Die FURCHE ist in diesen Tagen in der ernstesten Existenzkrise seit ihrer Gründung durch Friedrich Funder vor mehr als dreißig Jahren gestanden [ ]Die österreichische Bischofskonferenz und andere Kreise haben nun am Fortbestand der FURCHE als rein österreichische Publikation so lebhaftes Interesse bekundet, daß sich die FURCHE-Zeitschriftenbetriebs Ges. m. b. H. & Co. KG entschlossen hat, die Zeitung in ihrer bisherigen Form weiterzuführen. [ ]Jenen Persönlichkeiten, die sich nunmehr um die Herausgeberschaft bemühen werden -vor allem Wolfgang Schmitz und Hanns Sassmann -gebührt unser
Den Ersten Weltkrieg sollte man als den Großen österreichischen Krieg bezeichnen. Eine ehrliche Aufarbeitung der Ereignisse samt ihrer Vorgeschichte ist längst fällig.Das kommende Jahr wird im Zeichen einer Jahrhundert-Erinnerung stehen - des Ersten Weltkrieges. Und das ist gut so: Denn eine ehrliche Aufarbeitung der "Urkatastrophe“ des 20. Jahrhunderts ist längst fällig - war doch Österreich-Ungarn in besonderem Maße involviert, ja, trug eine Art Grundschuld an den Geschehnissen, die am 28. Juni 1914 in Sarajevo ihren Höhepunkt erreichten.Wie immer gibt es natürlich eine
Die erste Alleinregierung der Zweiten Republik unter Josef Klaus galt diesem als "gelungenes Experiment“. Ein kritischer Blick auf diese Zeit zeigt die Kontinuitäten im politischen System."Annus horribilis“ - als schreckliches Jahr könnte wohl das laufende in die Wirtschaftsgeschichte Europas eingehen. Haben doch die Griechen, Portugiesen, Ungarn, Spanier -und wer noch? - Zores über Zores vor sich. Tatsächlich verfügen die Österreicher über bessere Voraussetzungen - aber von Segnungen eines "geglückten Experimentes“ für das politische "System“ kann man wirklich nicht
Das Tagebuch Erzherzog Johanns über seine große Reise nach England 1815/16 ist ein Stück europäischer und österreichischer Kultur- und Wirtschaftsgeschichte.Der Stolz unserer Generation über den Einsatz des Computers ist berechtigt, wenngleich relativ. Die Unfähigkeit vieler – vor allem jüngeren – Zeitgenossen, einen Brief von zehn Zeilen stilistisch einwandfrei zu verfassen, ist leider eine Tatsache, behaupten Pädagogen. Und erst recht ist die Kunst des Tagebuches – als Quelle des Wissens über Generationen hinweg – so gut wie ausgestorben.So ist es der „Historischen
150 Jahre nach seinem Tod ist nicht die jodelnde Legende, sondern die faszinierende politische Vision Erzherzog Johanns von Bedeutung. Doch die durfte er nicht entfalten.Mitteleuropa, der Raum zwischen Nordsee und Adria, hat eine gut zweitausendjährige Geschichte der Konfrontationen hinter sich. Eroberungs- und Bürgerkriege, Religionskonflikte, soziale Verteilungskämpfe, dynastische Streitereien - sie alle waren aus heutiger Sicht opfervolle und zerstörerische Sinnlosigkeiten - wobei sie auch noch im krassen Widerspruch zu den einzigartig-eindrucksvollen Schöpfungen der
Europa war erstaunt, als sich 1809 die Tiroler gegen Bayern und Napoleons Armee erhoben. Tirol gedenkt heuer dieses Aufstandes. Sein Held, Andreas Hofer, war eine tragische Figur.In den nächsten Wochen wird es in Tirol oft gesungen werden, das traurige Andreas-Hofer-Lied. „Es blutete der Brüder Herz … ganz Deutschland, ach, in Schmach und Schmerz“. Es geht um einen Rebellen aus den Alpen, einen Wirt aus dem Passeiertal, der Bauernsoldaten vor 200 Jahren zu erstaunlichen Siegen gegen die besten Armeen geführt hat.Dieser Andreas Hofer ist noch immer ein Held, auch wenn er ideologisch
Hans Magenschabs Buch über Andreas Hofer, das demnächst im Verlag Sty-ria, Graz, erscheinen wird, bietet einen umfassenden Überblick von bedrängender Aktualität.
Johann war noch immer im Amt, als es bereits längst keine legitime parlamentarische Vertretung mehr gab: ein Symbol der „glorreichen“ revolutionären Zeit - oder ein Verräter an der demokratischen Sache?Viele hielten ihn für einen Schwärmer; die ihn näher kannten, beklagten nur seine Schwäche. Aber wie und wann hätte er den Dingen einen anderen Verlauf geben können?Wenige Tage vor Weihnachten 1849 war alles zu Ende. Erzherzog Johann trat zurück, Rechberg hatte grünes Licht aus Wien erhalten. In seiner Abschiedserklärung sprach der Reichsverweser nicht mehr vom deutschen Volk,
Verebbt eine Welle? Mitte der siebziger Jahre beherrschten Bücher über unbekannte, mystisch-verschollene Völker die Bestsellerlisten Deutschlands und Österreichs. Nun folgt noch Hermann Schreiber mit einer Arbeit über die Vandalen nach.Dieses Volk ist ja nur negativ in die Vorstellungswelt Europas eingegangen. Woher die Vandalen kamen, wie sie durch Gallien, Spanien, bis nach Nordafrika zogen, wird plastisch nacherzählt. Schreiber bemüht sich um historische Fakten und schreibt spannend die „Story” eines Siegeszuges - und einer völligen Vernichtung. Von den Vandalen blieb nichts
Im Urteil der Zeitgenossen und der Nachwelt ist kaum eine europäische Herrschergestal t so umstritten wie Kaiser Joseph II. (1741 -1790). Für die einen ist der erste Habsburg-Lothringer ein großer liberaler A ufklärer und Menschenfreund, der der Glaubenstoleranz zum Durchbruch verhalf die Juden aus dem Ghetto holte und den Intellektuellen Pressefreiheit gewährte; für die anderen ist er ein der Freimaurerei verbundener „Glaubensfeger”, der die Klöster aufhob, dem strahlenden österreichischen Barock ein Ende bereitete und im übrigenseine Rolle als bürokratischer Despot und zynischer Reformer sadistisch genoß. Wie aber war Kaiser Joseph II. wirklich?
Ein Taschenbuch; am Umschlag: ein nackter homo sapiens, mit Schirm, Melone - auf einem Parkplatz. „Bedürfnisforschung und Konsumkritik” als Untertitel zur Frage: Was braucht der Mensch, um glücklich zu sein?Ja, was? Immerhin suchen Religionen, Philosophien und Ideologien seit gut zehntausend Jahren Menschheitsgeschichte darauf eine befriedigende Antwort.Daß die Frage aber neuerdings wieder so stark ins Bewußtsein rückt, steht wohl in Zusammenhang mit der Begrenzung unserer Ressourcen. Braucht der Mensch, was er heute verbraucht? Steht am Ende die totale Ausbeutung der Erde und ihrer
Längst fällig, dringend notwendig: eine kluge Zusammenstellung der Anekdoten über Kaiser Joseph II.Tatsächlich ist ja nicht so sehr die historische Wahrheit (falls es sie überhaupt gibt) geschichtlicher Größen für Lob und Tadel der Nachwelt entscheidend. Viel wichtiger ist da das „Image” einer Figur, das eben im Anekdotischen treffender umschrieben werden kann, als in schürfenden Studien. Erstaunlich auch, daß die letzte größere Anekdotensammlung über den Bürgerkaiser gut 100 Jahre alt ist. Damals war Joseph II. das Idol der Liberalen, eine Zentralfigur des
Joachim Schondorff hat das überaus erfreuliche Unternehmen realisiert, in ein Kapitel österreichischer Geistesgeschichte hineinzuleuchten, das bestenfalls „Spezialisten” zugänglich ist: Literatur und literarische Kolorit des ausgehenden 18. Jahrhunderts.Es ist die Zeit Josef 11., die da plastisch in den unnachahmlichen Darstellungen eines Johann Rautenstrauch, Joachim Perinet, Joseph Richter, Johann Perzl wiederentsteht. Vor allem aber ist da auch Aloys Blumauer, Humanist, Freimaurer und - von Josef II. eingesetzter - Zensor für Österreichs publizistische Szene. Mit der de-facto
Eine große Ausstellung über Josef II. in einem österreichischen Stift? Melk als Ort für eine repräsentative Schau über das Leben des „Glaubensfegers"? Man könnte eine tiefere Bedeutung in die Tatsache hineininterpretieren, daß gerade ein Kloster heute, 1980, dem Klosteraufheber Heimstatt bietet. Oder ist es vielleicht auch so, daß Josef II. in unserer Zeit anders, neu gesehen wird, als dies noch vor wenigen Jahrzehnten der Fall war?
