Es gehört zur besonderen Tragik des Menschen, viele Dinge seiner Bildung und Gesittung erst dann überblicken zu können, wenn sie nicht mehr in seinem Besitze sind. Er macht dann Kulturgeschichte daraus und erlebt sie aufs neue im Geiste, das heißt, er erweckt sie zu noch höherer Lebendigkeit, aber dann nur noch für den einzelnen, um des Wissens willen.Ein solches zeitliches Wesen, bereits schwankend zwischen Abschied von der Wirklichkeit und Eintritt in die historische Betrachtung, ist unser europäischer Mittelstand. Und es mag sich wohl geziemen, ihm eine Grab- oder Taufrede zu halten,
Eines Tages während des ersten Weltkrieges öffnet sich die Tür meines Amtszimmers im k. u. k. Kriegsarchiv, und es tritt ein Mann herein, den ich mit gutem Gewissen als den sonderbarsten Soldaten der damaligen österreichisch-ungarischen Armee bezeichnen kann, Rainer Maria Rilke, der Infanterist. Er hatte sich bei mir zu melden, der ich sozusagen sein Zwischenvorgesetzter war, als Bindeglied zwischen dem Obersten der Schriftenabteilung und der ihm zugewiesenen Untergebenen.Ein Mann in Uniform war damals keine ungewöhnliche Erscheinung. Bei diesem Dichter Rainer Maria Rilke aber wirkte sie
Der Dichter war schon vormittags in das weltabgelegene Städtchen gelangt, in dem er seinen abendlichen Vortrag zu halten hatte. Er war in solchen sängerlichen Landfahrten kein Neuling mehr, er war in der Provinz schon ziemlich herumgekommen und die freundlichen Erfahrungen, die ihm dabei im großen ganzen beschieden waren, ließen ihn die kurzen Reisen, die er mit der Bahn oder dem Autobus zu unternehmen hatte, eher vergnüglich als beschwerlich erscheinen.Und so war es auch diesmal gewesen. Man hatte ihn am Bahnhof erwartet und ihn sodann in den gemütlichen alten Gasthof geführt, In dem
Zu einer Abendstunde in diesen Tagen unserer etwas fragwürdigen Zeit geschah es, daß einer der erhabensten Geister, die die Erde jemals getragen, aus himmlischen Gefilden wieder zu ihr zurückkehren durfte, wenn auch nur auf eine kurze Stunde gütigen Heimfindens. Es konnte ihn niemand gewahren, denn er war ja dem menschlichen Auge nicht sichtbar, wohl aber wurde seine Wesenheit wie ein göttlicher Hauch verspürt von allem, was ihm einst in seinen armen Erdentagen das Schöne, das Große, das ihn zu seinen unsterblichen Werken im wesentlichsten Begeisternde gewesen war. Wo immer sein Atem
Heut will er im Kleide sich fürstlich erhöhn. Ambrosisch geziert mit den Farben des Föhn. Sie wollen noch mehr denn als Farben sich zeigen, Uiweltlicb.es Leuchten ist ihnen zu eigen.Da rätselt ein Blau von so mystischer Bläue, Wie Grotten sich auftun in staunender Neue. Es funkelt ein Grün von so trunkener Grüne, Als ob ein Smaragd sich zu brennen erkühne.Dazwischen sind schimmernd Farbiinge gesponnen, In Lila gesprenkelt wie kupferne Sonnen. Sie runden sich kosmisch, sich goldig verzierend, Im Wogenschritt tanzend und opalisierend.O könnt ich dies dauernd im Herzen behalten, Die Welt
Er wendet sich, Jahrtausend alt, Dem Leben zu und wird Gestalt, Und jeden ruft ein sondres Wie Zur artbestimmten Harmonie. Bedenk es wohl, o Seele mein, Auch du sollst stets kristallisch seinlGestreng ins rechte Maß gefügt, Baut sich die Form, die sich genügt. Was als Gesetz von innen mahnt, Wird streng zur Außentracht gebahnt. Bedenk es wohl, o Seele mein, Auch du sollst stets kristallisch seinlEr gibt sich Raum, ist selbst sich Licht, Von Zeit begleitet und auch nicht. Im kleinsten Teil gibt er sich ganz Und überwindet die Substanz. Bedenk es wohl, o Seele mein, Auch du sollst stets
