Die als „Jolly Joker“ der österreichischen Innenpolitik denkbare FPÖ trägt Bleigewichte, die im Laufe der letzten Jahre immer schwerer wurden, mit sich. Bleigewichte personeller, ideologischer und sachlicher Art. Seit der letzten Nationalratswahl im Oktober 1975 sind diese Bleigewichte so schwer geworden, daß die FPÖ heute nahezu bewegungslos ist. Allmählich verwehen selbst die Kriechspuren, dieKronprinz in spe Horst Sehender: Jung und deutschnationaldiese Partei in die innenpolitische Landschaft gesetzt hat.Das alles spürt die FPÖ-Führung natürlich mit weit größerer
Weltanschauungen spielen im Wahlkampf um die Stimmen von rund 180.000 Beamten nur eine geringe Rolle. Aus der Sicht der beamteten Wähler geht es bei den Personalvertretungswahlen am 30. November und 1. Dezember vorrangig um die Vertretung ihrer materiellen Interessen gegenüber dem öffentlichen Dienstgeber; weniger um einen Leistungslohn, von dem im Wahl-„Kampf“ sehr viel die Rede ist, als um die Zuwachsrate der Beamtengehälter ab 1. Juli 1976. Zehn Prozent fordert die Wahlgemeinschaft ÖAAB-FCG, angesichts der allgemeinen Wirtschaftslage ijund def spezifischen Budgetlage einjjsehr
Bruno Kreisky ist ein oft merkwürdiger Mann. Er ist jüdischer Abstammung und versteht es dennoch, scheinbar gerade jene zu hofieren, die vor 30 und mehr Jahren einem Regime Treue geschworen haben, das einige Millionen Juden nach Auschwitz, Dachau und Mauthausen verschickt hat. Auch dem Privatmann Bruno Kreisky würde man ein derartiges Verhalten nicht entschuldigen können; noch weniger dem Vorsitzenden der Sozialistischen Partei Österreichs und schon gar nicht dem Bundeskanzler der Republik Österreich; dem Bundeskanzler eines Landes, das — seinerzeit und gemessen an seiner
Wer im Applaus von Versammlungsteilnehmern badet, kann allzu leicht die Übersicht über die Wirklichkeit verlieren. So dürfte es dem ÖVP-Bundesobmann Dr. Josef Taus im Wahlkampf ergangen sein. Wo immer er auftrat, spürte er begeisterte Zustimmung, Bezirks- und Landessekretäre berichteten ihm von Rekordbesuchen, da und dort hieß es auch, daß selbst parteiferne Kreise Gefallen an seinen politischen Äußerungen gefunden hätten. Daß das freilich nicht die totale und ungeschminkte Wirklichkeit war, machte das Wahlergebnis vom 5. Oktober 1975 klar. Es bereitete dem jungen ÖVP-Bundesobmann
Mit dem 31. Dezember 19.75 scheidet der „bevollmächtigte Minister“ Bruno Kreisky aus dem aktiven Personalstand des Bundesmini-steriums für Auswärtige Angelegenheiten aus. Der im Jänner 1911 Geborene wird entweder im Rang eines Ministerialrates oder eines Sektionschefs in Pension gehen.In diesem Wahlkampf wirbt der Beamtenpensionär Kreisky um das Vertrauen der Wähler für eine Fortsetzung einer absoluten SP-Regie-rung oder doch einer SP-FP-Koali-tion unter Bundeskanzler Kreisky bis zum Jahr 1979. Erst dann will er abtreten; nicht, ohne zuvor seiner Partei zu empfehlen, einen ihm
Spätestens seit 1972 sind die Bundesbudgets der Kontrolle der Regierung entglitten, resümiert Wolfgang Schmitz im Vorwort der von ihm herausgegebenen „Studien zur Stabilitätspolitik“ zur Frage, ob „die österreichische Budgetpolitik inflationistisch ist“. Auch die Autoren dieser Studie (Ernst Hofbauer, Ger-Die Entwicklung der Budgetsalden 1966 bi* 1974' hard Lehner, Christian Smekal und Karl Socher) kommen zu diesem Befund. Tatsächlich hat die prozyklische Budgetausgabenpolitik der Jahre nach 1972 große Chancen zur Stabilisierung der österreichischen Wirt-schaftsentwicklung
Schon vor Wochen nannte SPÖ-Meinungsforscher Karl Blecha die Krisenherde im sozialistischen Wahlkampf: Oherösterreich, Salzburg und die Steiermark. In diesen drei Bundesländern hatte die SPÖ sowohl bei den Nationalratswahlen 1970 als auch 1971 ein deutliches Stimmen-Plus vor der ÖVP. Für den 5. Oktober 1975 ist dagegen mit stärkeren Stimmeneinbußen der SPÖ, aber auch der FPÖ zugunsten der Volkspartei zu rechnen. Dabei geht es um nicht mehr als vier Mandate, die, wählten die anderen Bundesländer so wie 1971, gewiß nicht wahlentscheidend wären. Denn auch dann bliebe der SPÖ noch immer eine gut gepolsterte relative Mehrheit mit einem 5-Mandate-Vorsprung vor der ÖVP. Bloß: In diesen drei Bundesländern läuft der Trend deutlich für die ÖVP, in den anderen — sieht man von Kärnten ab — immerhin leicht für die ÖVP.
