Claudio Abbado trat als künstlerischer Leiter an, um Karajans Salzburger Osterfestspiele auch im ästhetischen Konzept zu erneuern:Zum Fest des 30jährigen Bestehens holte er nun für seinen ersten Verdi-„Otello" im Großen Festspielhaus den Filmregisseur Ermanno Olmi und den Bühnenbildner Lucio Fanti: Ein Schritt zurück in Karajans Zeiten, zu dessen Allerweltstheater mit Steh-Inszenierungen an der Rampe.Olmi und Fanti ist für Otellos Zypern eine mickrige Felseninsel mit zahllosen Stufen eingefallen, über die Sänger und Statisterie unablässig klettern, wenn sich nicht gerade das
Wer hätte das gedacht: „Resonanzen", das Festival Alter „Musik aus den Habsburgerlanden", wurde zum spektakulären Ereignis, bei dem das Publikum an den Kassen Schlange stand. Neun Tage lang war Musik vom 13. bis zum 18. Jahrhundert zu hören - Meisterwerke von den berühmten Carmina burana, die in Tirol oder im Kärntner Maria Saal, möglicherweise aber auch am Bischofshof von Seckau entstanden, bis zu den Komponisten am Hof Kaiser Karls VI., Johann Joseph Fux und Antonio Caldara (mit seinem grandiosen Sepolcro-Oratorium „Passion Jesu Christi").Hervorragend die Auswahl
Sie sind gewissermaßen das Fundament der Salzburger Festspiele, die Konzerte: Sie bieten den Bahmen, in dem die führenden Orchester und Stars sich von ihrer besten Seite zeigen. Mögen großen Dirigenten wie Nikolaus Harnoncourt oder Daniel Barenboim Opernproduktionen auch „danebengehen” - in den Konzerten zeigen sie Stil, Eigenart, Bravour, Persönlichkeit: Harnoncourt etwa mit seinen Schumann-Interpretationen („Bheinische”, Klavierkonzert, Cellökonzert) mit dem Chamber Or-chestra of Europe, Barenboim mit den Wiener Philharmonikern und Bruckners „Neunter”.Höhepunkt war bisher
Wenn Regisseure ausziehen, Meisterwerke zu „entrümpeln”, geht das selten gut aus. Auch Lluis Pasqual erlitt mit seiner neuen „La Traviata”-Inszenierung Schiffbruch. Seine und des Bühnenbildners Luciano Damiani Produktion zeigt gesichtsloses Aller-weltstheater. Statt interessanter Personenführung langatmiges Stehtheater an der Rampe, während graubeige gemusterte Tapetenwände unablässig auf- und niederfahren. Unzählige Sessel und drei Klaviere komplettieren das Einheitsbühnenbild.Auch die Besetzung gibt dieser „Traviata” keine Bravour. Andrea Bost ist eine verläßliche,
Ein „Opernball” zum Kehraus des heurigen Faschings: Die Wiener Volksoper zeigt Richard Heubergers unterhaltsame Operette „Der Opernball”. Und bietet die Publikumslieblinge des Hauses auf, die den Verkleidungsspaß der Damen und die nächtlichen Amourenausrit-te der Herren mit altbewährter Operettenfröhlichkeit vonstatten gehen lassen.Ulrike Steinsky, Sigrid Martikke, Elisabeth Kales, Guggi Löwinger, Peter Minich, Adolf Dallapozza, Rudolf Wasserlof, Ossy Kolmann können allerdings nicht verhindern, daß die Produktion und manche Gesangsleistungen allzu nostalgisch wirken.Zu entdecken
Jules Massenet hat an der Staatsoper sein Publikum: Auf die spektakuläre „Herodiade” folgte nun „Manon” (und man kann auch auf „Werther” hoffen): Die Geschichte der kleinen Manon, die mit einem Aristo-Buben durchbrennt, ihn aber verrät, um das süße Leben im Alleingang kennenzulernen, ist in Jean-Pierre Ponnel-les prächtiger Inszenierung ein Schauvergnügen. Elizabeth Nor-berg-Schulz gefällt vor allem in den rührenden Momenten, als kleine Ausreißerin, als Kämpfende, die den Geliebten zurückholen will, und in ihrem Sterben. Der römische Tenor Giuseppe Sabbatini singt den
Das Festival war ein eindrucksvoller Marathon, der erstmals eine ausführliche Bilanz der Neuen Musik Amerikas zog. Hierzulande kaum bekannte Werke wie George Crumbs „Haunted Landscape“, Carl Ruggles „Men and Mountains“ oder Morton Feldmans Operneinakter „Neither“, aber auch die Aufführung von Schlüsselwerken des Schaffens Charles Ives’ ermöglichten Musikfreunden erstmals, die Klangwelt Amerikas zu verstehen, Musik voll Experimentierlust, aber auch voll Freude an Banalitäten/Wichtig war auch die Bilanz des Schaffens Helmut Lachemanns, eines Nono-Schülers, Karl Schiskes und
Ein ebenso spannendes wie kostspieliges Projekt der Wiener Jeunesse: Verbirgt sich doch hinter dem Titel „Nordic Festival“ der Versuch, die hierzulande gar nicht heimische Musikszene des Nordens ins Bewußtsein des Publikums zu rücken.Vierzehn Konzerte präsentieren bis 25. Oktober Hauptwerke der Altmeister Edward Grieg, Carl Nielsen, Wilhelm Stenhammar, Dag Wiren und Jean Sibelius - allein von ihm neunzehn Werke, darunter die sieben Symphonien und symphonische Dichtungen wie „Karelia , „Tapio- la“ - und dazu lebende Komponisten wie Magnus Lindberg und Aulis Sal-
In den siebziger Jahren hatte Ronald Hynd mit seiner Tanzfassung der „Lustigen Witwe“ dank Stars wie Margot Fonteyn in London sensationellen Erfolg. Nun bereitete er für das Staatsopernballett in der Volksoper ein Remake der „Witwe“: Eine von Peter Docherty mit üppig schwellenden Jugendstildekorationen herausgeputzte Revue, in der der Tanz geradezu zum Füllsel luxuriöser Bilder und Kostüme degradiert wird. Immerhin retten die souveränen Tänzer das Spektakel: Brigitte Stadler als noble, etwas elegische Hanna Glawari, Tamas Soly- mosi als fabelhaft tanzender Danilo, Svetlana
Problemlos, ohne Machtgerangel schien der Machtwechsel in der Wiener Kammeroper über die Bühne zu gehen: Der Vorstand entschied sich nach dem Tod des Gründers und Leiters, Hans Gabor, für Rudolf Berger, den Chefdisponenten der Staatsoper, der ab Jänner eigentlich in die Direktion der Pariser Opera Bastille einziehen sollte. Berger, der gern in Wien bleiben wollte, war bereit, für die Kammeroper Paris aufzugeben. Und wurde designiert.Wie es scheint, hat der Kammeroper-Vorstand aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Wiens Kulturstadträtin Ursula Pasterk reagierte empört: „Der Verein
Als Beitrag zur „geistigen Erneuerung“ der Salzburger Festspiele waren Strawinskys „ Oedipus Rex“ und „Psalmensymphonie“ im Großen Festspielhaus angekündigt: Peter Sellars, Amerikas „Junger Wilder“ mit der Freude an Provokation, inszenierte; die Wiener Architekturgruppe COOP Himmelb(l)au rüstete das Festspielhaus außen und innen mit Pölzpflöcken bedeutungsvoll ein - als drohe der Bau bereits zusammenzukrachen. Und die Bühne wurde mit weißen Leintuchbahnen ausgeschlagen, über denen Neonröhren wie zerbrochene Zeichen schwebten. Dunya Ramicova entwarf dazu
Großes Konzertfmale bei den Salzburger Festspielen: Die Wiener Philharmoniker mit Pierre Boulez und Sir Georg Solti, die Berliner mit Claudio Abbado, das Saito Kinen Orchestra unter Seiji Ozawa.Daß diese Konzerte, dem Publikumsgeschmack entsprechend, klassisch-romantische Programme mit Akzenten klassischer Moderne - heuer Strawinsky - bieten, ist fast selbstverständlich. Geht es doch da um die Selbstdarstellung der gefeierten Orchester, die einander an Wohlklang und Pracht zu übertrumpfen suchen: So die „Wiener“ mit dem Klangmagier Boulez bei Strawinsky, Debussy, Ravel und Werken der
