EIN ÜBERWÄLTIGENDES ECHO hatte der Leserbrief: ein Kolumbianer, der in New York zu Besuch weilte, sah im amerikanischen Fernsehen einen Bericht über sein Land, er erwartete Aufnahmen vom glänzenden Zentrum der Hauptstadt, Informationen über öl- und Stahlproduktion, Textilflrmen und die Kaffee-Ernte. Statt dessen lief ein Film, der die Slums von Bogota und verlotterte Dörfer an der Atlantikküste zeigte. Augenblicklich verfaßte der New-York-Besucher einen empörten Leserbrief an „El Tiempo“, die einflußreichste Zeitung Bogotas, welcher mit großer Genugtuung abgedruckt
Kein Quizmaster hätte es gewagt, nach dem Chocö zu fragen. Denn selbst die Kolumbianer besaßen nur eine sehr vage Vorstellung von ihrer Pazifikprovinz, die zu den verges-sensten und vernachlässigsten Regionen der Welt zählt. Die bedeutungsvolle Herbstreise des kolumbianischen Expräsidenten Alberto Lleras nach Washington brachte den großen Umschwung: er »trug die Pläne eines Projekts in der Tasche, das die Zukunft der Chocö-Provänz und Kolumbiens verändern wird. Das Sensationelle an dem technischen Vorhaben — eine neue interozeanische Verbindung — ist jedoch ein fast
Zwischen Hoffnung und Trauer leben in diesen Tagen Lateinamerikas Revolutionäre: Hoffnung auf das Wiedererscheinen Ernesto „Che“ Guevaras, Gram über die Differenzen zwischen Kuba und den kommunistischen Parteien des Subkontinents sowie über das Schwinden der Hoffnung auf einen durchschlagenden Erfolg in unmittelbarer Zukunft. Der Mord an Jose Iribarren, dem Bruder des venezolanischen Außenministers, hatte die Konfliktsituation aufbrechen lassen. Guerillas rühmten sich der Untat. Venezuelas KP hingegen distanzierte sich entschieden von der terroristischen Aktion. Der Meuchelmord stand
„Revolutionäre, die als einzige Befreiungsmöglichkeit den bewaffneten Aufstand und Guerillakrieg anraten, versteifen sich auf dogmatische Positionen und verdienen, als ultralinke Kleinbürger bezeichnet zu werden.“ Dieses verächtliche Urteil des .. sowjetischen Historikers R. A. Molochkova über die nationalen Befreiungsbewegungen Lateinamerikas ist nur ein Beleg für das Scheitern einer revolutionären Formel, die nach dem Triumph Fidel Castros die Zukunft des ganzen Kontinents bestimmen sollte. Der Kubaner hatte geschworen, die Andenkette in eine riesige Sierra Maestra zu verwandeln
Nicht wenige Europäer, deren Denken unterschwellig von Gaullismen bestimmt wird, freuen sich insgeheim am schlechten Ruf, den die Vertreter der Vereinigten Staaten in Lateinamerika genießen. Dafür verweisen sie gerne auf die vielen Zeichen, welche die Sehnsucht Lateinamerikas nach einem echten Dialog mit Europa, der als Alternative für die Beziehungen zu Nordamerika dienen soll, dokumentieren. Noch klingt den Europäern der Jubel in den Ohren, der de Gaulle auf seiner Reise durch den lateinamerikanischen Kontinent entgegenbrandete; doch seit dem Beginn der französischen Atombombenversuche
Neben der eindrucksvollen Kathedrale von Bogotä, nur wenige Meter von der Stelle entfernt, an der Antonio Nifiez 1794 die Menschenrechte ins Spanische übertrug, steht eine Statue mit der Aufschrift: Ca- milo Torres, vivid para la patria y murid por ella — 1815; ‘er lebte und starb fürs Vaterland. Im Feber 1966 wurde ein gleichnamiger getötet, der ebenfalls bereit war, für Kolumbien au sterben: Camilo Torree, katholischer Priester, revolutionärer Führer, 38 Jahre alt.Bogotä war wie vom Schlag gerührt, als ein Militärsprecher lakonisch mitteilte, in einem Gefecht in der Provinz
MAN KONNTE JEDESMAL DIE GLEICHEN Reaktionen beobachten: Näherte sich der Zug Skopje, wurden die Fahrgäste lebhaft, erinnerten einander an das große Beben, tauschten rührende Geschichten aus von gelungenen Rettungsaktionen und bereiteten sich, meist unterwegs zu den Ruinen des klassischen Hellas, auf ein Trümmerfeld vor. Erwartungsvoll lehnten sie im Fenster, als die Stadt ins Blickfeld rückte, Form annahm. Balkanatmosphäre. Vorstadtcharakter, Intakte Häuserfassaden. Nichts Ungewöhnliches zeigte die Kontur der Stadt. Schale Düsternis und Ruß am Bahnsteig. Keine Trümmer. Im
Von der großen Erwartung, mit der Griechenlands Ministerpräsident Papandreou und sein Außenminister Kostopoulus Anfang des Monats nach Belgrad gekommen waren, blieb nichts als ein dürftiges Kommunique und Lobpreisungen der jugoslawischen Zeitungen, die den großen Alten der griechischen Politik als „Förderer der Demokratie“ herausstrichen. Diese Anspielungen auf die Lockerung der politischen Bewegungsfreiheit für die Linksradikalen können für Papandreou wenig Trost bedeuten; sie mögen eher zur weiteren Unterhöhlung seiner Position beitragen.Papandreou hätte einen deutlichen
ENTSTEHUNG UND VERLAUF DER amerikanischen Negerrevolution können an verschiedenen markanten Wegzeichen gemessen werden: die sozialen Umschichtungen während des zweiten Weltkrieges, der Entscheid des Obersten Gerichtshofes in der Schulfrage (1954), Martin Luther Kings Busboykott von Montgomery (1956), der erste Sitzstreik („sit-in“) in North Carolina (1960), die blutige Freiheitsfahrt von Alabama (1961), der unerwartete Ausbruch der Krise im Frühsommer 1963 und die kürzliche Verabschiedung der Bürgerrechtsvorlage. Diese ins Auge stechenden Ereignisse sind für die Arbeit des
Sooft wir während der vergangenen Wahlkampagne einen unserer Athener Freunde und politischen Auguren aus Leidenschaft in der Plaka trafen, murmelte er beschwörend die Zeilen Seferis': „Nur ein Weniges noch,. und wir werden die Mandeln blühen sehen.“ Diese Verse kennzeichneten treffend die Stimmung der Zentrumsunion, deren Führer, Papandreou, die Griechen mittels politico-mystdscher Ermahnungen zur Auferstehung rief. Unser Freund fügte jedoch hinzu, daß der zu erwartende Sieg der Zenitrums-union das Gedeihen der Disteln nicht unterbinden werde, zumal den ehrgeizigen Reformprogrammen