Wer Willy Kramp am Anfang der fünfziger Jahre begegnete, sah in ein offenes Gesicht mit klaren Augen. Ein Mensch von unbedingter Aufrichtigkeit und ein gläubiger Christ, der die Prüfungen von Krieg und fünf Jahren Kriegsgefangenschaft in der Sowjetunion bestanden hatte - das war der Eindruck, der sich von diesem Manne einprägte. Heute, da Wüly Kramp das siebzigste Lebensjahr voüendet, haben sich Falten um die Augen gelegt, Spuren überstan-dener Krankheiten zeichnen das Gesicht, und zu der Offenheit gesellt sich häufiger als früher das Lächeln des Humors.Immer noch lebt er in seinem
hinaus verbreitet sind. (Das ist übrigens auch das Ausleseprinzip meines Werkes „Europas christliche Literatur von 1500 bis heute“, Schöningh 1968; im Unterschied dazu beziehe ich hier auch die außereuropäische Literatur ein).
Überblickt man die christliche Literatur des 20. Jahrhunderts, so fällt folgendes auf: In der ersten Hälfte dominieren katholische Autoren — von denen freilich die meisten ihre geistige Prägung im Protestantismus erhielten. Die großen christlichen Autoren, die nach der Jahrhundertmitte hervortreten, stehen fast alle außerhalb der katholischen Kirche — so Sol- schenizyn, Maximow, Alan Paton, John Updike, D. Keith Mano, Christopher Fry, Dag Hammarskjöld, Johannes Bobrowski, Kurt Marti, Rudolf Otto Wiemer und andere.
WER NACH GOTLAND KOMMT, sieht zunächst ein Stück deutschen Mittelalters. Rheinischen und westfälischen Kaufleuten verdankt Visby seinen Glanz. Westdeutsche Art prägt die alten Bauten der Hansestadt. Um den Hafen drängen sich Treppengiebel. Terrassenartig steigt die Stadt an, überragt von wuchtigen Festungstürmen und den Barockhauben der Domtürme. Ehe die Marienkirche Sitz des lutherischen Bischofs wurde, war sie sechs Jahrhunderte lang die Kirche der deutschen Kaufherren. Die Grabsteine in ihrem Innern tragen deutsche Inschriften. Der Bau bezeugt den Schönheitssinn der
Am Ende des 18. Jahrhunderts waren die meisten Gebildeten davon überzeugt, daß die Kirche in ihren letzten Zügen liege und das Christentum, das von der Intelligenz Europas schon lange nicht mehr ernst genommen wurde, endgültig abtrete. Um so überraschender wirkte das Aufblühen einer starken und großartigen christlichen Literatur im 19. Jahrhundert. Es setzte sofort mit der Jahrhundertwende ein. Schleiermachers Reden über die Religion an die Gebildeten unter ihren Verächtern, Stolbergs Konversion, das Erscheinen der Schriften von Novalis und Chateau-briands Geist des Christentums —