ICH BESCHLOSS ZU HEIRATEN. Nicht, weil es mir im Moment so wichtig schien, mein sorgenfreies Junggesellendasein aufzugeben und den friedlichen Ehehafen anzusteuern. Nein, die Beweggründe zu diesem Entschluß waren vor allem Inserate, die mir beim Studium der Wochenendausgaben diverser Gazetten in die Augen stachen. In einer Stunde der Langeweile hatte ich mich, da der übrige Teil der Zeitung bereits durchgekaut war, auf Korrespondenz- und Heiratsanzeigen verlegt. Ich erinnerte mich eines Rates, den mir ein Bekannter gegeben und mir prophezeit hatte, die Lektüre dieser Seiten wäre äußerst
EIN HAUCH DER FREMDE umfängt einen, wenn man den Wiener Hafen betritt. Die Frachter, die im schmutzigen Donauwasser Bord an Bord liegen, ein Schornstein neben dem anderen, mit den verschiedenfarbigen Nationalitätenmanschetten, die Matrosen, die in fremden, unverständlichen Sprachen Worte wechseln, und die milchiggrauen Nebelfetzen, des frühen Morgens vermitteln eine ganz eigenartige Atmosphäre, in der man die fremden Länder und die Weite des Globus fühlt.Die Atmosphäre jedoch ist keineswegs mit der eines Seehafens wie Rotterdam, Hamburg, Amsterdam oder Triest zu vergleichen. Hier in
WIEDER STEHT JENER TAG VOR DER TÜR, an dem zehntausende junge Menschen den Schritt ins Berufsleben machen müssen, das sie mit all seiner Härte erfassen wird. Diesem Tag geht aber fast in jeder Familie ein langes Beratschlagen voraus, was denn der Bub oder das Mädchen werden soll.Die Kinderträume des jungen Mannes, Polizist, Feuerwehrmann oder Kapitän zu werden, gehen in Sachlichkeit unter. Selbst der Vierzehnjährige denkt heute schon sehr real und will nur einen Beruf, der seinen Interessen entspricht und der etwas einbringt. Es ist nicht zu leugnen, daß die finanzielle Frage beim
FAHRIG SIND DIE HÄNDE DES MITTELGROSSEN MANNES, der mit flackerndem Blick trotz des schönen Frühlingstages im Inneren eines Cafes auf den Champs Elysees sitzt, anstatt, so wie alle anderen Gäste, die Terrasse vorzuziehen. Flehend schaut er auf den Ober, wenn dieser vorbeigeht, doch die Antwort besteht jedes Mal nur aus einem stummen Kopfschütteln. Qualvolle Viertelstunden vergehen für diesen Mann. Dann eilt auf einmal der Ober herbei, legt ein Päckchen auf den Tisch, kassiert dafür einen höheren Geldbetrag und verschwindet. Der Gast geht eilig auf die Toilette, kommt wenige Minuten
ALS HAUPTDARSTELLER EINES KRIMINALFILMS kommt man sich vor, wenn man an einem nebeligen Nachmittag durch die Slums von London streift. Fast menschenleer sind die Gassen. Nur hie und da zwei tratschende Frauen vor einer Haustür, ein paar streunende Hunde. Man fühlt sich einsam und verlassen in diesem Sumpf des Elends. Hier, südlich der Themse, in der Slumgegend, die sich weiter flußabwärts erstreckt und in kaum zu unterbietenden Elendsvierteln endet, herrscht eine Atmosphäre, die man eben nur in einem englischen Slum finden kann. Menschenschweiß, Nebel, die Feuchtigkeit des nahen
WIE EIN EPILEPTIKER windet sich der Rock’n’Roll-Sänger vor dem Mikrophon. Ein Bürschchen, das viel eher noch auf die Schulbank gehört als vor die Öffentlichkeit.Der „große' Schlagerstar“ stottert sein Pensum ab und verschwindet, von mehr oder weniger heftigem Applaus begleitet, von der Bühne.Der nächste, die nächste, der nächsteUnd zum Schluß der Veranstaltung die Sensation, die „Weltnummer“, die Krönung am Schlagerhimmel.. Die „Fans“, toben vor Begeisterung. Die Burschen und Mädchen; die Frauen und Männer sind voll Erwartung. Sie haben ihr keineswegs leicht
HÖCHSTE KONZENTRATION LIEGT AUF DEN GESICHTERN. Die sechs Sportler für den 4Xioo-m-Lauf warten auf das Startkommando. Die Muskeln sind gespannt. Da, der Startschuß. Die sechs Läufer schnellen ab wie aus der Pistole geschossen, den Staffelstab fest in der Hand. Nur wenige Sekunden dauert der Lauf, dann wartet schon der Mann der zweiten Etappe. Dritte Stabübergabe, vierte Stabübergabe. Die Anhänger der Sportler und die Klubkameraden feuern ihre Leute auf der Aschenbahn mit Rufen an. Harter Endspurt vor dem Ziel — die Entscheidung ist gefallen. Die drei besten Staffeln werden geehrt, die
