Edward Albees Drama „Wer fürchtet sich vor Virginia Woolf“, als Kritik an der amerikanischen Gesellschaft gedacht, ist zur Bedeutung eines Symbols für die Gefährdung des Menschen im Zivilisationszeitalter gelangt. Dieser Dschungel niedriger Triebe wuchert ja auch in unseren Bereichen, und so mutet die mehrfach aufgeworfene Frage, ob das Stück nach Salzburg passe, etwas weltfremd an. Glaubt man denn, ewig in einem Traumparadies leben zu können, um das die Zeit einen großen Bogen macht? Ist die Gesellschaft in unserem Raum weniger brüchig als jenseits des großen Wassers? Wir müssen
Vor einem Jahr hat Gandolf Buschbeck mit einem köstlichen Wiener Theaterabend seinen Einstand als Direktor des Salzburger Landestheaters gehalten. Aber mit einem Höhepunkt anzufangen, ist immer gefährlich. Publikum und Kritik fassen ihn als Versprechen für die Zukunft auf und bestehen auf dessen permanente Erfüllung. Bei dem allzu optimistischen Konzept Busch- becks waren Enttäuschungen vorauszusehen. Es ist heute eben unmöglich, einen Spielplan auf die Mitwirkung bedeutender Gäste aufzubauen, wenn man sich nicht auf Verträge stützen kann, sondern auf freundschaftliches
Das Salzburger Landestheater hat in seinem Montagstudio Murray Schisgals zweiaktige Komödie „Liiiebe“ auf die Bühne gebracht. Wenn man versucht, den Inhalt des Stückchens nachzuerzählen, wird einem alsbald klar, daß es keinen hat. Zumindest nicht im Sinne einer dramatischen Handlung, wie sie sich aus den Gegensätzen der Charaktere, aus der Auseinandersetzung dieser Charaktere mit der Welt ergibt. Statt eines Ablaufe: Ausgangs- und Endsituationen von vier Leuten in ihren Beziehungen zueinander (nur drei davon erscheinen auf der Szene), Gags und Pointen, ergötzliche makabre und
Wenn in diesem Jahr das Raimundtheater seinen 75. Geburtstag federt, wird auch das Salzburger Landestheater unter den Gratulanten in Wien erscheinen und mit einer Aufführung von Raimunds „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“ gastieren. Da eben jene Inszenierung Gandolf Buschbecks, mit der wir uns heute zu befassen haben, als Gastgeschenk dargeboten werden soll, scheint es angemessen, sie unter dem Aspekt solch erhöhten Anspruchs zu betrachten.Raimund nannte sein großes Gedanken- und Seelendrama bescheiden ein romantisch-komisches Zauberspiel. Wenn nun bei Buschbeck das Komische vor
Wer das Stück „Die tätowierte Rose“ als Film gesehen hat (mit der unvergleichlichen Anna Magnani in der Rolle der Seranna), wird mit einer gewissen Skepsis zur Premiere in das Salzburger Landestheater gegangen sein. Ich darf gleich vorwegnehmen, daß sich alles Mißtrauen als unbegründet erwies. Die Inszenierung Gandolf Buschbecks hatte Niveau und vermochte in jeder Phase zu fesseln. Ganz abgesehen indes von der Qualität dieser Aufführung, zeigt sich eben auch wieder, daß das Theater etwas zu geben hat, was der Film — trotz größter Starbesetzungen — schuldig bleiben muß: das
Mit dem dreiaktigen Schauspiel „Tango“ von Slawomir Mrozek, dem polnischen Dramatiker, hielt die Direktion Buschbeck nun auch in den Kammerspielen des Salzfaurger Landestheaters ihren Einzug. Nach dem Bekenntnis zur österreichischen Theatertradition im Landestheater weist Buschbeck mit der Wahl dieses Stückes auf eine zweite Komponente seines Spielplankonzepts hin: auf das internationale Zeitdrama. Mrozeks Werk ist für unsere Bereiche in doppelter Hinsicht interessant: einmal als repräsentatives Werk der zeitgenössischen Literatur aus der geistigen Atmosphäre eines Ostblockstaats,
