Ein halbes Jahrtausend nach dem Tod seines Erfinders, und 90 Jahre nach der letzten einschneidenden prinzipiellen Verbesserung, liegt der Buchdruck, wie ihn Gutenberg erfand, in Agonie. Er wird wohl bald ausgedient haben. Noch werden Tag für Tag viele Millionen Zeitungen in Metall gesetzt, werden Millionen Bücher „vom Satz“ - vom Metallsatz, versteht sich - gedruckt. Aber der Tag, an dem bei der Herstellung von Zeitungen und Büchern keine metallenen Lettern mehr verwendet werden, ist nah. Als erste Zeitung Wiens wird die FURCHE seit drei Wochen im Photosatz hergestellt. Vorliegende Ausgabe ist die dritte, bei der die Zeilen nicht mehr gegossen, die Titelschriften nicht mehr gesetzt und keine schweren Metallplatten mehr auf die Druckzylinder geschraubt werden.
Schon jetzt feiert Wien seinen Johann Strauß, obwohl er doch erst am 25. Oktober vor 150 Jahren auf die Welt kam. Wien feiert ihn schon jetzt schwelgerisch — exzessiv wird es wohl erst im Herbst. Ein guter Anlaß, der Herkunft dieses Mannes zu gedenken. Dieses Mannes, den Richard Wagner den „musikalischesten Schädel in Europa“ genannt hat und dem Wien ein gutes Stück seines Renommmees als Musikstadt verdankt.Bei dieser Gelegenheit sollten wir uns aber auch eines Vorfalles erinnern, der sich in den frühen dreißiger Jahren abgespielt hat. Und dessen, was nach dem Einmarsch der
Wiens Paradebeispiel für den Zusammenprall öffentlicher Erhal-tungs- und privater Bauinteressen, der Judenplatz, weist fatale Parallelen zur Situation in gewissen internationalen Krisengebieten auf: Es herrscht zwar Waffenstillstand, aber der Status quo scheint im Moment für beide Parteien das Maximum des Erreichbaren darzustellen. Auch nach Jahren zeichnet sich kaum ein Hoffnungsschimmer ab, daß der Waffenstillstand einer konstruktiven Lösung weichen könnte.Nach wie vor hält Kallinger an seinem Eigentum auf dem Judenplatz fest, und nach wie vor hält er an seinem Plan fest, hier
Meinungsumfragen können einander widersprechen, bestätigen oder ergänzen. Wo sie einander bestätigen, ist nicht unbedingt etwas bewiesen, wo sie einander widersprechen, nicht unbedingt etwas widerlegt, wo sie einander ergänzen, die Menge an konkretem Wissen nicht unbedingt größer.Wenn allerdings Meinungsforscher, von verschiedenen Voraussetzungen ausgehend, mit verschiedenen Fragestellungen zu ähnlichen Ergebnissen gelangen, sammelt sich mitunter etwas Wissen an. Zum Beispiel, im gegenständlichen Falle, über die österreichische Jugend. Wie zufrieden ist diese österreichische Jugend
Zwei Behauptungen stehen gegeneinander: Die des Wissenschaf ts-ministeriums, die Professoren der österreichischen Hochschulen hätten vor der ScMußredaktion des UOG-Gesetzes ohnehin ausreichend Gelegenheit gehabt, ihre Meinung zu äußern, und die der Professoren, ihre Mitwirkung als Gemeinschaft habe sich auf insgesamt wenige Stunden dauernde, völlig fehlorga-nisderte Hearings beschränkt. Dahinter stehen zwei Konzepte gegeneinander: Die Vorstellung von der Gesetzgebung im pluralistischen Staat als Prozeß eines Zusammenraufens aller Beteiligten einerseits gegen das starre, in dieser
Während die Sozialistische Partei Österreichs in den Frühphasen ihrer Wahlwerbung unverrückbar an der absoluten Mehrheit als Wahlziel festhält und Kreisky sein persönliches politisches Schicksal an das Nicht-Zustandekommen einer Großen Koalition koppelt, wird den nüchternen Rechnern auch innerhalb der SPÖ immer klarer, daß eine Wiederholung ihres National- ratswahlerfolaes von 1971 heuer praktisch unmöglich ist. Und dies unter anderem deshalb, weil diesmal wesentlich mehr Stimmen notwendig wären, um mit derselben Zahl von Abgeordneten in den Nationalrat einziehen zu können.Diesen
Österreich gleicht einem Normalverdiener, der sich einen Cadillac auf Raten gekauft und nun Schwierigkeiten hat-, auch noch einen Kredit für einen Fernseher zu bekommen. Der Cadillac ist die UNO-City, die nicht nur das Bundesbudget belastet, sondern vor allem anderen, wahrscheinlich nützlicheren Projekten — nicht zuletzt in den Bundesländern — den Weg auf den Kapitalmarkt blockiert.