Wiens Bürgermeister Leopold Gratz weiß es ganz genau: „So wie die ÖVP im Zorn auf die Wähler, die ihr eine hoffnungslose Minderheit bescherten, gegen Wien war, so ist die ÖVP nun gegen Österreich. So, wie sie versucht hat, den Wienern ihre Heimatstadt herabzusetzen, so versucht sie nun, den Österreichern den Glauben an ihre Heimat, die Bepublik Österreich, zu nehmen“.
98 Prozent der ÖVP-Parteitagsde-legierten wählten vor zwei Wochen Josef Taus zum neuen Bundespartei-obmann und Erhard Rusek zum neuen Generalsekretär der Volkspar-tei, die nun für längere Zeit ihre Generationsprobleme an der Führungsspitze gelöst haben sollte. Taus brillierte als neugewählter Parteiobmann mit einer fulminanten Rede, die den Delegierten das Gefühl gab, daß i— jetzt erst recht — die Wahl am 5. Oktober für die ÖVP noch lange nicht verloren ist. In Fernsehauftritten danach gab sich Josef Taus als wendiger und geschickter Formulierer mit großem theoretischen und
„Kreisky — wer denn sonst?“ — mit diesem Slogan wollte die SPÖ in den Wahlkampf ziehen. Er sollte die Allmacht eines Mannes in seiner Partei, in der Bundesregierung, im politischen Leben Österreichs dokumentieren. Das Plakatporträt Kreiskys war geknipst, die Sujets gewählt, die Druckaufträge unter Dach und Fach. Der tragische Tod von Karl Schleinzer und die Wahl von Josef Taus zum Bundesparteiobmann und von Erhard Busek zum Generalsekretär der österreichischen Volkspartei haben die Wahlkampfstrategen vor allem in der SPÖ aufgescheucht. Prompt hieß es, daß keine Änderung der
Seit rund fünfundzwanzig Jahren funktioniert die wirtschaftliche Entwicklung in der westlichen Hemisphäre, von verhältnismäßig geringen Konjunkturtiefs abgesehen, ohne nennenswerte Reibungsverluste. In dieser langen Periode wurden nur in wenigen Staaten Wachstumsverluste verzeichnet und kein konjunkturelles Wellentief währte wesentlich länger als achtzehn Monate.Das Erstmalige an der derzeitigen wirtschaftlichen Situation des Westens besteht darin: schon mehrere Quartale hindurch verzeichnen einzelne Volkswirtschaften (USA, Bundesrepublik Deutschland, Großbritannien usw.) erhebliche
Die Österreicher haben allen Grund, die wirtschaftliche Zukunft ihres Landes und damit auch ihre individuelle Situation durchaus pessimistisch zu beurteilen. Kein Konjunktureinbruch in den letzten fünfundzwanzig Jahren geriet schärfer, keiner hat die ökonomischen Aktivitäten länger gelähmt und auch keiner war so unübersichtlich. Noch ist keine Tendenzwende in Sicht; der Präsident des österreichischen Gewerkschaftsbundes, Anton Benya, vertritt immer häufiger die Ansicht, daß sich unsere Volkswirtschaft auch im nächsten Jahr nicht erholen werde. Selbst Bundeskanzler Kreisky kann nicht sagen, wie es weitergehen wird. Militärisch knapp formuliert er vor sozialistischen Betriebsräten den Slogan: „Bereit sein, ist alles.“
Nach fünf Jahren sozialistischer Alleinregierung in Österreich ist es soweit: Sozialminister (und Vizekanzler) Rudolf Häuser rät den Risikobereiten und Leistungswilligen unserer Gesellschaft, doch Hilfsarbeiter zu werden. Damit sie, wie er sagte, nicht das harte Schicksal noch höherer Versicherungsbeiträge auf sich nehmen müssen.Mit dem Ausdruck „Debakel“ sollte man sparsam umgehen. Dennoch sollte darüber kein Zweifel herrschen: die Differenz zwischen den Einnahmen und Ausgaben der Sozialversicherung ist seit 1974 immer rascher gewachsen. Ob der Bund für das laufende Jahr 12 oder