Es blieb Nikolaus Harnoncourt Vorbehalten, für die Salzburger Festspiele als erster alle neun Symphonien Beethovens mit dem Chamber Orchestra of Europe aufzuführen. Das Beethoven-Klangbild, das er mit einer fast kammermusikalischen Besetzung entwickelte, ist von aufregender Eigenwilligkeit. Man staunt über extreme Tempi und dynamische Werte, über die Scharfkantigkeit vieler Details und über grelle Kontraste. Doch der Gesamteindruck ist schlüssig: Die Klangbalance läßt bei aller Rauhheit staunen (gerade die „Fünfte“ war ein Paradefall konsequenter Härte), die kurzatmig gestalteten
Früher schockte er mit seiner Forderung, „Opernhäuser in die Luft zu sprengen"; heute folgt er gerne Einladungen der Wiener Festwochen: Pierre Boulez eröffnete mit den Wiener Philharmonikern und Gustav Mahlers 6. Symphonie das Musikfest. Mit Analytiker-Strenge und höchster Genauigkeit verwirklicht er Mahlers Vision. Vom streng durchgehaltenen Grundtempo bis zum extrem brüchigen und doch harmonischen Klangbild, von den durchsichtigen Strukturen bis zu raffinierten Farbenkombinationen - eine konsequente Wiedergabe, bei der die „Wiener" Boulez kaum einen Wunsch versagten. In Alban Bergs
Die Direktion der Wiener Staatsoper zeigt, daß man auch ohne Luxusnamen wie Placido Domingo Wagners „Ring des Nibelungen" respektabel aufführen kann. „Die Walküre" ist dafür ein Paradebeispiel. Paul Elming ist der junge neue Siegmund. Ein kraftvoller Tenor, der eine schöne Mitte zwischen heldischem und lyrischem Ausdruck findet. Und gerade Sängerinnen wie Hildegard Behrens (eine grandiose Brünnhilde) und Waltraud Meier (eine hochdramatische Sieglinde) fordern ihn imponierend. Einen persönlichen Stil wird er wohl finden, zumal er bereits in Bayreuth singt.Vor allem steht
Mozart - modernistisch zeitgeistig: Regisseur Peter Mussbachs Versuch, mit dem berühmten amerikanischen Maler Robert Longo für „Lucio Sil-la”, die letzte Salzburger Festspiel-Premiere 1993, einen neuen Mozart-Stil zu finden, endete im hochgestochenen Allerweltstheater. Oper in der Fabrikshalle mit Feuer in den Ölton-nen, Liebes- und Intrigenspiele auf riesigen Treppenanlagen und auf Stahlgerüsten; die Figuren teils im schicken Outfit der fünfziger Jahre, teils im Phantansiebarockkostüm, werden in manieristischem Gestenspiel geführt. Wie oft hat man das schon gesehen! Trotz manchen
Claudio Abbado mit den Berliner Philharmonikern, die „Wiener” unter Abbado, Bemard Haitink, Sir Yehudi Menuhin und James Levine, das S WF-Sinfonieorchester Baden-Baden unter Michael Gielen und mit Alfred Brendel als Solist in Schönbergs Klavierkonzert: Sie alle gaben den beiden letzten Wochen der Salzburger Festspiele Glanz. Zumindest den Glanz prominenter Namen, die dafür sorgten, daß das gesellschaftliche Ereignis nicht ausblieb. Zur Sensation wurde allerdings das Debüt Agnes Baltsas und Samuel Rameys in Belä Bartöks Operneinakter „Herzog Blaubarts Burg”. Da haben zwei
Als die Salzburger Festspiele ihren Kurtäg-Ligeti-Zyklus planten, wagte niemand an einen sensationellen Erfolg zu denken. Doch die vier Konzerte im Salzburger Mozarteum waren hervorragend besucht bis ausverkauft. Das Schaffen der zwei großen Eigenbrötler, des rumänisch-gebürtigen Ungarn György Kurtäg und des ungarisch-gebürtigen Österreichers György Ligeti, zog das Publikum magisch an. Und nicht nur, weil das hervorragende Ensemble, vor allem das Arditti Quartett und das Ensemble modern, Dirigenten wie Peter Eöt-vös und Sylvain Cambreling und Solisten wie die Sopranistin Adrienne
Erster Höhepunkt bei den Orchesterkonzerten der Salzburger Festspiele war neben dem Eröffnungskonzert der Wiener Philharmoniker unter Lorin Maazel deren Konzert mit Riccardo Muti: Wie erstaunlich sie ihren Klang verwandeln und in französischem Kolorit funkeln lassen können, zeigten sie mit Jessye Norman: Den „Tod der Kleopatra” aus dem Jahr 1929, einen Geniestreich des 26jährigen Hector Berlioz, steigerten Muti und die Norman zur heidnischen Götteranrufung, zur wilden Beschwörung, während der die ägyptische Königin mit einer Giftschlange Selbstmord begeht. Ein triumphaler Erfolg,
Wer Robert Herzls kluge „Don Giovanni-Inszenierung in der Römischen Ruine von Schönbrunn - auch heuer wieder mit dem großartigen jungen Boje Skovhus in der Titelrolle-gesehen hat und als martialisches Spiel von Leidenschaft, grausamer Verführung und Todessehnsucht schätzt, kommt nun in der Römischen Ruine erneut auf seine Rechnung: Der englische Regisseur Stewart Trotter und die Choreographin Lisa Kent entfessein bei Mozarts „Requiem” ein mystisches Weihespiel: eine Allegorie des Todes und der Auferstehung.Zu Karajans Requiem-Deutung (vom Tonband) kämpfen mythische schwarze und
Er ist nicht nur ein brillanter Karikaturist, sondern auch ein liebenswerter Plauderer: Loriot alias Vicco von Bülow erzählte jn der Wiener Volksoper die Geschichte vom „Ring des Nibelungen”, wie er sie sieht. Keine Frage, daß der Showstar mit „Wagners ,Ring' an einem Abend” sein Publikum in Scharen anlockt und es mit griffig-maliziösen Formulierungen unterhält.Was Loriot tut, tut er perfekt. Vom Volksopernorchester, das unter Ernst Märzendorfers Anleitung versuchte, Wagners „Ring” zu lernen, konnte man das ebenso wenig behaupten wie von den meisten der etwa zwanzig Sänger,
Orpheus aus Amsterdam kommt nach Wien. Doch wie sieht er aus! Ein von den rasenden Mänaden zerfetzter Körper, ein englisch orakelsprechender Kopf. Dargestellt von einem Schauspieler mit Anzug und Krone, erlebt der antike Sänger seine Geschichte in einer Rückblende: Eine Dreiecksbeziehung zwischen „Orpheus Boy" (Huub Ciaessens), seiner „Eurydike Lisa Dorova" (Nancy Bergman) und „Mona, der Kaiserin der Leere" (Svetlana Sidorova). Dazu spielt ein kleines, mitten auf der Bühne des Messepalastes plaziertes Ensemble d'action unter Älain Franco Walter Hus ' Musik „am
Die Wiener Kammeroper hat sich seit Jahren auf „Modernisierungen- älte-rerOpern spezialisiert. „Carmen-und „Boheme- waren Erfolge. Nun inszenierte Bruno Berger Friedrich Smeta-nas „Verkaufte Braut-. Die tragisch-komische Liebesgeschichte um Marie, Hans, den einfältigen Wenzel und den Heiratsvermittler als rotziges Zeitstück: Eine Seelenschlacht am Gasthaustresen, bei der Rocker, Punker und Gunstgewerblerinnen den Ton angeben. Denn der Heiratsvermittler Kezal hat umgesattelt: Er macht als Bordellchef sein Geld.Da spießt sich zwar immer wieder der betuliche romantische Text mit
Ein Bildermagier lädt in sein Zauberkabinett, um uns dort die Hölle der Liebe, des Sterbenwollens und Nicht-leben-Könnens vorzuführen: Achim Freyer, gefeierter Regisseur und Bühnenbildner, der in Wien mit „Metamorphosen- und „Woyzeck- Furore gemacht hat, gestaltete für die Wiener Festwochen im Theater an der Wien Glucks „Alceste- (französische Fassung von 1776). Ein „schwarzes-Musikdrama um Liebe und Liebestod, das er aus der Starre des Klassizismus zu lösen versucht.Gemeinsam mit der Bühnenbildnerin Maria-Elena Arnos rückt er die endlosen Dispute Alcestes und ihres
