Richard Exner, geboren 1929 im Harz und mit 19 Jahren ausgewandert in die USA, wo er sich der Germanistik widmete und bei Ludwig Marcuse promovierte. Vermutlich gab ihm dieser nicht für seine universitäre Lehrtätigkeit in den USA den nötigen moralischen Anspruch mit. Exner scheint diesen auch in seiner Lvrik stets einlösen zu wollen. Der seit wenigen Jahren wieder in Deutschland lebende Dichter beschäftigt sich in seinen zwischen 1953 und 1991 entstandenen poetischen Emanationen - hie und da streut er schon Prosaabschnitte ein —, insbesondere mit den großen ethischen
König David war die prägende Gestalt des Alten Orients. Der Herrscher der Doppelmonarchie von Juda und Israel stand an der Schwelle zum ersten vorchristlichen Jahrtausend, als er das Land souverän aus dem alten Stammesdenken in die neue Welt einer übergreifenden Staatenherrschaft entließ.Uns Heutigen ist oft nur mehr der sprichwörtliche Kampf mit dem Riesen Goliath geläufig, weniger aber die staatsbildende, nicht zuletzt auch kulturstiftende Kraft des Herrschers. Hirtenjunge, harfenspielender Musiker, Frauenliebling - ihnen verdankt er übrigens auch einen Gutteil seiner Macht —
Einer der bedeutendsten lateinamerikanischen Lyriker, Roberto Juarroz, wird erst jetzt allmählich in Europa entdeckt - zu unrecht, wie die Lektüre beweist.
Glück wird in der Literatur der Neuzeit als Zustand der Abwesenheit von Leiden definiert. Die Lektüre dieses Bandes erweckt diesen Zustand jedenfalls nicht.
Das umfängliche Opus Ist eine gekonnte Mischung aus okkulten beziehungsweise phantastischen Stereotypen und ambltlonlert verfaßten literarischen Versatzstücken.
Ein Philosophie Professor fühlt sich herausgefordert, Wittgensteins Begriffsverwendung „Grenze” von Kants Theorie des „unendlichen Urteils” abzugrenzen.
Die Editionsgeschichte von Chamissos „Peter Schle-mihls wundersame Geschichte” scheint eine unendliche zu sein, wobei zu bemerken ist, daß die einschlägige „Bibliotheca Schlemihliana” leider seit 1919 keine Nachfolgerin gefunden hat.Kein Zweifel, der französische Emigrant und preußische Offizier Adelbert von Chamisso (1781 bis1838) hatte viel Vagantisches an sich. Nicht zuletzt nahm er bekanntlich auch als Naturforscher an einer Weltreise teil. Sein berühmtes, beinahe in alle Sprachen übersetztes Märchen vom verkauften Schatten hat im Laufe der Bezeptionshistorie manche Deutung
Zwar gibt es zu Gottfried Benn einige wichtige Studien, doch erst jetzt hat der Berliner Arzt Werner Rübe eine Monographie erarbeitet, die ihresgleichen sucht.
Wüßte man es nicht, so könnte man es vielleicht erahnen, daß diese Dichtung nur an den nebeligen Buchten der Ostsee beziehungsweise in den endlosen Wäldern des Baltikums entstehen konnte. In der Nähe von Biga 1956 geboren, beweist die Lettin Amanda Aizpuriete einmal mehr, daß die Wurzel der Volkspoesie -ganz im Herderschen Sinne -durchaus noch die Gegenwartsdichtung zu nähren weiß. Aizpuriete veröffentlicht hiermit eine erstmals in deutscher Sprache erscheinende Sammlung von 70 Gedichten, welche einem einigermaßen den Atem verschlägt.Alltag und Mythos sind in diesem Sprachkunstwerk
Was einem da in einem schwarzen Pappkarton präsentiert wird, ist immerhin originell, sieht man einmal vom literarisch sein wollenden Inhalt ab. B. S. Johnsons Prosa, die ein anarchischer Roman ohne wirklichen Erzählgang sein will, zeichnet sich nämlich dadurch aus, daß man als verblüffter Rezensent plötzlich größtenteilsunpaginierte Blätter und Bögen in Händen hält, welche man ganz nach Gutdünken durchlesen kann.Kann, wohlgemerkt, denn die Lektüre ist ebenso sinnlos wie mühsam. Johnsons chaotisches .Elaborat, vom Verlag natürlich wieder einmal als Werk eines der
ch stehe im Widerspruch zu enen Utopisten und Romantikern, die meinen, menschliche ichheit und Freiheit würde i herstellen, in dem man nzen niederreißt... Der isch will Grenzen, aber ande-eits ist er auch daran interes-:, Grenzen zu durchbrechen, ;u überblicken und mehr oder liger listenreich zu überschrei-oder einfach zu negieren."schreibt der bekannte Kultur-lenschaftler und Soziologe Ro-1 Girtler in der Einleitung zu er umfassenden Studie zum nomen Schmuggler. )och halt, Studie klingt ein :hen zu akademisch und könn-_ ser abschrecken. Nun, demist nicht so, denn der „neue
Die Brutalität im täglichen Leben, das Sichdurchsetzen gegenüber allem und jedem sowie der Verlust kulturtragender Rituale als Hemmschwellen befördern das Menschentum in eine Seinsvergessenheit.Das Abbild von der Aggression mag noch so aufklärerisch und dokumentarisch gemeint sein, es ist in Wirklichkeit das perfekte Instrument der psychologischen Kriegsführung, die solcher Anklage bedarf, um denFeind hinreichend anschwärzen und vernichten zu können.Das Medium des Films spielt hier eine affirmative Rolle. Dies wußte schon der rabiate italienische Dichter Gabriele d'Annunzio, als er
