „Von den 73 Jahren seines Lebens war er über 50 bewußt Kommunist gewesen." Spanien, Sowjetunion, nachher Geheimagent für die Partei, alles aus Überzeugung, ohne sozialen oder gar finanziellen Profit.1990 versucht er, seine Memoiren zu formulieren, muß ständig streichen und korrigieren, weil er keinen belasten will. Anton, Sohn eines verstorbenen Genossen, wird in aller beamteten Stille Korruptionsmillionär. Dann kommt „Fips",
Monika van Paemel, flämische PEN-Präsidentin, hat Romane und Dokumentationen verfaßt. „Verfluchte Väter” liegen nun deutsch vor, acht Jahre nach dem Original. Vorspruch: „Dieses Buch ist ein Meisterstück. Nichts ist wahr und alles ist ersonnen.” Auch dieses Motto, denn der Roman beginnt mit dem Satz: „Pamela wurde am 4. Mai 1945 geboren”, und das ist das Geburtsdatum der Autorin. Rekapituliert wird, gekonnt komponiert, mehr als ein Jahrhundert, neben einer verwickelten Lebens- und Milieugeschichte der Hauptfigur, die endlich das wird, was Frau van Paemel ist.Einzelne Fehler
90 Jahre nach seinem Freitod wird Otto Weininger in Romanform umgebracht. Der ungarische Romancier (promovierter Soziologe) Miklös Her-nädi erzählt „Weinigers Ende” als Mischung historischer Fakten und ironischer Erfindungen. „Ein Kriminalroman”, witzig, doch der Witz der Sache: der Charakter des Autors von „Geschlecht und Charakter” wird elementar in Frage gestellt.Der berühmte Weiberfeind und jüdische Antisemit verliebt sich, noch dazu in eine zionistische Terroristin, die einer extremistischen Gruppe angehört und den Weltfremden mißbrauchen will, um einen geplanten Mord
Sie begannen in Graz (erschienen 1990 als „Zuhörerbehelligungen”), gingen in Wien weiter, und nun liegen „Leserbelästigungen” von Julian Schütting vor: in der Einleitung angekündigt als Anregung für „junge Kolleginnen und Kollegen”, das im höchsten Sinne Fragwürdige der Sprache, alles Hintergründige „für sich selbst zu entdecken”.Am Beispiel, „Wie meine besseren Gedichte entstanden sind”, wird die notwendige Unermüdlichkeit der Kunstübung demonstriert; in zeitlichen Abständen geht dem Autor eine Fassung nach der anderen durch den Kopf, er darf sich nicht aus der
„Bleib über Nacht” heißt der komplizierte Liebes- und Eheroman von Michael Köhlmeier und beginnt mit den Worten, „Es begegneten einander ein Mann und eine Frau”, noch mitten im Krieg, und zwar in Coburg. Der 24jährige Leutnant Ludwig und die um sechs Jahre ältere Sekretärin Pauline korrespondieren sodann eifrigst, und bei seinem nächsten Kurzurlaub heiraten sie.Er muß gleich wieder weg, kommt nach dem Krieg nicht zurück, aber entschlossen macht sie sich auf die Suche und findet ihn in Vorarlberg, wo er zu Hause ist. Zwei ,Monate leben sie recht friedlich nebeneinander, doch
Einer, der die artistischen Kreationen von Andre (alias Franz) Heller eher für Konfiserie hält, gibt gerne zu, von den 23 kurzen Erzählungen „Schlamassel” angenehm überrascht gewesen zu sein, die in Wien, Mogador oder sonstwo spielen. Jawohl: spielen. Es ist das gekonnt Spielerische, was fast alle diese Histörchen oder Beobachtungen auf geradezu natürliche Weise apart macht. „Manche Leser werden das Unglaubwürdige solcher Vorfälle kritisieren”, gibt er offen zu, praktiziert aber tatsächlich die Kunst, Unglaubwürdiges akzeptabel zu machen: So wie man Shakespeare im