Franco Zeffirellis „Don Giovanni" zählt zu den meistgespielten Inszenierungen der Staatsoper. Grund genug, sie durch eine Neubesetzung mit vier Debüts aufzuwerten. Publikumsliebling Boje Skovhus sang seinen ersten „Giovanni" im Haus am Ring: Bravourös, leidenschaftlich, erotisch. Wenn er sich an die Schönen heranmacht, knistert die Atmosphäre; seine Arien prickeln, seine Verführungskünste sind funkelndes Theater. Umso mehr bedauert man, daß Mozarts Dramma giocoso ohne Personenführung, ohne Inszenierung, in meistens falschem Licht abschnurrt. Michael Schönwandt
Erfolg für Wiens 26. Internationales Musikfest: Der Versuch, das Sechs-Wochen-Programm durch Schwerpunkte attraktiver zu machen, hat eingeschlagen. So erweist sich der Versuch, 1913 als Jahr künstlerischer Irritationen und Aufbrüche besonders hervorzuheben, als zugkräftig. Sind doch in diesem Panorama der Anfänge der neuen Musik - bei Mahler, Schönberg, Berg, Webern, Debussy, Reger, Zemlinsky, Schrekeroder Ravel - Verwandtschaften und Unterschiede, stilistische Zusammenhänge und Elemente des Zeitstils zu hören, die sonst gedankliche Konstruktion bjeiben. In der Rekonstruktion des
Steve Reich, der gefeierte „Minimali-sten"-Papst Amerikas, und die Videokünstlerin Beryl Korot erarbeiteten für den Wiener Messepalast ihre Videooper „The Cave", ein ungewöhnliches Dreistundenwerk - „die Erforschung eines neuen Kontinents", wie Reich meint.Als Thema wählte Reich den biblischen Abraham und seine Familie, die Frauen Sara und Hagar und dieSöhne Ismael und Isaak, die zu Leit-figuren des Judentums und der Moslems wurden. „Wer ist Abraham?" lautete die Frage, die Reich und Korot in Hebron, am Grab Abrahams, und in den USA an Juden, Palästinenser,
Spricht man vom Geburtstag der Moderne, dann muß man über das Jahr 1913 sprechen: Strawinski provozierte damals in Paris mit seinem „Sacre du Printemps" einen Skandal; in Rußland schockte die erste bolschewistische Revolutionsoper „Sieg über die Sonne" das Publikum; in Wien war es die Wiener Schule, deren Köpfe Schönberg, Berg und Webern am 31. März 1913 mit ihrem Musikvereinskonzert eine Saalschlacht auslösten.Mit einer Rekonstruktion des legendären „Skandalkonzerts" wurde im Wiener Konzerthaus das Internationale Musikfest eröffnet. Jene Meisterwerke, deren
Salzburg gedachte Herbert von Kara-jans, des Vaters der Osterfestspiele, der dieser Tage seinen 85. Geburtstag gefeiert hätte. Und im Mittelpunkt des Festivals der Berliner Philharmoniker stand eine Feierstunde mit Ka-rajans Lieblingswerk der letzten Jahre, dem Deutschen Requiem von Johannes Brahms. Claudio Abbado und die Berliner Philharmoniker waren geradezu ein Herz und eine Seele: Schwachstellen in den einzelnen Orchestergruppen, die im vergangenen Jahr empfindlich gestört hatten, fielen diesmal kaum auf; der Klang des Ensembles hatte unverwechselbare Fülle und schwelgerische Pracht.
Bei den Salzburger Osterfestspielen endet heuer eine Ära: Sir Georg Solti geht; als künstlerischer Leiter folgt ihm 1994 Claudio Abbado.Solti verabschiedete sich nun am Pult der Berliner Philharmoniker mit Verdis „Falstaff' im Großen Festspielhaus. Ein Triumph für den Maestro, der der Aufführung musikalischen Glanz und unverwechselbares Profil gab, ohne das klägliche Mittelmaß der Inszenierung kaschieren zu können.Denn Luca Ronconi - sonst für avantgardistisch-mutige Regiearbeit gut - ließ sich von der Riesenbühne zu verschwenderischer Üppigkeit und Protz verführen. Mit seinem
Oper als Gratwanderung zwischen miesem Kleinbürgeralltag und loderndem Wahnsinn: Alfred Schnittke ist mit seinem Musiktheaterstück „Leben mit einem Idioten” ein Ritual der Entlarvung gelungen, eine zynische Groteske, wie man sie auf der Opernbühne selten erlebt. 1992 wurde das Werk mit sensationellem Erfolg in Amsterdam uraufgeführt, jetzt zeigt die Wiener Kammeroper die Produktion, die auch hier vom legendären Moskauer Kammeroper-Chef und Regisseur Boris Pokrowskij, dem Dirigenten Wladimir P. Siva, den Ausstattern Viktor und Rafael Volski und dem „originalen”
Eine Wiener Institution feiert ihren Vierziger: Professor Hans Gabors Wiener Kammeroper jubiliert. Gabor hat seine Mini-Bühne am Fleischmarkt in den vergangenen Jahrzehnten zu einer der profiliertesten Wiener Musikinstitutionen gemacht.Er hatte, als er 1946 nach Wien kam, zwar kaum Geld, aber stets eine Nase für Qualität. Damit gründete er 1948 sein Wiener Opernstudio. Mit blutjungen Sängern - Fritz Uhl, Eberhard Waechter, Walter Berry, Waldemar Kmentt! 1953 war es dann so weit: Gabor startete mit Rossinis „Signor Bruschino”. Und der Erfolg gab ihm im kulturhungrigen Nach-kriegs-Wien
Solche Sternstunden der Gesangskultur erlebt man an der Wiener Staatsoper viel zu selten: Edita Gruberova, die unvergleichliche Donizetti-Prima-donna, als Lucia und Alfredo Kraus als Edgardo machen in einer Aufführungsserie „Lucia di Lammermoor” zum spektakulären Ereignis.Daß die beiden mit atemberaubender Stimmartistik auftrumpfen, ist fast selbstverständlich. Das Außergewöhnliche ist hingegen ihre raffinierte Kunst, Belcanto und Koloraturenartistik mit brennender Leidenschaft, Schmerz, seelischem Elend und irr-lichtemdem Todeswahn dieses Liebespaars am Abgrund zu füllen.Da wird
So kulinarisch wie heuer war Claudio Abbados Festival Wien modern noch nie. Wirkten in den vergangenen Jahren Namen wie György Ligeti, Friedrich Cerha, Roman Haubenstock-Ramati, Pierre Boulez, Wolfgang Rihm oder Karl-Heinz Stockhausen von allein als Magneten, so muß das Publikum heuer erst animiert, ja begeistert werden. IannisXenakis, Hans Werner Henze und Luigi Dallapicco-la waren in den vergangenen Jahren in Wien viel zu selten zu hören, als daß ihr (Euvre dem Publikum präsent wäre. Die jungen Rumänen Dan Dediu, Stefan Niculescu oder Costi Mirianu sind ebenso unbekannt wie der
Claudio Abbados Festkonzert für „Wien modern" ist jedes Jahr wieder der Höhepunkt dieses Paradefestivals neuer Musik. Abbado versteht es, sein Publikum mit dem Gustav-Mahler-Jugendorchester geradezu in einen magischen Bann zu ziehen. Sein Enthusiasmus und der Feuereifer der jungen Musiker, die sich selbst mit höchst schwierigen Werken überzeugend auseinandersetzen, wirkt Wunder: Die Zuhörer folgen sogar bei so extremen Werken wie Iannis Xenakis messerscharf attackierendem Stück „Kekrops" (1986).Im Mittelpunkt des Abends stand die Uraufführung von Paolo Perezza-nis
Hans Werner Henzes Oper „Die englische Katze" wurde von Staats- und Volksoper, Wien modern und der Wiener Kammeroper als österreichische Erstaufführung produziert. Ein Spaß für alle, die es skurril und sehr britisch mögen! Henzes 1983 urauf-geführtes Werk gibt sich zuckersüß und liebenswürdig. Doch tatsächlich sind die Kater und Kätzchen, die durchs noble Haus schleichen, abgefeimte viktorianische Erbschleicher, Betrüger, Fallensteller. Kaltblütig killen sie jeden, der sich ihrem Ehrenkodex nicht fügt oder sich gar ihrerGeld- und Titelgier entgegenstellt. Eine bitterböse
„Wien modern", Claudio Abbados Paradefestival neuer Musik, feiert ein Jubiläum: Zum fünften Mal präsentiert der Dirigent Porträts der bedeutendsten Komponisten unseres Jahrhunderts und vor allem jene Werke ihres (Euvres, die als Meilensteine der Entwicklung der neuen Musik gelten. Iannis Xenakis, Luigi Dalla-piccola und Hans Werner Henze sind die „Internationalen", Kurt Schwert-sik und der junge Grazer Gerd Kühr die Österreicher, die im Mittelpunkt von mehr als fünfzig Konzerten im Musikverein und Konzerthaus stehen.„Wien modern" geht es heuer nicht nur um das