Eigentlich wirkt die Sache von der Verlagsseite her ein bißchen unseriös: Nichtkenner des Roseischen Werkes könnten nämlich der Meinung sein, daß der Roman „Bei schwebendem Verfahren" eine Erstveröffentlichung ist, da jeder entsprechende Vermerk verabsäumt wurde. Aber Roseis Opus magnum erschien bereits 1973 und erregte damals zu Recht einiges Aufsehen.Der Wiener Peter Rosei hat seit jener Zeit eine ganze Reihe von Büchern vorgelegt, jedoch nie wieder jene schreiberische Brillanz erreicht, die diesen Roman so auszeichnet. In einprägsamen Bildern und vermittels einer
Epigrammatische Kürze und volkstonhafte Balladenform wechseln einander ab in den Gedichten des Kosovo-Albaners Ali Podrimja. Das Mythenreiche eines alten Volkes im Grenzbereich zwischen Okzident und Orient geht dabei eine gelungene Verbindung mit der Lyriksprache der europäischen Moderne ein. Doch die Klage über das erfahrene politische Unrecht und die bedrohte Identität seiner Heimat ist in allen Versen un-überhörbar. Der Gedichtband„Ich sattle das Roß den Tod" war 1991 die erste deutschsprachige Publikation albanischer Lyrik! Das verwundert, denn Po-drimjas Werk verweist
Er-gilt uns als der größte Dichter des römischen Altertums, und im November 1992 jährte sich just der zweitausendste Todestag dieses wachen Beobachters und Kritikers des frühaugusteischen Zeitalters. Seine Gedichte, Satiren und Briefe gehören seit jeher dem klassischen Bildungsschatz an und ließen nicht nur die Augen der Altphilologen erglänzen. Wieland meinte zum Beispiel, daß Horaz die „Zierde der augusteischen Zeit" sei, somit also auch „Liebling aller guten Köpfe seit 1.800 Jahren" wäre.Tempora mutantur, heute ist das freilich etwas anders. Der bedeutende deutsche
Georg Britting (1891-1964) ist literaturgeschichtlich gesehen neben Dichtem wie Lehmann, Weiss, Loerkeoder Krolow als Mitbegründer der sogenannten Naturlyrik anzusehen, doch trifft dieser Terminus wohl gerade in bezug auf ihn zu kurz. Das naturmagische Seinsverständnis, das auf eine Neuschöpfung der Welt aus ist, hält sich nicht mit Äußerlichkeiten auf. Die Dichtung des überzeugten Bayern schürft tiefer, bewegt und beunruhigt das Menschentum, ja ruft es an, indem sie an das Widerspiel zwischen Dasein, Gegenstand und Sprache appelliert.Britting war nicht nur ein begnadeter Lyriker, auch
Sie hieß ursprünglich Maria und ist das Kind einer seiner zahlreichen Musen. Die Tochter von Ezra Pound und der Geigerin Olga Rudge war das Produkt einer ziemlich anarchischen Beziehung, wie sie der Poet bevorzugte. Der wortgewaltige und geistreiche Dichter-Odysseus aus Idaho, vielleicht der Erneuerer der europäischen Lyrik in diesem Jahrhundert, „erfand” nicht nur den Imagismus, er war auch ein radikaler politischer Querkopf mit einem Faible für die Ökonomie. Er büßte nach dem Zweiten Weltkrieg für sein Engagement in der Todeszelle und in der amerikanischen Psychiatrie.Mary de
Besonders die Briefschaften großer Künstler haben oft etwas fatal Indiskretes an sich. Viel lieber möchte man sich eigentlich mit den Werken selbst beschäftigen, doch die Schriften desMalers Max Beckmann zeugen gerade auch von seinem (Euvre. Recht bemerkenswert in dieser Hinsicht sind etwa die bisher gesperrt gewesenen Briefe an seine zweite Frau, Mathilde Kaulbach. Selbst in diesen eher intimen Schreiben wird ausführlich über das künstlerische Schaffen berichtet.Der bedeutende Vertreter des deutschen Expressionismus schreibt Aufschlußreiches über seine Arbeit, über Persönliches wie
In Abchasien herrscht heute Bürgerkrieg, und das kleine Bergdorf Tsche-gem, das der russische Staatspreisträger Fasil Iskander zum Mittelpunkt seiner Romanepisoden macht, gibt es wirklich. „Tschegemer Carmen" ist der vierte Teil eines Zyklus, in dem Iskander den Zerfall der bäuerlichen Gemeinschaft in der alten Sowjetunion und danach schildert. Die dörfliche Welt scheint hier fast mythisch entrückt, hingegen schlägt die umgreifende Mobilität beziehungsweise auch Kriminalität der nahen Kleinstadt die archaischen Wurzeln des paternali-stische,n Bauernstandes abrupt ab.All dies
Zumeist enttäuscht der junge und begabte Bregenzer Autor Wolfgang Hermann seine Leser nicht. Mit seinem neuesten Bändchen „Schlaf in den Fugen der Stadt" ist ihm abermals ein literarischer Wurf gelungen, die poetisch-melancholische Schilderang sizilianischer Orte und Gegenden im Winter ist ihm zu einem wundersamen Prosagedicht geraten, zu einem Gesang, der vom Leben der Menschen, dem Meer und nicht zuletzt dem Ambiente sizilianischer Städte wie Avola, Augusta, Catania und Syrakus erzählt. Die schöne Sprache und die überzeugende Bildhaftigkeit im Ausdruck lassen sofort den Wunsch
Der gebürtige Warschauer O ssip Man-delstam (1891-1938) hat mit seinem dichterischen Wort der Tyrannei bis zuletzt widerstanden. Er kämpfte gegen die Mächte der Finsternis und des Vergessens wie ein „lyrischer Partisan". Seine metaphernreiche, symbolträchtige Sprache wirkt in ihrer Lakonik sozusagen überfallsartig, besticht vor allem auch durch Mandel-stams disziplinierte Formgebung.Ralph Dutli hat Mandelstams dichterisches Werk zwischen 1916 und 1925 einfühlsam übersetzt und bestens kommentiert. Diese Dokumente des verstörten Herzens in einer schlimmen Zeit sind ein bleibendes