War die Salzburger Aufführung der „Carmen“ schon im Vorjahr das große gesellschaftliche Ereignis der Festspiele, so darf ihr auch heuer wieder ein solcher Rang zugesprochen werden. Dies um so mehr, als die Karajan-Inszenierung in ihrem Repräsentationsstil erst bei der Reprise ihre gültige Gestalt gewonnen zu haben scheint. Im Detail differenzierter, dennoch einheitlicher im Ganzen, ist sie konziser, dramatischer und spannungsreicher geworden. Die Wiederaufnahme in das Programm ist also nicht allein durch den großen Aufwand für Bühnenbild und Kostüme gerechtfertigt.Uber Karajan als
Die Sailztourger Festspiele 1967 sind nicht gerade mit Neuinszenierungen gesegnet. Auf dem Gebiete des Schauspiels steht, wenn man vom Europastudio absieht, Hugo von Hof-mannsthals Lustspiel „Der Schwierige“ allein da. Das Stück, seit den Tagen Max Reinhardts bei den Festspielen nicht aufgeführt, ist wert, daß man sich seiner erinnerte. Hofmannsthal hat sich in dieser Komödie mit aller ihm eigenen Dezenz und Verhaltenheit um ein psychologisches Seitostporträt bemüht, das wohl im wesentlichen authentisch geraten ist. Er hat aber daneben auch eine Fülle altösterreichischer Typen
Die Salzburger Festspiele haben begonnen. Einzug des Bundespräsidenten in Schloß Kleßheim, Empfang in der Residenz, das übliche Bangen um das Wetter beim Reigen der Fackeltänzer, all dies im Rahmen der magisch erleuchteten Stadt — so verlief nach Brauch und Sitte der Vorabend der Eröffnung. Am nächsten Vormittag: Staatsakt im Cairabinieri-saal mit der Rede des Staatsoberhauptes, der Ansprache des Landeshauptmanns und jener des Unterrichtsministers. BundespräsidentFranz Jonas wies auf die Bedeutung eines vertieften Kunsterlebnisses angesichts der bedrohlichen Weitlage hin;
Im Salzburger Landestheater ging als erste Premiere des heurigen Jahres Molieres „Don Juan“ in der Bearbeitung von Bertolt Brecht über die Szene. Don Juan gehört zu den großen dichterischen Symbolen für das Wesen des Menschen, aber der mythische Kern hat sich bei dieser doppelten Behandlung des Stoffes verflüchtigt. Moliere macht sich über Don Juan lustig; er sieht in ihm nicht den unwiderstehlichen Verführer, das Sinnbild für die Dämonie des Triebes und damit den auf das weibliche Schicksal gerichteten Basiliskenblick des Verhängnisses, sondern einen recht belanglosen Typus, der
In den Kammerspielen des Salzburger Landestheaters fand als österreichische Erstaufführung die Premiere von Nikolai Gogols „Tagebuch eines Wahnsinnigen" statt. Der große russische Dichter hatte das Werk nicht für die Bühne geschrieben. Diese Tagebuchblätter sind in einem seiner Novellenbände enthalten. Offenbar schien ihm, dem genialen Komödienschreiber, der Stoff für die Dramenform ungeeignet. Doch unsere Zeit hat die klassischen Grundgesetze des Dramas in Frage gestellt, und so hatten auch die Autoren der Bühnenfassung, Sylvie Luneau und Roger Coggio, keine Bedenken, die
Haben wir uns bisher versagen müssen, in unseren Berichten aus Salzburg auf die Konzerte einzugehen, die doch zum wesentlichen Bestand der Festspiele gehören, so seien nun am Ende aus den 45 Veranstaltungen dieser Art einige wenige herausgegriffen, die sich dem kritischen Besucher besonders eingeprägt haben.Mit besonderen Erwartungen sah man dem jungen italienischen Dirigenten Claudio Abbado entgegen. Ihm war im Zusammenhang mit seinem Erfolg bei den Wiener Festwochen der Ruf vorausgegangen, daß man in ihm endlich den legitimen Erben einer großen Dirigentengeneration aufgespürt habe, an
