Ich sitze immer so da und lausche auf das Unhörbare, das immerzu vorgeht." So beschreibt die Schriftstellerin, Lyrikerin Jeannie Ebner, die ihre Manuskripte handschriftlich verfaßt, ihre Arbeitsweise. Als junge Autorin trug sie Federstiel und Tin-tenfläschchen in der Handtasche, bis Hans Weigel ihr eine Füllfeder schenkte. Diese benützt sie heute noch.Eine ungewöhnliche Frau mit einem ungewöhnlichen Leben. Geboren in Sydney, Tochter nach Australien ausgewanderter Oster-reicher, Nichte des Philosophen Ferdinand Ebner, zweijährig nach Wiener Neustadt übersiedelt, wo der Vater zwei
Als ich ein Kind war, hieß es, , vom Regen bekäme man eine schöne Haut. Wir sammelten das Regenwasser in Zisternen und wuschen unser Haar und die Wäsche damit. Wir begossen damit besonders empfindliche Zimmerpflanzen. „Regen bringt Segen". Es hat lange gedauert, bis ich mich damit abfinden konnte, daß es heutzutage besser ist, sich mit dem Regenwasser nicht näher einzulassen.Es hat mich auch viel Überwindung gekostet, an den schönsten Pilzen im Wald vorbeizugehen, weil man davor gewarnt hatte, sie zu essen. Ich habe mich damit abzufinden gelernt, daß die Meere, in denen
Acht Jahre lang hatte er mir , treu gedient, hatte an U- Bahnstationen auf mich gewartet, mich, wenn ich abends unterwegs gewesen war, spät noch sicher nach Hause gebracht. Wir hatten weite Reisen miteinander unternommen, aber acht Jahre sind eine lange Zeit für einen so kleinen Wagen. Zehn- tausend, sagte der Mechaniker und rieb sich die Hände am ölver- schmierten Lappen ab, vielleichtetwas mehr. Wir mußten uns tren- nen. Beim Abschied streichelte ich ihm noch einmal die rot lackierte Schnauze. Leb wohl, alter Freund.Ich rieb die Felgen meines selten benützten Fahrrads mit einem
An diesem bis zur allerletzten Zeile spannend geschriebenen Roman faszinieren die detailgetreuen Schilderungen: Die Stadt Triest in den Jahren vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs, das Völker- und Sprachengemisch der Donau- monarchie, über die schon, wie eine dunkle Ahnung, der Schatten des Untergangs fällt, der Karst, ein einsam gelegener Bauernhof in Niederösterreich. Aber auch die Personen der Handlung sind inter- essant und glaubwürdig geschildert: Heinrich Pittoni, ein zweimal ver- witweter Beamter und seine Kin- der, die Häuslerleute Z wana Tadej, der Gutsherr Dross und seine
Die Vorfahren einer seiner Großväter entstammten einer weit zurückzuverfolgenden Rabbinerdynastie, eine der Großmütter hatte einen be- rühmten Neffen: Olaf Palme. Zur Verwandtschaft des Vaters gehörten Clara Wieck-Schu- mann, gehörte auch die gefeier- te Filmschauspielerin Dorothea Wieck, die Hitlers Tischdame war.Seine Verwandten endeten in den Vernichtungslagern der Nazi-Ära oder dienten als Offi- ziere in der Deutschen Wehr- macht, er selbst wurde, Sohn einer blonden, blauäugigen, jüdischen Mutter, im jüdischen Glauben erzogen und erlebte als Kind, als sogenannter Gel- tungsjude
Die freundliche Stimme der schönen Stewardess, die über Bildschirm den Gebrauch der Schwimmwesten erklärt, tröstet nicht, wenn man weiß, daß man in Kürze den Atlantischen Ozean überfliegen wird, aber nach langer Flugnacht aus dem Fenster sehend, dachte ich nicht mehr daran. Über dem Horizont zeichnete sich ein orangefarbener Streifen ab, der über helles Ocker, Grün und Königsblau in den schwarzen Himmelverschwamm. Wenig später wurden die Farben noch intensiver, über sattes Karmin breitete sich Orangerot und leuchtendes Blau.Gesäumt von diesem flammenden Horizont, tauchte in der
