Vor Jahren schrieb ich einen Aufsatz unter dem Titel „Kirche oder Sekte”. Er zog eine Resonanz nach sich, die von seiten theologischer Kreise alles eher als freundlich ausfiel. Das war damals den amtlichen Deutern und Vertretern der christlichen Kirchen, aber auch vielen jungen „Progressiven”, nicht zu verübeln. Heute stellt sich die Situation völlig anders dar. Die Kritiker von damals sind längst besorgte Mahner von heute geworden. Immer mehr Menschen suchen sich ihr eigenes Christentum, ja sie bemerken plötzlich, daß sie — aus einem fast geheimnisvollen Grunde — mit einemmal ohne ihre Kirche leben können. Warum sollten sie es auch nicht, wenn ihnen die Kirche keine Antwort mehr auf die Frage nach dem Sinn des Lebens gibt. Aus dieser Frage heraus aber drängen Menschen zum Religiösen. Seit dem Konzil wurde offenbar vieles niedergerissen, was zu den Fundamenten zählt. Vieles wurde überhaupt nicht durchdacht, so etwa der Begriff des Religiösen überhaupt, die Unterscheidung zwischen Essentiellem, Mythos und Konvention, auch nicht die Tatsache, daß eine Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens der Autorität bedarf, wenn sie befriedigen soll.