Wer hat ihn nicht gelesen oder aber vom Deutschlehrer auch gar nicht so freiwillig vorgesetzt bekommen? Wilhelm Raabe (1831-1910) symbolisiert fast ein ganzes literarisches Zeitalter, ja überbrückt es auch. Der Braunschweiger Dichter wird zwischen Jean Paulscher Romantik und pessimistischem Realismus eingeordnet.Lange Zeit über war Raabe gewissermaßen Monopol und „Rückzugsgebiet" konservativer Schulmänner, war seine wohl nur vordergründige Idyllik wohlgelitten, um seine philiströse Maske quasi intentional „vergesellschaften" zu können. Aber der Autor des
Für erhebliche Stimmung sorgt er sicher, der bei uns bisher noch völlig unbekannte römische Schriftsteller Domenico Campana.Sein neuer Roman „Das Leuchten der Sirene" behandelt eine mysteriöse Mordserie im Palermo des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Man schickt zu deren Aufklärung einen Kriminalinspektor aus dem Norden. Doch die gerade erst vereinigte italienische Zentralmacht beißt sich an den sizi-lianischen Verhältnissen die Zähne aus. Der Mord am örtlichen Polizeichef ist nur der Auftakt zu einem verwirrenden Puzzlespiel, das rur mafiose Traditionen und den magischen
Der junge, begabte Vorarlberger Wolfgang Hermann nennt sein neues Buch im Untertitel „Verwandlungen”, und jahltngs wird die Erwartungshaltung des Lesers auch verwandelt. Aus ver-muteten Reiseessay s erwachsen plotz-lich Seelenlandschaften, werden Be-obachtungen und Schicksale notiert, die mit den drei Weltmetropolen, Paris, Berlin und New York naturgemaB immer in Zusammenhang stehen, gleichwohl aber stets von den Stadten selbst fortzufiihren scheinen.Der Autor, offenbar Weltenbumm-ler aus Uberzeugung, geht hiebei gar nicht wirklich reisekundig oder „po-lyglott” vor, sondern sucht das
Der Held vieler Degen- und Mantelfilme ist uns wohl derart geläufig, daß seine Person längst ins Märchenhafte abgeglitten scheint. Den großen Haudegen und unglücklichen Liebhaber Cyrano de Bergerac gab es aber tatsächlich, und er verbrachte sein kurzes Leben (1619-1655) nicht nur mit romantischen Abenteuern. Mindestens ebenso scharf wie sein Degen war seine Feder, mit der er Dramen, Romane und nicht zuletzt die zahllosen Briefe verfaßte.In diversen amerikanischen Archiven aufgefunden, wird diese bemerkenswerte Briefedition (nun übrigens in einer soliden Ausstattung, die jedes
Das schöne alte Wort „verschollen" *hieß ursprünglich „verschallen", und vier Echos von Verschollenen hat der sich zum literarischen Geheimtip entwickelnde Allgäuer W. G. Sebald jetzt aufgezeichnet, ja minutiös dokumentiert. Den verschollenen Lebensfragmenten der „Ausgewanderten" aus dem deutschen Kulturraum, die-teils aus wirtschaftlichen, teils aus politischen Gründen - ins Exil mußten, hat der Autor sein höchst sensibles schreiberisches Vermögen unterlegt. So wurden die seltsamen, auch mit fotographischen Zeugnissen begleiteten Lebenschroniken zu einem Roman in
Es ist ein seltsames, berührendes Buch, das die beiden schwedischen Schriftsteller Lars Ardelius und Per Christian Jersild verfaßt haben. Essays, persönliche Erfahrungen um und mit dem Tod, beziehungsweise Reflexionen über Totenbrauchtum, aber auch außereuropäische Riten wechseln einander ab, gewähren so einen erschütternden Ausblick auf das große Tabu. Die einzelnen sinnig illustrierten Texte haben jedoch nichts eigentlich Bedrängendes an sich, sondern dienen weit eher dem befreienden Nachdenken über das, was uns allen sicher ist.In den insgesamt 43 Betrachtungen und Reportagen
Ganzheitliches Denken, in dem exakte Naturwissenschaft und Philosophie beziehungsweise Kunst zusammenfinden, ist unserer Zeit gottlob nicht mehr gar so fremd. Wenn nun also eine neue Theorie des Ästhetischen, das heißt zur Dynamik der schönen Formen aufgestellt wird, die jenseits von der nur philologischen oder kunsthistorischen Betrachtungsweise zu stehen kommt, sollte das eigentlich nicht überraschen. Man wird aber doch von der gedanklichen Intensität und Komplexität des Versuches, eine kunsttheoretische wie naturwissenschaftlich begründete Ästhetik zu entfalten, einfach
Hugo Ball (1881-1927) war sicher der wesentlichste Anreger des Dadaismus, den er zusammen mit Tristan Tzara und Richard Huelsenbeck im Schweizer Exil während des Ersten Weltkrieges begründete. Der Kabarettist und scheinbare Nonsensedichter wollte „Dokumente nicht der Erbauung, sondern der Paradoxie hinterlassen". Dieser radikalste Avantgardist des 20. Jahrhunderts war übrigens praktizierender Katholik, der den Weg zurück in altkirchliche Traditionen und Überlieferungen suchte. So schreibt er im Jahre 1920(!) etwa: „Es gibt nur eine Macht, die der auflösenden Tradition gewachsen
Vielleicht nicht ganz zufällig beschäftigt sich die postmoderne Geschichtsschreibung in vermehrtem Ausmaß mit zeittheoretischen Reflexionen jeglichen Zuschnitts. Ganz anders aber verfährt der deutsche Historiker Gerhard Dohrn-van Rossum in seinem hervorragend ausgestatteten Buch zur Geschichte der Uhr, ihrer technischen Entwicklungsformen, aber auch den damit zusammenhängenden Zeit- beziehungsweise Gesellschaftsordnungen, indem dieser nämlich vor allem sachliche Informationen präsentiert.Die Zeitmessung in agrarisch strukturierten Gemeinschaften wird ebenso behandelt wie die in der