Die Musikalische Jugend präsentiert Erik Satie und die Pariser Szene der zwanziger Jahre in einem Festival „Satie & Les Six". Bis 31. Oktober treten in Musikverein und Konzerthaus in Wien prominente französische Ensembles - so das Orchestre National de Lille unter Jean-Claude Casadesus, Orchestre du Capitol de Toulouse unter Michel Plasson, Orchestre Philharmonique de France unter Marek Janowski - zu einer Parade an, wie Wien sie noch nie erlebt hat.Vor allem sind hier Schlüsselwerke der Musikgeschichte, die in Mitteleuropa fast vergessen sind, endlich wieder zu entdecken: So
Roman Haubenstock-Ramati hat mit seiner Oper „Amerika" recht behalten: Mit der Uraufführung der neuen Fassung im Rahmen des „steirischen herbstes" in der Grazer Oper erlebte er einen beispiellosen Triumph. Kafkas „Amerika"-Roman wurde von Haubenstock zu 24 Szenen von zwei Stunden Dauer und extremen (gesangstechnischen) Ansprüchen komprimiert: Bilder aus dem Leben des jungen Karl Roßmann, der von seinen Eltern aus Prag in die Neue Welt geschickt wird.Für K. ist es der Weg in eine Verstö-rung. Ein „Vertriebener" stößt im dunklen Haus Amerika Türen auf, findet
Im Musikleben Londons sind Aufführungen von Edward Elgars „Traum des Gerontius" Höhepunkte der Konzertsaison, in Wien sind sie ein Raris-simum: Der Wiener Musikverein eröffnete mit Elgars Oratorium, dem Hauptwerk der englischen Romantik, seinen Internationalen Orchester- und Chorzyklus. Exklusiv das Solistenensemble mit gefeierten englischen Oratoriensängern wie dem Mezzo Penelope Walker, dem heldischen Tenor Arthur DavieS als sterbender heiliger Gerontius, der die (präraffae-litischen) Wonnen des Himmels schaut, und Baritonstar John Shirley-Quirk. Hochkarätig das traditionsreiche
Italienische Oper in Luxusverpak-kung: Ein Paradestück ist Umberto Giordanos Revolutionsoper „Andrea Chenier“, die - szenisch nach Otto Schenks Konzept aufgefrischt und musikalisch sorgfältig studiert - wieder zu einer Attraktion der Wiener Staatsoper geworden ist.Die Produktion kann sich sehen und hören lassen. Dirigent Marcello Viot-ti hat sich auf sein Debüt gründlich vorbereitet. Behutsam führt er die Sänger, gibt ihnen optimale Möglichkeiten, Diktion, Stimmkultur und Bravour auszuspielen. Glanzvoll die Besetzung mit der fabelhaft aussehenden Katia Ricciarelli als junge
Edita Gruberova, deren Weltkarriere an der Wiener Staatsoper begann, hat sich in Wien rar gemacht: Aber nun singt sie hier wieder Donizettis „Lucia di Lammermoor“. Und bescherte damit eine jener seltenen Stemstunden, in der Persönlichkeit und Stimme in einer Opemfigur einswerden. Ihre Lucia gehört seit 1978 zu den Wundem der internationalen Opemszene -ein Triumph der Virtuosität über die Stimme, makelloser Schönheit über die Technik. Die Gruberova als Lucia ist ein erschütterndes Wesen, das seine Gratwanderung zwischen Wahnsinn und Tod in vollkommener Eleganz antritt.John Neschling
Was dem Komponisten Sylvester Levay und dem Librettisten Michael Kunze mit „Elisabeth", der Musical-Uraufführung im Theater an der Wien, gelang, rückt zwar von den üblichen Sisi-Klischees ab, macht aber die Kaiserin zum Nachtschattengewächs. Musikalisch begnügen sie sich mit einem bald süßlich-klebrigen, bald rockig hämmernden Allerweltssound, der von Caspar Richter mit Routine in Gang gehalten wird. Das Libretto macht Sisi, die einsame, traurige Schöne, zur Kolportagefigur im großen Weltuntergangstheater.Immerhin päppelten Regisseur Harry Kupfer und Bühnenbildner Hans
Szenisch frisch aufpoliert, musikalisch vom temperamentvollen Debütanten Marcello Viotti in Schwung gehalten, erntete die Wiederaufnahme von Gaetano Donizettis „Liebestrank" an der Wiener Staatsoper Jubel und Ovationen. Viotti ist ein umsichtiger Musiker mit Fingerspitzengefühl für Sängerführung, kammermusikalisches Begleiten und effektvoll modellierte Höhepunkte. Ein überzeugendes, junges Ensemble wurde da erstmals präsentiert: Leontina Vaduva als bezaubernde Adina mit warmem lyrischen Timbre, der junge Luca Canonici als Nemorino mit hell leuchtendem Tenormaterial und Roberto
Den 200. Geburtstag Gioacchino Rossinis feierte Salzburg mit dessen Oper „Tancredi" in einer konzertanten Aufführung. Zur Festspielattraktion machen sollten sie Sängerstars, doch die kapriziösen Primadonnen sagten ab: Marilyn Hörne verabschiedete sich nach Auseinandersetzungen um die Fassung der Oper; und Edita Gruberova war nicht bereit, das extrem anspruchsvolle Werk ohne die gefeierte Partnerin zu singen.Dirigent Pinchas Steinberg und die Festspiele hatten aber Glück: In der jungen Vesselina Kasarowa, die nunden Tancredi singt, und in der neuen „Amenaide" Nelly Miricioiu
Endlich haben die Salzburger Festspiele ein Opernereignis der Sonderklasse zu bieten: Christoph von Doh-nanyi am Pult, Regisser Luc Bondy und dem Bühnenbildner Erich Won-der gelang mit Richard Strauss' „Salome" im Kleinen Festspielhaus ein faszinierender Wurf - ein Totentanz einer Endzeit, in dem allerOrient-zauber des Oscar-Wilde-Texts, alle bunt schillernden Versatzstücke abgestreift wurden. Bondy und Wonder stellen die hysterischen Figuren in einen verfallenden Bunker, in eine verwüstete Halle mit aufgebrochenen Parkettböden, Aufgängen in eine zerstörte Palastanlage und einem
Vor allem bei den Orchesterkonzerten überzeugt das Konzept der neuen Festspielleitung in Salzburg. Hans Landesmann hat ein klug ausgespanntes Programm ausgewählt, in dem Schwerpunkte und deren Vernetzung deutlich erkennbar sind: So die Idee, Zusammenhänge zwischen Romantik und den nationalen Schulen spürbar zu machen; auch werden den Festspielen endlich neue profilierte Dirigentenpersönlichkeiten zugeführt, wie etwa der brillante junge EngländerSimon Rattle oder die beiden erfolgverwöhnten Russen Maris Jansons und Juri Temirkanow. Auch Nikolaus Harnoncourt soll für die Zukunft an die
Salzburg setzt auch bei den Konzerten auf eine Erneuerung der Festspiele. Erstmals von Hans Landesmann programmiert, erhalten sie etwa durch die Symphonien Gustav Mahlers, das Schaffen Leos Janäceks und Pierre Boulez' und Uraufführungen wie Herbert Willis „Konzert" neue Akzente. Auch eine Reihe bedeutender Künstler, die man in Salzburg längst vermißte, feiern ihre Debüts. So führte Nikolaus Harnoncourt im Eröffnungskonzert Beethovens Missa solemnis mit dem Chamber Orchestra of Euro-pe und dem Wiener Staatsopernchor auf. Er demonstrierte sein prall-vitales, persönliches
Hans Gabor, Wiens rühriger Kammeroper-Chef, hat's geschafft: Nach jahrelangem bürokratischem Tauziehen um sein Projekt, vor der Römischen Ruine im Schönbrunner Schloßpark Oper zu spielen, hat er endlich Erfolg. „Don Giovanni" vor der Römischen Ruine ist eine Publikumsattraktion, mehr noch: ein Schauvergnügen auf hohem Niveau. Eine Zwei-einhalbstunden-Produktion ohne Pause, bei der Dirigent Dietfried Bernet, Regisseur Robert Herzl und Bühnenbildner Pantelis Dessyllas für straffe Tempi, schnelle Verwandlungen und temperamentvolles Spiel sorgen.Dessyllas errichtete vor dem
