Skeptischer, ironischer, zorniger und brillanter (und das will etwas heißen) als in seinem jüngsten Buch hat sich der bedeutende österreichische Biochemiker Erwin Chargaff noch nie von der Seele geschrieben, was ihn bedrängt. Die Essays des Bandes „Vermächtnis" sind eine einzige Philippika gegen den hypertrophen Wissenschaftsbetrieb. Die folgenden Auszüge sprechen besser für dieses Buch als die beste Besprechung.
Die Naturwissenschaft scheut den Tod, denn sie kann nichts Meßbares über ihn aussagen. Sie überläßt ihn dem Leichenbeschauer und dem Totengräber; oder, was für sie das gleiche ist, sie überläßt ihn dem Metaphysiker. Vor dem Tod fällt ihr nichts Gescheites ein, so wenig wie vor der Geburt.Kein medizinisches Attest kann uns sagen, wann der Embryo zum Menschen geworden ist, worin die Menschwerdung besteht oder was der Embryo war, bevor er ein Mensch wurde.Alles, was wir tun können, ist die Zellen zu zählen und diejenigen Faktoren, die wir in den verschiedenen Stadien der Entwicklung
Was man völlig außer acht gelassen hat, ist, daß wir es hier viel mehr mit ethischen als mit einem hygienischen Problem zu tun haben, und daß die in erster Linie zu beantwortende Frage die ist, ob wir das Recht haben, eine weitere furchterregende Last auf noch nicht geborene Generationen zu legen.Ich verwende das Adjektiv „weitere” angesichts des ungelösten und ebenso furchterregenden Problems, das sich aus der Frage der Beseitigung des Nuklearmülls ergibt. Unsere Zeit ist dazu verflucht, daß schwache, als Fachmänner verkleidete Leute Entschlüsse von enormer Reichweite zu machen
Anlaß zum Salzburger Symposion „Die Lust am Untergang" (2.-4. Mai) war Orwells „1984". Die FURCHE bringt Auszüge aus wichtigen Referaten, heute den ersten.