Ein „Federl“ mehr hatte sich Tirols Landeshauptmann Eduard Wallnöfer gewünscht. Und so geschah es auch am 8. Juni bei den Tiroler Landtagswahlen, wenngleich nicht ohne Zittern und Bangen: Die ÖVP gewann ein Mandat, eroberte damit die Zwei-Drittel-Mehrheit im Tiroler Landtag zurück und hält zur Zeit bei einem Stimmenanteil von 61,1 Prozent.Mit dem Motto „Ubermacht macht Übermut“ und „zuviel schwarz in Tirol“ wollten die Tiroler Sozialisten die Zwei-Drittel-Mehrheit der ÖVP verhindern. Die ersten Ergebnisse aus ländlichen Kiemgemeinden in den wirtschaftlich ärmeren
Nun sind in allen Landesorganisationen der österreichischen Volkspartei die Vorwahlen geschlagen: in einigen Bundesländern zementierten sie den Status quo (Salzburg, Tirol, Kärnten und Vorarlberg), in anderen Ländern (etwa in Wien) kam es zu interessanten Nuancierungen in der vorgewählten Kandidatenliste für die Nationalratswahlen am 5. Oktober und in wieder anderen Ländern wurden Papierform und Wunschvorstellungen der Parteisekretariate über den Haufen geworfen. Für er-steres ist die Steiermark ein gutes Beispiel, wo prompt und rigoros die Hälfte der Kandidaten für den Nationalrat
Nun vermag auch der aus wahlpolitischen,Gründen zu sonnigem Optimismus verpflichtete, Bundeskanzler Kreisky keinen Silbersfreif am wirtschaftlichen Horizont,Österreichs zu erkennen; die Konjunkturschwalben sind ausgeblieben und werden so leicht bestimmt nicht wiederkehren, gespannte Erwartungen sind der Enttäuschung-gewichen.
Für den Langzeit-Obmann der FPÖ, Friedrich Peter, steht viel auf dem Spiel. Er soll seine Partei als Juniorpartner an die Regierungsmacht bringen, wozu freilich ein Ausbau des FPÖ-Stimmenanteils unabdingbare Voraussetzung wäre. Der Vertreter des nationalen Flügels in der FPÖ, Otto Scrinzi, glaubt, daß es ein Plus von zwei bis drei Mandaten brauchte, um koalitionsfähig zu sein. Doch der Meinungspegel sieht die FPÖ konstant bei 5 Prozent. Gäbe es in Österreich eine 5-Prozent-Klausel für den Einzug einer Partei in den Nationalrat, die FPÖ müßte von Existenzsorgen geplant sein.In
Die Möglichkeiten eines immer größeren Angebots an öffentlichen Gütern und Dienstleistungen, von immer mehr Staatsbeamten, immer mehr Mitbestimmung und immer mehr sozialer Gerechtigkeit sind, so scheint es, durchgespielt. Systemimmanente Auswüchse haben deutlich gemacht, daß die dieser Entwicklung zugrunde liegenden Ideen der Gleichberechtigung und der Demokratisierung verbraucht werden können. Alle Versuche, sie weiter und weiter auszudehnen, schaffen keine höhere Qualität des Lebens, können aber zum Wildwuchs in der Verwaltung, zu Willkür und Inflation — auch im politischen
Was hält Bundeskanzler Kreisky und sein Team an der. Regierungsbank fest? — Verantwortungsbewußtsein für das Schicksal Österreichs zwischen Juni und Oktober 1975? Das Versprechen, die Legislaturperiode auslaufen zu lassen? Das Verlangen, die Macht bis zur Neige auszukosten oder der simple Justa- mentstandpunkt, daß die Opposition auf jeden Fall unrecht hat, selbst dann, wenn sie den Einladungen des Bundeskanzlers stattgibt?Am 14. Jänner 1975 hat Bruno Kreisky jedenfalls klar und deutlich festgestellt, die Regierung klebe nicht auf ihren Sesseln, sie werde daher einem ÖVP-Antrag auf
Das „Liechtensteinsche Volksblatt” schrieb anläßlich des Besuches von Bundeskanzler Kreisky in Vaduz, man habe in Gesprächen mit dem österreichischen Regierungschef den Eindruck gewinnen müssen, er interessiere sich mehr für die Nahostpolitik als für europäische Probleme. Wahrscheinlich, so heißt es im „Liechtensteinschen Volksblatt”, sei Kreisky um die Rolle eines europäischen Kissinger bemüht.