Möbel - sind sie nicht die heitersten Begleiter der Menschheit durch ihre Geschichte? Zeugen -nicht nur abstrakter Größe oder gesellschaftlicher Zustände -sondern vor allem Zeugen eines tiefen menschlichen Bedrüfnis-ses nach Wohlbefinden und Schönheit?Der Verlag offeriert in einem prächtig illustrierten Bildband mit sehr klugen Texten und Beschreibungen von mehreren englischen Autoren die Stilepochen von der Antike bis zum Möbelbau in unseren Tagen. Natürlich dominiert die angelsächsische Betrachtungsweise - und der mitteleuropäische Leser vermißt ein wenig die bei uns
Wie bauten die Ägypter ihre Pyramiden? Wie löschte man in Alexandria das Feuer? Wie transportierten die Römer mit Lastenschiffen Tonnen von Getreide nach Italien? Wie zerstörte man die Mauern von Syrakus?Der Professor für klassische Philologie in Cambridge, John G. Landeis, ist der Frage nach der technischen Fähigkeit der Antike nachgegangen - die immerhin bis zu Beginn des Maschinenzeitalters den technologischen Kenntnissen des Abendlandes überlegen war. Die antiken Kulturen des Mittelmeerraumes und des Nahen Ostens verfügten über eine durchaus differenzierte Methodik, auch
Unverstehbares und Unverständliches hat schon immer die Menschen fasziniert. In unserer Zeit ist wohl der Computer jener geheimnisumwitterte Moloch, mit dem der Mensch zwar täglich zu tun hat, den er aber doch nicht begreift. Von der Stromrechung bis zum Flugticket, vom Taschenrechner bis zum Einkommensteuerbescheid sind wir ganz und gar elektronisch datenverarbeitet. Der Blechkasten, der Unmögliches möglich macht, ist aber ein geheimnisvoller Golem, ein Roboter, eine verkabelte Intelligenzbestie geblieben.Immer wieder habe ich Menschen bewundert, die sich ganz und gar mit dem für sie
Der 5. November 1978 könnte als entscheidendes Datum in die Geschichte der Innenpolitik der Zweiten Republik eingehen. Seit vorletztem Sonntag ist ein Bruch im Struk-turgefüge der österreichischen Gesellschaft sichtbar geworden.Dabei war die Kernkraftfrage nur Anlaß, nicht wirkliche Ursache gewesen.Jedenfalls: In den Parteien, in den Interessenvertretungen, in den konfessionellen Gruppen entstanden Bruchlinien, die bisher noch nie sichtbar geworden waren. Familien stritten sich am Mittagstisch, gute Freunde entzweiten sich nicht nur an der vordergründigen Frage, ob Zwentendorf in Betrieb
„Das tägliche ,Spektakel' sollen gute Programme sein, alles andere - das sollte man dem Generalintendanten für die neue Funktionsperiode ins Stammbuch schreiben - ist ungesund.“ Mit diesen Worten schloß Helmut Lenhardt seinen Beitrag auf dieser Seite. Wie müßten „gute Programme“ aussehen? Wir erteilen dem ehemaligen FURCHE-Chefredakteur Hans Magenschab, Autor eines sachkundigen Buches und vieler Artikel über den ORF, dazu das Wort.
Diskussionen über den Stellenwert der Kultur in den Massenmedfen im allgemeinen, im Fernsehen im besonderen lösen immer wieder eine exemplarische Sprachverwirrung aus. Was man landläufig als „Kultur” im Fernsehen versteht, bezieht sich freilich durchwegs nur auf den Bereich der Information und Darstellung von Kunst und ihren Formen.Es steht aber außer Frage, daß es so etwas wie einen erweiterten Kulturbegriff gibt, und dieser reicht von der Eß- über die Wohn- bis zur Sprachkultur (wenn man will: auch bis zur Seh- Kultur).Auch das kürzlich in Baden abgehaltene 8. österreichische
Ein fast alltäglicher Sachverhalt — und doch von ganz besonderer Bedeutung für das wichtigste Medium unserer Zeit in Österreich: der ORF will vor den Verfassungsgerichtshof gehen, um endlich klären zu lassen, was Objektivität sei und was sich denn der Gesetzgeber gedacht haben könne, als er Kraut und Rüben in das Phrasenfeld des Rundfunkgesetzes säte.
Am 15. Juni gestaltete nämlich Kurt Tozzer einen „Horizonte“-Beitrag über „Abtreibung — Tat ohne Rat“. Den SPÖ-Frauen paßte der Beitrag nicht, und sie liefen zur ORF-Beschwerdekommission — einem gerichtsähnlichen Zwitter mit fragwürdigen Untersuchungsmethoden —, wo man den SPÖ-Frauen recht gab und feststellte, die Sendung sei nicht objektiv gewesen und habe daher das Rundfunkgesetz verletzt.
Kann also in Zukunft eine Zensurinstänz jede journalistische Initiative töten — ohne präzise sagen zu können, was jeweils gerade „objektiv“ ist und was nicht?
ICH bin heilfroh, daß der Olympia-Rummel vorbei ist. Montreal bot den vorläufigen Höhepunkt in jenem Freizeittheater, das sich Sport nennt, in Wirklichkeit aber nur noch Show-Busineß geworden ist.Die Orgien des Nationalismus feierten Höhepunkte; wenn ein kanadischer Sportler mit dabei war oder ein Amerikaner gewann, dann brüllten und klatschten die Stadientoesucher und die Schlachtenbummler aus den nahen USA.Anderseits berichten Beobachter, daß in den Ostblookländem abends die Straßen leergefegt waren, wenn die sozialistischen Helden des Sports über die Tartanbahn flitzten oder in
Die Befreiung der Geiseln in Entebbe kann ein wichtiger Wendepunkt im Kampf gegen den weltweiten Terror sein. Unbestritten wind das Beispiel der Israelis Ermutigung für jene Regierungen in aller Welt — vor allem aber in Europa — sein, die die Bekämpfung des Terrorismus mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln jetzt für ein Gebot der Stunde halten. Und auch die Terroristen — seien es Palästinenser oder europäische Desperados — mögen sich klar geworden sein, daß ihr Einsatz immer auch den Einsatz ihres eigenen Lebens bedeutet.Die Affäre hat nun eine andere Dimension erhalten,
ICH gehöre zu jenen Fernsehzuschauern, die die Qualität einer TV-Sendung nicht nach ihrer Popularität beurteilen; eher im Gegenteil: je mehr Zuseher eine Sendung hat und je mehr Reklame rundherum gemacht wird, desto eher muß man sich immer sorgen, daß sie mies ist.Darum ist auch das Argument schief, daß eine Sendung schon deshalb gut sein müsse, weil essie seit Jahren gibt. Und genau das trifft auf Herrn Zimmermanns gutgemeinte XY-Gang-sterjagd zu.Daß freilich ausgerechnet heute, nach Jahren, der Herr Pressereferent Keller des Justizministeriums gegen Zimmermanns Sendung zu Felde
J£jr_J habe nie einen Zweifel gehegt, daß dem Bundeskanzler die aufmüpfigen sozialistischen Studenten auf die Nerven fallen. Jetzt, da er einen Trennungsstrich ziehen will („Jetzt ist endgültig Schluß, ein für allemal!“) weiß er sich einer Meinung mit seinen eigenen — konservativen — Parteifreunden und natürlich mit der österreichischen Öffentlichkeit.Nun, die sozialistischen Studenten sind nicht so sehr ein Übel für Österreichs Prestige, sonidern vor allem ein Stachel im eigenen Parteifleisch der SPÖ.Das Zusammengehen mit Kommunisten bei diversen Aktionen ist jetzt
