Das Hotel, das ich wie ein Vaterland liebe, liegt in einer der großen europäischen Hafenstädte, und die schweren goldenen Antiqua-Lettern, in denen sein banaler Name über den Dächern der langsam emporsteigenden Häuser aufleuchtet, sind für mein Auge lauter metallene Fahnen, stehende Fähnchen, die zur Begrüßung glänzen statt zu flattern. Wie andere Männer zu Heim und Herd, zu Weib und Kind heimkehren, so komme ich zurück zu Licht und Halle, Zimmermädchen und Portier — und es gelingt mir immer, die Zeremonie der Heimkehr so vollendet abrollen zu lassen, daß die einer förmlichen
Kaiser Franz Joseph, der Erste, gehörte zu jenen österreichischen Gestalten, denen die Legende schneller entgegenkommt als die Geschichte. Die Legende verherrlicht sie, und die Geschichte verkleinert sie. Weder um die Gunst der Legende hat sich Franz Joseph jemals bemüht, noch hat er sich um die Ansicht der ihm fernen Historiker gekümmert und jener, die ihn bitter aus der Nähe kritisierten. Es ist nicht richtig, daß er die Wahrheit nicht vertrug. Er erlag nicht Schmeichlern, nur den Formalisten (und auch den Traditionalisten). Das Schicksal trug ihn mit einemmal auf den Thron und stieß
Das Hotel, das ich wie ein Vaterland liebe, liegt in einer der großen europäischen Hafenstädte, und die schweren goldenen Antiqua-Lettern, in denen „sein, banaler Name7 über den die zur Begrüßung glänzen, statt zu flattern. Wie andere Männer zu Heim und Herd, zu Weib und Kind heimkehren, so komme ich zurück zu Licht und Halle, Zimmermädchen und Portier — und es gelingt mir immer, die Zeremonie der Heimkehr so vollendet abrollen zu lassen, daß die einer förmlichen Einkehr ins Hotel gar nicht beginnen kann. Der Blick, mit dem mich der Portier begrüßt, ist mehr als eine
Der Morgen versprach nichts Böses. Gegen acht Uhr begann das gewöhnliche Lied des nachbarlichen Kanarienvogels, gegen halb neun Uhr der lamentierende Gesang der Straßenhändler und Ausrufer, der das Aufstehen erleichtert und auch an kalten Tagen die Vorstellung von der Ankunft des Frühlings erzeugt. Dann wurde es still. Der Tag schöpfte Atem, eh er begann.' Eine kurze Viertelstunde war es wieder so still wie in der Nacht zwischen drei und vier, wenn die Laternen erlöschen und die Automobile vergessen sind, als wären sie niemals erfunden worden. In allen Zimmern begannen diskrete
Der Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln, gab die Gesammelten Werke des österreichischen Dichters Joseph Roth, der als Fünfundvierzigjähriger vor zwanzig Jahren, am 27. Mai 1939, in Paris in der Emigration starb, vor kurzem in drei schönen Dünndruckbänden heraus. Nachstehender Beitrag ist dem 3. Band dieser Gesammelten Werke entnommen.Es war einmal ein Kaiser. Ein großer Teil meiner Kindheit und meiner Jugend vollzog sich in dem oft unbarmherzigen Glanz Seiner Majestät, von der ich heute zu erzählen das Recht habe, weil ich mich damals manchmal gegen sie heftig empörte. Der Kaiser
Jeden Morgen brachte der alte Diener Jacques die Post in das Zimmer, in dem der k. k. Bezirkshauptmann der mährischen Kleinstadt, Baron Trotta, seit vielen Jahren sein Frühstück einzunehmen pflegte. Es war ein etwas entlegenes, tagsüber nicht benütztes Zimmer. Das Fenster, dem Osten zugewandt, ließ bereitwillig alle Morgen, die klaren, die trüben, die warmen, die kühlen und die regnerischen, ein, es -war Sommer und Winter während des Frühstücks geöffnet. Im Winter hielt der Bezirkshauptmann die Beine in einen warmen Schal gewickelt, der Tisch war nahe an den breiten Ofen gerückt,
Die Trottes waren ein junges Geschlecht. Ihr Ahnherr hatte in der Schlacht bei Solferino den Adel bekommen. Er war Slowene. Sipolje — der Name des Dorfes, aus dem er stammte — wurde sein Adelsprädikat. Zu einer besonderen Tat hatte ihn das Schicksal ausersehen. Er aber sorgte dafür, daß ihn die späteren Zeiten aus dem Gedächtnis verloren.In der Schlacht bei Solferino befehligte er als Leutnant der Infanterie einen Zug. Seit einer halben Stunde war das Gefecht im Gange. Drei Schritte vor sich sah er die weißen Röcke seiner Soldaten. Die erste Reihe seines Zuges kniete, die zweite
Der Bezirkshauptmann Franz Freiherr von Trotta im mährischen Städtchen W., der Sohn des berühmten „Helden von Sol-ferino“, welcher in dieser Schlacht dem Kaiser das Leben gerettet hatte und dafür mit dem Maria-Theresien-Orden ausgezeichnet worden war, hatte eine schlechte Nachricht von seinem Sohn Carl Joseph, seines Zeichens k. u. k. Leutnant bei irgendeinem Regiment in Galizien, erhalten. Die trostlose Einsamkeit dieses Landes hatte den jungen Mann halb verrückt gemacht. Schulden über Schulden hatten sich in kürzester Zeit angehäuft, die sein Sohn und auch er, der alte