Österreich wird 1975 unter dem Primat der Innenpolitik stehen. Dafür sorgen in erster Linie die Nationalratswahlen, die laut letzter Meinung des ÖGB-Präsidenten Benya nun doch im Oktober stattfinden sollen (Anton Benya in der „Solidarität”: „In einem demokratischen Staat soll man sich bemühen, Funktionsperioden auch bis zum Ende zu nutzen. Denn sonst ergibt sich eine Verunsicherung der Wähler. Es scheint mir vom Standpunkt des ÖGB günstiger zu sein, wenn die Wahlen erst am Ende der Legislaturperiode stattflnden.”) Landwirtschaftskammerwahlen in einigen Bundesländern, die
Niemand vermag heute fundierte Prognosen über die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung Österreichs im Jahr 1975 abzugeben. Wir ahnen — und die internationale Szenerie unterstützt solche Vermutungen —, daß die wirtschaftlichen Probleme Österreichs größer und ihre Lösungsmöglichkeiten komplizierter werden. Zugleich erkennen wir die Zusammenhänge von wirtschaftlicher und politischer Entwicklung.Ende 1974 veröffentlichte das Linzer IMAS-Institut eine Meinungsumfrage, derzufolge heute Unsicherheit und Zukunftsangst in Österreich bedeutend größer sind als an der Wende
Ende November 1973 versprach Bürgermeister Gratz in seiner Angelobungsrede, daß in Wien die kommunalen Tarife 1974 nicht erhöht würden. Ferner setzte er sich in der Sozialistischen Partei an die Spitze jener, die ein verschärftes Preisgesetz forderten. Er, so meinte er, könne auf der Grundlage eines solchen Gesetzs dafür sorgen, daß die Preisentwicklung jedenfalls in Wien stabil verlaufen werde.An dieses Versprechen hat sich Leopold Gratz im Laufe der letzten zwölf Monate mehrmals nicht mehr erinnert. Schon drei Wochen nach seinem Antritt als neuer Bürgermeister beschloß die
Evergreen Osivald Peterlunger, seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs zugleich Richelieu und Silhouette im Innenministerium, Diener und Berater zahlreicher Ressortchefs in der Herrengasse (Franz Olah, Hans Czettel, Franz Hetzenauer, Franz Soronics und nun Otto Rösch) wird ein weiteres Jahr blühen.Ende 1974 hätte der Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit, wie es erst hieß, endgültig in Pension gehen sollen. Doch Innenminister Rösch hat sich, ganz gewiß nach Absprachen mit Peterlunger, anders entschieden: Der Sektionschef wird zumindest für ein weiteres Jahr im Amt bleiben.