Manchmal beschert unit das KabelferasehenEinblicke in Denkweisen, die sich im Nachbarland noch breiter machen als bei uns. Eines Abends drückte ich einen Knopf an der Fernbedienung meines TV-Apparates und fand mich mit einem Grüppchen entschlossen blickender Leute aus Bayern konfrontiert, die sich im Studio eingefunden hatten, um eine Lanze für Fremdarbeiter und Spätaussiedler zu brechen. Ein mutiges Unternehmen, das man, wie ich aus dem Programmheft erfuhr, mit einem mutigen Motto überschrieben hatte. „Deutschland nur für die Deutschen?“ Das Fragezeichen war eine Herausforderung,
Dem persönlichen Einsatz des Wahlkärntners Walther Nowotny und seiner Frau Liesl ist es vor allem zu danken, daß der Kärntner Schriftstellerverband heuer wieder zum Autorentreffen einladen konnte, das alljährlich - diesmal zum 18. Mal - in dem Bergdörfchen Fresach stattfindet und nun schon zur Tradition geworden ist.Schriftsteller aus Ost und West finden sich hier zu kollegialem Gespräch zusammen, viele von ihnen sind schon zu Freunden gewor den. Dies vor allem macht den Reiz dieser Veranstaltung aus: Man reist über die verschiedensten Landesgrenzen an, freut sich, einander
Uber Nacht müssen sie aufgeschossen sein aus der klebrigen braunen Erde, zwischen den während des Winters abgefallenen dürren Birkenzweigen und den mageren Waldgrasbüscheln, gestern noch habe ich nichts von ihnen bemerkt. Oder habe ich nur nicht aus dem Fenster geschaut, bin achtlos an ihnen vorbeigegangen, als ich von der Straßenbahn heimkam.Es war ein trüber Tag, bei schlechtem Wetter öffnen sich ihre Kelche nicht, die schmalen blassen Spießchen, die sie an solchen Tagen aus dem Boden rek- ken, übersieht man leicht. Heute aber, in der Helligkeit des Vormittags, haben sie sich
Der kleine Türke besucht eine öffentliche Volksschule in einem Wiener Randbezirk, er sitzt in der Bank neben einem kleinen Wiener. Die beiden wohnen im gleichen Haus, haben den gleichen Heimweg von der Schule, nachmittags, wenn die Hausaufgaben geschrieben sind, treffen sie sich auf dem Spielplatz oder sie besuchen einander in ihren Wohnungen.Manchmal ißt der kleine Türke bei dem kleinen Wiener zu Mittag, manchmal ist der kleine Wiener bei der Mutter des Schulkollegen zu Gast, dann gibt es eine türkische Speise.Das schmeckt sehr gut, sagt der kleine Wiener, wann darf ich wieder bei Euch
Pernegg an der Mur liegt an der Bahnstrecke Wien-Graz, zwischen Bruck an der Mur und Frohnleiten. In Pernegg gibt es ein Renaissanceschloß, eine Burgruine, gepflegte Wanderwege, einen Klettergarten, eine Felsenklamm und eine Wallfahrtskirche; der Werbeprospekt versichert, das Dorf sei „fesch bei-nand“. Ein Ort, um sich zu erholen, ein Ort, an dem die strapazierten Nerven eines Großstadtbewohners sich beruhigen könnten - aber ich wollte trotzdem nicht nach Pernegg, ich wollte nach Belgrad, und weil ich, aus Sicherheitsgründen, nicht besonders gerne fliege, nahm ich den Zug.Der Zug hieß
Einer jener Zufälle, die sich manchmal in Zeiten der Not ereignen, hatte mich mit dem Leiter einer Hilfsorganisation zusammengeführt; ich hatte ihm von meinen Hoffnungen und Sorgen erzählt. Brauchen Sie Möbel, hatte er mich wohlmeinend gefragt und ich hatte sofort mit Ja geantwortet, obwohl die nötigen Räume für Möbel noch gar nicht vorhanden waren.Suchen Sie aus, was Sie brauchen, sagte der freundliche Mann, ich freue mich, wenn ich Ihnen helfen kann.Ich stand in der Tür des Magazins, das durch zwei elektrische Birnen schwach erleuchtet war, und ließ meine Augen über Tische,
Der Inbegriff der Verschwendungssucht und des Leichtsinns ist für mich, als ich ein Kind war, eine gewisse Frau Vistopil gewesen, von der es hieß, sie habe ihr Haus verfressen. Heute allerdings will mir scheinen, als hätten wir damals viel zu hart über sie geurteilt, und ihr in unserer kleinen Stadt so berühmter Ausspruch „Heit is heit” stimmt mich nachdenklich und ein wenig elegisch nach so langer Zeit.Frau Vistopil war eine füllige, großgewachsene Person in mittleren Jahren, mit knallroten Wangen und wäßrigblauen Augen. Sie handelte mit Obst und Gemüse und hatte sich im Laufe