1963 hatte der ORF mit Christi Zimmert Paul Konts Fernseh-Tanzszene „Und der Engel sprach" produziert. Fürs Spectacvlvm-Festival in Wien überarbeitete Kont die Szene (Libretto: Hans Aurenhammer): „Und der Engel sprach" ist nun ein zweiaktiges abendfüllendes Tanzstück, Musik voll üppigem Wohlklang, die Roman Zeillinger zur Uraufführung brachte und zu der Karl Musil die Passionsgeschichte choreografierte.Allerdings rettet Musil sich dabei in die kühle Stilisierung eines Weihespiels. Komplizierte Bewegungsfolgen, die Raum brauchen, sind auf der Bühne in der Jesuitenkirche
Opernfreunde waren empört; aber Freunde des Regisseur Harry Kupfer jubelten: Die Wiener Festwochenpremiere von Bizets „Carmen", die Kupfer für die Komische Oper Berlin geschaffen hat, endete im Theater an der Wien in Gebuhe und ostentativem Applaus. Kupfer siedelt „Carmen" in einer kargen Szene an, die nach SED-Gewaltherrschaft und Stasi-Akten riecht. Bizet wird in einer lächerlichen Zweistundenfassung geboten, mit viel Bodenrobben, ohne Pause, ohne Spanien, ohne Erotik.Und vor allem ohne Sänger. Alle, von der indisponierten Marilyn Schmiege über Neil Wilsons Jose bis zum
Vierundachtzigjährig starb der österreichische Komponist und Pädagoge Alfred Uhl in Wien. Er hat mit Filmmusiken Geld verdient, eine Oper geschrieben, mit Chorwerken Erfolg gehabt, Kammermusik und Lehrwerke hinterlassen. Uhl gehörte zur Reihe der souveränen Satztechniker und Traditionalisten, die zwischen Spätromantik und Moderne eine Annäherung suchten. Als Professor der Wiener Musikakademie war er aber auch ein behutsamer Neuerer, der Generationen von Komponisten - und gerade die Vertreter der Avantgarde - mit dem Handwerk vertraut gemacht hat: Friedrich Cerha, Karlheinz Füssl, Heinz
Halbzeit beim Konzerte-Marathon der Wiener Festwochen im Musikverein, wo man heuer tief in die Tasche gegriffen und sich auch finanzkräftiger Sponsoren und Partngr versichert hat. Seit der spektakulären Eröffnung mit Schönbergs „Gurreliedern", einer sensationell schönen Aufführung mit den Wiener Philharmonikern unter Claudio Abbado, ist der Spannungs-bogen des Musikfests nicht abgeflacht. Höhepunkt auf Höhepunkt, Entdek-kung folgte Entdeckung: Von Rossinis Oper „Moses und Pharao" (erstmals in französischerOriginalfassung unter Wolfgang Sawallisch) und Manuel de Fallas
Eine Koproduktion mit dem Brüsseler Theätre de la Monnaie von Giac-chino Rossinis „Barbier von Sevilla" in einer Inszenierung Nicolas Brie-gers gastierte bei den Wiener Festwochen im Theater an der Wien. Gesellschaftskritiker Brieger entlarvt Rossini als Freund grotesker Spaße und Zyniker. Sein Sevilla ist eine „schräge Welt" der falschen Perspektiven (Pappendeckelszenerie Hermann Feuchter; Kostüme Jorge Jara). Rosina wird zum puppenhaften Geschöpf, das sich in eine Stimme verliebt. Auftritte erfolgen durch Falltüren, in der Gewitterszene regnet es rote Blätter: Ein
Hamlet, Shakespeares Kind, ist in die Falle gegangen: In einer Folterkammer - oder ist es bloß ein Labor? -hockt er, stottert italo-englische Satzfragmente, schreibt Silben an Mauern und Körper und wird immer mehr Teil des bedrohlichen Raumes. Seine Identität hat er eingebüßt. Auf seinem Kreuzweg zurück in die Kindheit, eine Urwüste, sind Fetische - Teddybär, Papagei, eine Sprechpuppe „Ophelia" - die Bezugspersonen.Die gefeierte italienische Kompanie „Raffaello Sanzio" aus Cesena zeigt bei den Wiener Festwochen „Amleto" (mit Paolo Tonti) in einer vieldiskutierten
Wer bei Gioachino Rossini nur philharmonischen Luxusklang und makellose Koloraturen erwartet, fühlt sich bei diesem Spektakel wohl frustriert. Wer aber Rossini als Liebhaber kunstvoller Komödienvexierspie-le schätzt, wird diese Wiener Festwochen-Auftragsproduktion des Music Theatre London im Messepalast als originellen Kleinkunst-Streich schätzen: „Cinderella" - ein britischer Spaß der Klamauk-Fabrikanten Tony Britten und Nick Broadhurst.Dirigent Britten und Regisseur Broadhurst haben der guten alten „Cenerentola" poppig am Zeug geflickt. Erbarmungslos krempeln sie Jacopo
Claudio Abbado und die Wiener Philharmoniker führten im Wiener Musikverein Arnold Schönbergs -1913 in diesem Saal uraufgeführte - „Gur-re-Lieder" auf. Und demonstrierten, daß sie das monströseste aller spätromantischen Oratorienwerke zur aufregenden Gratwanderung zwischen Klangrausch und Erlösungstheater machen können. So dicht gedrängt sieht man Philharmoniker-Scharen und Chormassen (Staatsopern-, Schönberg- und Slowakischen Philharmonischen Chor) auf Podium und Galerien höchst selten.Die „Gurre-Lieder" schwelgen in Extremen: Schwül schillernde Melodik, feine
Das Wiener Konzerthaus hat seinen „Österreich heute"-Zyklus überdacht und bittet nun zu seinem Festival „Hörgänge", in dessen Rahmen bis 4. Mai unter anderen siebzehn Uraufführungen vorgestellt werden.Schon der erste Abend bescherte einen Höhepunkt: Alexander von Zemlinskys Pantomime „Der Lichtstrahl". Ein modisch-groteskes Spiel um die flatterhafte Colombine und ihre Liebhaber, die einander in die Haare geraten. Zemlinsky hat das 45-Minuten-Stück 1901 für WolzogensBerliner „Überbrettl" komponiert -eine Abrechnung für des Komponisten zerbrochene Liebschaft
Ein Spitzenorchester im Umbruch: Es steht bei den Berliner Philharmonikern offenbar nicht zum Besten. Deutlich merkte man das an ihren drei Konzerten bei den Salzburger Osterfestspielen. Wobei sie unter ihrem Chef Claudio Abbado Präzision, Temperament und Klangkultur schuldig blieben, unter Sir Georg Solti aber dank des leidenschaftlichen Einsatzes des Neunundsiebzigjährigen immerhin konzentrierte Leistungen boten.Besonders enttäuschend geriet Abbados erstes Konzert mit Schumanns selten gespieltem „Requiem für Mignon" (1849, nach Goethes „Wilhelm Meister") und Mendelssohns
Ein Hauch von Schnitzler-Elegie liegt über dieser Glitzer-„Revue eines Lebens": „Servus Du" nennt Marcel Prawy sein Robert-Stolz-Potpourri, Robert Stolz von der Wiege bis zum Grabe, pardon: bis in den Himel. Der verstorbene Operndirektor Eberhard Waechter gab das Stück in Auftrag, Prawy erdachte es, Robert Herzl inszenierte, Pantelis Dessyllas und Friederike Binkau statteten geschmackvoll aus und Rudol Bibl sorgte in der Volksopern-Uraufführung für solide musikalische Betreuung.Show mit Witz, wenn auch nicht immer ohne Krampf, ohne Kitsch und Durchhänger. Und ein Abend voll
Betroffenheit und ein wenig Ratlosigkeit - das ist es, was an der Wiener Staatsoper nach dem plötzlichen Tod Eberhard Waechters herrscht. Was nun, fragen sich alle. Und Waechters „rechte Hand", der frühere Sängermanager Ioan Holender, Generalsekretär des Hauses, bringt seine Situation auf den Punkt: „Wenn ich jetzt mit Riccardo Muti verhandle, geht es um eine Entscheidung für die nächsten fünf Jahre. Die Entscheidung muß aber im Interesse des Hauses jetzt fallen!"Im Bundestheaterverband gibt man sich optimistisch. Holender sollte die Geschäfte interimistisch führen.