1860 landete Garibaldi mit seinen jakobinischen Insurgenten in Sizilien; es war das Ende der feudalen Bourbonen-Herr-schaft — und der Beginn des liberalen Nationalstaates Italien. Tomasi de Lampedusa — selbst Träger eines großen Namens — läßt in seinem „Leoparden“ den Fürsten Salina sagen: „Damit alles bleibe, wie es ist, muß sich alles ändern“; und der Fürst schickt seinen Neffen zu den Garibaldianern. 1922 marschiert Mussolini gegen Rom. Seinen Faschisten schloß sich auch ein junger Mann aus kleinbürgerlichem Milieu an, Marcello Cle-rici, der später sogar Mitglied der Geheimpolizei wurde — weil er sehr diffizile Probleme mit seinem Ego hatte und überdies Italiener war. Alberto Moravia, scharfzüngiger römischer Romancier, nennt seinen Romanhelden den „Konformisten“ und läßt diesen Clerici sagen, daß das Wichtigste an einem Italiener eben immer sei, „aufs richtige Pferd zu setzen“. 1976 schreibt Italiens Starjournalist Indro Montanelli, jahrelanger Kommentator des „Corriere della Sera“ und des „Giornale nuovo“ über seine Landsleute — knapp vor dem entscheidenden Urnengang vom 20. Juni: „In der Außen- wie in der Innenpolitik stürzt sich der Italiener in die Arme des Siegers. Wenn ein Italiener für die Kommunisten gestimmt hat, ohne Kommunist zu sein, so versucht er, es jetzt zu werden...“
„Alle menschlichen Dinge sind im Fluß, sie müssen steigen und fallen, und zu vielem, toozu die Vernunft nicht rät, zwingt die Notwendigkeit.“ Niccold Machiavelli, Discorsi 116Italiens Demokraten können sich vor Neuwahlen nicht mehr retten. Italiens Kommunistische Partei wird in diesen Wahlen entweder zur größten Partei des Landes werden; oder, wenn sie dieses Ziel auch verfehlen sollte, doch so gestärkt aus dem Walhlgang hervorgehen, daß keine Regierung in Horn an der KPI und den von ihr kontrollierten Gewerkschaften mehr vorbeisehen kann.Das Abendland trägt deshalb Trauer. Und
Die FURCHE ist in diesen Tagen in der ernstesten Existenzkrise seit ihrer Gründung durch Friedrich Funder vor mehr als dreißig Jahren gestanden: ein unlösbares Finanzierungsproblem schien ihre weitere Herausgabe als Wochen zeitung ernsthaft in Frage zu stellen. Die Einstellung der FURCHE mit der vorliegenden Nummer schien so gut wie beschlossen.Als in der österreichischen Öffentlichkeit dieser Umstand bekannt wurde, hat dies eine von uns weder erwartete noch produzierte Wirkung hervorgerufen. Zeitungen aller politischen Lager und auch der ORF haben sich zu Wort gemeldet und deutlich
Das Bild Österreichs ist in der französischen Literatur und Geschichtsschreibung stark verzeichnet. Ressentiments, eine jahrhundertealte Rivalität um die Vorherrschaft in Europa und handfeste politische Gegnerschaft bis in die jüngere Gegenwart haben die nüchterne gegenseitige Beobachtung und Beurteilung beeinträchtigt. Dabei sind sich — bei näherer Betrachtung — Franzosen und Österreicher in vielem so ähnlich. Das französische savoir vivre ist mit jenem stark individualisierten Habitus des Österreichers sehr verwandt, auch die Vorliebe und das Interesse für eine humanistische
ICH erinnere mich noch an die Zeit, in der ich mein Gerichtsjahr absolvierte. Es ist nämlich eine gute Einrichtung, daß jeder absolvierte Jusstudent für eine gewisse Zeit in der Praxis Rechtssprechung und Rechtsübung erleben kann.Ich kam damals, es war in den frühen sechziger Jahren, an den Jugendgerichtshof in Wien, und dort in die sogenannte Schmutz-und Schundabteilung: wo man jenes Gesetz anwendet, das heuteals Pornographiegesetz in der Öffentlichkeit umhergeistert.Dort hatte ich ein halbes Jahr lang Gelegenheit, mich mit den Problemen herumzuraufen, die die Rechtssprechung mit einem
6. März 1966.Zehn Jahre ist es in dieser Woche her, daß Österreichs Regierungssystem einen entscheidenden Wandel durchmachte. Nach dem Wahltag von 1966 wurde eine Alleinregierung gebildet, die die Große Koalition von ÖVP und SPÖ ablöste.Was damals, vor genau zehn Jahren, wie eine vorübergehende Periode aussah, hat sich mittlerweile als Selbstverständlichkeit etabliert. Man erinnere sich: Zwanzig Jahre Große Koalition hatten so etwas wie einen österreichischen Weg proklamiert.Die Bildung einer Alleinregierung durch die ÖVP war 1966 eine echte Mutprobe — wußte man doch nicht,
Moschee und Kirche, die sich an der Spitze berühren: Zeichen eines Dialogs — und einer möglichen Zusammenarbeit? In Tripolis, der Hauptstadt Libyens, prangten die zum Doppelturm gewordenen Gebetsstätten von Christentum und Islam an der Stirnseite: während eines fünftägigen Dialoggesprächs, das als Sensation in der Wechsel vollen Geschichte beider Konfessionen anzusehen ist. Und doch: sind die Grenzen, die diese beiden großen monotheistischen Weltreligionen trennen, nicht zu signifikant, die Gräben nicht zu tief? Sind die Gegensätze nicht auch aktuell zu „politisch“?
Seit der Einführung der Fristenlösung wird in Österreich eine derzeit unbekannte Zahl, von Kindern Tag für Tag abgetrieben. Es besteht zwischen allen demokratischen Gruppierungen in unserem Land einhellig die Meinung, daß diese Abtreibungen unerfreulich und bedenklich sind.Um so mehr müßte bei allen Einvernehmen darüber herrschen, daß alles zu tun ist, durch gesetzliche oder auch organisatorische Maßnahmen Kinder am Leben zu erhalten.Nun hat der sozialistische Klubobmann Heinz Fischer anläßlich der Klubtagung der SPÖ in Salzburg festgestellt, daß „flankierende Maßnahmen“,
Tfll rnejne> da^ w“r al*e eigent-lieh erwachsen genug sind, um Schein von Schein zu unterscheiden. Und ernst genug, um aus Spielen nicht Spielerei werden zu lassen.Ich meine die Olympischen Spiele.Schon jetzt, drei Wochen vor dem Beginn, geht in diesem rotweiß-roten Land die Welt unter, wenn auch nur eines der Medaillenverdächtigen Asse Bauchweh hat oder sich die Schulter verrenkt. Gesetzt den Fall: wir gewinnen nichts, keine einzige Medaille, — sind wir dann schlechtere Gastgeber?Tatsächlich, dieser Pseudo-paWiotismus geht mir schon jetzt gewaltig auf die Nerven. Er ist nämlich
„Die für die ÖVP ausschlaggebende Änderung des politischen Bewußtseins wird nur dann möglich sein, wenn es gelingt, die gegenwärtige lethargische Situation zu beenden.“Der Satz, vom Klubobmann der großen Oppositionspartei just in jenem Moment ausgesprochen, da die Bundesregierung eine neue Belastungslawine für die Österreicher lostritt und vor dem großen Revir-ment seit 1970 steht, müßte eigentlich erstaunen machen.Lethargische Innenpolitik?Schon richtig. Aber warum?Nun, die Volkspartei hat am 5. Oktober 1975 die Wahlen verloren. Über die Motive hat man hintergründig
Vor wenigen Jahren hat der britische Fernsehjournalist Robert Mac Neil ein Buch über die Macht der Massenmedien mit dem (ins Deutsche eigentlich unübersetzbaren) Titel geschrieben: „The People Machine“.Massenmedien als technologisches Vehikel: zur Nutzung menschlicher Hirne und menschlichen Bewußtseins? Ist es das? Tatsächlich sind Massenmedien längst jedenfalls das Vehikel zum Kennenlernen von Abstrusitäten, Perversitäten und — ganz einfach — von Verbrechen geworden.Und das führt mitten hinein in den Zeitungsalltag, wofür man keine These mehr braucht: die Geiseltragö-dien an