Selten hat der Rezensent eine eindringlichere und schlüssigere Untersuchung über die Traditionen und Tabus der Selbsttötung gelesen als das vorliegende.In einem höchst bemerkenswerten, von klaren ethnologischen wie soziologischen Überlegungen getragenen Kulturvergleich zwischen christlichabendländischen und japanischen Auffassungen über den Suizid kommt der 1991 verstorbene französische Philologe Maurice Pinguet zu überraschenden und brisanten Ergebnissen. Pinguet bezieht dabei eindeutig Stellung für die Freiheit des Menschen jenseits des Naturrechtsdenkens, das sich schon bei Plato
„Für mich gibt es in der Gegenwart keinen Platz!", meinte die große und populäre russische Dichterin Marina Zwetajewa einmal. Ihr Leben und Wirken steht exemplarisch für das Scheitern des Künstlers in der Diktatur. Erst 1988 konnte dieses wichtige biographische Dokument über die Autorin in der UdSSR erscheinen und wurde damit zu einem eindringlichen Zeugnis für die Vergangenheitsbewältigung in puncto Stalinismus.MarijaBelkinasakribischer Bericht handelt von den letzten Lebensjahren der sensiblen Dichterin, also der Zeit seit ihrer unglücklichen Rückkehr in die Heimat 1939 bis
Milan Kunderas siebenteiliges „Buch vom Lachen und Vergessen", bereits Ende der siebziger Jahre erschienen, liegt nun neu übersetzt vor. Der tschechische Kultautor hat damit abermals eine Art „Enzyklopädie der Leidenschaften" unternommen, welche wiederum vertrackt an „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" (1984) erinnert.Kundera, nach Eigendefinition ein Hedonist, der in einer aufs äußerste politisierten Welt gefangen ist, schreibt mit üblicher Ironie und in gewohnt episodenhafter Weise seine Alltagsgeschichten auf, indem er einer Unmenge auftretender Figuren
Wenn Paracelsus und Moliere miteinander streiten oder Margarethe von Österreich mit Kaiser Hadrian parliert, indessen Montaigne mit Sokra tes philosophiert, wird durch den Dreiklang von Vernunft, Natur und Narrheit ein satirisches Universum entworfen, das in der Weltliteratur seinesgleichen sucht.Bernard de Fontenelle (1657-1757) steht für ein ganzes Jahrhundert der (Vor)aufklärung, und tatsächlich hat der französische Denker sogar noch Nietzsche beeindruckt. Die freigeistigen Dialoge aus der Unterwelt sind in ihrer ironischen Gebrochenheit der aufklärerischen Verve des Verfassers
Nicht so sehr architektonische oder historische Städtebeschreibungen wollte der deutsche Autor Thomas Medicus vorlegen, sondern vielmehr quasi geistige Topographien, essayistische Einblicke in die inneren Wesenheiten fünf europäischer Städte, die zugleich auch Zentren der Habsburger Geschichte waren. So hat er versucht, Wien, Prag, Venedig, Triest und Budapest in den geschichtlichen Kontext der untergehenden Monarchie zu stellen, was ihm vor allem dank seiner ausgezeichneten Darstellungsgabe größtenteils gelungen ist.Medicus geht bei seinen Schilderungen bewußt von der Erinnerung aus,
Aus rund 100 erhaltenen Briefen des großen Dichters aus dem Böhmerwald hat der Wiener Germanist Werner Welzig 59 recht signifikante Schreiben ausgewählt und nunmehr hervorragend ediert.Zeitlebens hatte Adalbert Stifter beabsichtigt, eine Briefesammlung zu veröffentlichen, denn für ihn waren die Übergänge zwischen persönlichem Lebenszeugnis und literarischem Schaffen fließend, ja kaum vorhanden. Deswegen sind seine Briefe eher nicht als „Fenster" anzusehen, die Einblick in verschlossene Lebensräume gewähren, sondern vielmehr dem Schaffensprozeß selbst zuzuordnen.Auffallend
Wolfgang Koeppen, der große alte Mann der deutschen Nachkriegsliteratur, beschwört mit seinem schmalen Bändchen die Welt seiner Kindheit in Masuren, das heute polnisch ist. Orteisburg, nun Szczytno, wo er aufgewachsen ist, ist das Ziel seines späten Wiedersehens, das eher aus der glühenden Erinnerung lebt als aus dem gegenwärtigen Erkennen.Nicht nur manche deutsche Autoren machen sich seit geraumer Zeit daran, diese wesentliche Erinnerungsarbeit an der eigenen Identität zu leisten, welche besonders intensiv jenen gelingt, die aus dem ehemals deutschen Osten stammen. Auch
Förmlich verblüffend ist die jugendliche Kraft, die aus dem Alterswerk des spanischen Nobelpreisträgers 1989, Camilo Jose Cela, spricht. Der Verfasser des berühmten Romans „Der Bienenkorb" hat mit diesem unlängst übersetzen Werk den Beweis dafür angetreten, daß seine poetische Stärke ungebrochen ist.Cela geht es wieder um „sein" Thema, wenn er die Geschichte der galicischen Familienclans vor dem Hintergrund des Spanischen Bürgerkriegs schildert. Eine archaisch-bäuerlich geprägte Gesellschaft ändert auch trotz revolutionärer Umwälzungen nicht ihr Gesicht. Blutrache
So könnte man die aus Baltimore stammende Sylvia Beach tatsächlich nennen, die als engagierte Buchhändlerin im Paris der zwanziger Jahre eher zufällig mit dem irischen Dichter James Joyce in näheren Kontakt trat. Fast spontan bot sie ihm an, sein Jahrhundertwerk „Ulysses" zu verlegen. was angesichts mangelnder Erfahrung ein ziemliches Wagnis war. Aber Beach schaffte es mit Intelligenz und Energie, Joyces literarischen Stern in Europa aufgehen zu lassen. Über zehn Jahre bildeten Autor und Verlegerin eine intensive Arbeitsgemeinschaft, die trotz vieler Klippen und Unwägbarkeiten