Abschied von Eberhard Waechter. Bei einem Waldspaziergang in Wien erlag der 62jährige Staatsoperndirektor und Kammersänger dem Herztod. Erst vor kurzem war sein Lebenstraum in Erfüllung gegangen: Waechter war 1991 Direktor der Staatsoper geworden, die er seit September gemeinsam mit der Volksoper nach seinem Reformkonzept umgestaltete. Nur sieben Monate standen ihm zur Verfügung, in denen er sein Konzept vom Sängerensemble zumindest in Ansätzen verwirklichte. Was Waechter erträumte, ist Stückwerk geblieben. Doch die Ansätze zur Bildung eines neuen Wiener Ensembles könnten
Leos Janäceks 1924 uraufgeführtes „Schlaues Füchslein" ist eines der eigenwilligsten Werke der Opernliteratur. Tiere nehmen menschliche Züge an und wer ihre Sprache versteht, erlebt das Glück, selbst ein Teil des wunderbaren Kosmos Natur zu werden. Die Wiener Volksoper hat mit diesem Werk einen Trumpf im Spielplan.Torsten Fischer inszenierte Max Brods hervorragende deutsche Fassung. Doch er siedelt das nächtliche Waldweben und die Träume der Menschen weniger im Märchen an; er durchleuchtet Janäceks Kosmos tiefenpsychologisch.Das Zigeunermädchen Tery nka, das stumm durch die
Richard Strauss' „Frau ohne Schatten" auf dem Staatsopernspielplan bedeutet ein Fest für Opernfreunde: Umso mehr, wenn Gwyneth Jones, die große Dame der Oper, die Färberin singt. Die Wiederaufnahme des Monsterwerks mit Horst Stein am Pult wurde zum gefeierten Strauss-Ereig-nis. Stein ist der ideale Betreuer. Er kennt die Klippen, die vulkanischen Entladungen und rauschhaften Höhepunkte der Partitur wie kaum ein anderer. Er führt Orchester und Sängerensemble korrekt, konzentriert und intensiv. Und umhüllt die Stimmen mit einem schimmernden Klanggewebe.Gwyneth Jones und Bernd Weikl
Die Staatsoper bemüht sich ums Verdi-Repertoire: „Ein Maskenball", mit dem Claudio Abbado mit Luciano Pavarotti seinen Einstand als Musikdirektor feierte, wurde mit sechs Rollendebüts herausgebracht. Mit Gianfranco De Bosios Inszenierung gehen die Sänger zwar eher beiläufig und nach Schema F um; vom Licht stimmen viele Details nicht mehr und beim bizarr-üppigen Bühnenbild Emanuela Luzzatis hat man einzelne Versatzstücke entfernt; aber immerhin singt ein dynamisches Ensemble.Alberto Cupidos „König Gustaf erntete dank Tenorglanz und Bühnenpräsenz Jubel; Gabriela Benacko-va-Cap
Man versteht heute nur schwer, warum Vincenzo Bellinis Oper „Beatrice di Tenda" bei der Uraufführung 1833 in Venedig durchgefallen und erst viele Jahre später in London, Paris und Rom Erfolg hatte. Bellini (1801 bis 1835) geht hier zwar von seinen berühmten Endlosmelodien ab, hat aber mitreißende Arien geschrieben, überrascht mit bravouröser romantischer Instrumentation und setzt im übrigen auf „moderne" Zeichnung seiner Figuren, so der engelhaften Herzogin Beatrice von Tenda, ihres machtgierigen, untreuen Mannes Fi-lippo Visconti und ihrer Verleumder, die die Edle - wie
Sie sind ein wildes Opernvölkchen, diese Herren Minnesänger und ihr Patron, Landgraf Purzel, der Musikenthusiast und Wagner-Gegner, der die wagnerischen Neutöner aus seinem Reich verbannt. Dafür bevorzugter den Provinz-Musikantenstadl: Die Wiener Kammeroper spielt Johann Nestroys Wagner-Parodie „Tannhäuser" mit der Musik von Carl Binder, eine „Zukunftsposse mit vergangener Musik" (1857).In Karl Schusters fröhlicher Inszenierung ist Klamauk Trumpf. Mimen tollen über Maxi Tschunkos reizvolle Biedermeierbühne vor dem Bayreuther Festspielfelsen; sie spielen die ans Herz
Leos Janacek, der in der Staatsoper jahrzehntelang vernachlässigt wurde, hat seit der Wiederaufnahme seiner „Katja Kabanowa" (nach Ostrowskis „Sturm") erstaunlichen Zulauf. Das liegt an Joachim Herz' imponierend schlichter, dramatisch scharf kontu-rierter Inszenierung, aber auch an Ulf Schirmer, der dieser Aufführung am Pult der Philharmoniker alles gibt, was Janäcek in seine Musik gelegthat: Leidenschaft und Angst vor dem Ausbrechen aus den Normen, traum-wandlerische Liebe und gewittergleich hereinbrechendes Gewissen, den Glauben an eine „neue Zeit"...Jetzt spielt die
Leos Janacek, der in der Staatsoper jahrzehntelang vernachlässigt wurde, hat seit der Wiederaufnahme seiner „Katja Kabanowa" (nach Ostrowskis „Sturm") erstaunlichen Zulauf. Das liegt an Joachim Herz' imponierend schlichter, dramatisch scharf kontu-rierter Inszenierung, aber auch an Ulf Schirmer, der dieser Aufführung am Pult der Philharmoniker alles gibt, was Janäcek in seine Musik gelegthat: Leidenschaft und Angst vor dem Ausbrechen aus den Normen, traum-wandlerische Liebe und gewittergleich hereinbrechendes Gewissen, den Glauben an eine „neue Zeit"...Jetzt spielt die
Dimitri Schostakowitsch zählt in Österreich zu den Vernachlässigten. Umso erfreulicher ist Christine Mie-litz' Inszenierung der Oper „Lady Macbeth von Mzensk", eines expressionistischen Psychoschockers nach Nikolai Leskows Roman über die Mörderin Katerina Ismailowa und ihren Geliebten Sergej. Die Aufführung der Volksoper benützt die von Stalin verbotene Originalfassung von 1932: Ein Drama von erschreckender Grausamkeit. In Peter Heileins minuziös gebautem Käfig in Form eines Rundturms mit verschiebbaren Schalenwänden, wird das Gefangensein dieser kaputten Kreaturen beklemmend
Franz Schrekers Werk-Katalog ist eine Fundgrube für sensationelle Entdek-kungen. Hatte die Wiener Staatsoper mit der Aufführung des „Fernen Klangs" die musikdramatische Originalität und Kraft des vom NS-Regime als „entartet" verteufelten Meisters nachgewiesen, so demonstrierten nun Wiener Musikverein und ORF mit „Christopherus" im Zyklus „Opernraritäten", daß es bei Schreker noch Aufregendes zu entdecken gibt.Schreker (1878 bis 1934) nennt das 1925 konzipierte Werk „Vision einer Oper". Ein kühner Versuch, das Leben zur Oper zu machen (und die Oper zum
Szenische Erneuerungen sind in der Staatsoper mitunter mit Regievereinfachungen verbunden. So hat man die Wiederaufnahme von W. A. Mozarts „Idomeneo" in der außergewöhnlichen Produktion Johannes Schaafs und Nikolaus Hamoncourts mit einem kräftigen Strich verbunden: Kurzerhand wurde das Krönungsfinale mit dem Ballett „abgeräumt". Harnoncourt hatte sich mutig für die komplette „Idomeneo"-Version entschieden. Der Schluß mit Hochzeit und Krönung des jungen Paares Ida-mante und Ilia bekam tiefere Bedeutung, weil er das Ende der Macht der alten Götter, ein neues
Ein Abend der Überraschungen: Fast 17 Jahre nach der Premiere von Leos" Janäceks „Katja Kabanowa" konnte das Publikum dieses herrliche Werk in einer makellos schönen, leidenschaftlichen Aufführung wiederentdecken. Janäceks bohrende „Seelenmusik" hört man selten so intensiv, so schwelgerisch musiziert wie diesmal unter Ulf Schirmer. Er leistet am Pult der Philharmoniker minuziöse Arbeit und reißt mit seinen Sängern die Abgründe dieser Tragödie russischen Bürgertums, des Dramas von Liebe, Vereinsamung, Angst und Freitod Katja Kabanowas, auf.Das zum Teil
Claudio Abbados luxuriöse Parade neuer Musik, das Festival „Wien modern", präsentiert heuer eine unglaublich opulente Darstellung des Schaffens von Olivier Messiaen, Roman Haubenstock-Ramati, Alfred Schnittke und Harrison Birtwistle und macht sich auch für die Jungen stark. So zogen etwa Friedrich Cerha und das Ensemble „die reihe" im Wiener Konzerthaus eine erste Bilanz des Kompositionswettbewerbs „Wien modern 1991". Ein Mini-Marathon von Uraufführungen, in dessen Mittelpunkt „Fünf Stücke für Kammerorchester" des 28jährigen Preisträgers Tobias Peter Maria