Ein sensibilisierendes Wort steht wieder im Raum: ÖVP-Bundesparteiobmann Josef Taus hat vom „politischen Katholizismus“ gesprochen und gemeint, der „Rückzug aus der Welt“ sei in der Kirche ein Mißverständnis gewesen. Die Frage stand freilich als Aktualität spätestens seit der Absicht der Regierungspartei im Raum, den 144 des alten Strafgesetzes zu ändern. Aber es ist keine Frage, daß die Äußerungen des ÖVP-Obmannes unpräzise waren und — möglicherweise — auch falsch interpretiert wurden. Jedenfalls hat die Kirche in der Pastoralkonstitution „Kirche in der Welt von heute“ und im Dekret über das „Laienapostolat“ klargelegt, wie und wodurch sie auch im öffentlichen — daher auch politischen — Leben präsent sein will. Und wörtlich heißt es da: „Die Spaltung zwischen dem Glauben, den man bekennt, und dem täglichen Leben vieler ist zu den größten Verirrungen unserer Zeit zu rechnen.“
Gehört Sentimentalität zur Vorweihnachtszeit?Die Welt schubladisiert die Gefühle und drückt auf die Geldbörsen. Heile-Welt-Suche?Es hat nichts mit dieser angeblichen Sentimentalität des Advent zu tun, wenn sich Wiens Erzbischof in diesen Tagen mit einem Memorandum an den Wiener Bürgermeister und in einem Brief an den Bundespräsidenten wandte. Es geht um die Zukunft des Stephansplatzes.Dieser Platz — wer bezweifelt es? — ist nicht nur eine x-beliebige Fläche zwischen mehreren Häusern und einer Kirche. Er ist ein Stück österreichisches Refugium, der Ort historischer Bezüge und
Eine Tageszeitung an einem Wochenende. Man schreibt den 8. November 1975, das sind 58 Jahre und ein Tag nach der russischen Oktoberrevolution. Das politische Politbüromitglied Pelsche sagt in Moskau, daß „gewisse Leute im Westen die Verwirklichung der Menschenrechte in der Sowjetunion kritisieren“. Dafür sei kein Grund; Sacharow und seine Dissidenten mißdeuteten eben den „ideologischen Kampf gegen bourgeoise Ideen“ — meint Pelsche.In Patras, Griechenland, werden am gleichen Tag zwölf griechische Polizisten wegen Folterungen während der Zeit des Militärregimes verurteilt. Und
Seit einem Jahr ist die neue ORF-Führung nun im Amt; sie residiert fast komplett im funkelnagelneuen Zentrum auf dem Küniglberg, bei dessen Eröffnung mit Recht von einer neuen Ära gesprochen 'wurde. Es war ein Jahr mit einem neuen Gesetz und ohne Programmrichtlinien, um die nun so heftig gekämpft wird. Eine Plus-Minus-Rechnung macht allerdings deutlich, daß das Schwarzweißbild nicht stimmt, mit dem der ORF entweder verteufelt oder hochgelobt wird.Tatsache ist: das neue Gesetz ist schwer praktikabel, erhöht die Umständlichkeit und erweitert die Bürokratie. Es hat nicht zur Erweiterung
Die Wiederentdeckung des 19. Jahrhunderts konnte nicht auf sich warten lassen: allerorten suchen und orten Autoren jene geistigen, politischen und künstlerischen Quellen, aus denen unsere heutige Zeit — zeitgenössdschen Redereien zum Trotz — schöpft. Das 19. Jahrhundert begründete und formte alle geistigen und politischen Strömungen, die unsere heutige Unrast ausmachen: den Liberalismus, den Konservatismus, die gegenstandslose Kunst, den Surrealismus.Gelegentlich wird noch immer die Meinung vertreten, das 19. Jahrhundert wäre so etwas wie ein „finsteres“ Jahrhundert gewesen, ein
Politiker, konkret: österreichische Politiker galten lange Zeit als Spezies besonderer Art. Vielleicht mehr als anderswo war der österreichische Politiker ein Opfer des seichten Kabaretts, belächelter Spott für den „Herr Karl“, der sich über seinesgleichen in Parlament und Regierung gern mutig alterierte.Und tatsächlich hat in Österreich das Repräsentationsprinzip lange Zeit (und etwa auch noch heute sehr stark in den Bundesländern) das sogenannte Eliteprinzip verdrängt. Der urige Landeshauptmann, der „über den Daumen“ Politik anpeilende Agrarier, auch der ehrgeizige Prolet
Mit Günzls „Neuem Denken“ liegt ein Buch vor, das die Aufhebung des Marxismus in all seinen Spielarten, aber auch eine überzeugungskräftige Kritik an der ideologischen sowie gesellschaftspolitischen Grundlegung der Sozialisten und Sozialdemokraten bedeutet. Durch dieses Neue Denken sind Marxisten und Sozialisten in die Defensive gedrängt und herausgefordert. Sie können daran nicht vorübergehen und werden es schwer haben, ihre geistigen Positionen zu verteidigen. Auch sie werden umdenken müssen.Günzls Buch macht, nicht zuletzt durch mehrere anschauliche Beispiele, auch dem
Die Volkspartei hat sich an ein Wort gehalten, das im Wiener Vormärz zum Bonmot wurde: „Ich bin so frei, frei zu sein.“Sie, die Partei, die sich seit mehreren Jahren von Bruno Kreisky wiederholt das Gesetz des Handelns aufzwingen lassen mußte, scheint sich in wenigen Tagen freigespielt zu haben. So gewinnt der Tod von Karl Schleinzer gerade durch seine besondere Tragik eine Dimension, die als Wende in der Politik des nichtsozialistischen Lagers aufgefaßt werden könnte. Freier denn je kann die Volkspartei — wenn sie das Geschick beim bunten Kragen packt — jetzt mit einer ganz neuen
Der kommende Wahlkampf dürfte noch interessant werden. Was professionelle Auguren schon als ..ausgemachte Sache“ (nämlich als „kleine Koalition“) in die Welt posaunten, hat neue Dimensionen erhalten. Nun, seit VP-Obmann Karl Schleinzer das Wort von der Konzentrationsregierung zum richtigen Zeitpunkt und am richtigen Ort — nämlich im Parlament — placierte, hat eine neue Wahlkampfthematik jede andere verdrängt: jetzt geht es nicht darum, ob Bruno Kreisky und sein Team gut oder schlecht regiert haben; jetzt geht es darum, ob die wirtschaftliche Lage so ernst ist, daß man sich
In wenigen “Wochen will Unterrichtsminister Sinowatz seine Schlüsse aus der IFES-Untersuchung über die kulturellen Gewohnheiten der Österreicher ziehen. Ein „Maßnahmenkatalog“ soll die Vorschläge enthalten, die der Unterrichtsminister den Österreichern als „kulturelle Kur“ verordnen will.Freilich: Politik spielt dabei offenbar eine ganz erhebliche Rolle. Kulturelle Aktivitäten sind nämlich in Österreich gemäß Bundesverfassung Landessache; soll aber das geschehen, was Sinowatz andeutet, zu beabsichtigen, so muß die Stoßrichtung der Kulturoffensive in Richtung auf die
Aus der Unzahl politikwissenschaftlicher Veröffentlichungen der letzten Zeit dürfen dem österreichischen Leser mehrere — wenngleich in der Bundesrepublik erschienene — Bücher nicht gleichgültig sein. Da ist zunächst ein kleiner Stichwortband „Politik“ des Herder-Lexikons. Ohne Anspruch auf die Ausführlichkeit etwa des Herderschen Staatslexikons zu erheben, ist dieses Bändchen sozusagen eine Schnellschuß-Nachschlagemöglichkeit für alle politisch Interessierten, vor allem für professionell mit Politik Befaßte. Der Wert solcher Klein-Lexika besteht darüber hinaus vor allem
Von Österreichs Unterrichts- (und Kultur-) minister stammt das Wort, daß Kultur politisiert werden müsse und „was nicht Parteipolitik ist, nie Politik wird“. Ausgangspunkt für die Feststellung war der Bericht des Instituts für empirische Sozialforschung über die „Kultur in Österreich“, der bekanntlich bedrückende Ergebnisse hinsichtlich der kulturellen Gewohnheiten der Österreicher gebracht hat. Dem nach journalistischer „Griffigkeit“ eifernden Magazin „Profil“ fiel die Titelstory ein: „Heimat bist du dummer Söhne.“ Mittlerweile scheint die Vordergründigkeit einem ernsten Studium der Untersuchung zu weichen. Und das Unterrichtsministerium kündigt einen „Maßnahmenkatalog“ an. Was also Wird, ein halbes Jahr vor Wahlen, die „Politisierung“ der Kultur bringen?
