Zu einem außergewöhnlich geglückten Saisonauftakt geriet die Neuproduktion von Arnold Schönbergs Schlüsseloper "Moses und Aron" am Grazer Opernhaus, ja man kann ohne die geringste Übertreibung behaupten, Zeuge einer der beeindruckendsten Opernabende überhaupt der letzten Jahre in Graz gewesen zu sein.Bekannt sind die extremen Anforderungen, die Schönbergs Partitur an alle Ausführenden stellt - in Graz meisterte man sie mit Bravour. Der durch Gäste aus Riga verstärkte Opernchor zeigte sich deklamatorisch so sicher wie sensibel und vermochte die durchgängige Dramatik der ohne Pause
Im Zentrum der heurigen styriarte stand die konzertante Aufführung der Haydn-Oper "Armida" (1784) und das internationale Publikum wurde in der Tat Zeuge eines veritablen Triumphs! Der Opernkomponist Joseph Haydn, zwischen Glucks Opernreform und Mozarts theatralischen Jahrtausendwerken bis heute im rezeptionsgeschichtlichen Abseits, erweist sich als psychologisch und kompositionstechnisch überaus raffinierter Dramatiker. Das Werk zeigt den zeitlosen Konflikt zwischen westlich-nüchterner Zweckrationalität (Rimaldo) und orientalisch-sinnlicher Lockung in Person der Zauberin Armida,
Zu einem herausragenden musikalischen Höhepunkt der "styriarte" geriet die Aufführung von Robert Schumanns weltlichem Oratorium "Das Paradies und die Peri" im Grazer Stefaniensaal - und angesichts von Nikolaus Harnoncourts feurig-inspiriertem Entdeckergeist muß man sogar ein neues Wort erfinden: Es handelte sich um so etwas wie eine "Neu-Uraufführung" des unbekannt-verkannten Meisterwerks, berührend, klangschön, geradezu ergreifend!Die Geschichte des orientalischen Luftwesens, das, aus dem Paradies verstoßen, nach drei "Prüfungen" wieder in dieses zurückzukehren vermag (basierend auf
Man mag über den Wert jubiläumsbedingter Ausgrabungen sehr, den der Musik Gaetano Donizettis überaus und den des Genres des Belcanto überhaupt äußerst geteilter Meinung sein - die Grazer Produktion von Donizettis „Belisario” (1836) bewies jedoch, daß ein Ensemble herausragender Vokalsolisten auch eine vollkommen schablonenhafte, bis auf wenige Passagen hoffnungslos uninspirierte Komposition zu „retten” vermag.Die Geschichte des durch Intrige geblendeten oströmischen Feldherrn Belisario vermag nicht einmal mehr Enthusiasten zu interessieren, und so bleibt nur auf die
Nicht immer muß es zum Desaster werden, wenn ein musikferner Regisseur sich an ein Werk des Musiktheaters macht - und im Fall der „Tristan-Premiere in Graz gelang es Regisseur Lutz Graf auch, durch aussagekräftige, jedoch meist statische Bilder, seine vollkommene Batlosigkeit angesichts musikalischer Vorgänge vergessen zu machen. Auch akustische Fragen dürften seine Sache nicht sein - denn der ohnehin schwerstens ramponierten Akustik des Grazer Opernhauses noch mit einer enorm schalldämpfenden „Bühne auf der Bühne” vollends den Garaus zu machen, kam einer das Absurde streifenden
Zu einem umjubelten Publikumserfolg geriet die Uraufführung des vom an der Grazer Musikhochschule lehrenden österreichischen Komponisten Richard Dünser ergänzten und im Finale von ihm kompositorisch weitergedachten Operntorsos „Der Graf von Gleichen”, dieses letzte Bühnenprojekt von Franz Schubert aus dem Jahr 1827. Vermag die Geschichte des Kreuzritters Ernst von Gleichen, der nach seiner Gefangenschaft im Orient seine Doppelehe mit seiner eigentlichen Frau Ottilie und der Tochter des Sultans Suleika sogar vom Papst selbst approbieren läßt, heute weniger zu überzeugen denn je,
... aber noch viel schönere Hoffnungen ...": Im 13. Jahr ihres Bestehens nimmt die styriarte ein Zitat aus Franz Gril lparzers Grabrede für Franz Schubert als Motto für musikalische Konfrontationen zwischen vollendeten Meisterwerken und Fragment oder Torso gebliebenen Kompositionen, und dies freilich unter ständiger Bezugnahme auf die beiden Jahresregenten Franz Schubert und Johannes Brahms. Bereits die Programmgestaltung des Eröffnungskonzerts in der Stainzer Pfarrkirche, einem Sakralraum mit phänomenaler Akustik, bezog ein Fragment auf eine im doppelten Sinn vollendete