Schon’ lange, ehe der offizielle Wahlkampfbeginn eingeläutet wird, setzt von der Basis bis zur Spitze der politischen Parteien das Gerangel um die besten, die aussichtsreichsten und die Hoffnungsplätze in den Nationalrats-Kandidatenlisten ein. Einige, meist Prominente, werfen das Handtuch früher oder doch so rechtzeitig, daß nicht der Eindruck aufkommen könnte, sie hätten im größten Kampfgetümmel die Segel streichen müssen; dabei spielen die Parteistatuten mit ihren Altersklauseln letzte Entscheidungshilfe; so stellte schon vor einigen Monaten Vizekanzler Häuser sein Mandat dem
Seit ihrer Gründung im Jahre 1958 bringt die „Kronen-Zei- tung“ nicht nur Schlagzeilen, oft ist sie auch Gegenstand von Schlagzeilen in anderen Zeitungen: ihre mysteriöse Gründung, die Olah-Affäre, die 1966 von der SPÖ beschlossene „Ausräucherung“, der Erwerb und schließlich die Einstellung des „Express“, Gruppen- und Flügelkämpfe um ihr Eigentum (Piatnik, Olah usw.), der Infight mit dem „Kurier“ …
Wien wird durch Leopold Gratz erst schön, hatte es noch vor dreizehn Monaten, wenige Tage nach dem triumphalen persönlichen Erfolg des erst kurz amtierenden Bürgermeisters bei der Landtagswahl vom 21. Oktober 1973 geheißen. In seiner Antrittsrede nach der Konstituierung des neuen Gemeinderats wiederholte Bürgermeister Gratz seine kommunalen Zielsetzungen spürbar konkreter als dies nach dem Ausscheiden von Felix Slavik aus der Kommunalpolitik und während des Wahlkampfes geschah. Er versprach, die Wiener Stadtverfassung zu demokratisieren, mit allerlei Skandalen und Skandälchen
Im TV-Duell zwischen Bundeskanzler Kreisky und ÖVP- Obmann Schleinzer blieb die Frage des nächsten Termins für die Nationalratswahl völlig offen. Zweimal versuchte Schleinzer, seinen Gegenspieler zu einer Terminfestsetzung zu drängen, doch Kreisky hielt an seiner alten Formel fest: Wenn nicht Unvorhersehbares geschieht, bleibt es beim ersten Sonntag im Oktober 1975. Doch was alles kann nicht im terminentscheidenden Augenblick als „unvorhersehbar“ bezeichnet werden? Ein aggressives Wort der Opposition, ein (Preis-)Gesetz, das die Bundesregierung im Parlament nicht durchbringt?
Vor wenigen Tagen meinte der amerikanische Finanzminister William Simon in einem Interview, daß die Geschichte übersät sei mit Trümmern politischer Systeme, die an der Inflation gescheitert sind. Nun glaubt er in der Öffentlichkeit in allen demokratischen Staaten ein verstärktes Bewußtsein für die Gefahren der Inflation zu erkennen. Inflation, so meinte er weiter, wird sich sehr wohl als das wirtschaftliche Problem unserer Zeit erweisen, so wie es die große Depression das Wirtschaftsproblem der dreißiger Jahre — mit allen politischen Folgen — war.In der Politik, so sagt man und
Daß jede der beiden Großparteien bei der nächsten Nationalratswahl die absolute Mehrheit anstrebt, um möglichst ungehindert parteipolitische Zielsetzungen realisieren zu können, ist durchaus legitim; daß jedenfalls die SPÖ Kreiskys eine kleine Koalition mit der FPÖ einer großen Lösung vorzieht, ist evident; daß freilich der parteipolitischen Begehrlichkeit nach möglichst unumschränkter Macht eine ökonomische Grenze gezogen ist, macht die vom Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen kürzlich veröffentlichte Budgetprognose für die Jahre 1974 bis 1978 deutlich. In dieser
„Je größer der Anteil der Staatsbediensteten wird”, meinte Ökonomieprofessor Erich Streißler vor einiger Zeit, „desto mehr wird jede Regierung, die wiedergewählt werden will, zur Gefangenen der eigenen Bediensteten … Eine Demokratie mit einem bedeutenden Anteil an Staatsbediensteten kann so zur Ausbeutung der Nicht-Staatsangestellten dutth die Staaatsahgestellten entarten.”