Nicht wir haben Zeit, sie hält vielmehr uns in Besitz. Der Mensch vermag ihr sinnlich nicht beizukommen, lediglich durch die Vermittlung von Zeitperioden wird sie meßbar gemacht. Aber Uhrenzeit ist stets eine andere als die individuell wahrgenommene. Zeit ist zyklisch, zugleich jedoch unumkehrbar, was den Tod betrifft. Sie stellt die Matrix, den Quellgrund des Kosmos überhaupt dar.Immer schon bildete das Zeitphänomen den Gegenstand intensiven Nachdenkens und Forschens, selten jedoch wurde dieses Daseinsrätsel so schlüssig und komprimiert aufgearbeitet wie dies den beiden hochgradigen
„Wer sich in Familie begibt, kommt darin um", lautet ein recht pronon-ciertes Wort Heimito von Doderers. Dies gilt gerade auch für die prominente Schriftstellerfamilie Mann. Und Klaus Mann war es, der die Familie einmal von allen möglichen menschlichen Gemeinschaftsformen als „die eigentlich mystische" abgehoben hat.Die künstlerische Strahlkraft und Brillanz von Thomas und Heinrich Mann forderte innerhalb ihres Angehörigenkreises allerdings auch einen entsprechend tragischen Tribut. Lebenszerstörende Leidenschaften, tiefwurzelnde Neurosen, Drogensucht und nicht zuletzt
Hartmut Lange ist dem Rezensenten erstmals durch seinen Novellenband „Die Waldsteinsonate" begegnet, und diese Begegnung war fast sofort eine überzeugende. Der Berliner Schriftsteller wird gerade auch mit dieser Veröffentlichung unter die erste Reihe deutschsprachiger Autoren einzuordnen sein.Lange erzählt die Geschichte eines Abschieds vom Leben, die ein todkranker Philosophielehrer durchmacht oder besser durchsteht, inde*m er im letzten Moment eine radikale Umkehr zur bisherigen Existenz vornimmt, der er sich längst entfremdet hat. Kein Zufall ist es, daß in der brillanten
Die neue Novelle des Nobelpreisträgers Saul Bellow scheint auf den ersten Blick von einer eher alltäglichen Geschichte zu handeln, die im Diebstahl eines Smaragdringes aus dem Besitz der etwas preziös wirkenden Managerin aus dem Mittleren Westen kulminiert. Doch Bellow beschreibt ebenso geschickt wie nuanciert die komplizierte Seelenstruktur seiner Protagonisten, die sich im ziemlich öden New Yorker Lebensklima nicht immer wohl fühlen.In der Stadt „Gog und Magog", so Bellow, zwischen Parties, Psychiatern, Geldverdienern und problematischen Liebesbeziehungen kommt es schließlich
Auf kleine Länder, die um ihre politische Selbständigkeit kämpfen, richtet sich auch ein ebensolches Interesse. Daß jedoch Litauens Ausrufung der Unabhängigkeit im März 1991 vor allem auf dem Bewußtsein ungebrochener kultureller Identität fußt, wird erst dann evident, wenn man die ehrwürdige Sprachtradition dieses Baltenstaates in Rechnung stellt, welche ebenso wie die Musik oder die Volkskultur ganz selbstverständlich gepflegt wird.Die litauische Sprache ist dem ältesten Sprachzweig des Indogermanischen zugehörig, und es lag daher nahe, endlich auch einmal die Literatur dieses
In anerkennenswerter Weise hat es der Verlag Klett-Cotta unternommen, endlich eine Neuauflage von Emst Jüngers Essayband „An der Zeitmauer" erscheinen zu lassen, dessen Erstveröffentlichung auf das Jahr 1959 zurückgeht.Jünger, der große alte Mann der deutschen Literatur breitet vor dem Leser in gewohnter Manier sein tiefwurzelndes Gedankengeflecht aus, das sich in hellsichtigster Art mit den Problemen von Zeit und Zeitlichkeit und mit Geschichtlichkeit des Menschentums in bezug auf das ausgehende Jahrtausend beschäftigt. Von der Warte des unbeirrbaren Beobachters aus wird der
Wieland Herzfelde, erst 1988 in der Ex-DDR verstorben, zählte einst zu den prominenten deutschen Verlegern. Als solcher betreute er auch manche wichtige Literaturzeitschrift. Wie sein Bruder John Heartfield mußte er 1933 aus Deutschland emigrieren. Nach einem Zwischenaufenthalt in Prag ging er schließlich nach Moskau, wo er mit der Zeitschrift „Das Wort"exilierte deutsche Schriftsteller um sich zu scharen suchte. So trat er etwa mit Oskar Maria Graf und Friedrich Torberg in Verbindung.Aus dieser Zeit stammen auch die Korrespondenzen, die erst unlängst im Moskauer Zentralen
Das vordergründig einfachste, zugleich jedoch wesentlichste und komplizierteste Phänomen menschlichen Daseins ist die Sprache. Sie und nur sie macht das Menschentum aus. Friedrich Hölderlin und Stefan George, Ludwig Wittgenstein und Martin Heidegger haben als Dichter und Philosophen inständig darüber nachgedacht. Und es war gerade Friedrich Hölderlin, der einen dichterischen Auftakt des Nachdenkens über die Sprache setzte, der immer noch gültig ist.Wenn Schreibende sich mit ihrem Tun bewußt auseinandersetzen, gelingt manchmal eine Lichtung der Existenz. Octavio Paz, der große