Vor vier Jahren wurden die Festspielbesucher mit einem interessanten „Figaro“ überrascht, der als Versuch einer Auslegung des Werkes von den einen begrüßt, von den anderen abgelehnt wurde. Sowohl das Bühnenbild von Raffaelli als auch die Reigie Sellners waren darauf angelegt, die politische Natur dieser Oper sichtbar zu machen. Hinter dem frivolen Liebes- und Intrigenspiel der Handlung sollte die innere Auflehnung des dritten Standes gegen die Willkür der Herrschenden wie ein Wetterleuchten der Revolution aufblitzen. Napoleons Ausspruch, mit dem „Figaro“ von Beaumarchais sei die
Vor drei Jahren wurde die Frage diskutiert, ob man in Salzburg den Festspielbesucherndie Wiederaufführungen älterer Inszenierungen bieten dürfe oder ob das Programm im wesentlichen alljährlich zu erneuern sei. Man kritisierte den Spielplan jenes Sommers, sprach von Reprisenfestspielen, und mußte am Ende zugeben, daß einige dieser Reprisen glanzvolle Höhepunkte waren. Ich erinnere nur an das unvergleichliche „Cosi fan tutte“. Aufführungen solchen Ranges dürfen ruhig wiederholt werden, solange die ursprüngliche Besetzung zur Verfügung steht. Ja, sie könnten sogar auf gewisse Zeit
Ob „Carmen“ als Festspieloper in der Mozart-Stadt am rechten Platz ist, soll hier nicht erörtert werden. Eine Festspielattroktion ist sie jedenfalls. Zumindest im Repräsentationsstil der Monsterinszenierung Herbert von Karajans. Diese „Carmen“ trifft zweifellos den Geschmack eines saturierten Publikums, das einem gesellschaftlichen Ereignis beiwohnen und für sein Geld etwas haben will. Was es hier zu sehen und zu hören kriegt, ist von großer Schönheit; man fühlt sich von keinen Problemen belästigt, träumt sich mit Behagen in das Fin de siėcle zurück, das man für das goldene
Mit Anton Tschechow kündigt sich eine neue Zeit in der russischen Literatur an. Die Allgewalt der Gefühle, dieses ungeheure Strömen ins Grenzenlose, mächtig in der epischen Welt der Russen von Puschkin bis Dostojewskij, sublimiert sich bei Tschechow zu differenzierter Empfindung; das elementare Schaffen aus überquellender Lebensfülle ist abgelöst durch die Technik eines behutsamen Impressionismus, und ein Hauch von Resignation liegt wie ein Schleier über der Farbigkeit des russischen Lebens. Insbesondere in seinem dramatischen Werk spürt man die Wehmut über das Absinken der
Neben den Festspielen bereitet Salzburg seinem Genius Mozart alljährlich eine stillere, doch um so herzhaftere Huldigung: die Mozart- Woche der Internationalen Stiftung Mozarteum, mit der die Stadt den Geburtstag ihres Sohnes gewissermaßen im engeren Familienkreis begeht.Die feierliche Eröffnung fand im Dom mit einer Aufführung der Missa brevis in G, KV. 194, unter Joseph Messner statt. Die Wahl dieses Jugendwerkes war insofern bedeutungsvoll, als Prof. Messner nun an zwei Kopien aus dem Salzburger Domarchiv nachgewiesen hat, daß das bisher umstrittene Werk tatsächlich eine Komposition