In meines Vaters Familie hatte sich eine sehr unangenehme Geschichte zugetragen, die man totzuschweigen versuchte, die mir jedoch trotzdem zu Ohren kam und mich lange und intensiv beschäftigte.Eine meiner Tanten, Tochter eines angesehenen Mannes, Baumeister im ferneruWien, ein Mädchen, das in den teuersten Instituten erzogen, mit Erfolg im Klavierspiel und im Zeichnen unterrichtet worden war, ja, das sogar— und dies mit größter Begeisterung — Reitunterricht genommen hatte, ein Mädchen also, geschaffen, eine glänzende Partie zu machen und somit noch mehr zum Ansehen der Familie
Der Lehrer H. ist, sagt Rosa, an einem Sonntagvormittag zu mir gekommen, um mir ein Buch zurückzubringen, hat dann aber begonnen, mir von seiner Klasse zu erzählen.Während meiner ganzen Tätigkeit als Lehrer, hat er gesagt, habe ich nie eine so furchtbare Klasse gehabt. Jeder von den Schülern ist auf eine ganz besondere Weise unangenehm. Wenn man in dieser Klasse steht, wird man das Gefühl nicht los, daß jeden Augenblick etwas passieren kann, was man nicht voraussehen konnte. Man lebt in einer dauernden Spannung, man muß seine Augen ständig überall haben, man darf kei nen von den
Bei Havraneks wird gebaut, nicht viel, gerade so, daß man es zu den Wochenenden selbst bewältigen kann, im Frühjahr hat man damit angefangen, im Herbst will man fertig sein. Herr Havra-nek ist ein geschickter und umsichtiger Mann, er hat noch alle Umbauten und Zubauten an seinem Häuschen selbst bewältigt, er braucht diese Tätigkeiten, sagt er, als Ausgleich zu seiner geistigen Arbeit im Büro, sein sechzehnjähriger Sohn hilft ihm manchmal dabei. Die schweren Arbeiten allerdings können die beiden nicht bewältigen. Für diese schweren Arbeiten hat Herr Havranek diesmal einen Jugoslawen
Herr Pastor, hoffentlich geht es Ihnen gut.Als Sie damals, am Weihnachts.abend, vor unserer Tür standen, mit dem kleinen Jungen auf dem Arm, neben Ihnen Ihre Frau, sie war im achten Monat, war es sehr kalt. Die Winter bei uns in Mähren waren immer kalt.Dazu kam, daß unsere kleine Stadt, umgeben von weinbewachsenen Hügeln, in einer Mulde lag, in der sich im Sommer die Hitze fing, eine trockene, flirrende Hitze, weit und breit gab es kaum Wasser, auch aus den Brunnen floß es spärlich, im Winter blies der Wind viel Schnee über das Land, verwehte die Straßen meterhoch und brachte
Wir denken nach, aber unser Gehirn reicht nicht aus, um den Geheimnissen auf den Grund zu kommen, um die Rätsel zu lösen, wir werden wahrscheinlich niemals erfahren, woher das erste Samenkorn gekommen ist, das die erste Pflanze wachsen ließ, wir wissen, wie unsere Zellen funktionieren, wir kennen die chemischen und physikalischen Funktionen unseres Gehirns, oder wir glauben sie jedenfalls zu kennen, und doch können wir uns im letz-ten nicht erklären, wie und wodurch in unseren Gehirnen Haß, Neid, Zuneigung oder Liebe entstehen.Wir kommen den Rätseln nur auf die Spur, aber wenn wir diese
Der schwarze Blechkasten, den mein Vater damals kurz vor Weihnachten heimbrachte, war leicht verbeult und stellenweise mit Rost überzogen, man sah ihm an, daß er lange unbenützt in einer Kammer gestanden war, und ich versprach mir nicht viel davon. Es sei eine Laterna magica, sagte mein Vater, er habe als kleiner Bub damit gespielt.Ich weiß noch, daß ich aufgeregt war und der Augenblick, in dem die mit gelber Seide überzogene Lampe über dem Tisch verlosch und nur noch der kreisrunde Lichtfleck auf dem weißen Leinen zu sehen war, ist mir in Erinnerung geblieben. Ich sehe die Hand des
Mit dem Roman „Ahnenpyramide” hat die Autorin ihre Beschäftigung mit der Vergangenheit begonnen. Eine Fortsetzung bietet ihr neues Buch „Heimatsuchen”, das demnächst im Verlag Styria erscheint.