Niemand wollte es so recht glauben -nach langjähriger Pause wieder ein Konzert mit Carlos Kleiber, und dies ausgerechnet in Laibach mit der „Slowenischen Philharmonie”. So außergewöhnlich bereits die Ankündigung, so unüberbietbar scheinend dann auch der Eindruck dieses Konzertes -wenn man diesen Grenzgang zwischen, auratischem Glanz und eingelöstem mystischen Glücks versprechen von Musik überhaupt noch so neutral benennen kann.Zu Beginn Beethovens Coriolan-Ouvertüre, knisternd-dramatisch, frei von allem Empire-Pathos, die grübelnden Synkopen kontrastierend zum aufblühenden
Premiere von Tschechows abgründiger Komödie „Onkel Wanja” am Grazer Schauspielhaus: ein Sittenbild russischen Landlebens, inmitten dessen der in einer veritablen „midlife crisis” steckende Onkel Wanja in einer Mischung aus Selbstekel, Verzweiflung und herechtigter Aggression sogar einen Schuß auf Professor Serebrjakow, eine senile wissenschaftliche Hochstapler-Niete, abgibt, diesen aber freilich verfehlt - das eintönige, sinnentleerte Leben geht weiter, als sei nichts gewesen.Obwohl keine auffallenden konkreten Mängel an der Inszenierung zu bekritteln sind, wurde jedoch neuerlich
Sie ist in der heutigen Zeit wieder brisant geworden: die Geschichte der fremden äthiopischen Sklavin am ägyptischen Königshof, die im Konflikt zwischen Kriegsenthusiasmus, Heimatliebe und ihrer Zuneigung zum „feindlichen” Kriegsanführer Radames sich gemeinsam mit diesem freiwillig von der Welt verabschiedet. Freilich war es klar, daß Harnoncourt kein pasto-ses Verona-Hollywood-Tableau präsentieren würde, selbst seine überzeugendsten Anhänger mußte es jedoch überraschen, mit welch inspirierter Raffinesse er den bis dato unbekannten „Sub-Text” der Orchestersprache Verdis
Bejubelte österreichische Erstaufführung des Musicals „Sugar - Manche mögen's heiß” von Jule Styne nach dem berühmten Film von Billy Wilder (1959) am Grazer Schauspielhaus - und wer kennt sie nicht, die Geschichte der beiden Musiker Joe und Jerry, die auf der Flucht vor einer Gangstervendetta im Chicago der zwanziger Jahre als Damen verkleidet in eine Jazzband von Musikerinnen eintreten und nach so manchen „troubles” im Nobelhotel in Miami, zumindest Joe ergeht es so mit Sugar, ihr Glück machen?Die Grazer Aufführung erbringt nun den Beweis, daß auch nach dem zur cineastischen
Unvermutet zeitnahes Kammerschauspiel am Schauspielhaus: das hauseigene Ensemble bricht eine virtuose Lanze für Ödön von Horväths so abgründige wie anrührende Oktoberfest-Ballade „Kasimir und Karoline”. Hat die vernutzte Rede von wiedererlangter „Aktualität” Sinn, dann bei diesem Stück, das in hintergründigsubtiler Sprache den Konflikt zwischen erotischer Suche und den Karrierezwängen der „Hard-facts-busin-ess-world” austrägt. Vollständig den Nuancen und vor allem auch den -man möchte sagen - Tschechowschen Leerstellen des Horväthschen Dialogs gewachsen, zeigen sich
Erster Erfolg für die neue Intendanz des „steirischen herbstes" in der Grazer Oper! Die zwei-aktige Oper „Bashomon", der nicht nur in biographischer, sondern vor allem in hörbarer Wiener Tradition stehenden japanischen Komponistin Mayako Kubo (1947), die dem japanischen Literaturklassiker „Im Dickicht" folgend auch das Libretto zu ihrem Werk selbst verfaßte, verdient in der Tat größte Aufmerksamkeit. Mit westlichen Ohren gehört, könnte man von einer neo-expressionistischen Partitur sprechen, die dem avantgardistischen Innovationsterror zwar glücklich entronnen ist,
Wieder bestätigt sich, daß sich die „styriarte” zu einem der bedeutendsten Veranstaltungszyklen landauf landab entwickelt hat. Zu nennen sind die berührende Interpretation von Schuberts „Schöner Müllerin” durch Wolfgang Holzmair sowie der erlesene Barockabend von Monica Huggett und ihrem Trio Sonnerie in Schloß Eggenberg.Wer hätte daran gezweifelt, daß Nikolaus Harnoncourts Interpretationen von Mozarts „Posthornserenade” und der „Paukenmesse” Haydns in der akustisch unüberbietbaren Stainzer Pfarrkirche zu Demonstrationen so raffinierter wie glutvoller Klangrede geraten
Das Grazer Kammermusikensemble „ars ad libitum” erregt Aufsehen: zuletzt mit einer gediegenen musikalisch-literarischen Darstellung der paradigmatischen Begegnung zwischen Goethe und Beethoven im Grazer Minoritensaal. Unterstützt von Bildprojektionen mit Motiven aus der betreffenden Epoche und einschlägigen Texten entsteht in den Veranstaltungen des jungen Ensembles eine originelle Form einer stets zu einem konkreten Thema gestalteten Konzertlesung. Besonders interessant zu werden verspricht das nächste Konzert. Zu Unrecht vergessene Baritäten adeliger Komponisten von Erzherzog Budolph