„Die Physiker“ von Friedrich Dürrenmatt haben sich nachdem sie in der ganzen Welt Aufsehen erregt haben, nun auch dem Salzburger Publikum gestellt. In einer handfesten Inszenierung wurden sie von Fritz Herterich auf die Bühne des Landestheaters gebracht und zu einem bemerkenswerten Erfolg geführt. Diese schwarze Farce, vom Autor euphemistisch Komödie genannt, will für einen als Kriminalreißer getarnten Appell an das Gewissen der Menschheit gehalten werden. Angesichts der eisigen Freude, mit der Dürrenmatt die Spezies bloßstellt, sie in Unmenschen und Schwachsinnige einteilt und
Das Europa-Studio quittierte die-Nachricht von seiner geplanten Eingliederung in das Salzburger Festspielprogramm mit einer Produktion, an der die Fragwürdigkeit dieser Maßnahme offenbar wird. Der ständige Seitenblick auf die Fernsehaufzeichnung als den eigentlichen Zweck der Unternehmung scheint, zumindest diesmal, die Veranstalter sowohl bei der Stückwah] wie auch teilweise bei der Inszenierung irritiert zu haben, und das Theater ist zu kurz gekommen. Als Experimentierfeld ist das Europa-Studio durchaus gerechtfertigt und gutzuheißen; man wird auch hinnehmen, daß Experimente das eine
Durch die Monsterproduktionen der Salzburger Festspiele, heuer vor allem durch den gewaltigen „Boris“, ist die Stimme des Genius loci übertönt worden. Nun erst, da sie in einem seiner anmutigsten Werke aufklingt, wird man wieder an die eigentliche Aufgabe, an die zentrale Idee unserer Festspiele erinnert: die bedeutendste Pflegestätte Mozartischer Kunst zu sein und dem Geist ihres Schöpfers durch beispielhafte Aufführungen zu huldigen.Eine geglückte Huldigung dieser Art ist die Neuinszenierung der „Entführung aus dem Serail“ von Giorgio Strehler und unter der musikalischen
Di« alte Streitfrage, ob das Neue, des außerhalb der Tradition Liegende, festspielwürdig sei, wird diskutiert werden, solange ei die Salzburger Festspiele gibt. Selbst dann noch, wenn das Neue gar nicht mehr neu ist und seinerseits schon ein« Tradition begründet hat, werden «ich darüber jene Gemüter erhitzen, für di« die Musik mit Richard Strauss aufhört. Immerhin ist den Fürsprechern der „Moderne“, wia ei etwa der verewigte Eberhard Preußner war, heuer ein bemerkenswerter Sieg gelungen. Der zwanzigste Todestag Anton von Webern« wurde mit drei
Bernhard Paumgartner hat einmal im Zusammenhang mit den Festspielen die Entwicklung eines Salzburger Stils als das erstrebenswerte Ziel aller Bemühungen um eine gültige und dauerhafte Gestalt des Festspielgedankens bezeichnet. Was er darunter verstand, wird Jedem klar sein, dem die „Raumseele“ dieser Stadt vertraut ist. Die Forderung, die auch in der Eröffnungsrede Gabriel Marcels anklang, scheint überholt, noch ehe sie erfüllt wurde. Im heurigen Programm, zumindest in den Spitzenveranstaltungen, in Boris Godunow und den Oedipus-Dramen des Sophokles, gibt es keine Möglichkeit, auf
Wahrend es für den Kalendergläubigen noch gute vierzehn Tage bis zur Eröffnung der Salzburger Festspiele sind, haben sie für den eingeweihten Kenner der Salzachstadt schon begonnen. Denn wie unscheinbar sich nach außenhin ein Puppenspiel neben den glanzvollen Darbietungen der Welstars auch ausnehmen mag, die Premiere von Mozarts „Don Giovanni“ auf dem Salzburoer Marionettentheater war ein Festspiel im wahrsten Sinne des Wortes.Wir haben viele Aufführungen des Geniewerkes gesehen, auch manche unvergeßliche war darunter. Aber nur ganz wenige haben uns den Geist und die Natur Mozarts