Die Italiener haben ein Sprichwort: ist das Fest vorbei, so lacht man des Heiligen.Österreich feiert in diesen kommenden Tagen vieles vielartig. Befreiung, Kriegsende, Gründung der Zweiten Republik, Staatsvertrag. Und was kommt danach?Die Frage steht im Raum. Erinnern wir uns deshalb an 1945 und 1955, weil wir vergleichen wollen („Wie war das damals fürchterlich, wie ist es heute schön.“), oder wollen wir Lehren ziehen aus' dem Geschehenen? Verwenden wir die Feiern vielleicht vor allem als Anlaß dafür, uns auf das Patriotisch-Staatliche zu besinnen, daß es neben dem
Die ersten Infratestergebnisse des Fernsehens liegen vor. Spekulationen aller Art knüpfen sich an sie. Ist die Regierung im Vorteil, weil es neue Programmschemata, weniger Seher von Informationssendungen, mehr Unterhaltung gibt? Kann das Fernsehen jetzt etwa Meinungen so verbilden, daß Wahlergebnisse beeinflußt werden? Oder ist es gar so, daß ein Zuviel an Fernsehinformationskonsum desinteressiert macht, apolitische Reaktionen erzeugt, die sich dann in Wahlenthaltungen deutlich ausdrücken?
In Kärnten ist der Wahlkampf vorbei. Hoffentlich auch ein Klima, das reit 1945 kaum irgendeinen Wahlkampf kennzeichnete. Resseniiippnts und’ längst totgeglaubte Phobien aus der untersten politisciien’’Kade feierten schäbige Urständ. Ein Wahlkampf auf dem Buckel der Minderheit.
Kunst — die wichtigste Ausdrucksform der Gesellschaft — das ist das Thema des umfassenden Lebenswerkes eines der bedeutendsten Kultursoziologen des deutschen Raumes, Arnold Hauser. In der „Soziologie der Kunst” setzt er die „Sozialgeschichte der Kunst und Literatur” fort und rundet sie ab.Die Bedeutung des Werkes ist vor allem darin zu sehen, daß Hauser den Kunstbegriff nicht eng faßt, daß für ihn etwa auch die modernen Massenmedien Teile der Kirnst sind. Hauser reiht die historische Bedingtheit der Kunstentwicklung von der gesellschaftlichen Entwicklung in den Mittelpunkt,
Zwischen den Themen Umweltschutz und Wachstumssorgen in den Industrie- und Entwicklungsländern pendelt eine zunehmende Sachbuch- Sparte. Seit Dennis Meadows seinen Bestseller über „Die Grenzen des Wachstums” veröffentlichte, ist eine weltweite Diskussion losgebrochen, die überdies noch durch die Energie- Problematik angereichert wurde.Nunmehr präsentiert die Deutsche Verlagsanstalt in einem Sammelband Beiträge von Kritikern Meadows und neuerliche Stellungnahmen des Autors selbst.Manches nimmt Meadows mittlerweile (zwischen den Zeilen) zurück. Manches an der Voraussage des MIT- Teams
Der Vorschlag des steirischen Landeshauptmannes Niederl, die österreichische Verfassung zu ändern und das „Schweizer Modell” einer Kon- zentrationsregierunig einzuführen, ist zwar aktuell, aber nicht neu. Schon Niederls Amtsvorgänger Krainer sprach sich nach 1970 einige Male dafür aus.Tatsächlich ist anzunehmen, daß es keiner Partei gelingt, bei den nächsten Nationalratswahlen die absolute Mehrheit zu erreichen; das ,.Englische Modell” scheidet also aus. Das „Deutsche Modell” einer Kleinen Koalition hat den Nachteil, in einer Zeit der wirtschaftlichen Schwierigkeiten nicht
„Die Quelle fließt und verbirgt sich der Geliebten gleich: furchtsam verbirgt sie die Tränen, sich nicht zu verraten.”(Maurische Verszeile, eingraviert im Bassin des LöwenKofes der Alhambra in GranadaJWer vom Burgberg der Mauren, von den Fenstern des „roten Schlosses” über das Tal des Rio Darro auf die Stadt Granada blickt, steht dort, wo sich Abend- und Morgenland berühren; an jeher Nahtstelle der Geschichte, an der sich wie nirgendwo sonst Orient und Okzident gleichsam vermählten. Weiblich, formenreich und verspielt weisen sich bis heute lieh, abweisend, streng sind die Zeugen
Wer sind sie, die meinen, die Gesellschaft verändern zu können? Deren Wort die Öffentlichkeit erreichen muß, um sie von der Masse zu unterscheiden? Was wollen sie und kann man sie überhaupt definieren?Zwei junge französische Soziologen bzw. Publizisten, zwei „Intellektuelle“ also, unternehmen neuerdings den Versuch der Beschreibung der Gruppe der Intellektuellen in der modernen Massengesellschaft. Mit der nur französischen Autoren eigenen Logik und schriftstellerischen Brillanz analysieren sie vor allem ihre, die französische Sozietät. Man kann als Intellektueller anderer
In Spanien ist es zur ersten großen Machtprobe gekommen — noch vor dem Abtritt Francisco Francos, der dieser Tage den 40-Jahres-Tag der Gründung der „Falange“ feierte. Mit der Entlassung des liberalen Informationsministers Cabanillas Gallas, dem der Finanzminister Barrera de Irimo freiwillig nachfolgte, ist der Kurs des Ministerpräsidenten Arias Navarros ernstlich gefährdet. Ein Kurs, der durch eine systematische und dosierte Liberalisierung gekennzeichnet ist.
Reden, Meinungsäußerungen und Aufsätze eines Politikers aus mehreren Jahren seines Wirkens (vom Außenminister über die Oppositionsführung bis zum Regierungschef) könnten den Charakter einer Bilanz tragen. Sie könnten auch markante Stationen eines Lehens dokumentieren.Bei Bruno Kreiskys „Aspekte des demokratischen Sozialismus” handelt es sich allerdings um die Zusammenfassung eines Weltbildes, das die Sozialdemokratie am Ende dies Jahrhunderts bestimmen könnte: zwischen den Polen einer möglichst weit empfundenen Demokratie als Mitbestimmung möglichst aller und der evolutionären
Luis Bunuel, der großartige spanische Filmregisseur, läßt in seinem — inzwischen zur Filmgeschichte aufgerückten — Werk „Der Würgeengel" eine bürgerliche Abendgesellschaft nicht auseinandergehen. Unsichtbar an andere gekettet, sucht jeder Teilnehmer einen Weg ins Freie — allein. Aber keiner hat die Kraft dazu.Österreichs Großparteien suchen einen Weg nach „außen“. Man könnte es eine Flucht nach vorne nennen. Aber auch ihnen fehlt bislang die Kraft dazu. Wahlen kommen 1975 sicher — falls schon im Frühjahr, so nur durch einen Akt der Exhibition. Man scheut sie mit gutem
Das Wort vom „Unterhaltungsrundfunk’, das Bundeskanzler Bruno Kreisky eher gelassen ausgesprochen hat, hat für kurze Zeit das österreichische Gesellschaftsspiel über das Personenkarussell des ORF überschattet. Tatsächlich ist ja doch wohl noch die Frage wichtiger, wie das neue .Rundfunkprogramm aus- sehen soll, wie also etwa die Meinungsvielfalt verwirklicht werden kann, die ja die Absicht der Gesetzesänderung war. Daß sich da unweigerlich grundsätzliche Überlegungen zur Rundfunkproblematik aufdrängen, liegt auf der Hand.
