„Sauerkraut“ verheißt zwar noch das Schild an dem Kiosk der Frau Rosa W. auf dem Karmelitermarkt, Sauerkraut ist aber längst nicht mehr der gängige Posten im Sortiment an Eingelegtem, Eingesäuertem und Konserviertem, es steht auch preislich niedrig im Kurs. Es ist schon einige Jahre her, als eines Tages die kleine Batterie roter Flaschen im Schaufenster leuchtete. „Das ist fein, daß Sie jetzt auch Tomaten-Ketchup führen, Frau Rosa“, meinte jemand. Frau Rosa zuckte mit den Schultern, und es schien, als bedauerte sie diesen Einbruch modernen Lebens in ihr alteingeführtes
„HERRLICHEN GARTEN für zarten Paradiesvogel! 4o/l82, modernes Weltbild, feinfühlend, Vorkriegscharakter, gut aussehend, mit Mercedes 300, sucht hübsche Dame mit Mannequinfigur für Freizeitgestaltung…”Der Leser lacht, legt die Zeitung weg und sagt: „Ist ja toll!” Aber er vergißt, daß 95 Prozent aller Heiratsinserate Ausbünde menschlicher, nein, schon halbgöttergleicher Vollkommenheit sind. Und das Woche für Woche in jener Rubrik, in der sich Kolonne an Kolonne reiht, in denen jene Inserate stehen, von denen jedes ein besonders dringliches, originelles, persönliches Anliegen
„A GENEVE ON N’ENTERRE PAS - on embaume.” In Genf wird man nicht begraben, sondern sorgfältig einbalsamiert. Als Edouard Herriot in den Couloirs des „Palais des Nations” in Genf mit diesen bitteren Worten das Resume der Abessinienkrise formulierte, war die Geschichte des Völkerbundes eine Aufeinanderfolge von Fehlschlägen gewesen. Heute freilich können wir uns das Urteil anmaßen, daß die lautere Absicht, nach dem Ende des ersten Weltkrieges durch einen Bund aller Völker den Frieden auf ewige Zeiten zu sichern, von Beginn an ein Versuch mit untauglichen Mitteln war. Die
DIE BILDER, die vor einiger Zeit in der oberen Halle des Wiener Südbahnhofes an transportablen Wänden zur Schau gestellt waren, dem p. t. Reisepublikum zur Unterhaltung und Belehrung über das Thema „OeBB“, waren die zuni Teil ausgezeichneten Ergebnisse eines von den Bundesbahnen ausgeschriebenen Photowettbewerbes. Thema des Bewerbes war selbstverständlich die Eisenbahn gewesen. Und wer das — eigenartigerweise noch immer allzu weit verbreitete — Vorurteil hegte, die Photographie sei zu „objektiv“, um künstlerische und damit subjektive Aussage möglich zu machen, fand in der
DER BAHNHOF sei, meinten die Architekten nach der feierlichen Eröffnung, mehr oder weniger „verunglückt“, und sie zählten eine lange Liste dessen auf, was man hätte besser machen können, schöner und großzügiger. Sicherlich, Wien-West ist keine Stazione Termini (man hat übrigens auch dort keine Fresken an die Wände gemalt). Aber unsere amerikanischen Freunde, die ihn vor drei Wochen zum erstenmal sahen, fanden ihn gemütlich: auf der ganzen Strecke von Holland herunter gebe es keinen netteren Bahnhof, erklärte John. Und Mary fügte hinzu, der Westbahnhof mache einen ausgesprochen
DIE KLEINE LIESL, vierjährige Tochter einer Bekannten in P., definierte unlängst in sehr prägnanter Weise die Einstellung des Menschen von heute zur Technik von heute. Was sie denn für ein Musikinstrument lernen wolle, fragte die Mama, Klavier wie der ältere Bruder oder Geige vielleicht? „Gar nichts lern’ ich“, erklärte die Liesl sehr bestimmt. „Ich werf einen Schilling hinein und hör zu.“ Womit die Debatte für sie beendet war. Bemerkenswert erschien uns Erwachsenen an dieser Antwort neben deren Inhalt vor allem der Tonfall, in dem sie gegeben wurde: weder widerspenstig noch
„KEIN MENSCH MEHR kommt zu mir herauf”, klagte uns droben auf dem Wechsel der Hüttenwirt sein Leid. Die Pacht des Schutz- hauses würde er im Sommer zurücklegen, berichtete er, denn um seine Liebe zum Berg allein könne er sich nichts kaufen. „Sie sehen’s ja selbst: wo kein Sessellift ist, sind auch keine Leut’.” Tatsächlich schien, was wir sahen, dieses Pauschalurteil zu bestätigen. Wir waren nur unser sieben, die der ungewöhnlich schöne Vorfrühlingssonntag zu genußreicher Mittagsrast in der heimeligen Hütte über der Baumgrenze zusammengeführt hatte, auf einem der
Man möchte fast erschrecken, wenn man zum ersten Male vor der Notkirche zum heiligen Josef in der Quellenstraße steht. Denn man hat diese armselige Baracke mit dem Kreuz auf dem Giebel, diese Hütte, die der Pfarrhof ist, schon gesehen: so sind die Missionsstationen Südwestafrikas in Büchern abgebildet. Geißblattranken verbrämen die Stacheldrahtwehr der Planke, die diesen Vorposten der Kirche am östlichen Rand des zehnten Wiener Bezirkes umgibt. In einem Garten zieht der Priester seinen bescheidenen Bedarf an Kartoffeln und Gemüse und die bunten Blumen für den Altar. Zwei