Mit Humor darf man alles sagen; er ist ja keine Behauptung. Findig findet er den Emst zum Lachen, und das tut wohl. „Schriftstellerin? - Um Gottes-wilen!" von Ilse Tieisch enthält lustige und unlustige Erfahrungen „Vom Schreiben und vom Vorlesen", sonnt sich fröhlich in den Schattenseiten, die auch dieser Beruf hat. „Als Schriftsteller lebt man gewissermaßen im Abseits", doch galt das für Karl Kraus mehr als für Ilse Tieisch.Im Ersten Weltkrieg erregte das Auftauchen der Wiener Tram-way-Schaffnerin-nen größeres Aufsehen als das Buch einer Frau, etwa der Bestseller
Die Unklarheit dessen, was jene Aufklärer eigentlich beabsichtigten, die sich als Freimaurer" in geheimnisvollen „Logen" versammelten, erweckte den Argwohn, daß sie Arges planen, und solches Mißtrauen ist bis heute da und dort spürbar. Man traute ihnen nicht und traute ihnen alles Mögliche zu, weil man wenig von ihnen wußte. Gerade das Geheimnisvolle ihres Treibens war einerseits anziehend, anderseits verdächtig. Diese Freimaurer rekrutierten sich längst nicht mehr aus Maurern; Beamte, Künstler, Gelehrte und auch Aristokraten wurden Logenbrüder, Sympathisanten hatten sie
Gudrun Pausewang, 1928 in Ostböhmen geboren, war lange Zeit Lehrerin in Südamerika, hat über dortige Verhältnisse viele Romane in unterhal-tend belehrender Form und seit der Rückkehr nach Europa Kinderbücher geschrieben.Die „Rotwengel-Saga" erzählt eine Familien- und Milieugeschichte aus dem Adlergebirge, von wo die Autorin stammt: Wie man dort im 19. Jahrhundert, vor und nach dem Ersten Weltkrieg lebte, wie dann der Lockruf „Heim ins Reich!" viele (obwohl nicht alle) begeisterte (sodaß sie freiwillig über die Grenze zu Hitler liefen), aber nach der Niederlage 1945 von
Anstatt „Haarspaltereien" bezeichnet Julian Schütting seine neue Glossensammlung „der Winter im Anzug" als „Sprachspaltereien". Sie haben „zum Gegenstand die Sprache, im weitesten und im engsten Sinn", und „die aus dem wirklichen Sprachleben gegriffenen Beispiele" deuten Bedeutungsnuancen und entdecken Doppelbödigkeit sowie Hintergedanken, die der gedankenlosen Phrase spotten.Der Buchtitel geht auf einen Studentenwitz zurück, über den wir im Gymnasium vor 70 Jahren lachten. Es ist aber ernst gemeint, wenn scheinbar harmlos „christliche Preise" beim
Der Schriftsteller Alfred Komarek, 1945 in Bad Aussee geboren, Erzähler und chronischer Österreich-Chronist, ist natürlich genauester Kenner seiner Herkunftsregion und belegt das mit dem reich illustrierten Band, Ans-seerland", das er „die Bühne hinter den Kulissen" nennt.Die Lokalstory reicht von der Steinzeit bis in unsere Tage. Das acht klein-gedruckte Seiten lange Register am Buchende beginnt mit Admont und endet mit Zwieselberg. Dazwischen kommen Altausseer und „Neuaus-seer" zur Sprache, uralte Handelswege, die „k.k. Salzschatulle", Kirchen, Wirtshäuser,
70 Jahre ist Milo Dor im März geworden. 1943 wurde er aus Belgrad von der deutschen Besatzung als Zwangsarbeiter deportiert, nach Haft und Folter, weil der 20jährige Student unter die Widerstandskämpfer gegangen war. Dann blieb er freiwillig hier.Seine wiederholt gedruckte Roman-Trilogie „Die Raikow-Saga" kommt nun wieder heraus. Im Vorjahr erschien der erste Teil, „Tote auf Urlaub" (FURCHE 45/1992), nun liegt „Nichts als Erinnerung" (1959) vor, 1994 wird der Schlußteil „Die weiße Stadt" folgen. Es sind historische Reminiszenzen in Romanform, übrigens auch