Am Salzburger Landestheater hat Rudolf Kautek mit poetischem Sinn Federico Garcia Lorcas „Dona Rosita“ inszeniert, so liebenswert und anmutig, daß sie eigentlich an den Mann kommen müßte, auch wenn sie, wie der Originaltitel verrät, ledig bleibt. Aber für. poetisches Theater ist im Alltag der Festspielstadt wenig Platz, schöne Seelen finden heute nur ein kleines Publikum, und „Dona Roaita“ wird sitzenbleiben. Dabei ist diese Granadiner Dichtung vielleicht das wunderbarste Gleichnis des Gegenwartstheaters für die Flüchtigkeit des Glücks, die Hinfälligkeit der Liebe und die
Zu den schwierigsten Prüfungen eines Theaters gehört Georg Büchners geniales Lustspiel „Leonce und Lena“. Salzburg hat sie beinahe summa cum laude abgelegt und die mit leichter Hand über den Abgrund des Nichts hingeworfene Arabeske aus Gold und Gift sauber nachgezogen. Die Regie Walter Pohls stellte die Vision des Dichters im Stile des Marionettentheaters dar, und der Bühnenbildner Eugen Wintterle brachte das Ganze in einer Art Spielzeugschachtel unter, womit der Charakter des Künstlichen verstärkt wurde. Reizvolle Inszenierungsideen, bei denen hur das lyrische Element, für den
Im Zusammenhang mit einer Neuinszenierung der „Zauberflöte“, die das Salzburger Landestheater zur Mozart-Woche darbot, wurde die Frage aufgeworfen, ob man sich an diese so selten in vollkommener Verwirklichung erscheinende Mozart-Oper mit den Mitteln einer Provinzbühne überhaupt heranwagen darf. Die Salzburger Aufführung antwortete mit einem bündigen Ja. Die theatralische Substanz der „Zauberflöte“, die opern-hafte wie die komödiantische, ist in ihrer naiven Ursprünglichkeit so stark, daß sie auch ohne Perfektion zu voller Wirkung gelangen kann, wenn man sich ihrer mit
Das erste Großereignis des Salzburger Musikjahres, die den Geburtstag des Genius loci umrahmende Mozart-Woche, hat auch heuer wieder überzeugend dargetan, daß die als Veranstalterin zeichnende „Internationale Stiftung Mozarteum“ wohl die bedeutendste Pflegestätte Mozartischer Musikkultur ist. Sie huldigte dem erlauchten Namen durch einen Zyklus schöner Konzerte und versammelte, wie alljährlich, zum festlichen Anlaß die an der von ihr herausgegebenen Mozart-Gesamtausgabe mitarbeitenden Musikgelehrten und Mozart-Forscher.Den Auftakt gab ein Abend des Salzburger Rundfunkchors und des
Das erste Großereignis der neuen Ära des Salzburger Landestheaters hat stattgefunden. Intendant Dr. Hetterich hat das Alte Festspielhaus gemietet und dort einen „Fliegenden Holländer herausgebracht, wie er in Salzburg gewiß nicht oft zu sehen und zu hören war. Es gibt sogar Stimmen, die der Inszenierung das Prädikat „mit Festspielniveau zuerkennen. Mag man das auch nur mit Einschränkungen gelten lassen, so sei doch zugegeben, daß die Aufführung über unsere Verhältnisse gut ist. Freilich ist der Erfolg zum großen Teil den Gästen zu danken, die das Landestheater zur Bewältigung
Gastspiele großstädtischer Ensembles an Provinzbühnen sollen nicht allein Höhepunkte der Theatersaison, sondern auch Maßstäbe für die eigene Produktion sein. Die in Salzburg von der „Bühne 64” (Direktion: Jürg Medicus, Zürich) gebotene Aufführung von Jean Gireaudoux’ „Sodom und Gomorrha” blieb hinter den Erwartungen des Publikums wie der Theaterleute in manchem zurück. Fehlt dieser Sammlung von Bonmots, Paradoxen, Aperçus und Aphorismen über das unerschöpfliche Mann-Weib-Thema so ziemlich alles, was zu einem Drama gehört, so hat noch der durch das ganze Stück gehende