Sich im Zuge einer Saisoneröffnung eines der umstrittensten Werke des Musiktheaters des 20. Jahrhunderts, des „Doktor Faustus” (1925) von Feruccio Busoni, anzunehmen - für diesen Mut ist der Grazer Oper hohe Anerkennung zu zollen. Begisseur Gerald- Thomas, der auch für das Bühnenbild und die Kostüme verantwortlich zeichnet, führt Faust als Maler vor, darin Theodor W. Adornos Prophezeiung von der „Verfran-sung” der Künste folgend, und erreicht vor allem in den Helena-Szenen und im Schlußbild ergreifende Wirkungen zeitgenössischen Musiktheaters, wenngleich die ständigen
In der zweiten Hälftedes „styriarte”-Festivals bildete zunächst ein feinsinnig gestaltetes Schubert-Schumann Liedprogramm einen weiteren Höhepunkt, in dem Christoph Pregardien, begleitet von Andreas Staier am Hammerklavier, vor allem in der „Dichterliebe” alle Register seiner nuancierten Vortragskunst ziehen konnte.Reeindruckend war dann auch die erste Interpretation der „Jupiter”-Symphonie von Mozart auf Originalinstrumenten durch den Concentus musicus unter Nikolaus Harnoncourt: Das Finale hinterließ den Eindruck eines veritablen musikalischen „Sturmes aus dem Paradies”
„Mythos und Musik” - so lautet das Motto: und tatsächlich, nicht anders als mythisch ist die Phantasie zu bezeichnen, mit der sämtliche Epochen und Stile europäischer Musikgeschichte umstandslos in dieses Schema gepreßt werden. Trotzdem brachte die erste Hälfte des Festivals bereits singulare musikalische Höhepunkte.An erster Stelle zu nennen ist die Auseinandersetzung Nikolaus Har-noncourts mit den beiden großen Messen in Es und in As von Franz Schubert: Erschütternd die Umdeu-tung des „Miserere nobis” und vor allem des „Sanctus” aus der Es-Dur-Messe zu gepeinigten „De
Durchaus kurzweilig ist Armando Llamas Farce „Lisbeth ist total zu” in der Grazer „fabrik”, inszeniert von Michael Alexander Bichter. Im Milieu eines britischen Mädchencolleges angesiedelt, changieren die launigen Dialoge unvermittelt zwischen ' unverhohlen-pornographischen Direktheiten und kosmolo-gisch-geschichtsphilosophischen Spekulationen. Ob das neuzeitlich gespaltene Verhältnis zwischen Subjekt und Natur, das dem Stück zugrunde liegt, an diesem Abend einer berichtenswerten Neudeutung zugeführt wurde, muß füglich bezweifelt werden - keinesfalls aber die beeindruckenden
Schwabs nachgelassene Shakespeare-Paraphrase „Troilus-wahn und Cressidatheater”, inszeniert von Schauspieldirektor Marc Günther, ist wider Erwarten ein tiefer Griff in die Mottenkiste des 19. Jahrhunderts. Mythenparodie, Vexierspiele von Rolle und Identität, Demaskierung von heroischem Pathos, Kontrastierung von Alltagsund Theaterwelt oder krampfhafte Neologismen - all dies nur allzu gut. Bekannte kann Schab wohl nicht gemeint haben, schon gar nicht die Doppelbesetzung der einzelnen Figuren, remember Pirandello ...Im Vergleich zu anderen Werken wirkt auch die Sprache Schwabs
Spannungsreiche Konfrontation im Rahmen einer Doppelausstellung bei den Grazer Minoriten: zunächst eine Serie von Monotypien von Edith Temmel, inspiriert von der Tonwelt des französischen Klangmystikers Olivier Messiaen. Gehörtes wird durch Farben sichtbar gemacht, musikalisch Komponiertes in malerische Komposition verwandelt. Originell auch die bewegungsgeladenen Variationen von Notenbildern im Zyklus „Musikalische Fingerübungen”.Eine andere Welt eröffnen die Arbeiten des jungen Priester-Künstlers Hermann Glettler, vor allem die großformatigen Acrylbilder auf Aluminium vereinen
In Italo Svevos bitterer Komödie „Ein Mann wird jünger“ im Grazer Schauspielhaus begegnet man allen Motiven der Triestiner Literatur nun endlich auch auf der Bühne: dem „anarchischen Alter“, der mitteleuropäischen Leidenschaft, mit aller Entschiedenheit das Unnötige zu tun, charmant-nihilistischer Fügung in alles Vermeidbare und eingeschworener Skepsis jeglicher Entscheidung gegenüber.Schauspieldirektor Marc Günther besorgte die unprätentiös-eingängige Inszenierung, das hauseigene Ensemble zeigte sich von seiner besten Seite: Otto David als Hauptdarsteller gelang eine