Sie ist 1932 gestorben, friedlich und schmerzlos, von Ärzten betreut, von der Familie umsorgt, zu Hause und im Bett - wie damals noch gestorben wurde (und wie es bald darauf so manchem ihrer Angehörigen nicht mehr vergönnt war). Kurz vor dem finde offenbarte sich ihr Charakter und ihre Lebensweisheit in einem letzten Ausspruch, mit dem sie das Geheimnis ihrer weithin berühmten Kochkunst preisgab -und zu dem eine in jeder Hinsicht pas-seride Vor-Geschichte gehört.Gleich allen wahren Köchinnen, die ihre Kunst im häuslichen Gehege ausübten - es wird von ihnen noch die Bede sein —, war
Torberg wäre am 16. September 75 geworden. In seinem Nachlaß fand sich ein unveröffentlichter Roman: „Auch das war Wien“, geschrieben zwischen Mai 1938 und Juni 1939 in Prag, Zürich und Paris. Die FURCHE bringt das Kapitel über den Anschluß Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich 1938.
Viel Überraschendes enthält der zweite Band aus den nachgelassenen Schriften von Friedrich Torberg, der unter dem Titel „In diesem Sinne ...” im Langen-Müller Verlag, München. erscheinen wird. Er enthält Briefe an und von u.a. Thomas Mann, Franz Werfel und Carl Zuckmayer. Die hier leicht gekürzt abgedruckten Briefe halten den- literarhistorischen Augenblick fest, indem Torberg seinen Dienst am Werk Herzmanovsky-Orlandos begann.
Unter den unveröffentlichten Manuskripten Friedrich Torbergs fand sich ein Essay, in dem er die Entstehungsgeschichte seines Romanerstlings,,Der Schüler Gerber" schildert. Anläßlich der erfolgreichen Premiere der Romanverfilmung veröffentlicht die FURCHE eine gekürzte Fassung dieser 1973 entstandenen Erinnerung.
Ungefragt, jedoch in der besten Absicht, teilen mir freundliche Leser gelegentlich mit. daß sie meine Bücher oder meine sonstigen Veröffentlichungen besonders deshalb schätzen, weil ich „ein so gutes Deutsch” schreibe. Sie wollen mir damit zweifellos ein Kompliment machen und verstehen nicht, warum ich es beinahe als Beleidigung empfinde. Denn ich stamme noch aus einer Zeit, in der es als unerläßliche Voraussetzung für das Ergreifen des Schriftstellerberufes galt, gutes Deutsch zu schreiben. Die Sprache ist mein Handwerkszeug, und mit seinem Handwerkszeug muß man umzugehen
Es bestehen Anhaltspunkte für die Vermutung, daß er nichts dagegen gehabt hätte, als österreichischester Dichter Österreichs bezeichnet zu werden, der Doctor Heimito von Doderer; und es bestehen nicht bloß Anhaltspunkte, sondern überhaupt keine Zweifel, daß ihm das nur unter der Voraussetzung eines richtig geschriebenen „Doctor“ willkommen gewesen wäre, mit c, nicht etwa „Doktor“. In dieser Hinsicht war er heikel, und in mancher andern —i orthographische, grammatikalische, interpunktioneile und sonstige Abweichungen vom Regulären betreffend — war er's nicht minder. Heikel
„Und Theodor ging mit Benjamin aus dem Hause.“Niemand würde diesem Satz — er steht auf der vorletzten Seite des Romans „Das Spinnennetz“ — ohne Kenntnis des Zusammenhangs anmerken, daß Benjamin wenige Zeilen zuvor von Theodor beim Photo-graphieren geheimer Akten überrascht wurde, daß Theodor ihn einen Spitzel genannt und Benjamin den Freund mit einem Revolver bedroht hatte. Niemand würde diesem Satz die Schicksalsträchtigkeit anmerken, die sich in ihm zusammenballt und die in der lapidaren, in der nahezu biblischen Einfachheit der Wortwahl nur desto rasanter
Der Internationale PEN-Club hat eine ähnliche Entwicklung genommen wie die Vereinten Nationen, wenn auch von anderem, ja fast entgegengesetztem Ursprung her. Der PEN — bekanntlich das Initialkürzel von „Poets, Essayists, Novellists“ und zugleich die englische Bezeichnung des Schreibinstruments, dessen sie sich früher einmal bedient haben — der PEN also war ursprünglich nicht viel mehr als eine Runde von größtenteils in London lebenden Schriftstellern, die sich gerne zu geselligen Plauderstündchen am Teetisch zusammenfanden. Die Vereinten Nationen hingegen wurden unter
