Seit drei Jahrhunderten, konstatierte Erzbischof Gianelli, Sekretär der Dirigierenden Kardinalskommission, in deren erster Sitzung am 9. März 1865, hat kein Konzil stattgefunden, in der ganzen Geschichte der Kirche ist noch kein so langer Zeitraum zwischen zwei Konzilien vergangen Man hatte in Rom noch nicht vergessen, daß das letzte, das Trienter Konzil, erst nach zwei längeren Unterbrechungen und nach Überwindung schwerer Krisen zum Abschluß gekommen war. Man wußte, Konzilien sind Wag nisse, unberechenbar in ihrem Verlauf, unsicher in ihrem Ausgang. Konstanz hatte das Große Schisma beseitigt, aber keine befriedigende Kirchenreform gebracht, Basel ein neues Schisma verursacht, und sogar auf dem V. Laterankonzil hatte sich eine bischöfliche Opposition geregt. Das Vaticanum I, das am Peter-Pauls-Tag 1868 auf den 8. Dezember 1869 nach Rom in den Vatikan einherufen Und an diesem Tag eröffnet wurde, machte keine Ausnahme von dieser Regel.
In der heutigen Kirche gibt es viel Unruhe. Und viele fragen sich, ob diese Unruhe in der Kirche nicht eine Folge des II. Vatikanischen Konzils sei?Keine Frage: Papst Johannes XXIII. und das von Ihm berufene Konzil haben die Kräfte entbunden, die zur gegenwärtigen Krise geführt haben. Im gleichen Atemzuge muß man freilich hinzufügen: Weder hat Papst Johannes sich träumen lassen, daß seine Rede vom Aggiornamento solche Interpretationen finden und solche Wirkungen zeitigen werde wie geschehen, noch liegt die Ursache in den Beschlüssen des Konzils selbst. Man tut beiden Unrecht, wenn man