Marie-Constance, ehemals Literaturstudentin, nunmehr etwas gelangweilte Ehefrau eines Wissenschaftlers, beschließt, Karriere zu machen, Karriere als Vorleserin in einer französischen Kleinstadt. Dies erregt zunächst Mißtrauen, dann Aufsehen und sogar Euphorie. Denn die Vorleserin hat ein schönes Stimmorgan und weiß sich in die Werke eines Guy de Maupassant oder Charles Baudelaire durchaus hinzuversetzen. Damit verwirrt sie aber sowohl pubertierende Jünglinge als auch einen gestreßten Industriellen, aktiviert eine adelige Achtzigjährige zu neuerlichen revolutionären Umtrieben, und
Maria Alice Barroso gehört bereits seit langem zu den wesentlichen südamerikanischen Schriftstellerinnen. Die Brasilianerin, die 1975 die Leitung der Nationalbibliothek in Rio de Janeiro übernommen hat, nimmt sich kein Blatt vor den Mund, wenn es um landestypische Phänomene wie Ma-chismo, Blutrache oder fanatische Eifersucht geht.„Wer tötete Pacifico?" ist Teil der Romantetralogie über die Lebensverhältnisse in der Stadt Parada da Deus. Eigentlich als spannende Kriminalgeschichte konzipiert, entpuppt sich das Prosawerk, das übrigens hervorragend übersetzt wurde, als eine Art
Wenn man sich, von schweren Träumen affiziert, morgens sein Frühstück bereiten möchte, und die betreffenden Verrichtungen unversehens in mittlere Haushaltskatastrophen umschlagen, da alle Dinge zu rebellieren scheinen, schwappt das prälogische Denken einstiger Naturvölker plötzlich wieder ordentlich über den Rand der Aufklärung. Denn aus der Fakti-zität des Dings entfaltet sich ein Aufstand des Gegenstandes. Das scheinbar beseelte Objekt „lauert" wie das Friedrich Th. Vischer in seinem hintersinnigen Roman „Auch Einer" (1879) beschrieben hat.Die Tücke des Objekts als
Was die 27jährige Autorin Cathy Young mit ihren Jugenderinnerungen an die UdSSR beziehungsweise ihre Heimatstadt Moskau nunmehr vorgelegt hat, ist eine Aufarbeitung russischer Alltagsgeschichte der allerbesten Art. Als Katja Jung 1965 geboren, wächst die einzige Tochter einer jüdischen Mittelschicht-Familie zur bekennenden Kritikerin (das Wort„Dissidentin“ im Klappentext scheint denn doch übertrieben) der repressiven Breschnew-Ära heran. Die Auseinandersetzung der Intelligenzija mit dem dumpfen Dogmatismus des Zwangskollektivs namens „Neue sowjetische Gesellschaft“ endet
„Die Welt aber, wenn man sich dermaßen von ihr abwendet, schafft ihrerseits den ab, der sie nicht wahrhaben will“, heißt es eingangs. Die Verfasserin hat sich auf eigentümlich intensive Weise „ihrer“ Welt zugewandt, ohne allerdings mit dieser Prosa wirklich einen Weltzusammenhang stiften zu können. Was etwa Gottfried Benn in den späten Gedichten aus den Fragmenten einer Welt-Anschauung mittels Montagetechniken so gelungen zusammenfügte, bleibt Brigitte Kronauer hier versagt.Trotz eindrucksvoller Sprachgewalt und glaubhafter innerer Monologe wurde daraus nur eine ziemlich fahrige
„Wer den Blick auf die Sonne richtet, dem erschließt sich das Wesen der Finsternis“, heißt es im altägyptischen Totenbuch (Spruch 115). Der bekannte Baseler Ägyptologe Erik Hornung erschließt dem Leser wahrhaftig die Unterwelt, die die Sonne nach den religiösen Vorstellungen dieses Kulturvolkes auf ihrer zwölfstündigen Reise durchquert, um schließlich - „vorko-pemikanisch“ verjüngt - wieder neu zu erstehen. Besonders im Tal der Könige wurden an den Grabwänden die beiden Unterweltsbücher Amduat und Pfordtenbuch,etwaum 1500vorChri-stus entstanden, angebracht, die vom Reich
In diesem Jahr feiert die Schweiz ihr 700jähriges Bestehen. 1921 konstituierte sich mit Bundesschwur und Bundesbrief die Eidgenossenschaft, die kraft ihrer Verfassung heute noch zu den letzten erhaltenen Stücken des staatsförmigen Mittelalters in Europa gehört.Der bekannte Schweizer Literat und Publizist Adolf Muschg bringt es auf den Punkt: Die Schweiz sei das Land der Pragmatischen Reaktion. Natürlich Anlaß genug, um sich mit dem eigenen Land kritisch und ausführlich zu beschäftigen. Muschg tut dies in Formeiner Veröffentlichung von Aufsätzen und Reden aus den letzten 15 Jahren,
Selten ist ein einprägsamerer Erlebnisbericht über Anfänge und Machtergreifung des italienischen Faschismus aus der Sicht eines Linkssozialisten und Patrioten gelungen, als dies mit dem Buch Emilio Lussus der Fall ist. Lussu (1890-1975) war sardischer Abgeordneter der Autonomisten, als sich Benito Mussolini 1922 anschickte, den Marsch auf Rom zu inszenieren, an dessen Vorbereitung übrigens der Dichter Gabriele d'Annunzio maßgeblich beteiligt war. 1927 wurde Lussu schließlich auf die Insel Lipari verbannt, von wo ihm die Flucht nach Frankreich gelang. Nach dem Krieg wurde er zum Minister
1990 hat der Dichter Octavio Paz verdientermaßen den Nobelpreis für Literatur erhalten. Anlaß genug also, daß der Verlag eine repräsentative Sammlung seiner Gedichte aus den letzten Jahren (1975-1987) ausgewählt hat, die nunmehr spanischdeutsch vorliegt.Für Paz bedeutet der Baum eine schlüssige Metapher für das Weltganze, das Rätselhafte des Daseins. Und der Baum mit seinen vielen Wurzeln und Verzweigungen geleitet den Leser nun auch durch eine Sphäre des Doppeldeutigen und Wunderbaren, die sowohl im diskursiven Denken als auch im meditativen Seinlassen ihren Ausdruck findet.