Paul Stöcklein, Literaturhistoriker und Professor an der Frankfurter Universität, Autor einer vorzüglichen Eichendorff-Monographie und anderer gelehrter Schriften, ist ungefähr das Gegenteil dessen, was man sich unter einem Gelehrten vorstellt. Darauf deutet schon der Titel seiner jüngsten Buchpublikation: „Literatur als Vergnügen und Erkenntnis.“Denn wo in aller Professorenwelt wäre Gelehrsamkeit je auf den Einfall gekommen, ihre Erkenntnisse unter dem Blickpunkt des Vergnügens zu präsentieren? Die einzige Spur akademischen Wohlverhaltens, die man dem runden Dutzend der hier
Süßkind von Trimberg ist der erste jüdische Dichter deutscher Sprache. Friedrich Torberg rekonstruiert das Leben dieses mittelalterlichen Poeten mit den künstlerischen Mitteln des Romans. Seine einzige authentische Unterlage sind die zwölf Texte von Süßkind, die zusammen mit einer farbigen Miniatur in der „Manessischen Handschrift“ überliefert sind. Süßkinds Gedichte zeigen die tiefe Verwurzelung in der Moral und Glaubenswelt des Judentums und sind keine Minnelieder im eigentlichen Sinne, eher Spruchdichtungen. Er lebte im 13. Jahrhundert als Arzt (oder Sohn eines Arztes?) an einem Hospital in Würzburg. Der Knabe überlebte den Pogrom, dem die Eltern zum Opfer fielen, ging mit einem Bettelmönch auf Wanderschaft, schrieb seine ersten Gedichte und wurde als fahrender Sänger bekannt. Solange die Adelsherren ihn schützten, genoß er Geltung und Ruhm, waren die jüdischen Gemeinden stolz auf ihn. Als er sich gegen die Willkür des Adels wendete, entzogen ihm die Herren ihre Gunst, und die Juden rückten von ihm ab, weil sie neues Unheil fürchteten. So stand er schließlich allein, verstoßen und verachtet — und so sieht Torberg ihn als Vorgänger vieler anderer und hebt sein Schicksal in Zeitnähe und Überzeitlichkeit. D. A.
Manes Sperber, als Essayist und Erzähler gleichermaßen engagiert, ist sich auch diesmal treu geblieben. Er hat über Alfred Adler, den neben C. G. Jung bedeutendsten Schüler und Widerpart Sigmund Freuds, ein höchst engagiertes und zugleich höchst informatives Buch geschrieben. Das Engagement äußert sich in zweifacher Hinsicht, in sachlicher und in persönlicher: Sperber ist nicht nur gelernter Indi-vidualpsychologe, sondern der Mann, bei dem er's gelernt hat, war Alfred Adler selbst Und was die Informativität betrifft, so tritt auch hier — und hier schon ganz im Sinn der Adlersehen Lehre — eine gewisse Zweigeleisigkeit hervor: das Buch sagt über seinen Verfasser ebensoviel wie über seinen Gegenstand, die Lehre und ihren Lehrer.
Dem wahren Kunstwerk wird auch die sorgfältigste, die kennt-nis- und verständnisreichste Analyse nicht auf den Grund kommen. Immer bleibt ein unauslotbarer Rest, von dem die eigentliche Verzauberung, die eigentliche Strahlkraft ausgeht. Fast könnte man sagen, daß sich an diesem Rest die Wahrhaftigkeit des Kunstwerks erweist. Die Briefe der Dichterin Else Lasker-Schüler, die jetzt in einer zweibändigen Auswahl vorliegen (Kösel-Verlag, München), sind ein solches Kunstwerk und sind es deshalb, weil sie mit dem lyrischen Oeuvre wie mit der menschlichen Erscheinung ihrer Verfasserin in vollkommenem Einklang stehen
Der heute siebzigjährige Fritz von Herzmanovsky-Orlando lebt in Meran, —• einer Gegend also, die vielleicht dadurch zu charakterisieren wäre, daß sie nicht mehr zu Oesterreich gehört, wohl aber Oesterreich zu ihr. Es ist kein Zulall, daß er dort lebt. Es ist, im Gegenteil, so aufschlußreich wie sein Name, in dem sich drei Elemente der einstigen Monarchie mischen, das deutsche, das slawische, das italienische: eine schwarz-gelbe Mustermischung geradezu. Und die geistige Landschatt des einstmals schwarz-gelben Bereichs ist es auch, in der Herzmanovskys Schallen wurzelt, die er in