Ein Dichter war gestorben, und er hatte das, wenn man so sagen darf, in aller Stille und Bescheidenheit besorgt. Der Absdiied vom Leben war ihm nicht leicht gefallen, obgleich er von ihm mit irdischen Gütern keineswegs verwöhnt worden war. Er hatte es aber längst gelernt gehabt, dergleichen nicht zum Maßstab seiner Lebensfreude und Lebensschätzung zu machen. Und überdies war er ja auch von jenem sanften seligen Wahn befallen, der das Kennzeichen aller echten Poeten zu sein scheint, daß nämlich die ganze Welt, sobald sie von ihnen erkannt wird, ohnehin ihr eigen sei und daß es daher
Wir sind, als einzelne und in der Gesamtheit, an äußeren Gütern ärmer geworden, doch braucht das nicht allen ein Nachteil zu sein. Es wurde in der Geistesgeschichte aller Zeiten und Völker genugsam berichtet, daß Verarmung nach außen hin oft auch manche Bereicherung nach innen mit sich bringen konnte, so unbequem sie sich zu Anfang auch anfühlen mochte. Völker in äußerer Not greifen gern, wir wissen es, zur Neuordnung ihrer inneren Angelegenheiten, so wie ja der Geist seit jeher kein Endergebnis des Überflusses, sondern meist einer durch Bescheidung hervorgerufenen Selbstbesinnung
In einer größeren Abendgesellschaft, die sich allwöchentlich im Heim der Frau v. S. zusammenfand, trug sich unlängst folgender Vorfall zu, der mir der Nacherzählung wohl wert erscheint:Es erhob sich plötzlich inmitten der Unterhaltung ein junger, durchaus sympathischer, tadellos gekleideter Mann, der durch eine große spiegelnde Hornbrille mehr nach innen als nach außen zu schauen schien; er erhob ich und sagte, nachdem er eine Weile gewartet hatte, bis alle Blicke sich auf ihn vereinigten, er sagte förmlich, in ruhiger Überlegung, wie jemand, der eine Meldung vorzubringen hat: „Ich
Das kleine Hochtal in den Salzburger Alpen war von gewaltigen Felsmauern eingeschlossen, die es streng uhd dunkel behüteten wie eine ihnen anvertraute Kostbarkeit. Nur auf einem einzigen schwer gangbaren Pfade vermochte man wald- aufwärts hinzugelangen, doch wußte man nicht weiter, sobald man den moosig weichen Almboden bis zum anderen Ende durchschritten hatte. Man hätte die steilen Kalkwände emporklettern müssen, was nicht jedermanns Sache ist und hier selbst von sportlichen Kletterern nicht allzuoft versucht wurde. Es kamen nur wenige Bergwanderer in jenes versteckte Tal und wenn
An einer der belebtesten Straßenecken Wiens erschien dieser Tage plötzlich ein ärmlich gekleideter jüngerer Mensch, der mit aufgeregten Gesten ein Bündel Zeitungen schwenkte und unaufhörlich schrie; „Der Freudenbringer! Der Freudenbringer!“Es stellte sich als erste Wirkung ein, daß ein Schutzmann auf ihn zuschritt und ihm bedeutete, es sei den Zeitungsverkäufern, der jüngsten Verordnung nach, ein solch lautes Geschrei nicht mehr erlaubt, sie hätten ihre Stimme entsprechend zu mäßigen. Das tat der junge Mann nun auch, indem er nunmehr den Titel seines Blattes fast nur noch
(Nach einer Sage aus dem Atterseegebiet)Beim Metzger erschien ein alt' Weiblein in Sitten: Ein kleins Stückerl Fleisch nur, drum tat sie schön bitten.Es lachte der Metzger: Ja, kannst du's bezahlen? Denn wenn du kein Geld hast, ich werd' dir was malen!Da seufzte das Weiblein: Das ist es ja eben, Ich kann euch dafür ein Vergeltsgoti nur geben.Da höhnte der Metzger: Das könnt' dir so passen, Bei solchener Währung in Fleisch noch zu prassen!Drauf meinte das Weiblein: Versündigt euch nicht!Es hat ein Vergeltsgott doch auch sein Gewicht.Da lachte der Metzger: Wir wollen's versuchen, Wieviel