Die Opposition hat eine Wahl gewonnen. Die Arbeiterkammerwahl. Die direkten Verlierer, die sozialistischen Funktionäre in den Arbeiterkammern, zeigten sich wenig, die indirekten Verlierer, die Funktionärskader der ÖGB-Mehrheit, überhaupt nicht beeindruckt. Insider wissen aber zu berichten, daß die Exponenten der Noch-immer-Mehrheit, die auch noch immer überwältigend ist, das Menetekel sehr genau erkannt haben und zumindest im gegenwärtigen Zeitpunkt den Vorsatz haben, sich derart unvorbereitet nicht mehr auf eine derartige Kraftprobe einzulassen.
Österreich hat für die Politologie ungefähr die Bedeutung (und auch das Image) der Galapagos-Inseln für die Verhaltensforschung: Bestimmte politische Verhaltensweisen, die mittlerweile Seltenheitswert erlangt haben, können hier noch studiert werden. Jetzt noch, aber vielleicht nicht mehr allzu lange. So ist es nun einmal mit dem Brauchtum entlegener Völkerschaften — kaum hat man sie entdeckt und beginnt sie zu erforschen, da ergreift auch schon die moderne Zeit von ihnen Besitz, und alles wird anders.
Die Wiener ÖVP sucht einen Ausweg aus der ebenso ungeliebten wie en suite gespielten Rolle des „ewigen Verlierers“. Nicht zuletzt eine Personaldiskussion, die von außen über die Wiener Parteiorganisation wie eine Sturzwelle hereinbrach, hat die Erkenntnis besdileunigt, daß keine Personaldebatte notwendig ist — wohl eine Lösung der dahinterstehenden Sachprobleme. Der Landesparteirat, der am 18. September Zusammentritt, soll in drei Projektgruppen (Strategie und Organisation, Bildung und Schulung, Öffentlichkeitsarbeit) nunmehr neue Richtlinien für die künftige Parteiarbeit festlegen.
Eine gewisse Eskalation im Demokratisierungsprozeß der Kandidatenauslese findet gegenwärtig zwischen steirischer ÖVP und steirischen Sozialisten statt. Beide Parteien ver-antalten Vorwahlen, wobei die SPÖ die vier Wahlkreise als Basis heranzieht, während das Vorwahlmodell der ÖVP, seinen Vätern zufolge, „den Teilnehmern die reale Chance, Kandidaten zu beurteilen, die ihnen auch tatsächlich bekannt sind“, bieten will. Hier sind die kleineren politischen Einheiten der politischen Bezirke die Basis.Alle Modalitäten dieser Vorwahl deuten darauf hin, daß die Demokratisierung der
Eine Stehlampe, Jugendstil, Bemalung von Gustav Klimt, signiert ... zürn ersten, zum zweiten... Eine Lithographie von Utrillo... Eine Zeichnung von Kokoschka, ein Selbstporträt von Gustav Klimt, Kohle, Ausrufpreis 9000 Schilling, zum ersten, zum zweiten...Manchmal ist der Auktionssaal so voll, daß die Menschen auf den Stiegen stehen. Manchmal sind nicht einmal alle Sessel besetzt, vor allem an schönen Badesonntagen. Manchmal ist das städtische Sammlerpublikum, sind die Liebhaber unter sich. Manchmal, vor allem im Hochsommer, dominieren die Urlauber, die vom nahen Neusiedler See
Es war ein vierstündige“ Monsterspektakel im Hörfunk, ausgestrahlt über ö 1 und Linz-Regional. Und es war ein Staatsbegräbnis erster Klasse mit mehreren Leichen. Auf der Strecke blieb die Hoffnung, ein komplexes Problem, an dem sich nun einmal die öffentliche Meinung entzündet hat, in öffentlicher Diskussion wenn schon nicht klären, so doch wenigstens um ein Jota durchsichtiger machen zu können. Auf der Strecke blieben Ratio und Toleranz. Auf der Strecke blieb aber auch die naive Illusion, öffentliche Meinung sei dort, wo sie sich ohne Zutun der Medien spontan entzündet, eo ipso
Die von den Donaustaaten gemeinsam festgesetzten Frachttarife haben Tücken, die vor allem die westlichen Donaustaaten, hier in erster Linie Österreich, treffen Denn die Frachttarife auf der Donau, die auf dem Abkommen von Bratislava beruhen, wurden seit 1956 nicht mehr korrigiert. Das bedeutet, daß sie auf einem Stand eingefroren sind, der den heutigen wirtschaftlichen Gegebenheiten in keiner Weise mehr entspricht.Der Präsident des österreichischen Kanal- und Schiffahrtsvereines, der ehemalige Bautenminister Kotzina, kam — als Ergebnis einer mehrtägigen, auf der „Theodor Körner“