Salzburg hat zu Bert Brecht eine merkwürdige Beziehung. Die Stadt verhalf ihm etliche Jahre vor seinem Tod zur österreichischen Staatsbürgerschaft und ist für diese Aktion, die politisch betrachtet, aus jeder Perspektive mißverstanden werden mußte, ebenso getadelt wie gelobt worden. Nun, Österreich hat keinen Schaden dadurch genommen, Brecht keinen Nutzen davon gehabt, und daß sich Mutter Courage mit ihrem Karren jetzt auch auf der Bühne des Salzburger Landestheaters etabliert hat, hängt gewiß nicht mit dem Staatsbürgerschaftsnachweis zusammen.„Eine Chronik aus dem
Unter den Opernkomponisten der deutschen Hochromantik, die der komischen Oper zu anmutiger Blüte verhülfen haben, ist Friedrich von Flotow gewiß ein bescheideneres Talent, das weder an Nicolai noch an Cornelius heranreicht. Wenn seine „Martha“ trotzdem zu den meistgespielten Werken aus dieser Zeit gehört und heute noch ein entzücktes Publikum findet, hat sie das einerseitsdem handfesten und farbigen Libretto von Wilhelm Friedrich, anderseits dem untrüglichen Sinn Flotows für das wahrhaft Volkstümliche zu danken. Das leichtfüßige und gefällige Musenkind bietet den
Der neue Intendant des Salzburger Landestheaters hat seine erste Spielzeit mit einem Shakespeare und auf dem Gebiet der Oper mit Puccini und Leoncavallo eröffnet. Wenn man diese Wahl als Bekenntnis auffassen und daraus auf das Konzept Dr. Herterichs schließen darf, sollten in seiner Ära das poetische elementare Theater und die publikumssichere Oper dominieren. War der Opernabend auch entschieden geglückter als die von Herterich selbst stammende Neuinszenierung von Shakespeares „Wie es euch gefällt“ so wäre es doch voreilig, daraus ein Urteil abzuleiten. Daß die
In der Idee der Salzburger Festspiele, wie sie Hofmannsthal, Richard Strauss und Max Reinhardt vorschwebte, hielten Oper und Schauspiel, Musik und Wort einander die Waage. Der Sinnenhaftig- keit der Oper war ein geistiges Widerspiel aus der Welt der großen Dichtung zugedacht, wodurch der Rang des Festivals gesichert, ein Absinken auf das Niveau eines gesellschaftlichen Ereignisses verhindert werden sollte. Aber mit der Zeit verschob sich der Schwerpunkt immer weiter in Richtung der Musik und des Musiktheaters, und erst in der jüngeren Vergangenheit machte sich die Tendenz geltend, auf das
Mozart, wie er unserem Herzen nahe ist, wurde zum beglückenden Erlebnis im Mozarteum-Festspielkonzert der Wiener Philharmoniker unter Karl Böhm. Man glaubte, die vertrauten Schöpfungen des Genius zum erstenmal zu hören, so himmlisch heiter, so innig und klar wurden sie dargeboten. Die schöne Einheit von Werk, Auslegung und Wiedergabe trug dazu bei, daß der tiefe Sinn des Phänomens Mozart offenbar wurde: das Menschliche als Spiegelung des Göttlichen. Die köstliche „Serenata notturna“ in D, K. V. 239, gab dem jungen Konzertmeister der Philharmoniker, Walter Weller, Gelegenheit, sein
Verdi hat bei den Salzburger Festspielen eine gesicherte Position. In der Geschichte des österreichischen Festivals gibt es eine Anzahl großartiger Verdi- Inszenierungen, und die Sorgfalt, die man an sie wandte, läßt ebenso wie ihr Erfolg die Annahme zu, daß dem dramatischen Genius des Risorgimento das Klima der Mozartstadt günstig ist. — Allerdings: über die Wahl der Opern ließe sich diskutieren, und wenn heuer, im Shakespeare-Jahr, schon Verdis geistige Begegnung mit dem Schwan von Avon betont werden sollte, dann hätten „Othello” oder „Falstaff” den Vorzug verdient.
