Ungarn macht gegenwärtig Anstalten, an seinen alten Ruf als gastfreundliches Reiseland anzuknüpfen. Die Zugsverbindung zwischen Wien und Budapest wurde durch einen neu eingestellten Mot.orzug schneller, flotter gemachf. Die ungarischen Zollbeamten versehen ihren Dienst nicht mehr so umständlich, als wollten sie in ‘jedem’ Reisekoffer eine Höllenmaschine entdecken. Sie sind sachlicher, unpersönlicher geworden. Die letzten Reste des revolutionären Elans, mit dem früher die Reisenden auf Herz und Nieren geprüft wurden, sind dahin. Der Gast aus dem westlichen Ausland hat in den
In diesen Wochen wurde das ferne Tibet in tausend Zeitungsschlagzeilen mit dem nahen Ungarn verglichen. Tibet 1959 — Budapest 1956: diese journalistische Pointe eines — vermutlich — fernöstlichen Korrespondenten wurde alsbald in Leitartikeln abgewandelt, auch in Ländern, wo man es, schon der geographischen Nähe wegen, besser wissen müßte.Denn so viel steht fest: Ungarn ist nicht Tibet. Wenn sich auch das Vorgehen der Kommunisten da und dort ähnelte — rücksichtsloser militärischer Einsatz dem schwächeren Nachbarn gegenüber, der, bald in die Defensive gedrängt, sich lange
Wer ist für den grausamen Schlußpunkt im Leben Imre Nagys und seiner Schicksalsgenossen in letzter Konsequenz verantwortlich?Die Beobachter und Kenner, die infolge der Reiseerleichterungen und sonstiger Maßnahmen der letzten Jahre immer zahlreicher geworden sind, zeigen sich bei Beantwortung dieser Kardinalfrage uneinig. Einigkeit besteht nur in einigen Detailfrageri. So etwa nimmt man als klar erwiesen an, daß die ungarischen Platzhalter selbst, das Führungsgremium um Kadar herum, in ihrer Mehrheit für ein wohl endloses Hinausschieben der Erledigung der Causa Imre Nagy plädierten und
Ungarn hatte zwei Ministerpräsidenten mit dem Namen Nagy.Ferenc Nagy, erster und zweitvorletzter Ministerpräsident der kurzlebigen zweiten demokratischen ungarischen Republik, weilte vor kurzem einige Tage in Wien, gerade als die offenen Unruhen im ungarischen Geistesleben im „Petöfi-Kreis“ mit einem Debakel für das kommunistische Regime und, unmittelbar nachher, mit dem Verbot der Diskussionsabende endeten. Er war damals der Meinung, daß dieser unblutigen Revolution zwar größte Bedeutung beizumessen sei, daß aber deren Erfolg erst zu einer späteren Zukunft zu erwarten sein werde.
Der Sturz des kommunistischen Diktators von Ungarn wurde in dieser Woche überall lebhaft diskutiert, wobei anscheinend fast alle Zeitungen des Westens und des Ostens darin übereingekommen sind, daß mit der Ablösung des ersten Sekretärs der Partei der Werktätigen, Matyas Rakosi, durch seinen langjährigen Mitarbeiter Ernö Gero nichts Entscheidendes geschehen sei. Diese seltene Eintracht in den Auffassungen von Ost und West kam dadurch zustande, daß die Kommunisten selbstverständlich an einem Ruhe, Ordnung und Zufriedenheit ausstrahlenden Ungarnbild interessiert sind, während die
Während die Welt auf Posen blickte, brach in Ungarn ebenfalls das Eis der Diktatur — der Petöfi-Kreis machte von sich reden. Was ist der Petöfi-Kreis? Er wurde von der Kommunistischen Jugendorganisation DISZ als Diskussionsklub gegründet. Seit einigen Monaten kamen jeden Mittwoch nachmittag eine Anzahl Studenten, Assistenten, sonstige junge Vertreter der Wissenschaft, der Kunst, Journalisten und auch Politiker in den Klubräumen des Budapester Armeeoffiziershauses zusammen, um Probleme zu diskutieren, die seit dem 20. Moskauer Parteikongreß neu formuliert und neuartigen Lösungen
Vor etwa zwei Monaten verglich die „New York Times“ den im Anfang Juli von der neuen ungarischen Regierung angekündigten neuen Kurs mit jener „Neuen ökonomischen Politik“ (NEP), die in der Sowjetunion zwischen den Jahren 1921 und 1928, wie es sich später herausstellte, eine bloß vorübergehende Phase bedeutete, nach den Leninschen Absichten: einen Schritt zurück, um dann zwei Schritte vorgehen zu können. Die unabhängige Pariser Zeitung „Le Monde“ teilt diese Meinung der „New York Times“ über die große Aehnlichkeit der beiden „taktischen Maßnahmen“ und der
Das Unwahrscheinliche, womit eben bis zum letzten Tag, ja zur letzten Stunde kein Nachrichtenbüro, kein Pressekommentar der Welt gerechnet hatte, wurde Ereignis: Der Mann, der wohl die überragendste Position unter den Landesvätern der Volksdemokratien innehatte, „Lenins und Stalins treuester Schüler“, Matthias Rakosi, trat zurück — zumindest von der Rampe der politischen Bühne des ungarischen Nachbarlandes. Schon am 28. Juni wechselte er seine Position innerhalb der KP Ungarns. Als Generalsekretär war er der taktisch allen Gegnern und Rivalen überlegene Vollstrecker der völligen
„Einen großen Mann ehrt man“, sagte vor 33 Jähren Kar] Jaspers in seiner Rede auf Max Weber, „indem man seine Werke sich zu eigen macht und in seiner Idee zu arbeiten versucht, um die Verwirklichung, die er möglich gemacht hat, ein jeder zu seinem kleinen Teil fortzusetzen“. Dieses Postulat wird nur selten befolgt und auch dann meist so, daß man die Werke „sich zu eigen macht“, indem man sie nach handfesten „Richtlinien“ umdeutet. Das geht dort leicht, wo schon im Originalwerk Illusionen und Schmeicheleien eine Rolle spielen. Man braucht nur die jeweiligen Zitate