Bürgermeister Gratz macht augenblicklich die entmutigende Erfahrung, daß eine gesetzliche Neuregelung genau jene Zustände provozieren kann, zu deren Verhinderung sie geschaffen werden soll. Denn offensichtlich hat gerade die Angst vieler Hausbesitzer beziehungsweise potentieller Häuiserabbrecher, es könnte künftig allzu schwierig, nämlich kostspielig sein, die Mieter von zum Abbruch bestimmten Althäusern loszuwerden, zu einer wahren Hektik des Abbruchs im Wiener Häuserbestand geführt.Während noch im Jahr 1971 in Wien in nur drei Fällen die Mieter von Objekten wegen deren
Alle Experten sind sich darüber einig, daß die Neuerrichtung eines Krankenhausnetzes für sieben bis acht Millionen Menschen „auf der grünen Wiese“, sprich ohne Rücksicht auf Vorhandenes, in mancher Hinsicht leichter zu organisieren wäre als eine Umstrukturierung des gewachsenen österreichischen Krankenhaussystems mit allen seinen Vorzügen und Mängeln. Leider treten dessen Vorzüge mehr und mehr in den Hinter-, seine Mängel hingegen in den Vordergrund. Jetzt wird wieder einmal reformiert — und wieder einmal werden einige der drängendsten Probleme nach bewährtem Rezept ausgespart.
Österreichs Bauern wurden seit dem „Oktoberkrieg“ selbstbewußter. Sie sehen erstmals seit vielen Jahren, eigentlich seit der unmittelbaren Nachkriegszeit, eine Chance, ihr Image bei einem Großteil der städtischen Konsumenten zu verändern. Erschienen sie noch vor wenigen Monaten vielen Städtern nur als lästige Verhinderer billiger Agrar-importe, denen man allenfalls noch Funktionen als Landschaftsbewah-rer und Lieferanten von Urlaubsromantik zuerkannte, so wollen sie nun wieder als die Garanten des Überlebens in Krisensituationen, die man heute wieder für möglich hält, gesehen
Das Thema der innerparteilichen Demokratie, an dem der SPÖ-Par-teitag souverän vorbeiging, könnte den Parteitag der ÖVP in weit stärkerem Maße beschäftigen — nicht nur als logische Konsequenz jeder Personaldebatte (und die Personaldebatte ist in der großen Oppositionspartei nun einmal unter nicht besonders schönen Begleitumständen aufgebrochen), sondern auch deshalb, weil die ÖVP als erste österreichische Partei mit einer der wichtigsten Komponenten innerparteilicher Demokratie, den Vorwahlen, zu experimentieren begann.Unter den gegebenen Umständen wäre ein Zurückschalten auf
Ein Vorgehen, das der Regierungs-portei dort, wo es diskutabel gewesen wäre, nicht recht war, erschien ihr dort, wo es keineswegs am Platz war, offenbar billig: die widmungswidrige Verwendung zweckgebundener Mittel. Die „Umwidmung“ von Mitteln aus der Bundesmineralöl-steuer, die zwar für den Straßenbau zu verwenden wären, aber in einer Zeit erhöhter Infragestellung des Automobils nach der Vorstellung zahlreicher Verkehrsfachleute zum Teil auch für den Ausbau leistungsfähiger Massenverkehrsmittel eingesetzt werden sollten, scheiterte am Widerstand der Kraftfahrer-Organisationen und
Eines Morgens erwachte Österreich und war um einige Milliarden Schilling ärmer. Denn mit einem Federstrich wurde ein wesentlicher Teil des Anlagevermögens in diesem Lande abgewertet — und zwar Österreichs Bestand an Kraftfahrzeugen. Natürlich merkt der einzelne Autofahrer zunächst nichts davon. Sein Auto sieht so aus wie bisher, fährt so wie bisher und kostet, wenn er es neu anschafft, auch keineswegs weniger. Erleidet er aber einen Totalschaden, so zahlt ihm entweder die eigene Vollkaskoversicherung (falls er eine solche hat) oder aber die gegnerische Haftpflichtversicherung (falls
Um Frau Dr. Mila Kars, die Wiens praktische Ärzte als „demoralisiert“ bezeichnet hat, weil sie die Alten dieser Stadt hilflos sterben lassen würden, ist — wenigstens vorübergehend — Ruhe eingetreten. Eine kurze Spanne, wenige Tage lang, schien die Attacke der nach langjähriger Abwesenheit nach Wien zurückgekehrten und in die Dienste der Gemeinde Wien eingetretenen Ärztin ein Fanal zu werden. Doch dann geriet das Ganze auf ein falsches, vom Standpunkt einiger Interessierter freilich allzu richtiges Geleise, indem sich die Erörterungen auf die Frage zuspitzten, ob Frau Dr. Kars