Der Streit ums Wiener Staats-opemballett, für und gegen die neue Ballettmeisterin Elena Tschemischova, wird jetzt sozusagen in allen Etagen ausgetragen: Im Parkett, wo das Publikum anläßlich der Wiederaufnahme von „Daphnis" und „Feuervogel" gegen die Ballettchefin „pfui" schrie, in der Direktion, die für die Dame gegen Verbalattacken von Stars wie Rudolf Nurejew Mauer macht, im Corps selbst, das auf die Ballettmeisterin teilweise recht sauer reagiert.Unberührt davon blieb wenigstens ein wichtiges Debüt: Vladimir Fedosejew, prominenter russischer Dirigent, rettete
Schon die erste Woche von Claudio Abbados Festival „Wien modern" hatte eine Reihe Trümpfe zu bieten. Attraktionen wie die „Turangalila"-Sy mphonie von Oli vier Messiaen, die den Großen Konzerthaussaal bis auf den letzten Platz füllte. Ein Werkkoloß voll mystischer Ideen, der indische Riten der Liebe und des Todes zu einem Klangkosmos verdichtet und wie ein Kommentar zu Gustav Mahlers VIII. Symphonie wirkt. Pinchas Steinberg, das Damenduo Yvonne und Jeanne Loriod an Klavier und am elektrischen Ondes-Martenot und des ORF-Symphonieorchester bewiesen, wie Neue Musik zu einem
Gerard Monier, Salzburgs neuer Festspiel-Chef, verabschiedete sich von seinem Brüsseler „Theatre Monnaie" mit Richard Wagners „Ring des Nibelungen". Ein Kraftakt fürs Haus, eine Leistungsschau nach zehnjähriger Ära Monier, ein ästhetisches Konzept, das Brüssel einen Namen gemacht hat.Da Monier den „Ring" in sechs Tagen aufführen wollte, forderte er von Regisseur Herbert Wernicke extrem sparsame Bilder. Und tatsächlich genügt eine verrottete Fabrikshalle mit altem Sofa, Fauteuils und Klavier. Ein riesiges Panoramafenstergibt den Blick frei auf Wald, Rhein, Felsen
Nach Jahren der Trennung haben zwei wieder zueinander gefunden: Die Wiener Philharmoniker und Friedrich Gul-da - als Pianist und Dirigent. Im Wiener Musikverein durfte Gulda seine Lieblingsidee verwirklichen, ernste und unterhaltende Musik zusammenzuführen. Was ihm im wahrsten Sinn des Wortes spielend gelingt. Vor der Pause also spielte er Mozarts d-Moll-Konzert und danach sein „Concerto For Myself". Sein Mozart vibriert, Gulda lebt ihn sozusagen. Funkelnde Bravour wechselt mit zärtlich in den Flügel gestreichelter Lyrik. Die Philharmoniker lesen ihm jeden Wunsch von den Augen ab,
Die Rechnung der neuen Staatsoperndirektion geht fürs erste auf: Nach dem glanzvollen Start mit Wagners „Parsifal" zeigen bereits die beiden ersten Wochen klare Konturen. Das heißt: geprobte Aufführungen, in denen gut ausgewogene Ensembles das musikalische Klima bestimmen. Puccinis „Turandot" mit dem Erfolgsgespann Eva Marten und Vladimir Popov und der noblen lyrischen Sopranistin Lucia Mazzaria, einer hochkarätigen Entdeckung, überzeugte da ebenso wie Verdis „Otello", in dessen Titelpartie Giuseppe Giacomini gemeinsam mit, Jago" Renate Bru-son einen Triumph
Gemischte Gefühle zum Finale: Die letzte Woche der Salzburger Festspiele, die unter Herbert von Karajan stets glanzvolle Orchesterereignisse bescherte, verkam zur Orchesterparade von unterschiedlicher Qualität. Vom Spektakulären war sie weit entfernt. Umso mehr, als das zentrale Ereignis, das Gastspiel der Berliner Philharmoniker unter Claudio Abbado, dieses Orchester in fatal zwiespältiger Situation zeigte. Verkörperten Karajans Berliner den Inbegriff europäischer Orchesterkultur, so demonstrieren sie unter Abbado erschreckendes Mittelmaß: Mozarts C-Dur-Symphonie (KV 200) als
Die Parade internationaler Dirigentenstars und ihrer Spitzenorchester bei den Salzburger Festspielen geht zu Ende. Im Mittelpunkt standen, wie stets, die Wiener Philharmoniker, die in acht Konzerten unter Riccardo Muti, Andre Previn, Claudio Abbado, James Levine und Sir Georg Solti Werke der Wiener Klassik, von Schubert, Brahms, Dvof äk und Berg aufführten und in dieser Woche im Salzburger Dom Mozarts Requiem unter Carlo Maria Giulini spielen.Enttäuschend geriet vor allem Beethovens „Missa solemnis" unter Levine, der sich mit opernhaftem Pathos und auffälliger Show zufrieden gab.
Eine Oper über die Schwierigkeiten, das Publikum mit Musiktheater zu unterhalten, versuchte Helmut Eder mit der Uraufführung seiner Novität „Mozart in New York", die vom Dirigenten Hans Graf und dem Regisseur Lutz Hochstraate vorgestellt wurde. Um es vorauszuschicken: Das Beste an diesem Abend ist Herbert Rosendorfers kauzig-skurriles Textbuch, eine bunte Mischung aus Herzma-novsky-Orlando-Späßen und Satire und Parodie rund um Mozarts Textdichter Lorenzo Da Ponte, der 1811 auf der Flucht vor dem Schuldturm in New York landet. Da Ponte weiß: Mozart ist sein Kapital, das er
Nach jahrelangen Kämpfen ums Budget ist Wiens Barockfestival „Spectacvlvm“ in der Jesuitenkirche saniert. Der Wiener Musik-Sommer ermöglichte heuer erstmals wieder eine szenische Produktion: „Betulia liberata“, eine „Azione sacra“ nach Texten von Pietro Metastasio mit der hinreißend frischen, von Einfällen überquellenden Musik des 15jähri-gen Mozart, wurde vom bewährten „Spectacvlvm“-Team, Dirigent Gerhard Kramer, Regisseur Franz Eugen Dostal und Ausstatterin Minna Anto-va betreut.Vor dem prunkvollen Altar der Jesuitenkirche errichtete Antova ein einfaches, kühles Bild
Der Wiener Musiksommer ehrt seinen Krenek-Preisträger Dieter Kaufmann mit der Uraufführung der sechsteiligen Oper „Die Reise ins Paradies" nach einem philosophischen Text aus dem Nachlaß Robert Musils. Musils alles beherrschendes Textmaterial über Schönheit, Meeresstrand, erst uneingestandene und dann verebbende Leidenschaften, die Komödian-tik des Normalseins und die Leere nach dem Abschied strukturiert Kaufmann mit elektronisch verarbeiteter Sprache und den Stimmen von acht Madrigalsängem (Dirigent Herwig Reiter).Olivier Tambosis straffe, klare Inszenierung im Wiener Odeon
Rainer Bischof, einer der profiliertesten Wiener Komponisten, ist dank eines Auftrags der Wiener Kammeroper nun auch als Öpemkomponist zu entdecken: Nach einem philosophisch-spekulativen Text des Malers Friedrich Danielis entstand die Oper „Das Donauergeschenk“ - eine Oper über Suff, Sein und Nicht-Sein. Ein Billardcafe wird zur Todeszelle.Lilo, das „Donauweibchen“, posiert auf dem Billardtisch: Für Lateiner, das Trinker-Genie, das keinen Lebenssinn entdecken kann; für die drei „Donauer“, die Individualisten wie Lateiner in die „Wirklichkeit“ hinausstoßen; und sogar für
Alexander Pereiras letztes Musikfest im Konzerthaus: Trotz Mozart im Mittelpunkt sollte es zum Aufeinanderprallen von Ideen kommen: Der Anspruch wurde mit Uraufführungen erfüllt. Friedrich Cerha steuerte zwei davon bei: sein „Requiem für Rikka” (Orchesterfassung eines Abschnitts der Oper „Baal”) und seine von Ironie, Witz und Kapriolen funkelnde „Keintate II” (Heinz Karl Gruber, Ensemble modern). In ihrer Klangschönheit und Klarheit gewannen diese Werke sofort-die Gunst des Publikums. Michael Gielen stellte neben Roman Haubenstock-Ramatis „Sequen-ces”, einem Stück
Claus Helmut Drese präsentiert zum Abschied noch einmal Glanzstücke seiner Staatsoperndirektionszeit. Alban Bergs „Wozzeck” in der dramatischen, erschütternden Inszenierung Adolf Dresens und in den minuziösen Bühnenbildern Herbert Kappl-müllers gehört zum Kostbarsten, was er der nächsten Direktion vererbt. Claudio Abbado und exklusive Sängerdarsteller sorgten bei der Wiederaufnahme für eine packende Aufführung, in der philharmonische Klangpracht mit makellosen Gesangsleistungen und packend expressiver Darstellung eins wurden. Abbado und seine Protagonisten, Hildegard Behrens und