Die verblüffend genaue Milieuschilderung der Wiener zwanziger Jahre ist nur der Hintergrund, vor dem sich eine unheimlich phantastische Romantragödie abspielt.,.Eine Ehe in Wien" von David Vogel, 1928/29 hebräisch geschrieben, in Tel Aviv erschienen, hat inzwischen Neuausgaben und Übersetzungen in mehrere Sprachen und nun auch eine ins Deutsche erreicht. Der 1891 in Rußland geborene Autor lebte 1912 bis 1929 in Wien, übersiedelte nach Paris, wurde dort 1944 an die Gestapo verraten und ist im KZ umgekommen. Er schrieb Lyrik und Prosa in hebräischer Sprache.Rudolf Gordweil, die
„Machmix oder Der Lauf, den die Welt nahm" nennt Barbara Frischmuth „Eine Bildergeschichte". Es geht drunter und drüber. „Der Krieg war zu Kräften gekommen", ein Mädchen hatte Haus und Heimat verloren, das Lager verlassen, begegnete zum Glück der zweifaltigen Kröte und antwortete auf die Frage nach ihrem Namen: „Macht nix!" So beginnt ein Abenteuer, das ins Reich grenzenloser Phantasie führt.Der Weltlauf wird immer schneller, das blinde Huhn sieht ein, daß es so nicht weiter geht, eine ohnmäch-telnde Maus schließt sich an, Blindgänger Klein-Gottfried
Reinhard Federmann (1923-1976) wäre im Februar 70 geworden. Er hat (zuerst mit Milo Dor) Buch auf Buch veröffentlicht. Sein bester Roman, „Das Himmelreich der Lügner" (1959) liegt nun als Neudruck vor: spannend erzählt, ein aufschlußreicher Rückblick auf das politische Schicksal Österreichs im Zeitraum 1932-56.Hauptfigur ist der 1913 geborene Sozialdemokrat Bruno Schindler, der erzählt, was er mitgemacht und überstanden hat: Februarkämpfe 1934, Flucht in die Sowjetunion, wo er zum kommunistischen Anlernling wird, Rückkehr nach Wien im Offiziersrang, Redakteur der
„Die Satellitenstadt" von Thomas Hürlimann besteht zwar laut Untertitel aus „Geschichten", ist aber eigentlich, histörchenhaft montiert, eine äußerst ironische Geschichte unserer Zeit und ihrer unsicheren Zukunft. Da fallweise immer wieder dieselben Figuren auftreten, könnte man behaupten, daß „Die Satellitenstadt" so lange Zürich umkreisen wird wie ein Satellit das Gestirn, zu dem er gehört, aber schließlich zentrifugal aus der Bahn geraten wird.Eine surreale Utopie, die einen Zukunftsroman ergibt, trotz allen biederen Wirtshausgesprächen oder Liebschaften, und
Ein Jahr nach der Originalausgabe kommen die „Briefe der Liebe" von der renommierten Polin Maria Nu-rowska deutsch heraus. In sechs Briefen an den Lebensgefährten und späteren Gatten erzählt Krystyna Chy-linska kapitelweise ihre Vergangenheit und daß ihr wahrer Name Elzbie-ta Eisner lautet.Von Januar 1944" bis „Ende Oktober 1968" trug sie die Last der Lüge, in der Furcht, daß der geliebte Mann - Arzt, Kommunistenfeind mit den landesüblich antisemitischen Vorurteilen - ihre jüdische Herkunft nicht ertragen könnte. Als Halbwüchsige hatte die Tochter eines Professors
Günter Kunert, nicht nur gebürtiger, sondern geborener Berliner, hart sich auch im Roman und in anderen Sparten mit Erfolg versucht, aber die Kürzestgeschichte bleibt (neben skeptischer Lyrik) seine Domäne. Mit gutem Grund hat das Vorwort des neuen Bandes ein Zitat von Peter Hebel als Motto, und mit gleichem Recht wird im Text Bert Brecht genannt, sein Lehrmeister in diesem Genre.Auch „Im toten Winkel” sind es noch immer „Tagträume in Berlin und anderswo” (1971), denn seit 1979 lebt er tatsächlich „anderswo”: zwei Jahre vorher hatte ihn die SED ausgeschlossen. Er hat das