Poetische Landnahme der Seele könri* te man Wolfgang Hermanns neue Prö-sasammlung nennen, die abermals von der dichterischen Begabung des jungen Vorarlbergers zeugt. Hatte er schon mit dem Erzählband „Das schöne Leben" (1988) ein international beachtetes Debüt gefeiert, so schreibt er jetzt gegen die „Entzauberung der Welt" (Max Weber) an.Die kurzen Prosastücke atmen Poesie pur, sprechen von der Verstörung und Trauer über eine Menschheit, die sich selbst nicht mehr angehört. „Die Städte wachsen. Und der Mensch, der sich in ihnen vergißt, zuckt, wenn er sich seiner
Schon Goethe notierte auf seiner Italienischen Reise Ende Oktober 1786, daß seine Begierde, nach Rom zu gelangen, mit jedem Augenblick gewachsen sei, so daß er sich selbst in Florenz nur drei Stunden aufhalten mochte. Seitdem ist es Ungezählten ähnlich ergangen.Auch der Bozener Autor Herbert Rosendorfer, der heute als Amtsrichter in München lebt, hat sich längst schon auf Goethes Spuren geheftet, um in acht Episoden seines Buches die Tiefen und Untiefen der unvergänglichen Stadt auszuloten.Er bevorzugt dabei eine Methode, die deutlich zwischen dem Essayistischen und Narrativen schwankt.
Aus der Frühzeit Rainer Maria Rilkes stammen die sechzig Aufsätze und Rezensionen, die aus sechzehn, längst schon der Geschichte anheimgefallenen Zeitungen und Zeitschriften entnommen sind. Richard von Mises hat sich als Herausgeber dieser notwendigen, so doch schwierigen Aufgabe unterworfen, die verstreuten Texte des Dichters in einem Band versammelt zu veröffentlichen.Rainer Maria Rilkes geistige Entwicklung zwischen 1896 und 1905 fällt noch in jene Vorbereitungszeit, die ihn schließlich zu einem der größten Dichter unseres Jahrhunderts werden ließ und von der er meinte, daß'in ihr
Etwa zwei Jahre vor der politischen Wende im Osten wurde im Herbst 1987 ein musikwissenschaftliches Symposion zu Fragen der engen kulturellen Verflechtungen zwischen Wien und Budapest abgehalten, dessen Ergebnisse nun als Buch vorliegen. Ungarische wie österreichische Fachleute haben damit in hellsichtiger Weise eine wichtige Vorarbeit zur Wiederanknüpfung an die Kunsttraditionen beider Metropolen geleistet.Besonders hervorgehoben werden muß der informative Beitrag von Tibor Tallian über das Budapester Musiktheater, ebenso der bemerkenswert tiefschürfende Aufsatz von Reinhard Farkas über
Jetzt, da uns die russische Problematik beinahe täglich näherrückt, auch wieder oft vom abgenutzten Begriff der „ russischen Seele" die Rede ist, ist die Herausgabe dieser Erzählungen aus vorrevolutionärer Zeit sehr verdienstvoll. Der Verlag hat den Versuch gewagt, eine ansprechend gestaltete Auswahl aus der literarischen Klassik von Alexander Puschkin über Fjodor Dostojewskij bis hin zu Isaak Babel zu treffen. Sie vermag dem Leser einen ersten Überblick über die dichterischen Grundströmungen vor allem des 19. Jahrhunderts zu geben, und ihm so auch neue Aufschlüsse zur
Durch Apperzeptionsfähigkeit ausgezeichnete Essays zu veröffentlichen, ist in einer Ära der Geschwätzigkeit und Uneigentlichkeit zu einem einigermaßen schwierigen Unterfangen geworden. Wenn es dem englischen Kunsthistoriker, Kulturkritiker, Maler und Schriftsteller John Berger immer wieder gelingt, den Leser an seinem geschärften Blick „auf die Sachen selbst” teilhaben zu lassen, dann wird dies aus seiner artistischen, von der Phänomenologie geprägten Schule des Sehens erklärbar.1981 gab er übrigens das vieldiskutierte Buch „Die Kunst des Sehens” heraus. Bergers stupende
Jenseits der ausschließlichen Heimatliteratur befindet sich längst die friulanische Dichtung, bezieht sie doch ihre stolzen Wurzeln schon aus dem 13. Jahrhundert. Aber erst der mütterlicherseits aus Casarsa stammende Pier Paolo Pasolini initiierte die „Akademie der friulani-schen Sprache”, sodaß die Regionalliteratur schließlich Zug um Zug den Anschluß an die europäische Dichtung des 20. Jahrhunderts finden konnte. Pasolini war es auch, der fernab jeder ideologischen Verkürzung erkannte, daß die sprachliche Vielfalt einer Region eine wertvolle Bereicherung des Zentralstaates
Wenn man schon beim Durchblättern dieses Buches Lust auf die einfachste Sache - nämlich ein Glas Wasser - bekommt, dann hat diese Monografie des Wassers ihre Wirkung getan. Peter Paul Kaspar hat mit besinnlichen Texten einen „Reiseführer” durch die elementare Welt des Wassers gestaltet und mit poetischen Zitaten von Friedrich Hölderlin bis Joseph von Eichendorff umrahmt, während Anna Porizka eindrucksvolle Fotos vom Wasser in verschiedenen „Aggregatzuständen” beisteuerte. Aber nicht nur der Text und großformatige Farbbilder machen den Reiz dieses Buches aus, auch die harmonische
Der Salzburger Künstler stammte aus eher kleinen Verhältnissen, fiel durch seinen Ehrgeiz an der Münchner Kunstakademie auf, studierte in Paris und Rom, um schließlich in Wien zu landen. Dort sollte er bald zu einem der Synonyme für die Ringstraßen-Epoche werden: Hans Makart (1840-1884), der Wiener Malerfürst, im Volksmund ob seiner schwülen, üppig aufgetragenen Erotik gelegentlich auch „Nackkart” genannt, war der berühmteste und wohl auch bestbezahlteste Maler des Wiener Historismus. Stets skandalumwittert prägte er mit Verve einen nach ihm bezeichneten Stil, war gleichzeitig