„Don Giovanni”, die vieldiskutierte Inszenierung Luc Bondys und des Bühnenbildners Erich Wonder, wurde für die Festwochen im Theater an der Wien wiederaufbereitet: Nachdem Buhgeschrei im Vorjahr wurde die Premiere heuer mit Jubel gefeiert. Mag sein, daß sich das Publikum an Bondys Methode gewöhnt hat, Herzen mit dem Seziermesserfreizulegen, daß es Wonders eiskalte Bilder (häßliche Raketenstartrampen, graue Containerräume, Strohhaufen im Abendlicht) als gegeben hinnimmt.Erfreulich sind die schönen Momente, mit denen Bondy das Spiel der Beziehungen raffinierter gestaltet, erfreulich
Nikolaus Harnoncourt hat dieses 25. Musikfest des Wiener Konzerthauses mitprogrammiert, um Ideen bereichert, in vielen Aspekten geprägt. Wobei Harnoncourt selbst - bisher mit Wiener Philharmonikern und Symphonikern - Höhepunkte der Klassik-Interpretation setzte (Haydns B-Dur- und Es-Dur-Symphonien, Mozart, Beethovens „Erste”, Schuberts „Unvollendete”)., Der demnächst an die Zürcher Oper übersiedelnde Konzerthauschef Alexander Pereira sorgte mit Harnoncourt aber auch für weitere Leitschienen, die dem Festival Eigenart und Kontrapunkte leihen: Etwa wenn er Jean-Claude Malgoire mit
Nach dem brillanten „Figaro” ein weiterer Höhepunkt im Mozart-Fest der Wiener Staatsoper: „Idomeneo” wurde wieder aufgenommen. Eine Produktion, die an intellektueller Schärfe der Regie Johannes Schaafs und Dichte der musikalischen Umsetzung durch Nikolaus Harnoncourt nichts eingebüßt hat. Harnoncourt hat die Aufführung fest im Griff. Er spürt den getroffenen Seelen, den Todgeweihten Kretas, mit bohrender Krimi-Intensität nach. Er übersetzt den Kampf Idomeneos gegen das Schicksal, sein Ringen um Macht und seinen Versuch, den Sohn Idamante vor der Opferung zu bewahren, in
„Die Hochzeit des Figaro" von Wolfgang Amadeus Mozart im Theater an der Wien war eine Festwochen-Auf-führung, wie sie die Mehrheit des Publikums schätzt: Eine Zeitgeistbilanz, die die große Welt der Altaristokratie in Trümmer fallen läßt; Theater eines blitzgescheiten Regisseurs voll kritischer Anmerkungen, aber auch voll Eleganz und optischer Reize. Witz, Erotik, Koketterie sind die Trümpfe Jonathan Millers, des britischen Neurologen und Regiekünstlers, der Mozart im raffinierten Drehbühnen-Ambiente von Peter J. Davison inszenierte.Miller findet „linkes"
„Der Tod Klinghoffers" von John Adams im März in Brüssel uraufgeführt, gastierte im Wiener Messepalast. Selten prallten Publikumsmeinungen so heftig aufeinander, wie bei diesem Dreieinhalbstunden-Opemko-loß des Amerikaners John Adams, der von Peter Sellars, Choreograf Mark Morris und dem Bühnenbildner George Tsypius als Riesenspektakel aufbereitet wurde.Das Thema des Terrorüberfalls der Palästinenser auf das Passagierschiff Achille Lauro im Jahre 1985 ließ Opernfreunde romantische Kolportage erwarten; Adams, die Librettistin Alice Goodman und Seilars steuerten in die
Es war kein richtiger Abschied. Aber „kalt" ließ der Abend auch keinen im Wiener Staats-opem-Publikum: Jose Carreras hatte zwar abgesagt, aber Mirella Freni sang zum letzten Mal die Mimi in Giacomo Puccinis „La Boheme". Ein Fest mit Mirella. Denn so berührt kaum eine andere Mimi, so schön, mit so sanftem Piano stirbt keine andere. Und mancher im Publikum fragte sich, warum die Freni diese Partie nie wieder singen will. Denn sie hat über Jahrzehnte hinweg Maßstäbe gesetzt, hat sich ihre fulminante Phrasie-rung, ihr samtiges Timbre, ihre unvergleichliche Gesangskultur
Die Wiederaufnahme von Richard Wagners „Tannhäuser" in der Wiener Staatsoper wurde zum vielbejubelten Ereignis, das dank Heinrich Hollreiser am Pult und attraktiver Einsprin-ger kaum einen Wunsch offen ließ. Denn Klaus König von der Dresdner Semper-Oper hält die Partie des Tannhäuser souverän durch, er besticht durch Wortdeutlichkeit, saubere Phra-sierung und dramatische Attacken. Ein imponierendes Wagner-Ensemble von hoher Qualität: Eva Randova (Venus), Nadine Secunde (Elisabeth), Hans Tschammer (Landgraf) und Bernd Weikl (Wolfram) wertete Otto Schenks hausbackene Inszenierung
Das Wunder hat sich erneut eingestellt: Modest Mussorgskys „Cho-wanschtschina" in der Wiener Staatsoper, von Claudio Abbado musikalisch gründlich aufpoliert und in der minuziösen Inszenierung Alfred Kirchners intakt, erwies sich erneut als Paradeproduktion, die in ihren raffinierten Details wie im großen Bogen überrascht. Mag die Verschwörung des altrussischen Fürsten Cho-wanski gegen Zar Peter den Großenauch ein bei uns kaum bekanntes Ereignis sein, so berührt die Produktion doch durch dramatischen Biß, tiefe Humanität und optische Sensationen, für die Erich Wonder mit
(Staatsoper, Wien; „Lohengrin" von Richard Wagner) Ingrid Haubert als Elsa und der Dresdner Tenor Klaus König in der Titelpartie retteten als Einspringer die Aufführungsserie. Und machten den Abend im Verein mit der prächtig disponierten Ortrud von Gwyneth Jones, mit einem würdevoll auftrumpfenden König Heinrich von Matti Salminen und einem zumindest sehr dramatischen Telramund Siegmund Nimsgerns zu einem bejubelten Fest.Die Seele dieses „Lohengrin" war freilich Horst Stein, der Wagner mit den Philharmonikern in fast unvergleichlicher Schönheit zum Klangtheater werden
(Staatsoper, Wien; „Parsifal" von Richard Wagner) „Parsifal"-Auf-führungen sind rare Feste, die vom Publikum mit Jubel gefeiert werden. Szenisch bleibt die Produktion August Everdings in den sen-sualistischen Bildern Jürgen Roses viel schuldig: Von der Personenführung bis zum Licht beiläufiger Theaterkrampf. Dirigent Horst Stein brauchte einen Akt lang Anlaufzeit, um Ensemble und Orchester einzustimmen, schlampig der Staatsopernchor.Doch internationale Spitzensänger sorgten für Dramatik und Atmosphäre: Stimmlich hervorragend disponiert Siegfried Jerusalems Parsifal, die
(Salzburger Osterfestspiele; „Die Hochzeit des Figaro" von W. A. Mozart) Zwei Jahre nach Karajans Tod feiern die Osterfestspiele ihr 25jähriges Bestehen, mit den „heimgekehrten" Berliner Philharmonikern sollte ein Fest des Besonderen gefeiert werden. Aber schon die Eröffnung blieb in konventioneller Langeweile stecken. Regisseur Michael Hampe und Bühnenbildner John Gunter setzen auf ein allzu simples Konzept: drei Akte hindurch drei freistehende Wände mit Türen unter hellblauem Himmel, nur im Gartenbild verlassen sie diese Klischee-Fadesse.Enttäuschender noch ist der Mangel
„Ein Zeichen unserer Verbundenheit zu den USA”: Das war der Hauptgrund, daß die Wiener Philharmoniker in einer Zeit, da zahllose US-Künstler ihre Europatourneen absagten, dennoch zur Reise über den Atlantik und nun nach Japan aufbrachen. Zwar vermasselten die Japaner ihnen die Live-AufZeichnung der „Elektra”-Auf-führung unter Lorin Maazel durch eine Reisesperre für das CD-Aufnahmeteam, aber die Triumphe bei der New Yorker „Woche der Wiener Philharmoniker” in Carnegie Hall machten alle Ängste und Überlegungen wett. Die „ Wiener” sind auf dem zunehmend harten Musikmarkt
(Staatsoper, Wien; „Samson und Dalila” von Camille Saint-Saens) „Samson und Dalila”, das szenische Oratorium, hat auch in der Wiederaufnahme der statischen Inszenierung Götz Friedrichs nichts an Dynamik dazugewonnen. Aber das neue Ensemble steht der Premierenbesetzung mit Agnes Baltsa und Placido Domingo an Schönheit der Stimmen keinesfalls nach. Ma-rjana Lipovsek debütierte in Wien als Dalila. Ein Mezzo von makelloser Schönheit, der auch die seelischen Spannungen der Frau zwischen politischem Auftrag und heimlicher Sehnsucht mit samtigen Timbre und dramatischer Leuchtkraft