Noch vor wenigen Jahren konnte man hören und lesen, der Jumbo-Jet sei um mindestens ein Jahrzehnt zu früh eingesetzt worden. Heute verkehren auf immer mehr Langstrek-ken volle oder fast volle Jumbos. Der Luftverkehr hat in den letzten Jahren in einem Ausmaß zugenommen, das man vorher — in diesem Zeitraum — kaum für möglich gehalten hätte. Und er wird weiter wachsen — wobei der schärfste Konkurrenzkampf auf den am stärksten beflo-genen Routen, nämlich vor allem auf der Nordatlantikstrecke zwischenEuropa und den USA, stattfinden wird.Das Flugzeug hat hier das Passagierschiff total
Noch vor zehn, zwanzig Jahren hielt man es für das Beste, sie abzuschlagen und glatt zu verputzen. Seither besitzt Wien eine ganze Anzahl einst schöner, plötzlich disproportionierter Hausfass-aden des vorigen Jahrhunderts.In der Zwischenzeit hat man den Historismus schätzen gelernt. Dazu führte sowohl der zeitliche Abstand, der einen objektiveren Blick gestattet, als auch der Vergleich mit dem, was heute geschaffen wird — er fällt nicht gerade zugunsten des Heutigen aus. Denn der schwungvolle, optimistische Aufbruch zu den Ufern einer neuen Ästhetik ist längst — wieder einmal —
Außen eine Ruine, innen ein Klosett — in diesem Zustand befindet sich heute eines der wenigen in Wien noch vorhandenen Architekturzeugnisse einer Epoche, in der die Kunst den reinen Zweckbau als eine ihrer wesentlichen Aufgaben betrachtete, eines der frühen Beispiele für die Suche nach Lösungen, um rein technische Funktionen und Ästhetik zu integrieren, ohne das eine hinter dem anderen zu verstecken.Jetzt kann es allerdings nicht mehr lange dauern, bis das in Frage stehende Bauwerk tatsächlich jenesStadium erreicht haben wird, wo die Wiederherstellung illusorisch wäre. Das Bauwerk ist
Mit seiner Ankündigung, ab dem übernächsten Jahr werde in Österreich eine allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung von 100 Stundenkilometern eingeführt, hat Verkehrsminister Frühbauer einer Untersuchung vorgegriffen, deren Ausgang selbst ihm zu jenem Zeitpunkt noch nicht bekannt sein konnte.Beide großen Kraftfahrervereinigungen, der ÖAMTC ebenso wie der ARBO, sind in der Frage der Tempo-limitierung seit langer Zeit einer Meinung. Nämlich, daß eine so einschneidende Maßnahme nur dann vertretbar ist, wenn eine wissenschaftlich ernstzunehmende Studie unabhängiger Fachleute ihre Effizienz
Des einen Slowene ist des anderen „Tschusch“ — zu diesem Ergebnis gelangte eine Meinungsbefragung der Sozialwissenschaftlichen . Studiengesellschaft schon vor einiger Zeit, die den Zweck hatte, die Einstellung der Österreicher zu Minderheitenproblemen zu erkunden. Dabei erwies sich, daß die Österreicher in diesem Zusammenhang ein ausgezeichnetes Gewissen haben, denn fast 80 Prozent der Befragten fanden, es gehe den Minderheiten in Österreich besser oder mindestens ebensogut wie in anderen westeuropäischen Ländern. Aber es zeigte sich auch, daß dieÖsterreicher sehr wenig Grund zu
Was vom Himmel fällt und einst in großen Tonnen aufgefangen wurde, um damit die Wäsche besonders schön zu waschen, ist längst nicht mehr „weiches“, sprich an gelösten Stoffen armes Wasser. Regenwasser ist heute verdünnte Säure, und seine Wege über die Fassaden graben sich tief in zersetzten Sandstein.In allen Städten, und längst nicht nur in den großen, geht heute, längst nicht mehr langsam, aber sicher, sondern nur noch sicher, unersetzliche Bausubstanz zugrunde. Die wichtigsten Zerstörungsfaktoren sind die Abgase der Autos, die sich gerade dem Sandstein gegenüber besonders
Als Neo-Kameralistik qualifizierte ein satirisch gestimmter Beobachter den Regierungsstil von Frau Minister Leodolter, der nach einer einjährigen Pause des Viel-Redens, aber Wenig-Tuns in einen hektischen Aktionismus einmündete.