Was die beiden westdeutschen Li-teraturwissenschaftlerinnen mit dieser Publikation über die „vergessenen Briefe an unvergessene Frauen" (so im Untertitel) nunmehr vorlegen, gehört sicherlich zu den herausgeberisch reizvollsten Unternehmungen der letzten Zeit. Einundzwanzig mehr oder weniger prominente Autorinnen schrieben einen - freilich nie abgesandten -Brief an zumeist längst verstorbene, bedeutende Künstlerinnen.Ein Briefzitat Johann Wolfgang von Goethes gab dabei den Titel für diese höchst ungewöhnliche Anthologie ab, die, wie die Herausgeberinnen betonen, durchaus keine
Wenn der Verlag Guntram Vesper eingangs „einen der bedeutendsten Dichter Deutschlands" nennt, dann ist das einmal nicht übertrieben. Der aus Frohburg in Sachsen gebürtige Vesper (geboren 1941) hat als Prosaist und Lyriker schon zahlreiche Preise erhalten und kann auf eine lange Reihe von Veröffentlichungen zurückblicken, die Aufsehen erregt haben.Wenn sich Imaginationskraft und formales Können sozusagen bruchlos miteinander verbinden (was vielen Lyrikern niemals gelingt), dann kann die Reise „spracheinwärts" glücken. Vesper spricht in seinem wundervoll persönlichen
Schon Solon, Plato, Plinius und Seneca legten für ihre Zeit beredtes Zeugnis über die Verheerungen der antiken Umwelt ab. Trotz der zum Teil naturreligiösen Vorstellungen im Hellenismus und der Römerzeit betrachteten auch damalige Menschen die Natur gewissermaßen als Selbstbedienungsladen. Daß ersieh und die Umwelt nicht gänzlich abschaffen konnte, lag an den noch beschränkten technischen Mitteln. Die Vernichtung der Schöpfung hat also keineswegs erst mit dem Indu-strialismus begonnen, sondern bereits Tausende Jahre zuvor - auch wenn damit nun ein weiteres Klischee des
Es ist recht schwer, über Jürgen Beckers neuen Lyrikband „Das englische Fenster" ein ausgewogenes Urteil zu finden, da der Dichter darin Abschnitte präsentiert, deren Disparität auffällig hervortritt. Einerseits verarbeitet er in einem ausgedehnten Gedankengedicht die vielfältigen Eindrücke eines universitären Englandaufenthalts in Warwick aus dem Jahre 1988, um dieser Sequenz lyrische Streif züge aus dem Alltag folgen zu lassen, andererseits arbeitet er im dritten Teil „Vorbereitungen im Herbst" seinen Leipzig-Besuch unmittelbar nach dem Fall der Mauer sehr persönlich
Einer der großen Alten der ostdeutschen Literaturszene unternimmt den Versuch der Bewältigung jüngster Zeitgeschichte. Natürlich, Stefan Heym ist wie immer in schriftstellerischer Hochform. Und die meist ironisch geschilderten Begebenheiten über „gewendete" Stasi-Funktionäre, von westlicher Wirtschaftsmacht überrollten Ostbürgern oder einer entlarvenden Vernissage der Kunst-Wendehälse geraten ihm leicht und schlüssig von der Hand.Kritik an den menschlichen und ökonomischen Zuständen im wiedervereinigten Land ist allemal angebracht und weiterhin nötig, aber
Clara Wiecks Charakterzüge und Künstlertum waren wohl* wesent-lich von den "Lebensstürmen" - in der Diktion des 19. Jahrhunderts -geformt worden. Ohne eine eigent-liche Kindheit erlebt zu haben, wur-de sie von ihrem ehrgeizigen Vater als virtuoses Wunderkind quer durch Europa getrieben; und als sie begann, originelle Kompositionen zu schaffen, ging sie eine sehr pro-blematische Ehe mit Robert Schu-mann ein. Künftig galt sie als Gattin des "substantiellsten aller deutscher Romantiker" (Wilhelm Furt-wängler), den sie immerhin um 40 Jahre überleben sollte. Parallelen mit Cosima Wagner
Kein Zweifel, der gebürtige Kla-genfurter Antonio Fian ist ein erzählerisches Talent. In seiner neuesten Veröffentlichung kreist er in sieben Geschichten mit stupendem Scharfblick die intellektualistische Misere der literarischen Zeitgenossenschaft ein.Wenn auch manches daran etwas zu artifiziell geraten ist, der Autor beherrscht den weiten Bereich der seelischen Verstörung, durch den seine "Helden" hindurchmüssen. Ob dabei ausnahmsweise kafkaes-ke Mutterkomplexe abgehandelt werden, oder satirisch in das blü-hende Land der heimischen Litera-turszene aufgebrochen wird: immer wird dabei
Die Kunst des japanischen Kurz-gedichts ist bei uns erst nach dem Zweiten Weltkrieg populär gewor-den. Diese literarische Form des quasi philosophisch-stoischen Ein-blicks in die Wesenheiten von Ding und Welt verlangt nach hoher sprachlicher Disziplin und kontem-plativer Stimmung.Die japanischen Gedichtformen entsprechen einer mehr als tausend-jährigen Tradition. So erreichte zum Beispiel das "Tanka" bereits um 800 nach Christus einen ersten Höhepunkt. Vergleiche mit der fernöstlichen Malerei, die ebenso Skizzen- wie chiffrenhaft mit einigen Pinselstrichen eine ganze Welt ein-zufangen
Nachdem in den letzten zwanzig Jahren in der Bundesrepublik ein Teil des literarischen Werkes des polnischen Autors Bruno Schulz erschienen ist, hat es der Suhrkamp-Verlag nun in dankenswerter Weise unternommen, die wesentlichsten Erzählungen nebst zwei Essays des Dichters in vorzüglicher deutscher Ubersetzung wieder herauszugeben. Von einer Wieder-entdeckung kann schon deswegen gesprochen werden, da manches bereits vergriffen war und Bruno Schulz zumindest hierzulande noch keineswegs, so gewürdigt scheint, wie es ihm wohl anstünde.Der in der galizischen Kleinstadt Drohobycz am Rande der