Wenn Gerd Hofmann einen Roman „Das Glück” betitelt, ist es natürlich kein Glück: letzter Ehetag, Abschiednehmen und nichts kriegen. Die Frau hat genug von ihrem Mann, abends hat er die Wohnung zu verlassen, den Möbelwagen für seine geringe Habe hat sie bestellt. Sie erwartet Herrn Herkenrath, den Nachfolger. Die zwei Kinder (Bub und Mädel) werden geteilt, den einen kann er mitnehmen, die andere bleibt da, und der Zehnjährige (das ist der artistische Trick) erzählt uns die traurige Geschichte samt Vorgeschichte, so wie er sie versteht.Auch er muß sich verabschieden, von der Schule,
Bekannt, wenngleich nicht allbekannt, ist Marie-Therese Kersch-baumer schon seit ihrem Romanerstling „Der weibliche Name des Widerstandes” (1976), dem ein Band „Gedichte” vorangegangen und erzählerische sowie essayistische Prosa nachgefolgt war. „Die Fremde” beginnt, auf mehrere Teile geplant, als Darstellung ihres Innenlebens in der Kindheit und Jugend, mit biographischen Anhaltspunkten, denen die ungewöhnliche Beschwerlichkeit eines Lebensweges abzulesen ist.1936 in Paris als Tochter einer Wienerin und eines Kubaners spanischer Abstammung geboren, 1939 in das Herkunftsland
Gemeint sind nicht nur die leiblichen Väter, sondern auch (zumal bei Literaten) die geistigen. „Abschied von den Kriegsteilnehmern” von Hanns-Josef Ortheil (1951 geboren) ist eine gekonnte Romankonstruktion, kann und will aber die autobiographischen Elemente nicht verleugnen. Jene Abrechnung mit den Vätern in den siebziger und achtziger Jahren summierte sich zu einer Mode, doch sind und waren zeitbedingte Vorwürfe nur ein Spezialfall des uralten Generationenkonflikts, an dem schon die antike Götterwelt laborierte und der vor bald 100 Jahren mit dem Ödipuskomplex vergegenwärtigt
Eigentlich sind alle 36 essayistischen Texte „Langsam im Schatten” von Peter Handke, die er verargert „Ge-sammelte Verzettelungen 1982-1992” nennt, polemisch zu verstehen. Auch wenn er eine Laudatio fiir einen bei uns so gut wie unbekannten Preistra-ger halt, halt er uns indirekt arge Ver-standnislosigkeit vor, nicht nur einfa-chen Bucherliebhabern, sondern vor allem Berufslesern, also alien infam konformistischen Literaturkritikern.Ganz offen, jedoch iiberaus subtil greift er ein in da's politische Wortge-fecht, etwa Aussagen beim Wahl-kampf 1986 genau beim Wort neh-mend, besonders
„Die Bogenbrücke" zu betreten war dem kleinen Mark verboten, weil sie alt und ihr Geländer brüchig ist. Wiewohl es eine Familiengeschichte ist, psychologisch fundiert, wird der neue Roman von Elisabeth Hauer so spannend gestaltet, mit aufregenden Wendungen, daß er sich wie ein Krimi liest.Die Mutter des Siebenjährigen hat seinen Vater, ihren zweiten Mann, verlassen und kehrt, nach acht Jahren, zum ersten zurück; doch für den Buben wird der Milieuwechsel zum fast unlösbaren Problem. Er verläßt sich lieber auf den unverläßlichen Vater, mag dessen Mutter und besonders die