Rudolf Kirchschläger ist Österreichs neuer Bundespräsident. Das überrascht denjenigen nicht, der die Struktur der österreichischen Wählerschaft kennt. Eine zwar wachsende, keinesfalls aber ausgeprägte Mobilität der Wähler (und die Mobilität ist eine Frage des Ost-West-Gefälles!) akzeptiert nicht einen Kandidaten ohne weiteres, den man erst im Wahlkampf bekannt gemacht hat. Daß die geradezu sensationelle Aufholjagd dem ÖVP-Kandidaten immerhin noch ein besseres Ergebnis brachte als 1971 dem heutigen UNO-Generalsekretär Kurt Waldheim, bestätigt jedenfalls die Kraft und Dynamik der
Eine neue Ära — das vermeinte Wahlsieger Valery Giscard d'Estaing selbst aus dem Wahlergebnis vom Sonntag herauslesen zu können. Was er selbst unter dieser neuen Ära versteht, wird sich weisen. Bislang bleibt die Tatsache, daß er die landläufigen Schemata der europäischen Politik durcheinandergebracht hat.Die Ablöse des Gaullismus deutet Frankreichs Rückkehr zur politischen Geographie an. Giscard d'Estaing steht zweifellos dem christdemokratischen MRP und dem Zentrum Lecanuets nahe, er ist aber anderseits durch Herkunft und politischen Habitus ein Konservativer, dessen Sukkurs durch
Man muß kein politischer Meteorologe sein, um zu bemerken, daß sich die innenpolitische Wetterlage auf „veränderlich“ dreht.Das hat nun vorweg wenig oder gar nichts mit den diversen Ankündigungen und Überlegungen zu tun, die mögliche Bundespräsident-schafltswahlen betreffen. Vielmehr geht es um mehr: um die nächste Weichenstellung für die Regierungspolitik in Österreich.Die allerorts auftauchenden Plakattafeln und die vom Regierungschef und SP-Vorsitzenden angekündigte „Aufklärungsaktion“ deuten darauf hin, daß man in den Parteihauptquartieren so etwas wie eine halbe
Die englischen Unterhauswahlen haben der Labour Party einen beachtlichen, von Beobachtern und der Meinungsforschung nicht erwarteten Sieg gebracht.Der Pendelausschlag nach links wird von den kontinentalen Sozialisten als Beweis eines „Trends“ gewertet; die Konservativen wiederum sprechen lieber Von der Hamburger Wahl und einer neuen „politischen Großwetterlage“ in der Welt (wie der CDU-Vorsitzende Kohl am ÖVP-Bundesparteitag in Linz), die als Bewegung nach rechts zu deuten ist. Tatsächlich kann das englische Wahlergebnis allein noch nichts beweisen; in der Analyse mehrerer, voneinander äußerlich nicht abhängiger Wahlregionen aber müßte sich doch verifizieren lassen, ob die Behauptung von „Trends“'ein die letzte Zeit bestimmender Faktor bei Wahlergebnissen war oder nicht.
Der sich verschärfende Konflikt zwischen Moskau und Perking läßt zwei Aspekte des Problems, die miteinander in engem Zusammenhang stehen dürften, erkennen: • Die Eskalation diplomatischer Aktivität, militärischer Formierung entlang der Grenzen und die Verschärfung der propagandistischen Attacken läßt eine machtpolitische Konfrontation erwarten, die derzeit noch ein „kalter Krieg“ ist; • die Meldungen über eine neue Variante der „Kulturrevolution“ mit Verurteilungen von Konfuzius und von modernen „Revisionisten“ rücken den ideologischen Gehalt des Konflikts der beiden roten Giganten sichtlich in den Vordergrund.Europa spielt in dieser Konfrontation sowohl als politischer Faktor an der Westflanke der Sowjetunion als auch als geistigideologische Kampf statte, zwischen maoistischem und sowjet-kon-formem Sozialismus eine wesentliche Rolle. Und hier ist es die Rolle der Neuen Linken, die heute deutlicher als früher als Schlüssel zum Konfliktverständnis zwischen Moskau und Peking erkennbar wird, wenngleich das Scheitern der Neuen Linken als politische Kraft angesichts der Basisverschmälerung statt -erwei-terung für die Auseinandersetzung bereits Realitätswert hat.
Die politische Debatte der Beratenden Versammlung des Europarates in Straßburg beschäftigte sich —- wie oft schon? — auch in ihrer letzten Session mit dem Zustand der Zusammenarbeit in Europa. Und neuerlich faßten die Parlamentarier in einer Entschließung ihre Vorstellungen zusammen: man solle doch den Europarat als politisches Organ, als wirksames Instrument für den politischen Willensbildungsprozeß in Europa nutzen. Adressat des Appells: die nationalen Regierungen.
In jeder Stadt, in jedem Dorf, in fast jeder Kolchose gedachten Sowjetbürger dieser Tage vor ungezählten Denkmälern, Büsten und Tafeln des 50. Todestages von Wladimir IIjitsch Lenin.Aber fast auf den Tag zugleich stellt zum ersten Mal ein Sowjetmensch (jenes beliebte Kürzel einer „ideologischen Nationalität“) Lenin in ein neues Licht. Oder anders: der Leninismus steht zum ersten Mal im hellen Licht — kalt, nackt, realistisch. Denn Alexander Solschenizyns „Archipel GULAG“ hebt sich aus der rein literarischen Sphäre ab. Das Werk ist, zwar von einem Dichter, einem Nobelpreisträger geschrieben, aber letztlich ist es eine politische Dokumentation. Und bezieht seinen Wert daraus.
Presse und Politik haben sich nie gescheut, eine Allianz einzugehen. Vielmehr gibt es ohne Zweifel in der Mediengeschichte so etwas wie einen konstanten Zusammenhang zwischen Einfluß auf den Meinungsbildungs-prozeß und der Ausübung politischer Macht — wenngleich dieser Zusammenhang nicht ganz so simpel ist, wie man in einigen Parteizentralen zu meinen glaubt.Daher ist das Modell einer Presse unrealistisch, die sich sozusagen im aseptischen, politikfernen Raum als nur „beschreibende“, „reflektierende“, „objektive“, jedenfalls aber machtfrei betätigen will.Nun ist es etwas
Jahreswechsel inspirieren zur Spekulation. Rückblicke wie Ausblicke füllen Leitartikel wie Neujahrsreden der Politiker. Vor allem stellt sich da immer wieder die Frage: pflegt sich die Geschichte zu wiederholen — kann das bereits Stattgefundene Maßstab für Künftiges abgeben? Österreichs Innenpolitik ist von solchen Spekulationen nicht verschont. Am Höhepunkt einer Legislaturperiode kann man wohl fragen, ob es so etwas wie ein Gesetz des Auf und Ab gibt. Die Opposition möchte es sich — gleichsam als stille Neujahrs-.botschaft — selbst wünschen: was der Regierung Klaus 1968/69 widerfuhr — wiederholt es sich nun 1973/74 an der Regierung Kreisky?
Gerade dann, wenn gesetzgeberische Weichenstellungen und staatspolitische Existenzprobleme auf der rtaglichkeitsliste ganz oben stehen, wird der Stellenwert des Parlaments auch als gesellschaftspolitische Clearingstelle deutlich und signifikant sichtbar — jenes Parlament, das in seiner Rolle zwischen eher lästigem „Staatsnotar“ von Regierungsbeschlüssen oder als Diskussionsforum für politisches Show-Business der Apparate nicht eben selten kritisiert wird.Die höchst wichtige, ja zentrale Rolle des Parlamentes als Kontrollinstanz und -instrument kommt allerdings nicht selten zu kurz.
Tägliche, stundenlange Debatten, institutionalisierte und damit ritualisierte Konfrontationen zwischen Regierung und Parlament — so präsentiert sich auch derzeit wieder in seiner alljährlichen Budgetdebatte der österreichische Nationalrat.
Das Budget ist dabei nur der äußere,' krückenhafte Anlaßfall für eine politische Generaldebatte (weshalb es auch an Vorschlägen zur Reform der Budgetdebatte nicht fehlt1); was jedoch den alljährlichen Kraftakt des Parlamentarismus vom Grundsätzlichen her zur Diskussion stellt, ist die Präsentation des Parlaments als Institution der Demokratie — als jenes Kontroll-Bewil-ligungs- und Repräsentationsforum, dessen Publizität Durch- und Einsichtigkeit in die Staatsverwaltung ermöglichen soll.
