Daß es im deutschen Katholizismus seit geraumer Zeit kriselt, ist eine bekannte Tatsache. Die fiebrigen Erscheinungen sind zu offenbar, als daß sie geleugnet werden könnten. Das religiöse Leben und die kirchliche Bindung der deutschen Katholiken haben seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil enorm nachgelassen. Der Kirchenbesuch geht rapide zurück. Die Abfälle im Klerus sind höher denn je zuvor. Die Lage des Priesternachwuchses ist denkbar ungünstig. In kaum einer wesentlichen Frage des Glaubens und des Lebens besteht noch Einigkeit unter den deutschen Katholiken. Es gibt kaum eine Erklärung der deutschen Bischöfe, der nicht eine gegenteilige Stellungnahme rebellierender Theologen auf dem Fuße folgt.
Die Zahl der Kirchenaustritte steigt. In manchen Diözesen sind im Jahre 1970 doppelt soviel Katholiken aus der Kirche aus- . getreten wie im Jahre 1969. Die Gründe für die Kirchenaustritte sind mannigfacher Art. Hier soll einmal von denen abgesehen werden, die auf Verhältnisse und Umstände zurückzuführen sind, die außerhalb der Kirche liegen, und das Augenmerk allein auf jene gerichtet werden, die in der Kirche selbst ihre Wurzel haben. Und auch unter diesen sollen jene unberücksichtigt bleiben, die immer und zu allen Zeiten wirksam sind, wie Unzulänglichkeit der Amtsträger der Kirche, Sichver- schließen der Menschen gegen die Botschaft Gottes — es soll nur von denen die Rede sein, die spezifisch für unsere Zeit sind und dementsprechend heute die Hauptschuld an dem zunehmenden Schwund der Kirchenglieder haben. Ich sehe zwei neue, von der Kirche selbst verschuldete Gründe für die wachsende Gleichgültigkeit vieler Katholiken gegen die Kirche.
In Kürze erscheint im Verlag Herold, Wien-München, aus der Feder des Professors für Kirchenrecht, Staatskirchenrecht und kirchliche Rechtsgeschichte an der Universität Frankfurt am Main das aufschlußreiche Werk „Demokratisierung der Kirche“. Wir bringen aus diesem Werk im folgenden das gekürzte Schlußkapitel.