Österreichischer Narr, närrischer Österreicher oder ironische Allegorie auf den diplomatischen Dienst? Anselm Trausig brachte es nur bis zum Legationsrat, lebt pensioniert in Kalifornien und träumt von der entlegenen Insel Tristan da Cunha im Südatlantik, auf der rund um einen Vulkan ein paar hundert Menschen leben. Dorthin wäre er gern als Gesandter gesandt worden.Seine Karriere wurde aber in Paris jäh unterbrochen, nachdem er seinen „Lieblingsmenschen" aus Liebe narkotisiert und in der Wohnung eingesperrt hatte. Gnädig hatte ihn das Gericht nur in eine Heilanstalt eingewiesen,
Je nach dem Thema, zu dem er sich publizistisch äußerte, zeichnete er seine Artikel, Glossen oder Gedichte mit Peter Panter, Theobald Tiger, Ignaz Wrobel, Kaspar Hauser oder sogar mit seinem richtigen Namen: Kurt Tucholsky (1890-1935). Die reich bebilderte Biographie von Helga Bemmann, in der DDR entstanden, erschienen aber, als sie gerade verschwand, zeichnet auch ein Deutschlandbild jener Epoche.Dieser vielschreibende Linke (damals wie heute sowohl über- als auch unterschätzt) kritisierte alles, auch die Linke, wurde als gefährlich witziger Satiriker von allen Seiten kritisert, aber
Als Beleg für Charlotte Kerrs Schilderung (siehe Seite 10) bekommen wir „den von ihm geplanten Folgeband der ,Stoffe"', treffend nach dem zweiten Essay „Gedankenfuge" genannt. Tief schürfend fugiert Dürrenmatt seine Themen in den spätesten Jahren. Ob „Prometheus", die „Dramaturgie der Vorstellungskraft", eine „Kabbala der Physik" zur Debatte stehen oder „Der Versuch" unsere Zeit aus der Perspektive „10.000Jahre später" zu beurteilen, der Denker grübelt bis zum Urknall, über die Schicksale der Zeus-Legende, aller Legenden, spekuliert
Der Lieblingsgruß „Bis bald" des Denkmalpflegers Lorenz Hatt wird in dem gleichnamigen Roman von Markus Werner doppelbödig und Omen. Gern und lebhaft erzählt er vom Sterben, mit sachtem Galgenhumor.„Mir wurde schwindlich", beginnt der Roman, eine Herzattacke, die den Mitt vierziger auf seiner Urlaubsreise in Karthago überfällt. Er kehrt heim, wird notdürftig kuriert, ist zeitweise arbeitsfähig, aber der zweite Infarkt folgt, es bleibt nur die Möglichkeit: Einpflanzung eines fremden Herzens. Das aber heißt: warten auf den passenden Spender. Die lange Wartezeit und der
Anläßlich der 100. Wiederkehr seines Geburtstages kam nun die vor 65 Jahren geplante Ausgabe des literarischen Werkes und Nachlasses von Franz Janowitz (1892-1917) heraus: Lyriker, nachdenklicher Erzähler, geschätzt von Karl Kraus und Ludwig von Ficker einerseits, vom Prager Kreis junger Poeten (Max Brod, Willy Haas, Franz Werfel, auch Franz Kafka) andererseits.1919 erschien der noch von ihm ausgewählte Versband „Auf der Erde“, doch wurde der tote Frühexpressionist nun von den Freunden so gut wie totgeschwiegen, weil Kraus als Herausgeber fungierte, der mit den Prager Schriftstellern
Das Entwaffnende am jüdischen Witz war seit jeher seine großartig ironische Selbstkritik. So treffend kühl hat kein Antisemit jüdische Eigenheiten karikiert wie ein witziger Tragikomi-ker aus den eigenen Reihen. „Luftmenschen spielen Theater" heißt eine Auswahl, mit der Hans Veigl „Jüdisches Kabarett in Wien 1890-1938" in Erinnerung bringt. Gewiß, das Niveau der Beispiele schwankt zwischen brillanten Formulierungen und stellensweise matten Witzeleien, aber die Echtheit geht immer schon aus dem intimen Jargon hervor, der durch ein „Glossar" am Buchende entschlüsselt