Diese Publizität wird heute durch die Massenmedien und ihre Übertragungen vermittelt. Sie zaubern das Hohe Haus in fast jedes Wohnzimmer und erweitern die parlamentarische Öffentlichkeit zur Einsehbarkeit in den politischen Prozeß — freilich eingeschränkt auf die oberste gesetzgebende Körperschaft. Aber sie machen auch die Frägwürdigkeit dieser Öffentlichkeit klar — einer Öffentlichkeit, die hergestellt ist, wenn die Mehrheitspartei stereotyp das Budget akzeptiert, die Parlamentsminderheit aber regelmäßig ablehnt. Kein Strich, keine Post wird geändert. Der Ritus der Abstimmungsmaschinerie schließt Pannen aus.
In Griechehland bebt nicht nur die Erde öfter als irgendwo sonst in Europa. In Griechenland bebt die Erde auch öfter vom Rattern der Panzerketten. Der prolongierte Putsch zerstört bis auf weiteres die Erwartungen, Griechenland könnte zur Demokratie zurückkehren, die Juntaherrschaft werde demokratischen Institutionen weichen, das Militär in die Kasernen zurückkehren.
Die Geschichte ist der Schlüssel zum Verständnis der Zeit. Nur die Kenntnis der Geschichte vermittelt jene Dimension, in der Gegenwart und Zukunft ihren Platz haben. Nur das Wissen um -die Geschichte Europas läßt die Schlüsse für die Politik Europas unserer Tage zu. Europäische Geschichte: das ist das Ergebnis der Herausbildung von Nationalstaaten, die wiederum am Ende einer feudaldynastischen Entwicklung stehen. Leopold von Ranke meint, daß Frankreich ein europäischer Kleinstaat geblieben wäre, wenn vor genau 500 Jahren, im November 1473, das Herzogtum Burgund zu jener Größe aufgestiegen wäre, die sich sein kühner Herzog Karl erträumte, als er mit dem römisch-deutschen Kaiser, dem Habsburger Friedrich III,, in Trier zusammentraf.
Die Wahlen sind geschlagen, die Innenpolitik geht weiter. Die zu Testwahlen über die Bundespolitik von den Bundesparteien umfunktionierten Landtagswahlen haben keinen einheitlichen Aufschluß geben können. Und auch die Emotionen in den Wahlkämpfen dürften keinen vordergründig-signifikanten Niederschlag gefunden haben. Die Innenpolitik geht weiter: für die Bundespolitiker sind Schlüsse auf die zweite Halbzeit der Legislaturperiode ziehbar. In ihr gibt es noch mehrere Tests: zwei größere Landtagswahlen und möglicherweise eine Bundespräsidentenwahl — sollte Bundespräsident Franz Jonas tatsächlich seinen Rücktritt erklären.
Der 29. September dürfte, so steht zu erwarten, nicht so rasch überwunden werden; die Ereignisse von Marchegg und Wien-Schwechat dürften bis auf weiteres zumindest das Interesse der Welt erwecken; wenn auch vieles dafür spricht, daß ein Teil der österreichischen Öffentlichkeit schon wieder bereit ist, die Folgen der Ereignisse zu verdrängen.
Die Reaktion auf den Beschluß der Bundesregierung war von dieser vorhersehbar. Man weiß am Ballhausplatz, was für Israel und seine Existenz die jüdische Einwanderung bedeutet; und welche Rolle Juden in aller Welt dem Exodus aus der Sowjetunion beimessen.
Auch das Patt als Ergebnis der schwedischen Reichstagswahlen signalisiert offenkundig nicht, daß es so etwas wie eine Krise in Europa gibt. Das auch in Österreich vom Wunschdenken inspirierte Bild von der „Sackgasse“, in der die schwedischen Sozialisten stecken (so der ÖVP-Bundesparteiobmann bei einer Kundgebung am 8. September 1973 in Linz), beurteilen die Wähler anders. Da wäre doch wohl ein „Erdrutsch“ notwendig gewesen.Zwei Sachverhalte haben die Reichstagswahlen allerdings mit aller Klarheit aufgezeigt:•Persönlichkeiten bestimmen das Parteienbild und -Image. Die Niederlage
Die Frage nach der Entwicklung des Föderalismus in Österreich stößt spätestens dann, wenn sie aus der abstrakten Erörterung heraustritt, auf die Realität, daß die politischen Parteien als Machtträger zu den Fragen der bundesstaatlichen Ordnung ganz bestimmte Beziehungen und Verhaltensmuster entwickelt haben. Sowohl die Verfassung und ihre Kompetenztatbestände als auch die konkrete Gestaltung der Beziehungen zwischen Bund und Ländern sind in Österreich ein Reflex der tatsächlichen Machtverhältnisse in und zwischen den Parteien — eben der Spiegel ihrer Vorstellungen vom Bundesstaat. Weshalb die Frage nach dem inneren und äußeren Verhältnis der Parteien zum Föderalismus einen harten Kern jeder Überlegung darstellt, ob und wie die bestehenden föderalistischen Strukturen in Österreich ausgestaltet werden können.
Die „Neue Linke“ als gesellschaftspolitisches Phänomen hat seit 1968 viel an Schwung verloren; der Beweis hiefür ist nicht allzu schwer anzutreten. Aber was bleibt von ihrem geistigen, ideologischen Einfluß auf die Intellektuellen in aller Welt, was blieb vom Sturm in den Pariser Straßen, auf dem Gelände der Freien Universität Berlin und in Berkeley?Thomas Molnär, Altösterreicher von Geburt, seit Jahrzehnten aber in den USA, ist Professor in New York und einer der wohl seltenen Autoren, die nicht nur an der Oberfläche haften bleiben, wenn es um die Kritik der neu- (und alt-)
Die Dimension des sogenannten Watergate-Skahdal hat in den USA zu Weiterungen geführt, deren endgültige Auswirkungen auf die amerikanische Administration ebenso wenig abzusehen sind wie die Vertrauensfrage an den Staat, wo die Grenzen des Erlaubten in der Konkurrenz politischer, aber auch kommerzieller Gruppen zu ziehen sind.Genauer: In den USA hat eine politische Gruppierung (mit oder ohne Wissen ihres obersten Chefs) mittels modemer technischer Einrichtungen ihre Konkurrenten bespitzeln wollen. Am Rande dieses harten Tatbestandes ranken sich Korruption und Parteienfinanzierung, jedenfalls
Kaum ein Tag, an dem der Rundfunk nicht Schlagzeilen macht. Heute ORF-Kommission, morgen Verhandlungen mit Josef Ferenczy; heute eine Gewerkschaftsresolution, morgen eine Bacher-Erklärung, Das Leben mit der Rundfunkkrise ist fast schon Gew^&jit.geworden. Weshalb auch das Parlament nunmehr einiges klarstellen muß: in einer Enquete (wie die Opposition will) oder mit dem Antrag auf Verfassungsschutz für den Rundfunk.
Die Abhaltung der vorbereitenden Gespräche in der österreichischen Bundeshauptstadt stellt einen erfreulichen Vertrauensbeweis von West und Ost für Wien dar. Dennoch ist damit die Involvierung Österreichs in den Problemkreis der Truppenreduktion in Mitteleuropa, wie die Dinge liegen, jedenfalls offensichtlich.
In diesen Tagen verhandelt Österreichs Außenministerium mit Vertretern der Deutschen Demokratischen Republik; das Ziel: die volle diplomatische Anerkennung der DDR durch Wien.Am 21. Dezember wird in Ost-• Berlin der sogenannte Grundvertrag zwischen den Regierungen der deutschen Bundesrepublik und der Deutschen Demokratischen Republik abgeschlossen. Es ist der Stichtag für die weitere und endgültige Bereinigung der Folgen des zweiten Weltkrieges, es ist für Mitteleuropa jener Tag, an dem Bismarcks Deutsches Reich endgültig zu Grabe getragen wird: es hat nur 100 Jahre gehalten.Der
Ein Standardwerk liegt nun schon seit einiger Zeit auf den Regalen der Buchhandlungen: 1400 Seiten berichten, dokumentieren, analysieren die Zweite Republik. Erika Weinzierl und Kurt Skalnik dürfen es als Verdienst in Anspruch nehmen, erstmalig eine Bestandaufnahme durch insgesamt 32 Mitarbeiter (mit prominenten, aber auch teilweise unbekannten Namen) vorgenommen und als Herausgeber fungiert zu haben.Kritisiert man vorweg etwas, dann den Mangel an einer Überschau — einer Zusammenfassung also, die die geistesgeschichtlichen Entwicklungen sichtbar macht. Auch würde eine Darstellung der
Der Standard der Demokratie bestimmt sich am Standard der Demokratie in den politischen Parteien einer demokratischen Gesellschaft.