EINE MENSCHENSCHLANGE steht unter den Arkaden der Karntner- StraBen-Seite der Staatsoper. Mann- lein und Weiblein, Madchen und Bur- schen. Sie warten darauf, daB sich eine Seitentfire der Oper offnet und ihnen EinlaB in die Statte hochster Kunst gewahrt. Diejenigen, die da stehen, haben keine so dicke Brief- tasche, daB sie sich einen Sitzplatz leisten konnen. Es ist die Gilde der Stehplatzler, von denen viele fast jeden Nachmittag und Abend bei der Oper anzutreffen sind, die schon zu ihrer zweiten Heimat geworden ist. Fur viele schleichen die Minuten wie Schnecken dahin, andere sind das
FLEETSTREET. Eine Sehenswürdigkeit in London, der ein Besucher dieser Stadt halb soviel Aufmerksamkeit schenkt, wie dem Buckingham- Palast oder dem Parlament, obwohl von hier aus das englische Volk ebenfalls „regiert" wird. Die Fleetstreet ist die Zeitungsstraße der Millionenstadt, von der täglich Millionen von Blättern in alle Windrichtungen gebracht werden und den lesehungrigen Engländer mit Sensationen, Parlamentsberichten, aktueller Politik. Morden und Gerichtsverhandlungen füttern, ihm mit den neuesten Nachrichten über die „Größen“ unserer Welt zu Tränen rühren.England
BUDAPEST OSTBAHNHOF. Die Uhr zeigt vierzig Minuten nach Mitternacht. Der „Orientexpreß“ aus Bukarest fährt ein. Leute steigen aus, Leute steigen ein. Ihrer Kleidung nach zu schließen, sind es kleine Angestellte, Arbeiter und Bauern. Sie pressen sich in die Waggons zweiter Klasse. Eine Frau hat in ihrem Korb zwei Hühner, die sie von ihrer Kusine geschenkt bekommen hat. Man geht als westlicher Reisender durch den Zug. Überall das gleiche Bild. Volle Abteile, rauchende Männer und tratschende Frauen. Ein Waggon ist wie ausgestorben. Der schon etwas altmodische, abgenützte Komfort soll
IN ZERLUMPTEN KLEIDERN, ein Krügelglas voll Wasser vor sich auf dem Tisch, sitzt der Alte da und kaut an einer hausgemachten Mehlspeise. Ein großer Mann, angetan mit langer, roter Kutte, in der Hand einen Helm, kommt langsam und würdevoll wie ein Feldherr auf den Alten zu und fragt in urwüchsigstem Wiener Dialekt: „Was ißt denn da?" — „Topfen- strudel“, antwortet der Gefragte mit vollen Backen. Umständlich läßt sich der „Rote“ jetzt neben dem in Lumpen Gehüllten nieder, und die beiden beginnen eifrigst zu diskutieren.DIESES SONDERBARE PÄRCHEN ist nicht das einzige komisch
BUNTES TREIBEN herrscht auf dem Westbahnhof. Gepäcksträger schleppen schwere Koffer, Reisende eilen aufgeregt durch die Halle. Pensionisten und Arbeitslose sitzen auf den Bänken und sehen mit stumpfen Blik- ken dem bewegten Bahnhofleben zu. Sie sehen auch den mit unauffälliger Eleganz gekleideten Herrn in den besten Jahren, der offensichtlich einem Zug zustrebt. Würden sich die unfreiwilligen Beobachter noch Gedanken machen, ginge es etwa so in ihren ihren Augen Whisky literweise konsumierende Salonlöwen, bei denen wilde Schießereien in einem Tunnel oder in einem nächtlichen
MORDALARM, EINBRUCH, Verkehrsunfall mit Fahrerflucht, Raubüberfall, Attentat, immer ist ein blauer VW-Bus auf dem Tatort zu finden, und mit ihm die Wissenschaftler der Kriminalistik, die Universalspezialisten des Erkennungsamtes. Ihnen „ver- ' dankt" so mancher Gauner seinen ' Aufenthalt hinter schwedischen Gar- ! dinen. Aber nicht nur Verbrecher - haben die Bekanntschaft dieser Man- ; ner gemacht, nein, auch harmlose ' Personen, die sich, um jemanden zu : agnoszieren, in die Berggasse — denn ' dort ist das Erkennungsamt der Wiener Polizeidirektion — begeben mußten. Und schließlich