Mitte September hat die Paritätische Kommission Lohnanträge für mehr als ein Viertel der österreichischen Arbeitnehmer zur Verhandlung zwischen den Gewerkschaften und den Arbeitgebervertretem frei- gegeben. Für die Industrieangestellten wird eine Erhöhung der Kollek- tiwertragsgehälter bis zu 28 Prozent, für die Chemiearbeiter dagegen eine Erhöhung der Kollektivvertragslöhne von immerhin noch 20 Prozent gefordert. Dazwischen liegen die Forderungen anderer Arbeitnehmergruppen.Stafoilitätspolitisoh und damit regierungspolitisch sind diese Forderungssätze problematisch, wenn man
Internationale Wirtschafts- und Konjunkturvergleiche offenbaren das ganze Relativitätsdilemma: Denken wir an das Wirtschaftschaos in Italien und Großbritannien, an die wadisende Arbeitslosigkeit in Deutschland und an die hohen Inflationsraten in Frankreich und sogar in der Schweiz, dann ist es um die Wirtschaftsentwicklung öster- reidis verhältnismäßig gut bestellt; erinnern wir uns freilich an die stabile wirtschaftliche Phase Ende der sedizigef Jahre und zu Beginn der siebziger Jahre mit einer Inflationsrate von imter vier Prozent, permanent und stark steigenden Deviseneinnahmen aus
Ein merkwürdiges Kriegsmuster hat sich herausgebildet: lokale Kriegsfetier werden von vazierenden Weltfriedensstiftern prompt ausgcfeW'n, wenn die Gefahr einer Auswertung auf Besitz- und Bündnisinteressen droht. Dann werden Verbündete — Ägypten von der Sowjetunion und Israel von den USA — im Stich gelassen, ihre politischen und, militärischen Absichten konsequent durchkreuzt. Sobald aber globale Machtinteressen durch lokale Kriege nicht unmittelbar gefährdet sind, agiert das Kartell der Weltfriedensstifter träge, tust- und einfallslos oder es trägt seine Ohnmacht offen zur Schau.Neben grundsätzlichen verteidigungspolitischen Problemen haben diese beiden Kriegsmuster für Österreich insofern Bedeutung, als sowohl am Großbrandherd im Nahen Osten als auch im lokalen türkisch-griechischen Kampf um Zypern österreichische Bundesheersoldaten in UNO-Truppen eingesetzt sind: Vier auf den Golan-Höhen und zuletzt drei auf Zypern sind bei diesen Einsätzen ums Leben gekommen
Erst meint Bundeskanzler Kreisky, daß die Idee, eine vom Gewerkschaftsbund und der Bundesregierung gewünschte Verschärfung der Preisregelung („Preisstopp“) mit den Ende 1974 auslaufenden Wirtschaftsgesetzen zu junktimieren, nicht schlecht sei; wenig später erklärt der ressortzuständige Handelsminister Staribacher, daß er davon nichts halte, und schließlich spricht sich ÖGB-Referent Lachs für ein ersatzloses Auslaufen der Wirtschaftsgesetze aus. Bruno Kreisky schweigt sich in seinem Urlaubsort aus; Staribacher ändert seinen Standpunkt.
Noch herrscht — ohnedies lang ersehnt — sommerliche Hitze. Dann und wann räuspert sich Bundeskanzler Kreisky aus seinem Urlaubsdomizil, und die heimische Presse hat Glossenstoff: über die Reform des ORF, die sicherlich noch weit über den 15. Oktober hinaus — da soll sie Gesetzeskraft erlangen — Schlagzeilen machen wird, über die Person des neuen Generalintendanten ebenso wie über Verfassungskonformität des neuinstallierten Kuratoriums.
Mit harten Bandagen im kommenden Herbst rechnen die ÖVP und der Generalsekretär der Bundeswirtschaftskammer, Mussil. Warum? Die Bundesregierung will im Herbst erneut die Diskussion um eine Abänderung des Preisregelungsgesetzes in Richtung „Preisstopp“ anheizen. Im Herbst, so glaubt man in der Regierungspartei, hätte man ein Faustpfand in der Hand: die Verlängerung der sogenannten Wirtschaftsgesetze (wie etwa des Marktordnungsgesetzes), an der insbesondere dem Bauernbund in der ÖVP gelegen ist. Sowohl für eine Änderung des Preisregelungsgesetzes als auch zu einer Verlängerung der Ende 1974 auslaufenden Wirtschaftsgesetze braucht es eine verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit.
Seit gut drei Jahren feiert die ÖVP-Spitze die Behauptung der Parteieinheit. Trotz zahlreicher und massiver Versuche war es Bruno Kreisky nicht gelungen, divergierende Gruppeninteressen in der Vqlkspartei zu ködern, den Zerfall der bündisch organisierten ÖVP in Parteien einzuleiten. Kreiskys Versuche, das schwedische Modell in Österreich zu verwirklichen, schlugen fehl: das Gemeinsame in der ÖVP überwog das von Fall zu Fäll Trennende. Wie immer man zur Person des ÖVP-Obmanns Schleinzer stehen mag, in diesem Punkt hat^er sich historische Verdienste erworben.