Dieser Satz könnte auch als Leitmotiv des nächste Woche in Salzburg beginnenden ÖVP-Bundesparteitages stehen: eines Parteitages, der eine Neuformierung der großen Oppositionspartei durch ein neues Programm und ein neues Statut einleiten soll.
US-Präsidenten haben in der zweiten Amtsperiode einen eminenten Vorteil: Sie können ihre Politik ohne Kompromisse an das Wahlvolk durchführen; sie müssen nicht ständig um die majority raufen, sondern können auch Unangenehmes verordnen, wenn sie es für das Wohl der Nation für notwendig erachten. Richard Nixon hat bisher bewiesen, daß er ein Mann mit Grundsätzen ist. Man kann erwarten, daß seine zweite Amtszeit davon geprägt sein wird, als oberste Maxime die Realisierung seines politischen Credos anzustreben.In der amerikanischen Innenpolitik wird das die Zurücknahme von Reformen
Während der härteste Zeitungskrieg der Zweiten Republik über die innenpolitische Bühne Österreichs rollt (siehe Seite 4), und privatkapitalistisch-organisierte Verlage mit immer neuen Preisausschreiben, Sonderaktionen und Gerichtsverfügungen gegeneinander und um Leser kämpfen, schließt sich ein Belagerungsring um den österreichischen Rundfunk immer enger.
Aller jüngste Zeitgeschichte hat — will sie dem Anspruch einer gewissen Wissenschaftlichkeit genügen — den Nachteil, Stückwerk zu sein: aber aus der Feder von Zeitgenossen für Zeitgenossen. Der langjährige Chefredakteur von „Paris Match''' — der wohl angesehensten Illustrierten des Kontinents( an der sich übrigens deutschsprachige Illustrierte allesamt ein Beispiel nehmen könnten) berichtet hier über die Welt seit 1945 — über die bipolare Welt von Potsdam, die Teilung Europas, die Teilung Deutschlands, den Umbruch in der Dritten Welt. Was hier geboten wird, ist ein profundes
Der FPÖ-Parteiobmann Peter hält sich an die Fliegersprache — ÖVP-Parteiobmann Schleinzer ist eher infanteristisch: aber beide wollen nach dem vergangenen Sonntag Väter eines Sieges sein, der den „Höhenflug des Bundeskanzlers“ unterbricht und den „sozialistischen Vormarsch eindeutig stoppt“. Im Burgenland und in der Stadt Salzburg spricht einiges dafür, daß „repräsentative Samples“ (siehe „Furche“ Nr. 41/72) für ganz Österreich zur Urne gingen: im Burgenland eine ostösterreichisch-agrarische Bevölkerung, in Salzburg eine west-österreichisch-urbane.Rund eineinhalb
Kaum ein Tag, an dem die Berichterstattung über Österreichs Innenpolitik nicht aus dem östlichsten Bundesland versorgt wird: Minister, die Spitzen der Opposition, die Jugendverbände und Akademikervereinigungen von SPÖ und ÖVP bereisen nicht nur das Land zwischen Leitha und Raab, sondern haben auch ihre sonstige Aktivität fast ausschließlich ostwärts verlegt. Das zeigt einmal mehr, daß gerade diese Landtagswahlen eine ganz außergewöhnliche Bedeutung erhalten haben: sie sollen offenbar erweisen, wie fest die Bundesregierung in Wien steht und wie sehr die jüngsten Meinungsforschungen
Der Flirt kommt nicht überraschend. Finnlands anbefohlener Liebe zur Deutschen Demokratischen Republik — kürzlich im Anbot zu Verhandlungen über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen als Blumenstrauß verpackt — folgt nun auch der skandinavische Nachbar. In der schwedischen Regierungspartei mehren sich Stimmen und Anträge, mit Ost-Berlin eine Liaison zu beginnen.Und just zur gleichen Zeit spinnt auch schon die neutrale Schweiz Wirtschaftsbande zum preußischen Sozialismus. Neutrale Gemeinsamkeiten?Es ist keine Frage, daß die Anerkennung des „anderen Deutschlands“ auch für
Österreichs Bundeskanzler Bruno Kreisky nannte es ein „politisches Traumgebilde“ und hält es für unzweckmäßig: Europas Konzeption als Kraft and Macht zwischen den Blöcken, als „vierter weltpolitischer Faktor“.Nun ist ein Interview im Süddeutschen Rundfunk für den österreichischen Bundeskanzler eine doch etwas heikle Sache, weiß man um die nuancenreichen Schwingungen, die solche Meinungsäußerungen östlich von Wien hervorzurufen pflegen. Dennoch kann man die Meinung Bruno Kreiskys — über dessen wachsendes Format als europäischer Staatsmann in der internationalen Szenerie
Die Opposition ist für die Demokratie ein wesentlicher Bestandteil des politischen Prozesses — sie ist c'te altera pars von Regierung und Macht. Majorität ist schon begrifflich ohne Minorität nicht möglich, wie Hans Kelsen sagt1. Und eine Regierung, die nur von einer Partei gebildet wird, findet ihr Maß in den oppositionellen Kräften, die im Parlament und in der Gesellschaft bestehen*.
Nach Jahren der Scheinruhe steht der Rundfunk wieder im Mittelpunkt des innenpolitischen Feuers. Aus einem latenten kalten Krieg ist ein heißer Konflikt zwischen Regierung und Medien entstanden. Und alles deutet darauf hin, daß er als neuer Rundfunkkrieg ausgetragen wird.Was Österreich dabei zu sehen bekommt, ist mehr als bloß der Streit zwischen den beiden hinlänglich als „starke Männer“ fixierten Persönlichkeiten Bruno Kreisky und Gerd Bacher — und es geht auch um mehr, als bloß um einen Terraingewinn für die SPÖ oder um freundlichere Fragen bei Ministerinterviews.
Den Deutschen wird ein recht eigentümliches Verhältnis zur Revolution nachgejagt. Von diesem Volk geborener Untertanen geht das Wahrwort, daß sie erst Bahnsteigkarten lösen, wenn sie zur Revolution reisten. Fürwahr, ein gewichtiger Versuch, dem Klischee die historische Wahrheit entgegenzusetzen. Artur Müller ordnet diesem Unterfangen die Methode der Chronologie zu; er schreibt ein Tagebuch der Geschichte von Revolutionen, Aufständen und Staatsstreichversuchen. Aber er muß nicht die Stedinger Bauern des 13. Jahrhunderts bemühen, um nachzuweisen, daß auch im Deutschen das
Die ideologische Aufrüstung ist in Österreich in vollem Gang. Materien, deren Sachbezogenheit noch vor wenigen Jahren jeder Ideologisierung trotzten, werden nun zu gesellschaftspolitischen Entscheidungsfragen. Pragmatiker während der Koalition, Taktiker während der Minderheitsregierung werden nun plötzlich geradezu vom Fieber eines Grundsatzfanatismus geschüttelt. Strafrecht, Bodenbeschaffung, Assanierung, Gesundheitspolitik, Steuerreform, Schulreform sind nur der sichtbare Teil eines Eisberges, der die großen Lager trennt.
Die OVP-Regierungsmannschaft schon aus sachlichen Griinden viel ofter im Fernsehen zu sehen war als der Ein-Mann-Wahlkampfer und Oppositionsfiihrer Kreisky. Wir konnen heute vielmehr schon einige verifizierbare Thesen aufstel-len. die uns mehr iiber die Wirkung der Fernsehinformation sagen, als es Zeitvergleiche mit der Stoppuhr tun:
Rudolf Lewandowski: ein Österreicher in Frankreich: nun liegt sein Buch über das Frankreich de Gaulies in den Bücherläden. Wer meint, daß es sich dabei um einen der biographischen Monologe über den großen Gallier handelt, irrt. Hier liegt, fernab von nationaler Glorifizierung, aber mit der Emphase eines Freundes Frankreichs, ein zeitgeschichtliches Dokument vor, das quasi Pflichtlektüre für alle jene sein müßte, die die Entwicklung Europas in den letzten 15 Jahren verstehen wollen. Lewandowski bietet das derzeit faszinierendste und umfassendste Buch über die Gegenwart und