Über der hohen Zeit des Salzburger Jahres herrscht heuer neben dem Sternbild des Genius loci ein zweites, dessen verführerischer Glanz in der ersten Festspielwoche jenes zu überstrahlen schien. Nicht durch die Größe in einer absoluten Wertordnung zwar, immerhin aber durch vollkommene Erfüllung der Idee eines Werkes im Raum der Bühnenwirklichkeit. Großartiger als mit dieser „Ariadne auf Naxos”, die den Opernreigen der Festspiele 1964 eröffnete, und mit diesem „Rosenkavalier” konnte Richard Strauss zu seinem 100. Geburtstag nicht gefeiert werden. Hätte man die gleiche
Nach Abschluß der heurigen Spielzeit verläßt der junge Intendant Dr. Helmuth Matiasek mit den meisten der von ihm hier vorgestellten und lancierten Künstler das Salzburger Landestheater. Sein Regime, zu kurz, um das anspruchsvolle Konzept ganz zu verwirklichen, aber lang genug, um Aufgaben und Grenzen eines Landestheaters deutlich zu zeigen, dieses eigenwillige Regime also erntete Lob und Kritik, wobei jenes bei weitem überwog; in einem aber werden alle übereinstimmen, nämlich in der Feststellung, daß unter Matiasek das Salzburger Theater zu einem echten Diskussionsgegenstand wurde.
Mag es hundertmal wahr sein, daß es nichts Schnelleres gibt in dieser Welt als den Übergang vom Guten zum Bösen — ^“T viel länger dauert der Schritt vom Ver- \brechen in die Literatur, die Verwandlung des Zuchthäuslers Jean Genet in einen Salonheiligen des Existentialismus auch nicht. Nur läßt dieser Rollenwechsel sich nicht so total vollziehen. Das Idiom der Herkunft kann Genet nicht ablegen. Gleichviel: Die Ansiedlung des von Sartre und Cocteau aufgestöberten Modells eines Existentialisten im Bereich des experimentellen Theaters gelingt durchaus. Den Geschöpfen seiner
Radio Salzburg hat sich als Anreger der Veranstaltungsreihe „Graz zu Gast in Salzburg“ und des Ende April erfolgenden Gegenbesuches der Festspielstadt in Graz das Verdienst erworben, zum erstenmal einen umfassenden Kulturaustausch zwischen zwei Landeshauptstädten in Gang gebracht zu haben. Radio Graz schloß sich der Initiative an, und durch die Mitwirkung örtlicher Gremien und Kunstinstitute ist etwas zustande gekommen, was den Forderungen der modernen Kulturpolitik in einem freiheitlichen Staatswesen auf ideale Weise entspricht: Ohne dirigistische Maßnahme, ohne behördliche Lenkung,
Was mit dem Salzburger Landestheater während der Ära Matiasek vorgegangen ist, läßt sich nun, da sie sich ihrem Ende nähert, im vollen Ausmaß überblicken. Wenn auch nicht alles gelang, was unternommen, nicht alles erreicht werden konnte, was angestrebt wurde, ist das Gesamtergebnis doch sehr bemerkenswert. Außer einem interessanten Spielplan und einem an jungen Talenten reichen Ensemble bot das Theater seinem Publikum etwas in der Provinz nur selten Realisiertes: einen aus den gegebenen Möglichkeiten entwickelten, durchaus eigenständigen Aufführungsstil. Wohl war das theatralische